Hinweise der Woche

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Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lohnenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Frankreich
  2. Warum Populisten derzeit so erfolgreich sind
  3. Urteil vollstreckt: Michael Lüders ist “umstritten”
  4. „Alternative Fakten“ der Bundesregierung zur sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung im Armuts- und Reichtumsbericht 2017
  5. Armuts- und Reichtumsbericht: Die Originaldokumente zu Reichtum und Einfluss
  6. AfD
  7. Eine Mogelpackung – Die EU kann beim Thema Soziales nicht liefern
  8. Autobahnprivatisierung: Der Schlingerkurs der SPD
  9. Schlachtfeld Nahost – Krieg gegen den «Islamischen Staat»
  10. Die Faktenfinder der Tagesschau und die Russen: Fake News im Kreis

Vorbemerkung: Ursprünglich hatten wir geplant, in unserer Wochenübersicht auch auf die lohnenswertesten redaktionellen Beiträge der NachDenkSeiten zu verweisen. Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass eine dafür nötige Vorauswahl immer damit verbunden ist, Ihnen wichtige Beiträge vorzuenthalten. Daher möchten wir Ihnen raten, am Wochenende doch einfach die Zeit zu nutzen, um sich unsere Beiträge der letzten Wochen (noch einmal) anzuschauen. Vielleicht finden Sie dabei ja noch den einen oder anderen Artikel, den es sich zu lesen lohnt. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Frankreich
    1. Macron stärkt Le Pen
      Bei der Präsidentschaftswahl in Frankreich stehen mit Marine Le Pen und Emmanuel Macron, der unter Präsident François Hollande Wirtschaftsminister war, nun eine Rechtsextremistin und ein Vertreter des Systems, das das Aufkommen der Rechten in ganz Europa verursacht hat, im zweiten Wahlgang. Denn der Aufstieg des Front National in Frankreich hat seine Ursache im Versagen des Parti Socialiste (PS). »Wenn die Linke die Arbeiterklasse verneint, dann sucht diese sich einen neuen Repräsentanten«, hat der französische Soziologe Didier Eribon gesagt. »Politiker wie Macron haben Le Pen stark gemacht«, meint nicht nur Eribon, sondern auch der französische Schriftsteller Édouard Louis. »Sie gaben sich als Linke und haben lupenrein rechte Politik gemacht, die Banken unterstützt, das Parlament geschwächt.«
      Quelle: Oskar Lafontaine in junge Welt

      Dazu: Jung, smart, loyal
      “Ich mag es, den Dingen auf den Grund zu gehen und etwas zu bewegen. Und komplizierte Situationen”, sagte Macron im Sommer 2012. Da hatte er seinen hochdotierten Job beim Bankhaus Rothschild gerade gegen den als Wirtschaftsberater des Präsidenten eingetauscht. Sein Salär schmolz auf ein Zehntel dessen, was er bisher verdient hatte. Was Macron nicht groß kümmern musste. Bei Rothschild hatte er kurz zuvor eine der größten Übernahmen des Jahres begleitet, den Kauf einer Filiale des US-Pharmaunternehmens Pfizer durch den Schweizer Nahrungsmittelhersteller Nestlé für neun Milliarden Euro. Für Macron sprang eine siebenstellige Provision heraus. (…) “Diese Ernennung ist ein positives Signal für die Unternehmerschaft”, urteilt Guillaume Cairou, Vorsitzender des Netzwerks Club des Entrepreneurs. Macron habe wertvolle Erfahrungen in der Privatwirtschaft gesammelt und einen “Unternehmer-Spirit”. “Wir halten es für interessant, dass ein Mann mit solchen Qualifikationen und solchem Talent über die Relevanz und die Effizienz von Strukturreformen wachen wird, die Hindernisse für unsere Wettbewerbsfähigkeit aus dem Weg räumen sollen.”
      Quelle: Zeit Online

      Anmerkung Paul Schreyer: Dieser Artikel stammt aus dem Jahr 2014, als Macron gerade französischer Wirtschaftsminister geworden war. Dass ein Bankier, der noch vor kurzem beim Einfädeln einer Firmenübernahme Millionen verdiente, nun plötzlich als „unabhängiger“, „unparteiischer“ Anwalt der kleinen Leute gehandelt wird, erscheint ziemlich grotesk. Laut Spiegel wurde Macron „von der Demokratie hervorgebracht“ und verkörpert „den Bruch mit dem Establishment“. Ach so.

