Hinweise des Tages II

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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. G7-Finanzministertreffen: Attac kritisiert deutsche Exportüberschuss-Strategie
  2. Körzell: Lohnsteuerzahler und ihre Familien zielgenau entlasten
  3. In den Abgrund gekürzt
  4. Kanada will durchsetzbare Arbeitnehmerrechte in Ceta
  5. Fabian Fritzsche: Frankreich, der kranke Mann Europas?
  6. Pleite von DB-Konkurrent Locomore: Die Lüge vom Wettbewerb auf der Schiene
  7. Regierungskrise in Österreich: Europa muss damit rechnen, dass die FPÖ bald mitregiert
  8. Bundestags-Hack: Merkel und der schicke Bär
  9. Konzerne als Retter? – Das Geschäft mit der Entwicklungshilfe
  10. Erdogans Schnitt
  11. America has become so anti-innovation – it’s economic suicide
  12. Review: Michael Hudson’s “‘J’ is for Junk Economics”
  13. Rückkehrer sind willkommen
  14. Das “Twitter-Mädchen” im Syrienkrieg
  15. Ohne Schwarzweiß-Malerei geht gar nichts mehr
  16. Medienkrieg im Weißen Haus
  17. Das Letzte: “Putin wird jede Gelegenheit nutzen, um Deutschland zu destabilisieren”

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. G7-Finanzministertreffen: Attac kritisiert deutsche Exportüberschuss-Strategie
    Höhere Löhne, Investitionen in soziale und ökologische Infrastruktur und geringere Abgabenbelastung statt Freihandel!
    Anlässlich des heute beginnenden G7-Finanzministertreffens im italienischen Bari kritisiert Attac die Weigerung der Bundesregierung, eine Abkehr von der Exportüberschuss-Strategie einzuleiten, scharf. Notwendig ist eine Politik für gerechten Welthandel jenseits von aggressiver Exportorientierung und neoliberalem Freihandel.
    “Die Kritik des Internationalen Währungsfonds, des neuen französischen Präsidenten und der US-Regierung an der deutschen Exportüberschussstrategie ist – trotz unterschiedlicher Motive – völlig berechtigt. Die alleinigen Gewinner sind die Shareholder der deutschen Exportindustrie – alle anderen verlieren”, sagt Alexis Passadakis von Attac. “Die aggressive Orientierung auf Exportüberschüsse führt zur sozialen Spaltung der Gesellschaft: Die Reallöhne hierzulande stagnieren, die öffentlichen Ausgaben sind zu niedrig. Außerdem wird Arbeitslosigkeit ‘exportiert’. Die Ungleichgewichte der Handelsbilanzen verstärken die generelle weltwirtschaftliche Instabilität.”
    Quelle: attac

    Anmerkung André Tautenhahn: Auffallend ist, dass Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in den letzten Tagen die Tonlage geändert hat, in der Sache aber genauso stur bleibt. Hier eine kleine Auswahl an Schlagzeilen, mit denen offensichtlich positive Stimmung für den Finanzminister gemacht werden soll. Interessant dabei ist, dass Schäuble beispielsweise die Kritik am zu hohen Exportüberschuss inzwischen für berechtigt hält, aber nach wie vor behauptet, das Ganze hätte keine politischen Ursachen, sei also durch die Bundesregierung nicht beeinflussbar (siehe dazu weitere Anmerkung unseres Lesers J.A. unten). Bei den Investitionen greift er auf eine ähnliche Taktik zurück. Er räumt ein, dass mehr investiert werden müsse, die bereitgestellten Mittel aber gar nicht abflössen und die Bürokratie die Umsetzung verhindere, also wieder andere Schuld an einem Zustand seien, den aber die neoliberale Politik à la Schäuble erst verursacht hat.

    1. Schäuble: Ja, wir brauchen höhere Investitionen
      Quelle: FAZ
    2. Schäuble offen für Macrons radikale Euro-Zonen-Pläne
      Quelle: Welt Online
    3. Schäuble hält Exportüberschuss für zu hoch
      Quelle: Zeit Online

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Die deutsche Politik hat 25 Jahre lang und länger darauf hingearbeitet, die angeblich zu niedrige preisliche deutsche Wettbewerbsfähigkeit zu steigern: durch Senkung von Renten und Teilprivatisierung der Gesundheitsleistungen, durch die Kürzung des Arbeitslosengeldes und die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe, durch Kürzungen (“Lohnzurückhaltung”) bei den Öffentlich Beschäftigten, Deregulierung des Arbeitsmarktes und die Forcierung eines Niedriglohnsektors usw. etc. pp. Nachdem die Politik ihre Ziele erreicht hat, behauptet einer der Hauptschuldigen, “Allerdings habe der Überschuss keine politischen Ursachen.” Warum wird diese unverschämte Lüge kommentarlos abgedruckt?

