Der Staatsvertrag über Internetangebote der Rundfunkanstalten ein Bürokratiemonster und ein neues Geschäftsfeld für private Berater
Mit dem 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag wurde ein Bürokratiemonster aufgebaut, das die Internet-Angebote von ARD und ZDF massiv einschränkt und teilweise verbieten soll und damit die Meinungsvielfalt gesetzlich begrenzt. Das Ganze nur deshalb damit die kommerziellen Interessen der privaten Rundfunkveranstalter und der Verleger im marktlichen und publizistischen Wettbewerb nicht geschmälert werden. Wenn es um den Profit von Verlegern und Kommerzsendern geht, wird die Informationsfreiheit der Gebühren zahlenden Bürgerinnen und Bürger beiseite geschoben. Mit dem Hebel „Wettbewerb“ soll so das Internet zu einer Plattform gemacht werden, die von den kommerziellen Anbietern beherrscht wird. Dazu wird ein weiteres Einfallstor für das Beratungs-un-wesen im öffentlichen Sektor aufgemacht. Wolfgang Lieb
Zensur durch den Markt
Am 1. Juli 2009 soll der Zwölfte Rundfunkänderungsstaatsvertrag [PDF – 83 KB] in Kraft treten. Darin wird die Zukunft der öffentlich-rechtlichen Online-Angebote geregelt.
Auf die besondere Problematik dieses Staatsvertrages haben wir auf den NachDenkSeiten schon früher hingewiesen: Nämlich dass hier eine „Zensur durch den Markt“ stattfindet, weil künftig selbst auf eine „konkrete Sendung bezogene“ Materialien und Quellen in der Regel nur noch 7 Tage über das Internet abgerufen werden dürfen (bei Großveranstaltungen, wie etwa Fußballspiele sogar nur 24 Stunden). Dabei soll der Sendungsbezug viel enger ausgelegt werden als bisher.
Ich bleibe bei meinem Urteil, dass damit, dass eine schon einmal verbreitete Information nach kurzer Zeit der Öffentlichkeit wieder entzogen werden muss, die sog. passive Informationsfreiheit (also der freie Zugang zu Informationen) mit Füßen getreten wird. Und das alles im Namen einer von der Europäischen Union als höherrangig eingestuften Wettbewerbsfreiheit im Interesse vor allem der Internetangebote der privaten Verleger und der kommerziellen Rundfunkveranstalter. Hier wird eines der fundamentalsten Menschenrechte und ein elementares, demokratiekonstituierendes Grundrecht unseres Grundgesetzes, nämlich die Meinungsbildungsfreiheit mittels des freien Zugangs zu Informationen zugunsten der Markt- und Wettbewerbsfreiheit privater „Dienstleistungsangebote“ massiv eingeschränkt.
Der Konflikt zwischen europäischem Wettbewerbsrecht und dem deutschen Grundgesetz
Der neue Staatsvertrag wurde angeblich nötig, weil ein „Kompromiss“ zwischen der von unserem Grundgesetz vorgeschriebenen und von der von der Verfassungsrechtsprechung entwickelten „Rundfunkfreiheit“ nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und der von der Europäischen Kommission als höherrangig eingestuften „Dienstleistungsfreiheit“ gefunden werden musste.
Die EU-Kommission betrachtet – anders als das Bundesverfassungsgericht – den Rundfunk als eine (gewerbliche) Dienstleistung an und nicht als öffentlichen Auftrag, wonach der Rundfunk als „Medium“ und „Faktor“ der öffentlichen Meinungsbildung und damit als konstituierend für eine Demokratie angesehen werden wird.
Der Verband Privater Rundfunk und Telemedien (PVRT) (indem sich Kommerzfernsehveranstalter und Verleger zusammengeschlossen haben) sah in der Erhebung der Rundfunkgebühr eine gegen die Wettbewerbsregeln verstoßende und deshalb unzulässige (staatliche) „Beihilfe“ (nach Art. 87 Abs. 1 EGV) und erhob im Jahr 2003 Beschwerde bei der EU-Kommission. Prompt sah die Generaldirektion Wettbewerb (!) die „staatliche Garantie und die Gebührenfinanzierung… der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten als staatliche Beihilfe“ an und schickte zwei Jahre später einen „Blauen Brief“ an die Bundesregierung. Dabei ist der Bund nach der Kompetenzzuteilung des Grundgesetzes gar nicht zuständig, denn Rundfunk ist Ländersache.
