Hornberger Schießen
Da werden von Müntefering, Steinbrück über Merkel bis hinauf zum Bundespräsidenten die „übertriebenen Managergehälter“ gegeißelt. Der EZB-Chef Trichet, Politiker, Kirchenleute, ja selbst Unternehmer warfen sich in Pose und beklagen die sich öffnende Schere zwischen Manager- und Durchschnittsgehältern und da wird vor dem Koalitionsausschuss ein großes Getöse gemacht. Herausgekommen ist fast nichts. Vor allem CDU/CSU müssen wohl ihre Geldspender und Unterstützer in den Chefetagen gerade in Wahlkampfzeiten bei Laune halten und blockierten jede Regelung, die die Obszönitäten bei der Selbstbedienung der Manager einschränken könnten. Wolfgang Lieb
Die Debatte um die Managergehälter wird von vielen Managern und ihren Lautsprechern oft als eine für Deutschland typische „Neiddebatte“ abgetan. Dabei dürften Neid und Missgunst im Wesentlichen nur unter den Einkommensmillionären selbst herrschen. Für die Managerkaste ist die Höhe ihrer Vergütung schon längst keine Frage ihres „Verdienstes“ mehr, sondern allenfalls ein Prestigewert zur eigenen Selbstbeweihräucherung. Ein Normalverdiener kann sich gar nicht vorstellen, was ein Millionengehalt überhaupt bedeutet. Er kann gar nicht ausrechnen, wie viele Jahrzehnte er arbeiten muss, um auch nur ein einziges Jahreseinkommen eines Top-Managers zu verdienen. Nein, wenn wir überhaupt die Unterschiede zwischen Manager- und Durchschnittsgehältern an moralischen Kategorien messen, so an der Frage der Gerechtigkeit – oder ökonomisch gesprochen an der Leistungsgerechtigkeit.
Sind die Leistungen der Manager tatsächlich um so viel mehr gestiegen, dass sie im Vergleich zum Durchschnittsgehalt der Beschäftigten im Jahr 1987 noch das 14-fache, im Jahre 2006 aber das 44-fache betrugen. Einschließlich Aktienoptionen beträgt das Verhältnis bei der Telekom 47, bei Siemens 59, bei Volkswagen 61, bei Lufthansa 94.
Sind Manager japanischer Automobilkonzerne etwa schlechter als ihre deutschen Pendants? „Dort verdient der Chef nur ungefähr das Zwanzigfache eines Arbeiters“, darauf wies sogar die Kanzlerin hin.
Die konservative Tageszeitung „Die Welt“, der man gewiss nicht nachsagen kann, sie hätte ein Interesse daran, eine Neiddebatte zu schüren, hat dankenswerterweise einmal das Einkommen von 27 sog. Topmanagern aufgelistet.
Das Top-Gehalt bezieht danach Porsche-Chef Wendelin Wiedeking mit einem in Branchenkreisen geschätzten Jahreseinkommen von 60 Millionen Euro. Bei den Dax-Managern führt Josef Ackermann, der Chef der Deutschen Bank, mit knapp 14 Millionen Euro im Jahr 2007 die Liste an. Der Siemens-Boss Peter Löscher habe laut Unternehmensberatung Towers Perrin ein Jahreseinkommen von 11,5 Millionen Euro. Daimler-Chef Dieter Zetsche soll im vergangenen Jahr 10 Millionen Euro in bar oder in Form von virtuellen Aktien erhalten haben.
Es folgen Karl-Ludwig Kley vom Pharmariesen Merck mit 8,6 Millionen, Linde-Chef Wolfgang Reitzle mit rund 8 Millionen Euro. E.on-Chef Wulf Bernotat mit 5,3 Millionen Euro, der Chef von BASF, Jürgen Hambrecht bekam 2007 5,2 Millionen Euro, er steigerte damit sein Gehalt im Vergleich zum Vorjahr um 25,8 (!) Prozent. Der Vorstandsvorsitzende des Chemie- und Pharmakonzerns Bayer, Werner Wenning, verdiente 2007 mit 4,4 Millionen Euro rund 28 (!) Prozent mehr als im Vorjahr. Der Chef von TUI, Michael Frenzel, steigerte sein Einkommen 2007 im Vergleich zum Vorjahr gar um 124,2 (!) Prozent und kam auf 4,5 Millionen Euro.