  2. Körzell: Lohnsteuerzahler und ihre Familien zielgenau entlasten
    Bund, Länder, Gemeinden erwarten Steuermehreinnamen in Milliardenhöhe
    Laut der aktuellen Steuerschätzung können Bund, Länder und Gemeinden bis 2020 mit zusätzlichen Einnahmen in zweistelliger Milliardenhöhe rechnen. Doch ein “übergroßer Teil des Steueraufkommens” stamme aus Lohn- und Umsatzsteuer, kritisiert DGB-Vorstand Stefan Körzell. Er forderte deshalb “eine zielgenaue Entlastung der breiten Masse der Lohnsteuerzahler und ihrer Familien”, Reiche müssten stärker besteuert werden.
    „Die Steuermehreinnahmen sind nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seite sind die Ausgabenbedarfe der öffentlichen Hand: Der Investitionsstau in Städten und Gemeinden beträgt laut kfw-Kommunalpanel 2017 (wurde am Dienstag vorgestellt) inzwischen 126 Milliarden Euro. Der prozentuale Anstieg einzelner Steuerarten darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein übergroßer Teil des Steueraufkommens nach wie vor aus der Lohnsteuer und der Umsatzsteuer herrührt. Steuern mit starkem Bezug zu Gewinnen und Vermögen tragen immer noch zu wenig zur Finanzierung des Gemeinwesens bei.
    Quelle: DGB
  3. In den Abgrund gekürzt
    Griechische Gewerkschaften kündigen neue Proteste gegen die jüngsten von Berlin und Brüssel erzwungenen Kürzungsprogramme an. Nach harten Verhandlungen hat die griechische Regierung in der vergangenen Woche, um die notwendigen Gelder für die im Juli fällige Rückzahlung von Krediten zu erhalten, drakonischen Maßnahmen zustimmen müssen. So sollen Massenentlassungen erleichtert, das ohnehin auf nur zwölf Monate beschränkte Arbeitslosengeld gekappt und die Renten weiter reduziert werden – um bis zu 18 Prozent. Griechische Rentner hätten dann seit 2010 in etwa die Hälfte ihrer Einkommen verloren. Dies wiegt umso schwerer, als Langzeitarbeitslose in Griechenland keinerlei staatliche Beihilfen erhalten und komplett von der Unterstützung durch Angehörige abhängig sind; traditionell waren die Renten deshalb eine Art Sozialhilfeersatz. Auch wegen der Rentenkürzungen ist die extreme Armut in Griechenland massiv gestiegen: von 2,2 Prozent der Bevölkerung im Jahr 2009 auf 13,6 Prozent der Bevölkerung im Jahr 2016.Wird das aktuelle Streichungsprogramm durchgesetzt, ist eine weitere Verarmung absehbar.
    Quelle: German Foreign Policy

    Anmerkung unseres Lesers B.E.: Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Herr Schäuble ganz Griechenland auf einen sozialen und wirtschaftlichen Todesmarsch schickt. Wenn da bei den Griechen mal keine alten Erinnerungen hochkommen. Er sollte sich schämen. Aber das wäre eine Eigenschaft, die in den Verhaltensmustern der heutigen Politiker nicht mehr vorkommt.