    2. Le Pen punktete bei Geringverdienern
      Die demographische Aufbereitung der Wahl in Frankreich zeigt, dass das Land gespalten ist
      Zwei Tage nach der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen in Frankreich gibt es ausführliche demographische Aufbereitungen der Wahlergebnisse vom Sonntag. Da die Ergebnisse aus Befragungen stammen, sind die Zahlen nicht immer identisch – das Bild, das sie vermitteln, ähnelt sich jedoch durchaus.
      Die Zahlen des Ipsos-Instituts zeigen unter anderem, dass Marine Le Pen in den Altersgruppen zwischen 35 und 49 und zwischen 50 und 59 Jahren mit 29 und 27 Prozent eine Mehrheit bekam. In der Altersgruppe zwischen 25 und 34 Jahren unterlag sie mit 24 zu 28 Prozent dem Ex-Banker Emanuel Macron, bei den Jungwählern zwischen 18 und 24 Jahren mit 21 zu 30 Prozent dem Linksnationalisten Jean-Luc Mélenchon. […]
      Die Erkenntnisse zu den Berufsgruppen gehen Hand in Hand mit denen zum Einkommen: In der Einkommensgruppe unter 1.250 Euro stimmten 32 Prozent für Le Pen und in der zwischen 1.250 und 2.000 Euro 29 Prozent. In der Einkommensgruppe zwischen 2.000 bis 3.000 Euro liegt dagegen der Soros-Schützling Macron mit 25 Prozent vorne, unter den Besserverdienern mit über 3.000 Euro wählte ihn sogar ein Drittel.
      Quelle: Telepolis

      Anmerkung Jens Berger: Bei den Jungwählern lag Jean-Luc Melénchon an erster Stelle. Wir erinnern uns an das Brexit-Votum – damals wurde die Altersverteilung bei den Brexit-Stimmen dazu instrumentalisiert, die Geschichte zu erzählen, nach der die „Alten“ den „Jungen“ die Zukunft rauben. Für Frankreich werden wir diese Geschichte sicher nicht zu hören bekommen, ansonsten müsste man dem Leser ja erklären, warum Le Pen und Macron den jungen Franzosen, die links regiert werden wollen, die Zukunft rauben. Das wäre eine amüsante Vorstellung.

