SPD-Wahlkampfknaller Investitionspflicht – nur oberflächlich betrachtet eine tolle Sache
So langsam kommen stückweise die Wahlkampfforderungen der SPD an den Tag. Im nun veröffentlichten 10-Punkte-Plan des Merkel-Herausforderers Martin Schulz nehmen „Zukunftsinvestitionen“ einen zentralen Punkt ein. Das ist gut so. Wäre nur nicht das Kleingedruckte. Schulz spricht zwar viel von Investitionen für mehr Gerechtigkeit, die er auf den Weg bringen will. Dummerweise soll dies jedoch streng nach Kassenlage geschehen. Und da die SPD sich standhaft weigert, über die Einführung einer Vermögenssteuer oder eine substantielle Erhöhung der Einkommensteuer die Kassenlage zu verbessern, sind die schönsten Versprechungen kaum das Papier wert, auf dem sie stehen. Eine Investitionspflicht ohne Finanzmittel ist nun einmal ziemlich sinnlos. Von Jens Berger.
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„Vorfahrt für Zukunftsinvestitionen!“ … so steht es an prominenter Stelle gleich zu Beginn des 10-Punkte-Plans von Martin Schulz. Geld für Forschung und Entwicklung, Investitionen in die digitale Zukunft, die Energiewende und Schiene und Straße. Ja, das klingt wirklich gut und es kommt sogar noch besser: Auch für Kitas, Schulen, Hochschulen, Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen soll der Bund nach den Vorstellungen der SPD deutlich mehr Geld in die Hand nehmen und den Kommunen über „flexible Lösungen“ unter die Arme greifen. Keine Frage, diese Forderungen sind wichtig und richtig und heben sich positiv von den schwarz-gelben Wunschträumen ab, bei denen „der Markt“ solche Dinge schon selbst regelt und der Staat dem Privatsektor nur nicht ins Handwerk pfuschen sollte.
Wenn man sich einmal die Bruttoanlageinvestitionsquote des öffentlichen Sektors anschaut, wird erst so richtig klar, wie düster die Lage in Deutschland ist. Deutschland investiert nicht nur viel weniger als der Rest des Euroraums, sondern auch deutlich weniger als andere moderne Volkswirtschaften wie die USA oder Großbritannien.
Investitionen des staatlichen Sektors sind dabei beileibe nicht nur Investitionen in die Zukunft oder Mittel zum Zweck für mehr Gerechtigkeit, sondern auch ein volkswirtschaftlicher Faktor – wird beispielsweise eine neue Schule gebaut, profitieren davon nicht nur die Schüler, sondern auch die neu eingestellten Lehrer und beispielsweise die Handwerksbetriebe, die die Investitionspläne in die Tat umsetzen. Lehrer und Handwerker haben mehr Geld in der Tasche, das sie ausgeben können, womit auch ganz automatisch der deutsche Exportüberschuss sinkt und der Euroraum stabiler wird. So schlägt der Staat mit Investitionen gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe.
Es könnte alles so schön sein, wenn die Schuldenbremse nicht wäre. Solange keine Notsituationen oder außergewöhnliche Wirtschaftseinbrüche erkennbar sind, darf der Bund nur so viel Geld ausgeben, wie er einnimmt. Und spätestens an dieser Stelle wird es auch heikel mit den Sonntagsreden, in denen mehr Investitionen gefordert werden. Da die Schuldenbremse verfassungsrechtlich verankert ist, ist auch die Höhe der faktischen und theoretischen Ausgaben direkt und mittelbar mit der Höhe der Staatseinnahmen verbunden. Alternativ müssten in anderen Ressorts Ausgaben gekürzt werden – aber das will die SPD in einem relevanten Maß ja nicht tun.
Wie will die SPD also das Problem der Finanzierbarkeit meistern? Die Antwort ist ebenso einfach wie deprimierend: gar nicht! Schwammig formuliert man lieber etwas von einer „Mindestdrehzahl“ für Investitionen, die neben der „Schuldenbremse“ in der „mittelfristigen Finanzplanung“ vorgesehen sein soll. 2016 hat der Bund 317,4 Milliarden Euro eingenommen und 311,2 Milliarden Euro ausgegeben – die Finanzierungsmasse, aus der die SPD ihr schön klingendes Investitionspaket finanzieren will, beträgt also 6,2 Milliarden Euro. Das sind gerade einmal zwei Promille des Bruttoinlandsproduktes, ein Tropfen auf dem heißen Stein, der noch nicht einmal im Ansatz ausreicht, um das deutsche Investitionsniveau auf einen internationalen Level anzuheben.
Aber das ist noch nicht alles. Der kleine Überschuss aus 2016 war ja nicht geplant und würde daher bei der Bemessung der Investitionsmittel nach SPD-Plan gar nicht berücksichtigt werden. Die SPD unterschlägt nämlich, dass die mittelfristige Finanzplanung des Bundes bereits heute auf eine „schwarze Null“ abgestimmt ist. Die prognostizierten mittelfristigen Ausgaben inkl. Investitionen sind also exakt so hoch wie die prognostizierten mittelfristigen Einnahmen. Für eine „Mindestdrehzahl“ ist da also gar kein Spielraum. Was die SPD mit viel Tamtam fordert, ist bereits heute Realität.
De facto verpflichtet sich die SPD lediglich, alles beim Alten zu lassen, also künftige Mehreinnahmen nicht zur Tilgung von Schulden, sondern für Investitionen zu verwenden. Das ist schon ok so, aber alles andere als ein großer Wurf. Eine Bedeutung hätte ein derartiges Zugeständnis lediglich dann, wenn der Bund seine Einnahmen signifikant steigern würde. Genau dies ist aber nicht der Fall. Die SPD weigert sich, eine Vermögenssteuer auch nur zu fordern und präsentiert ein Einkommensteuermodell, das man selbst sehr wohlwollend am ehesten als „lahm“ bezeichnen könnte. Man streicht ein wenig Belastungen für die mittleren Einkommensgruppen und erhöht die Belastungen für die obersten Einkommensgruppen minimal. Unter dem Strich werden kaum Mehreinnahmen zu verbuchen sein. Und so ist und bleibt es ein Rätsel, mit welchem Geld die SPD die geforderten Investitionen überhaupt finanzieren will. Für mich klingt die gesamte Forderung nach „Zukunftsinvestitionen“ daher auch nach einer leeren Versprechung – Wahlkampfgetöse ohne Hand und Fuß.