  4. Kanada will durchsetzbare Arbeitnehmerrechte in Ceta
    In Freihandelsverhandlungen stellt sich die EU gerne als der Partner dar, der soziale Rechte in den Verträgen verankert. Bei Ceta scheint es aber umgekehrt zu sein: Kanada will etwas für Arbeitnehmer tun, Brüssel bremst.
    Kanada drängt darauf, die im Handelsvertrag Ceta mit der EU proklamierten Arbeitnehmerrechte durchsetzbar zu machen. Das betonte Handelsminister Francois-Philippe Champagne in einem Antwortbrief an einen EU-Abgeordneten. In der EU ist man offenbar von der Idee nicht begeistert. Linke und Gewerkschaften spüren Oberwasser.
    Der Minister schreibt, „Kanada hätte zugestimmt, durchsetzbare Arbeitsvorschriften in das Handels- und Arbeitskapitel von Ceta aufzunehmen“, aber das Ergebnis der Verhandlungen sei gewesen, dass man die Frage der Durchsetzbarkeit nochmals überprüfen und besprechen wolle, wenn Ceta in Kraft getreten ist. „Die kanadische Regierung ist bestrebt, so schnell wie möglich mit der EU und deren Mitgliedstaaten hierüber Gespräche aufzunehmen“, heißt es in dem Schreiben an Fabio De Masi (Die Linke).
    De Masi hatte Champagnes Vorgängerin Chrystia Freeland brieflich gefragt, ob die Behauptung des deutschen DGB-Vorstandsmitglieds Stefan Körzell stimme, dass es die EU-Kommission sei, und nicht die Kanadier, die beim Thema Arbeitnehmerrechte bremse. Während Freelands Nachfolger Champagne in dieser Frage eine sehr deutliche Antwort gab, wich er einer zweiten Frage De Masis aus: Ob Kanada bereit gewesen sei, auf spezielle Gerichte für Investorenklagen gegen Staaten zu verzichten?
    Quelle: Handelsblatt
  5. Fabian Fritzsche: Frankreich, der kranke Mann Europas?
    Nachdem Griechenland offenbar nicht mehr als Schreckgespenst für den Zusammenbruch des Euros taugt, Portugal auch nicht so recht in den Fokus rücken will und die spanische Wirtschaft kräftig expandiert, verteilt sich die mediale Aufmerksamkeit auf Italien und Frankreich. […]
    Nach Angaben der OECD arbeitet ein durchschnittlicher deutscher Erwerbstätiger allerdings lediglich 1371 Stunden im Jahr (2015; letzter Platz in der OECD), ein französischer Erwerbstätiger hingegen 1482 Stunden pro Jahr- das war der deutsche Durchschnitt im Jahr 1999. Angesichts der gesetzlich vorgeschriebenen 35-Stunden-Woche in Frankreich mag es überraschen, dass in Frankreich je Erwerbstätigem mehr gearbeitet wird, allerdings arbeiten in Deutschland weit mehr Menschen Teilzeit als in Frankreich. Würde es Frankreich schaffen, über eine andere Verteilung der Arbeit – ob das wünschenswert ist, sei hier dahingestellt – die Arbeitszeit je Erwerbstätigen auf deutsches Niveau zu senken, wäre die Arbeitslosenquote in Frankreich genauso niedrig wie derzeit in Deutschland.
    Und auch bei den BIP-Wachstumszahlen gibt es wenig Anhaltspunkte für systematische Unterschiede. Zwischen 1999 (also der Euro-Buchgeld-Einführung) und 2016 lag das durchschnittliche, reale Wirtschaftswachstum in Frankreich bei 1,5%, in Deutschland bei 1,3%. In den letzten Jahren liegt Deutschland etwas vor Frankreich, aber eine temporäre Wachstumsdifferenz von 0,4 Prozentpunkten sollte auch nicht überbewertet werden. […]
    Das alles soll nicht heißen, dass Frankreich keine Reformen benötigt. Ein durchschnittliches Wachstum zwischen 1% und 1,5% und eine Arbeitslosenquote von über 10% sind kaum befriedigend. Die deutschen Zahlen sind allerdings kaum oder nur scheinbar besser. Wenn in der Debatte also das eine Land als nahezu hoffnungsloser Fall, der die Eurozone zu Fall bringen kann und das andere Land als leuchtendes Vorbild dargestellt wird, wirkt das angesichts der Fakten einigermaßen bizarr.
    Quelle: WirtschaftsWunder
  6. Pleite von DB-Konkurrent Locomore: Die Lüge vom Wettbewerb auf der Schiene
    Die Pleite des Bahn-Startups Locomore zeigt: Konkurrenten der Deutschen Bahn haben keine Chance. Das liegt nicht an der tollen Leistung des Staatskonzerns, sondern an den zu hohen Kosten für die anderen. […]
    Die Gründe dafür sind vielfältig: Es fängt damit an, dass ein privater Konkurrent Züge braucht. Ausgemusterte Loks und Waggons sind allerdings gar nicht so leicht zu bekommen, dann müssen sie für viel Geld in Schuss gebracht und auch noch zugelassen werden. All das bindet viel Zeit und noch mehr Kapital.
    Auch die Betriebskosten sind hoch: Locomore hat es schätzungsweise rund 25.000 Euro gekostet, morgens einen Zug von Stuttgart nach Berlin zu schicken und nachmittags wieder zurück. Um die Ausgaben für Lok und Waggons, Personal und Strom sowie für die Benutzung der Trassen stemmen zu können, braucht es eine Menge Fahrgäste, die deutlich mehr zu zahlen bereit sind als für ein durchschnittliches Fernbusticket. […]
    Bleibt die Frage, ob es tatsächlich noch gelingen kann, für mehr Wettbewerb auf der Schiene zu sorgen. Die Antwort lautet: Ja, aber. Es kann gelingen, dafür muss die Politik sich aber von ihrer Verschleierungstaktik aus Sonntagsreden und Profitabilitätsfassade verabschieden und für echte strukturelle Veränderungen sorgen. Am Anfang des Prozesses muss die schmerzhafte Erkenntnis stehen, dass es Zeit ist, sich endlich ehrlich zu machen: Der Verkehr auf der Schiene ist nur dann wirtschaftlich darstellbar und somit für einen Markteinstieg privater Anbieter attraktiv, wenn die Kosten niedriger sind. Und das heißt aus Sicht des Bundes vor allem: Er muss die Infrastruktur kostenlos zur Verfügung stellen. Die sogenannten Trassengebühren, die Züge für die Benutzung zahlen müssen, summieren sich auf rund fünf Milliarden Euro pro Jahr. Angesichts eines Umsatzes aller Anbieter im Fern-, Regional- und Güterverkehr von rund 20 Milliarden Euro ist das eine beträchtliche Summe.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Wieder fällt einem nur die Kinnlade runter. “[Der Bund] muss die Infrastruktur (die Trassen) kostenlos zur Verfügung stellen.” Muss die Infrastruktur nicht von jemandem gepflegt und bezahlt werden? Wie refinanziert sie sich? Ach, der Steuerzahler soll die Milliarden für die Trassen bezahlen und private Unternehmen sich ‘ne goldene Nase verdienen? Dabei noch die Gewinnmargen der Deutschen Bahn weiter unter Druck setzen, bis die Bahn in Deutschland auf dem verlotterten Niveau von, sagen wir, Großbritannien angekommen ist? Sicher kein Wunder, dass in dem Artikel die geplante “Überführung” von Netz und Betrieb und Infrastruktur der Autobahnen, also die extrem teure Privatisierung, angepriesen wird. Und genauso eine Knalleridee wie die jahrzehntelange mantraartige “Senkung der Lohnnebenkosten”, ohne zu erklären, wer denn dann für Renten, Krankenversicherung und Arbeitslosengeld aufkommen soll. Der SPIEGEL ist und bleibt das Zentralorgan der Neoliberalen.