    3. Die Bande des Monsieur Macron
      Macron realisierte den üblichen Traum, eine Elitehochschule zu besuchen, mit dem Studium an der Science Po. 1999 führte ihn der Historiker François Dosse bei dem Philosophen Paul Ri­cœur ein, der einen Assistenten suchte. Als Mitarbeiter Ricœurs fand Ma­cron Zugang zur Zeitschrift Esprit, die der „deuxième gauche“ (zweite Linke) nahesteht und damals die Sozialversicherungsreform von Ministerpräsident Alain Juppé unterstützte.
      Im Esprit präsentierte Macron sein theoretisches Konzept für die Ausübung von Macht: „Der Diskurs und die politische Aktion können sich nicht mehr einem Programm unterwerfen, das man bei der Wahl präsentiert und dann fünf Jahre lang durchzieht.“1 In der Politik brauche man eher einen Horizont als einen Maßnahmenkatalog. Bei der deuxième gauche fand er die Ideologie, aus der er sein politisches Handeln begründen konnte.
      Während des Studiums an der ENA freundete er sich mit Henri Hermand an. Der 2016 verstorbene Hermand, der viel Geld mit Gewerbeimmobilien gemacht hatte, gehörte zu den Ziehvätern einer christlichen Linken, die sich explizit über drei „antis“ definierte, nämlich als antikommunistisch, antikolonialistisch und antijakobinisch. 2007 stellte der Direktor der Finanzaufsicht, Jean-Pierre Jouyet, den vielversprechenden jungen Mann Jacques Attali vor.
      Quelle: Le monde diplomatique
  2. Warum Populisten derzeit so erfolgreich sind
    Warum haben Populisten in den letzten drei Jahren so viel Erfolg? Das analysieren in dem Band „Die große Regression“ 15 bekannte Intellektuelle. Primär machen sie dafür den Neoliberalismus verantwortlich, der viele Menschen wirtschaftlich abhängte. Sie fordern linke und liberale Parteien dazu auf, sich wieder stärker um die Benachteiligten zu kümmern.
    Weitgehende Einigkeit der Beiträge von „Die große Regression“ besteht denn vor allem darin, dass in den letzten Jahrzehnten im Zuge der neoliberal gestalteten Globalisierung ärmere Teile der Bevölkerung weltweit – wie in Israel – ökonomisch und sozial abgehängt wurden. So konstatiert die New Yorker Philosophin Nancy Fraser:
    „Der Clintonismus ist in hohem Maße mitverantwortlich für die Schwächung der Gewerkschaften, den Niedergang der Reallöhne, die Prekarisierung von Arbeit und den Rückgang ausreichender Alleinverdiener-Einkommen (. . .) zugunsten der ‚Zwei-Verdiener-Familie‘.“
    Der Neoliberalismus ist nicht nur der große Feind der rechten Populisten. Die Kritik am Neoliberalismus vereint ironischerweise auch alle Autoren des Bandes. Der Darmstädter Soziologe Oliver Nachtwey behauptet:
    „Der zutiefst autoritäre Marktglaube ist ein ‚anonymer Gott, der die Menschen versklavt‘, weil er sich selbst als alternativlos darstellt.“
    Eine ähnliche Kritik formuliert der englische Fernsehjournalist Paul Mason in Bezug auf die Volksabstimmung über die britische EU-Mitgliedschaft. Doch er erweitert die Motivlage der Wähler, die für den Austritt aus der EU gestimmt haben, um eine Dimension, die sich wie der Neoliberalismus in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat, nämlich die Liberalisierung der Gesellschaft.
    Quelle: Deutschlandradio

    Anmerkung JK: In diesem Zusammenhang muss noch einmal an das eigentlich Groteske der Wahl in Frankreich erinnert werden. Nun wird ganz Frankreich aufgerufen sein Macron zu wählen und dem Neoliberalismus damit ein Plebiszit ohne gleichen verschaffen. Der französische Soziologe Didier Eribon und aktuell der amerikanische Linguist Noam Chomsky haben in ihren Analysen ebenfalls dezidiert dargelegt, dass der FN und Le Pen, die AfD, UKIP und Trump die Ausgeburten des Neoliberalismus und einer Politik sind, die seit über zwanzig Jahren die Lebensumstände einer Vielzahl von Bürgern permanent verschlechtert hat. Über die Kunstfigur Macron benutzt der Neoliberalismus nun den Rechtspopulismus, den er selbst hervorgebracht hat, als Legitimation für seine angebliche Alternativlosigkeit.

  3. Urteil vollstreckt: Michael Lüders ist “umstritten”
    Um was für einen Journalismus handelt es sich, der einen sprachlichen Fehlgriff eines Autors höher bewertet als die Falschaussage einer Bundesministerin vor einem Millionenpublikum? Was sind das für Medien, die sich aufgeregt mit dem Auftritt von Lüders auseinandersetzen, aber dabei den Auftritt von der Leyens ignorieren? (…) Wer jeden Satz von Lüders auf die Goldwaage legt und dabei zugleich die Falschaussage der Verteidigungsministerin mit großem Wohlwollen übersieht, liefert einen Journalismus ab, der genau das offenbart, was seit geraumer Zeit viele Kritiker ihm vorwerfen, nämlich: Herrschaftsnähe und einen gravierenden Mangel an Objektivität.
    Quelle: Marcus Klöckner bei Telepolis
  4. „Alternative Fakten“ der Bundesregierung zur sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung im Armuts- und Reichtumsbericht 2017
    Die Quelle der „alternativen Fakten“ in der „ergänzenden Erwähnung“ der Bundesregierung zur Entwicklung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung in ihrem Fünften Armuts- und Reichtumsbericht (siehe BIAJ-Abbildung) ist bisher (20. April 2017) unbekannt. Die Frage des „Büro für absurde Statistik“ (BaSta) vom 12. April 2017 nach der „besonderen Beschäftigungsstatistik“ blieb bisher unbeantwortet. (siehe hier) In der Regel gut unterrichtete böse Zungen behaupten: Die „ergänzende Erwähnung“ im 5. ARB sei ein vom Bundeskanzleramt gelieferter Textbaustein – ohne Quellenangabe.

