Die neueste Input-Output-Rechnung zur Importabhängigkeit der deutschen Exporte widerlegt unsere „Basar-Ökonomen“
Zwar hat sich der Importanteil an den deutschen Exporten von 1995 auf 2002 deutlich von 29,7 auf 38,8% erhöht, trotzdem hat die in den Exporten enthaltene inländische Bruttowertschöpfung in diesem Zeitraum überdurchschnittlich stark zum nominalen Wachstum des Bruttoinlandsprodukts beigetragen. Ihr Anteil stieg von 16,2 auf 20,8% Der gestiegene Importanteil wurde durch die stark gestiegene Exportnachfrage überkompensiert.
Die Daten des Statistischen Bundesamtes widerlegen die Behauptung Deutschland entwickle sich zu einer „Basar-Ökonomie“; will sagen, die Exporterfolge beruhten auf importierten Gütern und Vorleistungen. Ifo-Chef Hans-Werner Sinn oder Friedrich Merz (CDU) wollen mit dieser Behauptung die Stellung Deutschlands als Exportweltmeister klein reden und seine mangelnde Wettbewerbsfähigkeit belegen.
2002 wurden aus Deutschland Güter im Wert von 732,53 Milliarden Euro exportiert. 1995 waren es noch 421,89 Milliarden Euro. Das bedeutet eine Steigerung von 74% in sieben Jahren. Die Exporte aus (rein) inländischer Produktion haben sich im gleichen Zeitraum von 379,29 Milliarden Euro auf 621,13 Milliarden Euro also um immerhin 64% erhöht.
Unbestreitbar hat sich zwar der Anteil der exportinduzierten Importe deutlich von 29,7% der Exporte auf 38,8% erhöht, trotzdem hat die in den Exporten enthaltene inländische Bruttowertschöpfung im Untersuchungszeitraum überdurchschnittlich stark zum nominalen Wachstums des Bruttoinlandproduktes beigetragen, nämlich mit einer Steigerung von 291,23 auf 439,79 Milliarden Euro, d.h. um immerhin noch 51%.
Die gesamte exportinduzierte Bruttowertschöpfung der Exporte hat sich von 16,2 auf 20,8% des BIP erhöht.
Soweit die nüchternen und durchaus erfreulichen Zahlen des Statistischen Bundesamtes in seiner „Input-Output-Rechnung zur Importabhängigkeit der deutschen Exporte“ aktualisiert im September 2004 und im Internet für jedermann abrufbar.
Haben Sie in den Wirtschaftsteilen unserer Medien etwas darüber gelesen? Hat der Bundeswirtschaftsminister daraus eine Erfolgsmeldung gemacht?
Nein, positive Wirtschaftsdaten passen nicht in die Strategie des Schlechtredens um daraus die Notwendigkeit von grundlegenden „Reformen“ zu begründen.
Dagegen hat die sog. „Deutsche Rede“ (man beachte die Selbstbeweihräucherung) des ifo-Chefs Hans-Werner Sinn vom 15. November 2003 mit dem – für Deutschlands Stimmungslage typischen – Titel „Der kranke Mann Europas“ geradezu Wellen geschlagen. Der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion Friedrich Merz hat in der Haushaltsdebatte des Bundestags noch im September die Exportüberschüsse als Ausfluss der „Basar-Ökonomie“ klein geredet. (Sein Rückzug als CDU-Präside und aus dem Fraktionsvorsitz hat seine Gründe wohl kaum darin, dass er jetzt bei einer falschen Aussage ertappt wird.) Angesichts dieser Faktenlage lohnt es sich einfach einmal, beispielhaft mit einem Originaltext zu belegen, wie unsere „Basar-Ökonomen“, in diesem Falle Hans-Werner Sinn, unsere wirtschaftliche Situation dramatisieren und mit einem Katastrophengemälde z.B. Niedrigstlöhne und die Senkung der Sozialhilfe einfordern:
Zitate aus der „Deutschen Rede“:
Die akute Gefährdung der Volkswirtschaft unseres Landes wird manchmal mit dem Hinweis auf die in diesem Jahr recht hohen deutschen Exportwerte in der internationalen Zahlungsbilanzstatistik heruntergespielt. Aber die Statistiken täuschen, denn sie nehmen keine Rücksicht darauf, welcher Anteil der Exporterlöse auf eine Wertschöpfung in Deutschland zurück zu führen ist. Der von Deutschland exportierte Audi, dessen Motor aus Ungarn kommt, wird zu 100% dem deutschen Export zugerechnet.“
Was schlicht falsch ist, weil die Importe in der Handelsbilanz natürlich gegengerechnet werden.
In Deutschland wird noch die Endmontage der Industrieprodukte durchgeführt, aber der Anteil der Wertschöpfung, der in unserem Land anfällt, also der Anteil der Löhne und Kapitaleinkommen am Wert der Fertigwaren, der auf Deutschland entfällt, wird immer kleiner. Deutschland entwickelt sich allmählich in die Richtung einer Basar-Ökonomie, die die Weltmärkte mit Waren bedient, die wir in unserem osteuropäischen Hinterland produzieren lassen… Durch das Outsourcing bleiben die deutschen Firmen wettbewerbsfähig. Sie können ihre Weltmarktposition einigermaßen verteidigen. Was dabei jedoch nicht wettbewerbsfähig bleibt, sind die deutschen Arbeitsplätze (…)
4,5 Millionen Deutsche sind nicht mehr wettbewerbsfähig….“
Aus dieser angeblichen „deutschen Misere“ werden dann die üblichen Rezepturen verordnet: „Den Sozialstaat nachjustieren“, „billiger werden“ indem „Steuern und Sozialabgaben fallen“, „Kostensenkungen beim Staat“ oder auch die Sozialhilfe senken, weil sie „eine Lohnuntergrenze in die Tarifstruktur“ einziehe und deshalb keine Niedrigstlöhne unter dem Sozialhilfesatz zulasse.
Wenn die Diagnose des „kranken Mannes in Europa“ schon falsch ist, wie könnten dann die Heilmittel richtig sein? Aber in Deutschland meint man, mit dieser „Voodoo-Ökonomie“ heilen zu können.