  7. Regierungskrise in Österreich: Europa muss damit rechnen, dass die FPÖ bald mitregiert
    Die Regierungskrise in Österreich verdüstert die Aussicht auf ein reformbereites, solidarisches Europa. Außenminister Kurz gilt als Hoffnungsträger, aber bisher ist er nicht viel mehr als eine Projektionsfläche. […]
    Diese Personalie bedeutet weit mehr als nur den Austausch von Köpfen in einer beschädigten, geschwächten Volkspartei in einem kleinen europäischen Land. Sie bedeutet in letzter Konsequenz, dass nach den nächsten Wahlen das bevorsteht, wovor sich viele in der EU fürchten: eine weitere rechtspopulistische Partei an der Macht in Europa.
    Was bei der Bundespräsidentenwahl in Österreich im Dezember, der Parlamentswahl in den Niederlanden im März und der Präsidentschaftswahl in Frankreich im Mai nicht eingetreten ist, ist nun einigermaßen realistisch. […]
    Der ehemalige Wirtschaftsminister Emmanuel Macron ist in Frankreich mit einem Programm angetreten, in dem er sozialliberale, wirtschaftsliberale und proeuropäische Positionen verknüpfte, er hat eine eigene Bewegung gegründet – und als Kandidat der Mitte gewonnen. Sebastian Kurz hat, wenn er antritt, keine Zeit mehr für eine Wahlplattform oder den Umbau der ÖVP. Er ist, aufgrund seiner harten Linie in der Grenzsicherungs- und Flüchtlingspolitik, erst einmal Kandidat der Hardliner, nicht der Mitte.
    Quelle: Süddeutsche