    Quelle: BIAJ
  5. Armuts- und Reichtumsbericht: Die Originaldokumente zu Reichtum und Einfluss
    Reiche dominieren die Politik in Deutschland, der Rest hat das Nachsehen. Auf diese brisante Aussage lässt sich eine für den fünften Armuts- und Reichtumsbericht erstellte Studie zu ungleichem Einfluss zusammenfassen. In welcher Form die Erkenntnisse dieser Studie im Bericht auftauchen, darüber hat es in den vergangenen Wochen viel Streit gegeben. Nun, da der Bericht veröffentlicht ist, dokumentieren wir erstmals detailliert, wie sich der Bericht im Laufe der politischen Diskussionen geändert hat.
    Was wurde gestrichen, was wurde ergänzt? Unsere Bilanz ist gemischt: Positiv ist, dass der Bericht erstmals ein Kapitel zu „Armut und Reichtum und Demokratie“ enthält. Umso bedauerlicher, dass ausgerechnet dieser Abschnitt in der Abstimmung zwischen den Ministerien zusammengekürzt wurde. Immerhin: Am Ende formuliert der Bericht sogar Bedarf für transparente Lobbyregeln – eine erfreuliche Einsicht, die wir so offiziell zumindest von den Unions-Parteien noch nie hören durften. Lesen Sie unsere Dokumentation der Änderungen. (…)
    Wir haben an dieser Stelle die erste Version des fünften Armuts- und Reichtumsberichts mit der Endfassung im Detail miteinander verglichen und die Änderungen kommentiert. Die gestrichenen und veränderten Passagen haben wir so aufbereitet, dass für alle sichtbar ist, was im Laufe der Abstimmung zwischen den Ministerien verändert wurde. Dadurch wird deutlich, dass der Armuts- und Reichtumsbericht nicht nur zu heftigen Auseinandersetzungen in der Öffentlichkeit geführt, sondern auch innerhalb der Bundesregierung – vor allem zwischen Arbeitsministerium und Kanzleramt – für Zoff gesorgt hat. Damit haben wir ein erstes Ziel unserer Arbeit schon erreicht: Ungleicher Einfluss war Diskussionsstoff in der Bundesregierung! Hier ist unser kommentierter Vergleich der ursprünglichen mit der veröffentlichten Version vom Armuts- und Reichtumsbericht.
    Quelle: LobbyControl
  6. AfD
    1. Camouflage einer rechtsradikalen Partei
      Wer die „deutschen Stämme“ nicht würdige, betreibe eine nationale „Selbstaufgabe im Kollektiv“. Das politische System in Deutschland sei eine „entartete Oligarchie“. Keine Parolen aus dem tiefbraunen Sumpf der NPD. Sondern Beschlusslage einer Partei, die im September in den Bundestag einziehen will. So gesprochen und abgestimmt in Köln an diesem Wochenende. Der frisch gewählte Spitzenmann Gauland bezeichnet das ernsthaft als „politische Mitte“.
      Ganz klar, die AfD ist nach diesem Parteitag mehr denn je eine Partei am rechtesten Rand der Republik – ob mit oder ohne den völkischen Rechtsausleger Höcke aus Thüringen. Und in Sachen Demokratie wandelt die AfD mittlerweile strikt auf den Spuren des türkischen Präsidenten Erdogan, der die Demokratie nur als Übergangsphase für Alleinherrschaft begreift. Dies wurde mehr als deutlich bei der Debatte über die Amtszeitbegrenzung des Bundeskanzlers. Das gelte wohl für Merkel, aber keinesfalls für einen möglichen AfD-Kanzler, der dann doch bitte unbegrenzt regieren möge. Auch das war ernst gemeint.
      Was lehrt uns dieser Parteitag? Die AfD bemüht sich nach außen um ein Bild der Geschlossenheit. Nach innen aber ist sie nach wie vor eine zutiefst zerstrittene Partei, die ihre eigene Bundesvorsitzende in beispielloser Manier vorgeführt und gedemütigt hat – und das nur, um die radikale Rechte nicht zu vergrätzen. Der demonstrierte Schulterschluss ist damit nichts anderes als die selbstinszenierte Camouflage einer gespaltenen Partei am äußersten rechten Rand.
      Eine Abgrenzung nach Rechtsaußen? Fand nicht statt. Das Parteiausschlussverfahren gegen Björn Höcke wird wohl auf die lange Bank geschoben. Eine Unterstützung des Bundesvorstands, der diesen Ausschluss beantragt hatte, blieb aus. Damit gilt weiterhin: Ein Mann, der die Beschäftigung mit dem Holocaust in Deutschland als lästig und lächerlich empfindet, wird bei der AfD nicht nur geduldet, sondern als (un)heimlicher Star der Partei weiter gefeiert.
      Und damit gilt weiterhin auch: Eine solche Partei darf in diesem Land keinen Erfolg haben!
      Quelle: Georg Restle via Facebook
    2. Von Goldman Sachs zur AfD-Spitze: Was AfD-Frontfrau Alice Weidel mit wirtschaftsliberal meint
      “Wirtschaftlicher Sachverstand ist bei der AfD zu Hause”, reklamiert die Volks- und Betriebswirtin vom Bodensee, die über Chinas Rentensystem promovierte, sechs Jahre in China lebte, nach dem Studium bei der Investmentbank Goldman Sachs begann, ins Vorstandsbüro von Allianz Global Investors weiterzog und heute Start-ups beim Wachstum berät. (…) Laut “Zeit” wählte Weidel früher die Grünen und die FDP, wandte sich aber nach dem Ausbleiben der großen Steuerreform von Schwarz-Gelb ab und fand ihre politische Heimat erst in der AfD, die damals als Anti-Euro-Partei unter Volkswirten wie Bernd Lucke und Ex-BDI-Chef Hans Olaf Henkel antrat. (…) Koalitionsfähig werde ihre Partei “frühestens 2021”, räumt Weidel ein. Für sie ist das politische Projekt aber langfristig, zur Rettung Deutschlands als schlanker Staat, der nur für sich selbst verantwortlichen Individuen einen klaren Rechtsrahmen vorgibt und jeden Verstoß ahndet.
      Quelle: Manager Magazin