Besonders delikat: 6,1 Millionen Euro bekam Klaus Kleinfeld von Siemens dafür zugeschoben, dass er seinen Job im Verlauf der Schmiergeldaffäre beim Elektrokonzern verlor.
Usw. usf., es ist ganz interessant die übrigen Zahlen einmal nachzulesen.
Was oftmals noch nicht einmal einberechnet ist, das sind die Boni und vor allem noch die in zukünftig erfolgenden Abfindungszahlungen oder Ruhestandsbezüge nebst kleinen Vergünstigungen, wie Büro, Sekretariat, Dienstwagen und Fahrer etc.
Beschwichtigend wird immer wieder angeführt, dass die Top-Manager ja gar nicht nach Leistung, sondern im Wettbewerb unter ihresgleichen bepreist werden. Zum Vergleich werden dann meist Manager- oder Investmentbankergehälter in den USA oder England herangezogen. Einmal abgesehen davon, dass es eine Internationalisierung des Spitzenmanagements real gar nicht gibt (Michael Hartmann, Elitesoziologie), meiden deutsche Manager tatsächlich eher das Ausland. „Nur 17 Prozent der deutschen Führungskräfte setzen sich mit dem Gedanken auseinander, eines Tages im Ausland zu arbeiten. Das ergab eine Befragung von 1000 Managern durch die Freiburger Unternehmensberatung Saaman. Gleichzeitig weisen 82 Prozent der deutschen Führungskräfte den Gedanken an einen Wechsel über die Grenze von sich“, schreibt etwa die FAZ.
In Wirklichkeit findet eine solche Abwanderung auch gar nicht statt, „denn sehr begehrt sind deutsche Vorstände im hochbezahlten Ausland überhaupt nicht – das Land verlassen hingegen ganz andere, die eher der Mittelschicht angehören: junge und hochtalentierte Wissenschaftler, Informatiker und Ingenieure.“
Jedenfalls ist bis auf wenige Einzelfälle (etwa der gechasste Siemens-Chef Kleinfeld) kaum ein deutscher Topmanager in die USA oder nach Großbritannien abgeworben worden.
Es untergrabe das Vertrauen in das soziale Gleichgewicht des Landes, wenn ein Abschied vergoldet werde, sagte die Kanzlerin noch im Dezember 2008 auf dem CDU-Parteitag in Hannover. „Liebe Aufsichtsräte, glauben Sie, Ihre Mitarbeiter lesen keine Zeitungen oder beherrschen die Grundrechenarten nicht?“, fragte die CDU-Vorsitzende Angela Merkel rhetorisch. Solche «Exzesse, Übertreibungen und Unwuchten» würden die Grundlage des Wirtschaftssystems bedrohen, meinte Finanzminister Peer Steinbrück. “Die Tatsache, dass es in Deutschland sittenwidrig niedrige und sittenwidrige hohe Gehälter gibt, kann so nicht bleiben”, polterte Müntefering.
Die explodierenden Managergehälter waren ein beliebtes Thema für Politiker aller Couleur, um sich publikumswirksam in die Robin-Hood-Pose zu werfen und sich als Vorkämpfer für soziale Gerechtigkeit zu profilieren, die angeblich den Reichen nehmen und den Armen geben wollen. Mehr als Populismus war das jedoch offenbar nicht. Das Getöse um die Begrenzung der Managergehälter ging aus wie das sprichwörtliche Hornberger Schießen.