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Was meint die SZ eigentlich mit der “Aussicht auf ein reformbereites, solidarisches Europa”? “Reformen” für noch mehr “Wettbewerbsfähigkeit” und Kampf der Nationen untereinander? Wer von den Regierungen und der EU-Kommission tritt denn für eine “solidarische” oder gar eine soziale EU ein – ist die irgendwo angekündigt? Was für ein fragiles und hochnervöses Gebilde ist dieses “Europa” (die EU) überhaupt, das bei jeder demokratischen Wahl, und Wahlen kommen in einer Demokratie alle paar Jahre vor, kurz vor dem Zerfall steht? Und wie verschoben ist die Wahrnehmung der SZ, die Macron, einen harten Neoliberalen als “Kandidat der Mitte” verklärt? Warum hat die SZ im Vergleich Angst vor der FPÖ, die zwar in Migrationsfragen viel weiter rechts, in ihren wirtschaftspolitischen Ansichten “nur” in etwa so neoliberal ist wie Macron?

  8. Bundestags-Hack: Merkel und der schicke Bär
    Gut möglich, dass im Wahlkampf demnächst E-Mails der Kanzlerin auftauchen. Oder vertrauliche Dokumente aus dem Bundestag. Denn vor zwei Jahren spionierten Hacker wochenlang das Computernetzwerk des Parlaments aus. Wie sind sie vorgegangen? Rekonstruktion einer spektakulären Geheimdienstaktion
    Quelle: Zeit Online

    Anmerkung unseres Lesers D.S.: Die Zeit widmete dem Bundestagshack vorgestern 6-Seiten. Der Russe wars. Aber schauen wir mal auf die Beweise. Es wurde also das Tool XTunnel/X-Agent benutzt, das auch beim DNC zum Einsatz kam. Dieses wurde dort von CrowdStrike (und nur dieser privaten Firma) APT28 “FancyBear” zugeordnet. Jrnes wiederum soll Verbindungen zum russischen GRU haben. Wie kommt man darauf? Hacks geschehen in “typischen Arbeitszeiten in Moskaus Zeitzone”. Ich muss wohl nicht sagen, wie viele Städte dieser Definition ebenfalls entsprechen.
    Den viel verheerenderen Fehler haben Jeffrey Carr & insbesondere der Telekom Router Hack gezeigt. Carr ist IT-Experte und listet in seinen Artikeln die Fehler in Argumentationsketten zum “attribution game” bei Hacks auf. Lesenswert insbesondere die Artikel zu CrowdStrike . Wichtigster Punkt zu X-Agent? Der Source Code ist seit langem publik und kann somit nicht lapidar FancyBear zugeordnet werden. Als wäre das nicht genug, gab es dafür ein reales Szenario bei Routerhack der Telekom. Wir erinnern uns an die Hysterie. Hier war jedoch ein britischer Bürger der Einzeltäter dahinter. Erstaunlich, wie wenig Anklang das in den Medien fand.
    Last but not least haben alle diese Hacks gemein, dass die grenzenlose Inkompetenz der Regierungseinrichtungen offenbart wurde. Das BSI resümierte: “Bei der Ausbreitung im internen Netz setzten die Angreifer auf gängige Methoden und öffentlich verfügbare Tools, wie sie auch von weniger professionellen Tätern verwendet werden.” Die Bundestags IT schaffte es also nicht mal, das Netz gegen bekannte Bedrohungen (inkl Quellcode) abzusichern. Verständlich, dass man da mit dem Finger lieber auf Russland zeigt. Ich für meinen Teil freue ich mich auf den Inhalt der Mails vor Bundestagswahl.

