Reformen – eine sich verselbständigende, wahnhafte Debatte
Ursprünglich sollte heute im Vermittlungsausschuss entschieden werden, was mit den Reformgesetzen und der Absicht, die Steuerreform vorzuziehen, geschehen soll. Typisch für die Debatte: Wie diese Reformen unser Land voranbringen, wie sie tatsächlich Arbeitsplätze schaffen sollen, wird kaum mehr angesprochen. Albrecht Müller.
Es ist sehr viel Unvernunft in dieser Diskussion: die Opposition pokert um einen möglichst niedrigen Anteil von geplanter Neuverschuldung zur Finanzierung der Steuerreform. Sie missachtet dabei, dass die ersatzweise propagierten weiteren Streichungen bei den öffentlichen Haushalten genauso wie die Streichung von Subventionen in der jetzigen Situation nicht gerade konjunkturbelebend wirken. Das ist kein Plädoyer gegen die Streichung von unnötigen Subventionen und kein Plädoyer für das sorglose Ausgeben von Steuergeldern. Aber was in einer guten konjunkturellen Situation richtig und notwendig ist, das kann in einer rezessiven Phase verheerend wirken. An vielen Stellen werden sachlich und konjunkturell wichtige Ausgaben gestrichen; die Gemeinden streichen aller Orten wichtige Aufgaben zusammen; im Vermittlungsausschuss wird möglicherweise festgelegt, den Zuschuss des Bundes für den von den Ländern betriebenen ÖPNV zu kürzen; das ist ein Instrument, das in einigen Ländern zu einer beachtlichen Wiederbelebung des Öffentlichen Nahverkehrs geführt hat; in diese feste Zusage “hineinzuschneiden”, ist widersinnig. – Da passt vieles nicht zusammen.
Übrigens: Es wäre hilfreich, wenn die Meinungsführer unseres Landes gelegentlich lernen würden, was der Bundesfinanzminister anerkennenswerter Weise inzwischen gelernt hat: dass es einen großen Unterschied zwischen Sparabsicht und Sparerfolg gibt. Wer heute, in der heutigen Rezession, mehr sparen will, wird am Ende der Haushaltsperiode vermutlich weniger gespart haben als im Falle eines konjunkturbelebenden Haushaltsgebarens. Siehe dazu in der Rubrik “Veröffentlichungen der Herausgeber” einen Beitrag aus der Süddeutschen Zeitung vom 5. Dezember 2003.