Schon das Ergebnis der Arbeitsgruppe von Fachpolitikern von SPD und CDU vom Januar 2009 und der abgestimmte Gesetzentwurf aus dem Hause der Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) ließen den Mut vor den Managerthronen vermissen. Wenige Tage vor dem Koalitionsausschuss bliesen zwar Steinbrück und Steinmeier mit einem überraschend vorgelegten, gemeinsamen Papier [PDF – 149 KB] die Backen noch einmal ein wenig auf, und wetterten gegen „nicht leistungsgerechte Vergütungen“, doch im Koalitionsausschuss selbst ging ihnen offenbar die Luft aus. Statt selbst zu pfeifen, wurden sie von CDU und besonders von CSU zurückgepfiffen.
Nach dem im Koalitionsausschuss verabredeten Konzept für Spitzenverdiener sollen Manager ihre Aktienoptionen künftig frühestens nach vier statt bisher nach zwei Jahren einlösen können. Zudem soll der gesamte Aufsichtsrat und nicht nur ein kleiner Ausschuss über die Gehaltshöhe entscheiden, teilten die Fraktionschefs von Union und SPD, Volker Kauder und Peter Struck, am frühen Donnerstagmorgen nach siebenstündigen Beratungen des Koalitionsausschusses in Berlin mit.
Die Aufsichtsräte sollen verpflichtet werden, je nach wirtschaftlicher Lage des Unternehmens Vorstandsvergütungen zu kürzen. Geschieht dies nicht, sollen sie dafür haftbar gemacht werden. Auch die Vorschriften für den Wechsel vom Vorstand in den Aufsichtsrat will die Koalition verschärfen. Ansonsten hat man eine weitere gemeinsame Arbeitsgruppe aus Union und SPD beauftragt, weitere Vorschläge wie die Begrenzung der steuerlichen Absetzbarkeit von Vergütungen zu prüfen. Dazu gehöre auch die von der SPD geforderte Einführung einer Börsenumsatzsteuer, die die Union bislang ablehnt.
- Dass Aktienoptionen nun zwei Jahre später eingelöst werden dürfen, ändert nichts daran, dass auch künftig das undurchschaubare Geschäft mit dieser Zusatzhonorierung weiter betrieben werden kann. Mit den umfangreichen Aktienoptionspaketen, mit denen die Vorstände etwa bei Daimler-Chrysler über knapp 10 Prozent der Aktien des Unternehmens verfügten (Michael Hartmann) machen sich die Manager selbst zu wichtigen Aktionären. Die Bonusvergütungen als solche blieben unangetastet, so dass sich auch künftig das an den Börsenwerten ausgerichtete „Anreizsystem“ für die Manager nicht ändern wird. (Siehe zur Bedeutung der Börsennotierung für den Unternehmenserfolg Albrecht Müller) Noch nicht einmal zu einer Begrenzung der Aktienoptionen oder zur Einführung eines mehrjährigen Bonus-Malus Pools hat man sich durchgerungen. Geschweige denn dass auf solch Forderungen, wie sie etwa im Steinmeier/Steinbrück-Papier und vom DGB erhoben werden, eingegangen wurde, nämlich den § 76 des Aktiengesetzes so zu ändern sind, dass nicht nur die Interessen der Shareholder sonder auch die Interessen des Gemeinwohls und der Arbeitnehmer bei der Führung eines Unternehmens zu berücksichtigen sind. „Dass ausgerechnet die CDU das Gemeinwohl als Kernbegriff der sozialen Marktwirtschaft nicht in das Aktiengesetz schreiben will beweise, dass sie aus der Krise nichts gelernt habe und an der bisherigen verfehlten Art des Wirtschaftens nichts ändern wolle“, kritisiert das DGB-Vorstandsmitglied Dietmar Hexel.