  9. Konzerne als Retter? – Das Geschäft mit der Entwicklungshilfe
    Die staatliche Entwicklungshilfe setzt zunehmend auf die Privatwirtschaft. Nur sie könne effizient Armut und Hunger in der Welt bekämpfen. “Konzerne als Retter?” nimmt den Zuschauer mit nach Kenia, Sambia und Tansania, fragt, wie öffentlich-private Partnerschaften funktionieren und ob die Ärmsten der Armen von ihnen profitieren.
    Die Vereinten Nationen haben sich ehrgeizige Ziele gesetzt: Bis zum Jahr 2030 sollen Armut und Hunger weltweit beendet werden. Um das zu erreichen, setzt die staatliche Entwicklungshilfe zunehmend auf die Privatwirtschaft. Die öffentlichen Gelder seien knapp, zusätzliche Investitionen aus der Wirtschaft nötig, um sogenannte Hebeleffekte zu erzielen. Der Einsatz unternehmerischen Know-hows kreiere eine Win-win-Situation für alle Beteiligten, so die Befürworter des Trends aus Politik und Wirtschaft. Kritiker halten dagegen, dass das Einbeziehen von Konzernen in die Entwicklungshilfe eine Außenwirtschaftsförderung sei und nicht den Hungernden zugutekomme. Die Dokumentation analysiert die politischen Hintergründe öffentlich-privater Partnerschaften in der Entwicklungshilfe. Sie beleuchtet sieben unterschiedliche Modelle der Zusammenarbeit im Ernährungs- und Landwirtschaftssektor in Kenia, Sambia und Tansania: vom Versuch deutscher Unternehmen, die Produktivität kenianischer Kartoffelbauern zu steigern, bis hin zum Investmentfonds, der Entwicklungsgelder nutzt, um mit gigantischen Soja- und Maisplantagen Rendite für Anleger in Deutschland zu erzielen. Der aufwendig recherchierte Film zeigt den Missbrauch staatlicher Entwicklungsgelder durch die Industrie auf und macht den Grundkonflikt zwischen industrieller und kleinbäuerlicher Landwirtschaft deutlich. Ist die Zusammenarbeit von privat und Staat in der Entwicklungszusammenarbeit möglich, so dass die lokale Bevölkerung auch wirklich von ihr profitiert?
    Quelle: arte.tv
  10. Erdogans Schnitt
    Die Bundesregierung befindet sich in Verhandlungen über neue deutsch-türkische Rüstungsdeals. Dies bestätigt das Bundeswirtschaftsministerium. Demnach hat Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) mit dem Vorstandschef der Waffenschmiede Rheinmetall über die Nachrüstung türkischer Leopard-Kampfpanzer gesprochen. Solche Geschäfte mit NATO-Partnern seien “grundsätzlich nicht zu beschränken”, heißt es in Berlin. Parallel bemüht sich die Bundesregierung, die deutsch-türkische Wirtschaftskooperation wieder zu intensivieren. Ziel ist es, die bilateralen Beziehungen zu stärken, um die “Brückenfunktion” nach Nah- und Mittelost, die die Türkei für Deutschland und die EU ausübt, nicht zu verlieren. Ankara ist unter Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan dabei, das Land nicht nur ökonomisch zu stärken und es auf lange Sicht zu einer der zehn größten Volkswirtschaften der Welt zu machen (“Vision 2023). Erdogan sucht die Türkei zudem in eine eigenständige Regionalmacht zu transformieren, die Bündnisse ganz nach ihrem Bedarf schließt und nicht mehr von den westlichen Staaten abhängig ist. Die außenpolitische Neupositionierung des Landes geht mit seinem Umbau in eine Präsidialdiktatur einher.
    Quelle: German Foreign Policy
  11. America has become so anti-innovation – it’s economic suicide
    If you’ve used the internet at any point in the past few weeks, you’ve probably heard of Juicero. Juicero is a San Francisco-based company that sells a $400 juicer. Here’s how it works: you plug in a pre-sold packet of diced fruits and vegetables, and the machine transforms it into juice. But it turns out you don’t actually need the machine to make the juice. On 19 April, Bloomberg News reported that you can squeeze the packets by hand and get the same result. It’s even faster. […]
    These phenomena might seem worlds apart, but they’re intimately connected. Innovation drives economic growth. It boosts productivity, making it possible to create more wealth with less labor. When economies don’t innovate, the result is stagnation, inequality, and the whole horizon of hopelessness that has come to define the lives of most working people today. Juicero isn’t just an entertaining bit of Silicon Valley stupidity. It’s the sign of a country committing economic suicide.
    Quelle: The Guardian
  12. Review: Michael Hudson’s “‘J’ is for Junk Economics”
    Michael’s book, J is for Junk Economics, reads like an economic thriller. It also provides all the answers to: “What I always wanted to know about Economics, but was afraid to ask”. It is a fascinating read, written for ‘experts’ as well as for economic novices. It is a factual account of what so called ‘Propaganda Experts’ want you to believe about economics, and it dismantles the myths. It explains ‘jargons’ that are on purpose coined, so that the average reader has no clue of their real meaning, but they create an illusion that supposedly serves him. When in reality, the invented and fake expressions make the believers into serfs – serfs to the very system they adore and believe it’s freedom. Michael’s book explains, what those economic manipulator ‘experts’ do not want you to understand.