      Anmerkung Paul Schreyer: Die AfD-Kandidatin erinnert an den Franzosen Macron: jung, vermeintlich „modern“, neoliberal und mit enger persönlicher Anbindung an den Finanzsektor.

      Anmerkung Jens Berger: Da sollte die AfD aber aufpassen, dass es sich nicht bis zu ihren Wählern herumspricht, dass ihre Spitzenkandidatin eine „von denen da oben ist“ und exakt die wirtschaftsliberale Politik verkörpert, die von großen Teilen der rechten Wählerschaft abgelehnt wird.

      Passend dazu: AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel lebt in Biel
      Nicht mal die Nachbarn wussten, dass die «nette Dame» aus der Wohnung nebenan den Bundestagswahlkampf der rechtsnationalen Alternative für Deutschland (AfD) anführt. […]
      Doch wie «Bund»-Recherchen zeigen, steht Weidel der Schweiz noch näher. Die deutsche Spitzenpolitikerin ist nämlich offiziell auch in Biel angemeldet. In einem Mehrfamilienhaus in der Innenstadt zeugt ein entsprechend angeschriebener Briefkasten von ihrer Anwesenheit. Auch ihre Schweizer Lebenspartnerin ist auf dem Türschild vermerkt. Bei einer Nachbarin ist zudem zu erfahren, dass einer ihrer zwei Buben die nahe staatliche Kindertagesstätte besucht – und dort manchmal von Weidel selber abgeholt wird. Sie habe im übrigen bisher gar nicht gewusst, dass «die nette Dame» eine in Deutschland bekannte Politikerin sei.
      Steuerfrage ist ungeklärt
      Wie oft Weidel in Biel ist, wo sie Steuern bezahlt und wo sie letztlich ihren Lebensmittelpunkt sieht, ist nicht bekannt. Die AfD-Politikerin wollte sich auf Anfrage des «Bund» nicht zu ihrer Bieler Wohnung äussern.
      Quelle: Der Bund

      Anmerkung Jens Berger: Das hat schon Satirewert – eine Deutsche, die im Ausland lebt und in Deutschland sehr aktiv politisch tätig ist, punktete politisch vor allem mit Aussagen, die es Türken, die im Ausland leben, verbieten will, ihr Wahlrecht in der Türkei wahrzunehmen. Zweierlei Maß?

