Obama ist Merkel, Berlusconi & Co auf den Leim gegangen
Der gedruckte Spiegel bringt diese Woche „ein Protokoll der entscheidenden Sitzung“ beim Treffen der G20 in London. Die Hauptbotschaft dieses Protokolls: „Obama übernimmt erstmals Verantwortung für Finanzkrise“. So lautet auch die Überschrift über einem kurzen Bericht bei SpiegelOnline vom 4. April 2009 (siehe Anlage).
Präsident Obama ist damit auf ein wichtiges Element der Meinungsbildungsstrategie zumindest der deutschen Seite eingegangen. Angela Merkel, Peer Steinbrück und die Koalition insgesamt legen es erkennbar darauf an, zwei Botschaften ans Wahlvolk heran zu bringen. Erstens: die Krise kam aus den USA; sie hat uns zweitens völlig überrascht. Damit wird drittens vermittelt, dass die Regierenden dafür nicht verantwortlich sind, dass sie nichts mit den Milliardenhilfen zur Rettung der Banken zu tun haben und so weiter. Albrecht Müller.
Wir haben in den NachDenkSeiten diese Strategie schon mehrmals beschrieben und auch belegt, wie sehr die Verantwortlichen bei uns für die Auswüchse, für die Spekulationen, für die Wetten, die Kettenspiele und die anderen kriminelle Machenschaften auf den Finanzmärkten verantwortlich sind. Die USA haben einen beträchtlichen Teil, meinetwegen den größeren Teil zu dieser Krise beigetragen. Dafür aber quasi alleine die Verantwortung zu übernehmen, ist schon erstaunlich dumm.
Damit unterstützt Obama die Wiederwahlstrategie der herrschenden großen Koalition und vor allem der Bundeskanzlerin. Ob er das wirklich will?
Das Gelingen der Strategie der Abschiebung jeglicher Verantwortung von Seiten der bei uns Regierenden, wie es jetzt durch die Äußerung Obamas befördert wird, erklärt zu einem beachtlichen Teil auch den mangelnden Erfolg der Linken bei den aktuellen Umfragen. Die Krise schlägt sich wegen der geschickten Meinungsmachstrategie der Herrschenden und der Unterstützung durch den Spiegel und andere Medien nicht in Präferenzen für die Linkspartei und auch nicht für den linken Flügel der SPD nieder. Wenn die Regierenden nicht schuld sind, warum sollte man sie dann nicht unterstützen, zumal sie durch allerlei Aktivitäten und entsprechendes Gehabe signalisieren, wie aktiv sie sind und wie sehr sie uns retten wollen. Wenn die neoliberale Ideologie, wie sie von den Regierenden und auch von der oppositionellen FDP vertreten wird, nicht gescheitert ist, warum sollte man sich dann nicht ihnen zuwenden?!
Es gibt übrigens zurzeit auch im Netz Erklärungsversuche für den mangelnden Erfolg der Linken bei Umfragen, die die Elemente der Meinungsmache und die Cleverness der Meinungsbildungsstrategie der herrschenden Kreise nicht beachten. Sie suchen die Schuld allein bei der Linken selbst. Ich kenne solche Versuche aus der langen Zeit meines politischen Lebens. Das war immer so. Von Willy Brandt bis zu Andrea Ypsilanti. Sie waren schuld an allem, weil es ja die Kampagnen nicht gibt und es außerdem offenbar angenehm ist, über andere herzuziehen.
Beim aktuellen Vorgang ist einiges interessante noch zu erwähnen:
Zum einen: Das Protokoll stammt vermutlich von einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter der Bundeskanzlerin und/oder des Bundesfinanzministers. Vermutlich haben die Spiegelredakteure die Erstellung dieses Protokolls und seine Herausgabe mit dem Sprecher der Bundesregierung oder einem anderen Mitarbeiter der Bundesregierung vereinbart. Da die Quelle beim Begünstigten, also bei der Bundeskanzlerin und der Bundesregierung liegt, ist natürlich auch jegliche Einfärbung des Protokolls möglich. Es kann also sein, dass Obama die Äußerung nicht in der Undifferenziertheit getan hat. (Meine Versuche, mich dessen zu vergewissern, waren bisher nicht erfolgreich)
Zum anderen: der Spiegel-Bericht hat sich – wie mit Sicherheit beabsichtigt – sofort in anderen Äußerungen und Medien niedergeschlagen. Hier eine kleine Auswahl dazu:
Fazit: Obamas Äußerung liegt nicht im Interesse einer wirksamen Bekämpfung der Wirtschaftskrise. Denn der amerikanische Präsident bestärkt damit jene Kräfte, die bisher immer noch nicht verstanden haben, dass es dringend der massiven Intervention zur Stützung der Konjunktur bedarf. Der Sieg der Europäer bei der Abwehr solcher konjunkturpolitischer Maßnahmen wird sich als große Niederlage gerade auch Deutschlands herausstellen. Leider hat Obama mit seiner viel zu konzilianten Äußerung die dumpfe Unfähigkeit gerade der deutschen Politik zur makroökonomisch richtigen Politik bestätigt und verstärkt.
Anlage
SpiegelOnline vom 4.4.2009
GIPFELRUNDE
Obama übernimmt erstmals Verantwortung für Finanzkrise
US-Präsident Barack Obama hat die Staats- und Regierungschefs der G20 mit einem überraschenden Bekenntnis verblüfft: Die weltweite Finanzkrise habe ihren Ursprung in den USA gehabt, gestand er ein. Seine Amtskollegen reagierten begeistert.
Hamburg – Es stimme, dass die Krise in den USA begonnen habe, sagte Obama nach SPIEGEL-Informationen in der nichtöffentlichen Sitzung der G-20-Runde. Als Antwort auf einen Vorhalt von Italiens Premier Silvio Berlusconi erwiderte Obama: “Ich übernehme die Verantwortung, auch wenn ich damals noch gar nicht Präsident war.”
Seine Worte, das machte er in den folgenden Sätzen deutlich, beziehen sich aber auch auf die Zukunft. Es sei extrem wichtig, “dass wir jetzt wirklich vorankommen”, sagte er
Den japanische Premier Taro Aso beeindruckte das Eingeständnis derart, dass er im Kreis seiner Kollegen versicherte, er werde sich dem Vorschlag, den nächsten Gipfel in den USA abzuhalten, nicht mehr verschließen – “jetzt, da die USA Verantwortung übernommen haben”. Eigentlich wollte Aso selbst Gastgeber der nächsten Gipfelrunde der G20 sein.
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel war höchst erstaunt. Das Bekenntnis war das Erste, was sie Finanzminister Peer Steinbrück aus den Gesprächen berichtete. Obama erhielt von seinen Kollegen für die Rede Applaus.
Quelle: SpiegelOnline