- Dass nunmehr der gesamte Aufsichtsrat und nicht länger kleine Mauschelgremien über die Gehaltshöhe der Vorstände beschließen soll, nimmt zwar in Unternehmen mit Mitbestimmung auch die Arbeitnehmerbank in die Verantwortung, doch an der Mehrheit der Unternehmerseite ändert das nichts. Zwar ist damit ein Stück Transparenz gewonnen, doch die Erfahrungen der Vergangenheit (etwa bei Mannesmann) zeigte, dass auch die Gewerkschaftsseite kaum ernsthafte Widerstände gegen die von den Vorständen meist selbst vorgeschlagenen Vergütungen entgegensetzen konnte. Wie eine Haftung der Aufsichtsräte für zu großzügige Vergütungen aussehen sollte, steht in den Sternen
- Von einer Begrenzung der Managergehälter oder von einer Kappung der Boni, wie das etwa Barack Obama zumindest für staatlich gestützte Unternehmen vorsieht ist im Koalitions-„Kompromiss“ keine Rede mehr. Noch nicht einmal die von Angela Merkel ins Gespräch gebrachte Orientierung am japanischen Vorbild, wonach sich die Vergütung der Manager am zwanzigfachen des Durchschnittslohns der Mitarbeiter des Unternehmens ausrichten sollte, wurde in Erwägung gezogen.
- Nicht einmal verschärfte Regeln zur nachträglichen Kürzung der Vorstandsbezüge, wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens wesentlich verschlechtert haben (§87 II AktG), sind vorgesehen.
- Auch von einer Änderung des geltende Körperschaftsteuerrechts, das für Aufsichtsratsvergütungen derzeit bereits ein hälftiges Abzugsverbot vorsieht, auf Vorstandsgehälter und – abfindungen auszudehnen, soweit diese den Betrag von 1 Mio. € übersteigen – wie kurz zuvor noch von der SPD gefordert – ist nicht mehr die Rede. Dass es keinerlei Begrenzung der Abzugsfähigkeit der Managergehälter am Betriebsergebnis geben soll, ist für die Gemeinschaft der Steuerzahler besonders ärgerlich, mindern doch die Vorstandsgehälter die Steuerpflicht der Unternehmen und entziehen damit dem Fiskus Millionenbeträge.
- Weder ist der Verlust von Abfindungen bei schlechter Unternehmensführung oder wenigstens bei Entlassung von Managern wegen sonstiger Verfehlungen vorgesehen noch eine allgemeine Obergrenze für die „goldenen Fallschirme“.
- An eine höhere Besteuerung (über den Satz der sog. „Reichensteuer“ von 45 % hinaus) der Managergehälter (viele Top-Manager gehören zu den obersten 0,1 Prozent der Einkommensbezieher) mag man schon gar nicht mehr denken.
Auch die Bindung der Einkommenssteigerung der Manager an die prozentualen Lohnerhöhungen der Arbeitnehmer kommt nicht vor. Damit hätte sich das „Anreizsystem“ der Manager wenigstens ein Stück weit auch an den Einkommensinteressen der Mitarbeiter ausgerichtet.
Obwohl die SPD-Seite in der Koalitionsrunde ein weiteres Mal klein bei geben musste, zeigte sich Finanzminister Steinbrück mit der Einigung bei den Managergehältern „zufrieden“. Auch das Bedauern des SPD-Fraktionschefs Peter Struck hielt sich in Grenzen.
Im Gegensatz dazu sieht der CSU-Landesgruppenchef nach dem Koalitionsgespräch, obwohl sich die Union weitgehend durchgesetzt hat, „lange Schatten“ über der Großen Koalition.
Daran mag man ablesen, dass die Union nach der Bundestagswahl mit Macht auf eine schwarz-gelbe Koalition zustrebt. Die Lobeshymnen der SPD-Seite über ihre – selbst gemessen am eigenen Positionspapier – Niederlage im Koalitionsausschuss lassen sich nur so erklären, dass die SPD-Führung kein anderes Ziel mehr hat, als sich als (kleiner) Juniorpartner in eine erneute Große Koalition zu flüchten. So meinte denn auch der Parlamentarische Geschäftsführer Thomas Oppermann: “Wer jetzt das Ende der Großen Koalition beschwört, der irrt.”
Dass die SPD nun auch noch das Thema Managergehälter als Abgrenzung zu Union und FDP aus der Hand gegeben hat, belegt nur ein weiteres Mal, dass der angekündigte „Richtungswahlkampf“ von der SPD-Führung offenbar unter Preisgabe der eigenen Richtung geführt werden soll.