  7. Eine Mogelpackung – Die EU kann beim Thema Soziales nicht liefern
    So ganz scheint die EU-Kommission die Botschaft des in Teilen sehr zornigen europäischen Wahlvolkes doch noch nicht verstanden zu haben. Das Paket für ein sozialeres Europa jedenfalls, das die Brüsseler Führung da gestern präsentiert hat, ist mehr Mogelpackung als eine echte Verheißung. Dem Publikum wird da etwas vorgegaukelt, was die EU-Kommission gar nicht einlösen kann. All die wunderbaren Segnungen, die in dieser junkerschen Sozialcharta aufgeführt werden, sind nur Vorschläge. Ob daraus Wirklichkeit wird, das müssen die Mitgliedstaaten entscheiden. Und das könnte eine zähe Angelegenheit werden. Dass die EU eine soziale Schlagseite entwickelte, hat natürlich eine Vorgeschichte. Bereits Mitte der 1990er Jahre, kurz vor Ende seiner Amtszeit, hatte der damalige EU-Kommissionschef Jacques Delors angemahnt, der gemeinsame Binnenmarkt müsse auch die soziale Dimension berücksichtigen. Das war zu einer Zeit, als der Neoliberalismus längst Urstände feierte. Der Bankenbereich wurde dereguliert – mit all den verhängnisvollen Folgen, die das später haben sollte. Doch Delors war der letzte Visionär an der Spitze der EU. Der Letzte auch, der eine Vorstellung davon hatte, dass die Union ihr Markenzeichen, ein sozialeres Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell zu leben als die Weltmacht USA, neu würde unterfüttern müssen. Auf den machtbewussten Franzosen folgte dann aber der überaus schwache frühere luxemburgische Ministerpräsident Jaques Santer. Fortan tat die EU, auch unter Santers Nachfolgern Romani Prodi und José Manuel Barroso, viel für den freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Personen. Doch die soziale Dimension Europas geriet irgendwie in Vergessenheit. Virulent wurde das Thema erst wieder nach dem großen Börsencrash von 2008. Doch auch heute, fast ein Jahrzehnt später, hat die europäische Politik nicht wirklich umgesteuert.
    Quelle: Nürnberger Nachrichten

    dazu: Das Märchen vom sozialen Europa
    Eine „soziale Säule“ in Europa ist längst überfällig. Doch die Vorschläge der EU-Kommission sind allenfalls ein Feigenblatt. […]
    Juncker betreibt Symbolpolitik, mit der er unübersehbar auf die Wahlen in Frankreich und Deutschland zielt. Vor allem der Vorschlag zur Elternzeit kommt Berlin gerade recht – Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles dürfte sich über die kostenlose Schützenhilfe aus Brüssel freuen. Dabei geht dieser Vorschlag kaum über schon geltende Regeln in Deutschland hinaus. Noch dünner sind die anderen Vorschläge der Juncker-Kommission. Sie bilden keinen „europäischen Pfeiler sozialer Rechte“, sondern allenfalls ein Feigenblatt.
    Quelle: Eric Bonse in der taz