    Quelle: Couterpunch
  13. Rückkehrer sind willkommen
    Seit dem Wochenende ziehen Kämpfer aus dem Damaszener Vorort Barzeh ab, die ihre Waffen nicht niederlegen wollen. Ihr Ziel ist ein Gebiet im Norden Syriens, das unter der Kontrolle bewaffneter Gruppen steht. Einige Familienangehörige begleiten sie, der Transport wird mit Bussen organisiert. Doch andere Kämpfer geben ihre Waffen ab und werden in ein staatliches Amnestieprogramm aufgenommen. So konnte auch in anderen Vororten von Damaskus, wie in Daraya oder Moadamiya ein Ende der Gewalt erreicht werden. Die Amnestierten und ihre Familien hoffen, ihr früheres Leben wieder aufnehmen zu können. Einige von ihnen werden vorübergehend in dem Ort Herjalla (Damaskus) untergebracht, wo 1500 Wohneinheiten in Form von Bungalows gebaut wurden. Hier leben die Familien, bis die Unterlagen der Männer geklärt sind, um dann ihr eigenes Leben wieder zu organisieren.
    Eine seit Ende 2015 verhandelte und immer wieder blockierte Vereinbarung wird seit Mitte März auch in der Satellitenstadt Al Waer (Homs) umgesetzt. Etwa einmal pro Woche bringen Busse die Kämpfer, die ihre Waffen nicht abgeben wollen, in die nordsyrische Stadt Jarabulus an der Grenze zur Türkei. Der Ort wird von türkischen Truppen und mit der Türkei verbündeten Rebellengruppen kontrolliert, wo die Kämpfer sich offenbar sicher fühlen. Mit ihnen reisen ihre Familien ab, Frauen, Kinder und alte Leute, die mit Sorge und Skepsis in die Zukunft sehen. Gesichert wird der Abzug von syrischer und russischer Militärpolizei. Der Syrisch Arabische Rote Halbmond (SARC) betreut und hilft den Abreisenden. Die Mitglieder des Homser Versöhnungskomitees sorgen dafür, dass alle Punkte der Vereinbarung eingehalten werden.
    Quelle: Karin Leukefeld auf Neues Deutschland
  14. Das “Twitter-Mädchen” im Syrienkrieg
    Fata Morganas aus 1000 und einer Nachtschicht
    Bei der Rollenverteilung in Gut und Böse greifen erfahrene Spindoctors gerne auf kleine Mädchen zurück, die zuverlässig Sympathien für die leidende Partei und Hass auf die denunzierte Partei liefern (vgl. Geleaktes CIA-Dokument belegt Kriegspropaganda – Junge Mädchen in der politischen Propaganda). […]
    Auch im Syrien-Konflikt, wo die Einteilung in Gut und Böse mangels Guten eigentlich gar nicht möglich ist, tauchen schon mal kleine Mädchen auf, um dem Publikum das Feindbild zu weisen. So machte im Dezember 2016 ein tapferes kleines Mädchen in Social Media die Runde, das in Aleppo zwischen dort liegenden Leichen irrte. Das scheinbar aktuelle Foto entstand jedoch bereits 2014 im Libanon – und stammt aus einem inszenierten Videoclip der libanesischen Sängerin Hiba Tawaji über den Arabischen Frühling. Die “Leichen” waren so tot wie Nayiras “Babys” echt.
    Quelle: Telepolis
  15. Ohne Schwarzweiß-Malerei geht gar nichts mehr
    Wer Gutes über Russland berichtet, gilt als “Putinversteher”. Wer Probleme der Europäischen Union anspricht, wird zum “Europafeind”. Und zum “Globalisierungsgegner”, wer globale Missstände anprangert. Schriftsteller Bodo Morshäuser über Kampfbegriffe des Mainstream.
    Nach dem Ende des Kalten Krieges wurde ein paar Jahre lang der Traum geträumt, das Zeitalter der Ideologien, Demagogie und Propaganda sei vorüber. Heute gehört diese Hoffnung der Vergangenheit an. Wir leben längst im nächsten ideologischen Zeitalter. Ohne Schwarzweiß-Malerei geht gar nichts mehr.
    Wenn gegen globale Missstände demonstriert wird, für die die neoliberale Auslegung der Globalisierung verantwortlich gemacht wird, hören solche Demonstranten oft, sie seien “Globalisierungsgegner”. Obwohl die Mehrheit nur eine andere Art von Globalisierung als die bestehende will, und nicht vorhat, ihre in China gefertigten iPhones wegzuwerfen. Mit der Titulierung “Globalisierungsgegner” soll genau dieser Veränderungswille bestritten werden.
    Oder wenn gesagt wird, die EU, so, wie sie besteht, bringe zu viele Probleme und müsse verändert werden, kommt es häufig vor, dass selbsternannte “Pro-Europäer” rufen, diese Kritiker seien “Europagegner” oder “Europafeinde”. Obwohl Veränderungen der EU aus Sorge um ihren Weiterbestand gefordert werden. Aber genau das soll mit solchen Kampfbegriffen in Zweifel gezogen werden. Übrigens abgesehen davon, dass die EU nicht Europa ist.
    Quelle: Deutschlandfunk Kultur
  16. Medienkrieg im Weißen Haus
    Der russische Tass-Fotograf Alexandr Scherbak hat sich mittlerweile auch in die Debatte eingeschaltet. Er schreibt, die US-Medien sollten sich beruhigen, es sei nichts Ungewöhnliches geschehen. Er sei von einem US-Vertreter ins Weiße Haus begleitet und genau kontrolliert worden. Er habe sein Smartphone nicht in das Oval Office mitgenommen und sei dort ztusammen mit einer Fotografin des Weißen Hauses gewesen:

