Wir haben ein Konjunkturproblem und einen total unausgewogenen Arbeitsmarkt
Die jetzt offenbar gewordenen wirtschaftlichen Probleme bei Opel, Karstadt, Spar, etc. werden gelegentlich umgedeutet in ein Problem der Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes, des Standort Deutschland. Die sozialstaatliche Ordnung einschließlich der Mitbestimmung wird zur Disposition gestellt. Die Arbeitnehmer und Gewerkschaften geraten nicht nur in den unmittelbar betroffenen Betrieben sondern auch in anderen unter Druck und sind zu Konzessionen bei Löhnen und Arbeitszeit gezwungen. Jedenfalls werden die kritischen Fälle zu Erpressungsversuchen genutzt.
Bei der Bewertung dieser Vorgänge wird übersehen, dass wir seit mindestens 12 Jahren ein gravierendes konjunkturelles Problem haben.
Ein kurzer, nicht nur einheitsbedingter Boom zwischen 1988 und 1991 wurde u.a. von der Bundesbank abgewürgt. Von 1992 bis heute haben wir gerade mal eine reale Wachstumsrate von 1,24% erreicht. Das liegt unterhalb der Zuwachsrate der Arbeitsproduktivität. Deshalb wuchs die Zahl der Arbeitlosen in dieser Zeit und die Arbeitnehmerseite geriet immer mehr unter Druck. Wir haben einen völlig unausgewogenen Arbeitsmarkt. Die Arbeitnehmerseite sitzt am kürzeren Hebel. Das bringt sie in die erkennbare Erpressungssituation.
Es folgen einige Daten zum besseren Verständnis der jetzigen Lage:
1. Auszug aus Tabelle A2 von A.M.:„Die Reformlüge“
Wachstum des realen Bruttoinlandsproduktes und Entwicklung der Arbeitslosenquote
BIP-Wachstum (real) | Arbeitslosenquote | |
---|---|---|
1970 | 5,0 | 0,7 |
1971 | 3,1 | 0,8 |
1972 | 4,3 | 1,1 |
1973 | 4,8 | 1,2 |
1974 | 0,2 Erste Ölpreisexplosion | 2,6 |
1975 | -1,3 Dagegen Einsatz verschiedener | 4,7 |
1976 | 5,3 !! Konjunkturprogramme | 4,6 |
1977 | 2,8 | 4,5 |
1978 | 3,0 | 4,3 |
1979 | 4,2 | 3,8 |
1980 | 1,0 | 3,8 |
1981 | 0,1 | 5,5 |
1982 | -0,9 | 7,5 |
1983 | 1,8 | 9,1 |
1984 | 2,8 | 9,1 |
1985 | 2,0 | 9,3 |
1986 | 2,3 | 9,0 |
1987 | 1,5 | 8,9 |
1988 | 3,7 Beginnender Aufschwung schon vor der | 8,7 |
1989 | 3,6 deutschen Vereinigung | 7,9 |
1990 | 5,7 !! | 7,2 |
1991 | 5,0 !! | 7,3 |
1992 | 2,2 Abwürgen des kleinen Booms u.a. mit | 8,5 |
1993 | -1,1 einer Diskonterhöhung von 2,9 auf 8,75 % | 9,8 |
1994 | 2,3 Abschwung bis heute. Durchschnittliche | 10,6 |
1995 | 1,7 reale Wachstumsrate von 1,24%. | 10,4 |
1996 | 0,8 | 11,5 |
1997 | 1,4 | 12,7 |
1998 | 2,0 | 12,3 |
1999 | 2,0 | 11,7 |
2000 | 2,9 | 10,7 |
2001 | 0,6 | 10,3 |
2002 | 0,2 | 10,8 |
2003 | -0,1 | 11,6 |
2. Indikatoren für die Ursachen unserer Schwierigkeiten:
- Durchschnittliche reale Wachstumsrate von 1992 bis 2003 gerade mal 1,24%.
- Die Bundesbank erhöhte bis 1992 den Diskontsatz von 2,9 auf 8,75% – der willentliche Abbruch einer guten Konjunktur.
- Die Lohn- und Gehaltssumme sank in den 90ern – um 2,2% netto und real.
- Die Exporte boomen, die Binnennachfrage ist miserabel.
- Die Kapazitätsauslastung im verarbeitenden Gewerbe sank von 87,3 in 1991 auf 82,4 in 9/2003
- Wachstumsverluste durch Nichtausnutzung der Kapazitäten pro Jahr: ca. 150 Mrd. Euro.
Wir haben ein Konjunkturproblem.
3. Nobelpreisträger Robert Solow
In der „Wirtschaftswoche“ vom 9.September 2004 auf die Frage nach den Perspektiven für Deutschland:
Die deutsche Wirtschaft schwächelt nun schon seit einer Dekade. Wenn ich ein Manager wäre, würde ich meine Produktion auch nicht ausweiten, solange die Märkte nicht erkennbar expandieren. Klar, Makropolitik beherrscht vermutlich niemand perfekt. Aber mir scheint offensichtlich: in Deutschland könnte man sie wesentlich besser machen.“