  8. Autobahnprivatisierung: Der Schlingerkurs der SPD
    Eine Privatisierung der Autobahnen? Soll es nicht geben – so lassen es Union und SPD gebetsmühlenartig verlauten. Tatsächlich aber haben sie ein Gesetzespaket auf den Weg gebracht, das eine Privatisierung durch die Hintertür erst möglich macht, zulasten der Steuerzahler und Autofahrer – und zum Nutzen von Banken und Versicherungen. Nun warnt der Bundesrechnungshof eindringlich und fordert Nachbesserungen. Und langsam wächst der Widerstand in der SPD. Werden die Abgeordneten die eigene Parteispitze zu einem handfesten Koalitionsstreit bewegen?
    Quelle: Monitor
  9. Schlachtfeld Nahost – Krieg gegen den «Islamischen Staat»
    Anmerkungen aus militärtheoretischer und geostrategischer Perspektive
    Im Hinblick auf die nicht nur in pazifistischen, sondern auch in politikwissenschaftlichen Kreisen oftmals mantragleich vorgetragene These, die da lautet: «Krieg ist keine Lösung», muss die Frage nach dem «Sinn» oder «Unsinn» eines Vorgehens gegen das sich seit einigen Jahren unter dem Rubrum «Islamischer Staat» (IS) vollziehende «dschihadistische Staatsbildungsprojekt»2 mit militärischen Gewaltmitteln nachgerade häretisch wirken. Denn wenn Krieg niemals eine Lösung darzustellen vermag, dann ist ja nicht allein jegliches militärische Agieren a priori Unsinn, sondern schon die Frage selbst ist sinnlos, da nämlich die Antwort auf ebendiese ebenfalls schon a priori feststeht. Andererseits impliziert bereits die schiere Frage nach der Sinnhaftigkeit militärischer Gewaltanwendung jedenfalls die abstrakte Möglichkeit, dass ein kriegerisches Vorgehen gegen den IS eben doch eine Lösung darstellen könnte. Inwiefern und unter welchen Voraussetzungen dies zutreffen könnte, soll Gegenstand der nachfolgenden Überlegungen sein.
    Deren Ausgangspunkt bildet die These, dass sich eine Antwort auf die Frage nach dem Sinn oder Unsinn eines militärischen Vorgehens gegen den IS nicht aus theoretischen Prämissen ableiten lässt, sondern allein auf den konkret gegebenen empirischen Konfliktbedingungen gründen kann. Im Hinblick auf letztere ist zunächst das Phänomen des «Islamischen Staates» näher zu analysieren (Kapitel II dieses Artikels) und im Anschluss daran dessen Rolle und Funktion im Rahmen der Gesamtstrategie des nach wie vor wichtigsten Akteurs in der Region «Greater Middle East», nämlich den Vereinigten Staaten von Amerika, zu beleuchten (Kapitel III). Abschliessend sollen im Lichte der überwölbenden Fragestellung nach dem Sinn und Unsinn militärischer Bekämpfung des IS einige Implikationen aus geostrategischer und geoökonomischer Perspektive erörtert werden (Kapitel IV). Zuvor gilt es jedoch, die grundsätzliche Problematik des Sinns oder Unsinns des Handelns mit militärischen Gewaltmitteln näher zu beleuchten (Kapitel I).
    Quelle: Jürgen Rose in Zeit-Fragen
  10. Die Faktenfinder der Tagesschau und die Russen: Fake News im Kreis
    Angetreten ist das Projekt „Faktenfinder“ der Tagesschau als eine Gruppe von Rechercheuren, die den Falschinformationen im Netz bekannte Tatsachen entgegensetzen und sie so neutralisieren wollen. Konfrontiert mit der Notwendigkeit das Ausbleiben von russischen Fake-News-Kampagnen zu erklären und zu Falschinformationen eines etablierten Mediums Stellung zu beziehen, zeigt die Gruppe jedoch sehr bald ihr wahres Gesicht.
    Ein besonderes Highlight der Faktenfindung war am 21.4. der Beitrag über die vermeintliche Beeinflussung der französischen Präsidentschaftswahlen durch Moskau mi dem Titel: „Keine Kampagne aber eine Strategie“. Ausgangspunkt war, dass diese vielstimmig befürchtete Fake-News- und –Beeinflussungskampagne ausgeblieben sei. Und dann geht es wild hin und her zwischen beeinflusst und doch nicht beeinflusst. Es wird alles was sich finden lässt zusammengetragen, um den sich aufdrängenden Eindruck zu zerstreuen, dass das ganze Getue um die russische Wahlbeeinflussung Fake News oder Propaganda war. Die Fakten die man findet sind überwiegend von der eher lächerlichen Sorte.
    Quelle: Norbert Häring

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