    There was nothing unusual about the photoshoot with Trump and Lavrov. Everything was typical. After the meeting with Tillerson I was taken by a US representative to the White House. I was scanned, patted down, and then sniffed by canines. Then I was waiting for the arrival of our delegation in a room in the White House. I was introduced to a female photographer who works there and was told to stay by her side as she knows all the protocol details. I took only two cameras to the photoshoot, I left all my stuff, including my cellphone, in another room as I was told to do.

    Das klingt dann doch schon symmetrischer und würde bedeuten, dass das Weiße Haus schlicht keine Bilder vom Treffen veröffentlichen wollte. Lawrow betonte nach dem Treffen, dass sich die Beziehungen zwischen Russland und den USA während der Obama-Regierung verschlechtert hätten, während Trump nun gesagt habe, sie zu verbessern und nach Lösungen von Konflikten zu suchen. In Syrien sei es zu Übereinstimmungen im Konzept der Sicherheitszonen gekommen. Das aber interessiert die Trump-kritischen US-Medien kaum, die den Bilderkrieg schüren oder womöglich verhindern wollen, dass es zu einer Annäherung der amerikanischen Regierung mit dem ausgemachten Bösen kommt.
    Quelle: Telepolis

  17. Das Letzte: “Putin wird jede Gelegenheit nutzen, um Deutschland zu destabilisieren”
    Garri Kasparow ist einer der wichtigsten russischen Oppositionellen, der nicht im Gefängnis sitzt oder ermordet wurde. Im Interview mit t-online.de warnt der Ex-Schachweltmeister vor einer Einflussnahme Putins auf die Wahl im September. Angela Merkel sei der “Kern der europäischen Einheit gegen Russland”.
    Quelle: T-Online

    Anmerkung unseres Lesers H.H.: Das ist der erste Absatz eines “journalistischen Interviews”, das komplett faktenfrei ist, keinerlei Belege für Kasparows krude Thesen enthält und ihm im Prinzip nur eine Bühne für seine Russlandhetze im Allgemeinen und Putin-Hetze im Besonderen bietet. Man gewinnt den Eindruck, dass die Agitation, um Putin und Russland in den Dreck zu ziehen, angesichts der gegenteiligen Meinung des Großteils der deutschen Bevölkerung immer hysterischer und schizophrener wird.

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