Leider – und hier zeigte sich einmal mehr die Schwäche des Föderalismus im europäischen Gefüge – gab es in den Ländern keinen Aufstand gegen diesen Eingriff aus Brüssel. Wie üblich fanden die Länder keine einheitliche Gegenposition. Was sich daraus erklärt, dass in verschiedenen Staatskanzleien sich längst die Interessen der privaten Rundfunkveranstalter und Verleger eingenistet haben.
Damit konnte die innerdeutsche Verfassungsrechtsprechung zum Rundfunk locker beiseite geschoben werden. Noch in seiner Gebührenentscheidung vom 11.9.2007 hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass der Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks grundsätzlich auch die Internetangebote umfasse und auch insoweit eine grundgesetzliche „Bestands- und Entwicklungsgarantie“ bestehe. Karlsruhe hatte sogar den Gesetzgeber aufgefordert, dass zur Erfüllung dieses Auftrags, die dafür erforderlichen technischen, organisatorischen, personellen und finanziellen Vorbedingungen geschaffen werden müssten. Auch in einer Entscheidung zum Hessischen Privatrundfunkgesetz noch am 12.3.2008 hat das Gericht dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine Entwicklungsgarantie auch im Internet zuerkannt und zwar vor allem aufgrund dessen besonderen Bedeutung für die Sicherung der Vielfalt und verlässlicher Information.
Dieser Grundrechtsschutz wurde durch den neuen Staatsvertrag dem europäischen Wettbewerbsrecht untergeordnet, so als stünden die Verträge der Europäischen Gemeinschaft schon längst höherrangig über dem deutschen Grundgesetz.
Wenn die Rundfunkordnung in Deutschland den Ländern oder ggf. dem Bund wirklich wichtig gewesen wären, warum haben sie diesen Grundsatzstreit nicht vor dem Europäischen Gerichtshof ausgetragen? Dann wäre jedenfalls auch geklärt worden, inwieweit das Grundgesetz gegenüber dem EU-Recht noch an Bedeutung hat. Vielleicht hat man auf diese Klage aus Angst vor einer Niederlage vor dem EuGH, dieser sich mehr und mehr als Exekutor des wirtschaftsliberalen Europas verstehenden Instanz (Siehe dazu Fritz Scharpf „Der einzige Weg ist, dem EuGH nicht zu folgen“, in Magazin Mitbestimmung 07 + 08/2008 verzichtet. Vielleicht hat man aber auch gerade deshalb den Widerstand aufgegeben, weil man in den Ländern den Verlegerinteressen und den Interessen der kommerziellen Rundfunkveranstalter nur zu gerne entgegen kommen wollte.
Sicherung des Geschäftsfeldes von privaten Internet-„Dienstleistern“
Schaut man sich die Regelungen des Rundfunkänderungsstaatsvertrages genauer an, so muss man den Eindruck gewinnen, dass es vor allem darum ging, den privaten Internet-„Dienstleistern“ ihr Geschäftsfeld zu sichern und für die öffentlich-rechtlichen Internetangeboten möglichst hohe, um nicht zu sagen unüberwindbare Hürden aufzustellen.
Man muss sich einmal praktisch vor Augen führen, welche Barrieren eine Rundfunkanstalt zu überwinden hat, um über die schon erwähnte 7-Tage-Frist ein „Telemedienangebot“ verbreiten zu dürfen.
Der Sender muss zunächst prüfen, ob es sich um ein neues oder verändertes Angebot handelt (§ 11 f Abs. 3 StV), dazu müssen sie in Satzungen oder Richtlinien Kriterien entwickeln, um sie auf Einzelfälle anwenden zu können (§ 11 Abs. 3 S. 1 StV).
Die ARD hat schon Kriterien für ein Prüfverfahren für neue oder veränderte Aufgaben ihres Telemedienangebots erarbeitet. Die Angebote müssen etwa „journalistisch-redaktionell veranlasst“ und „gestaltet“ sein, sie dürfen keine Werbung oder Sponsoring enthalten, es dürfen bei Filmen nur eigene oder Auftragsproduktionen eingestellt werden, lokale Berichterstattung ist nur eingeschränkt zulässig und alle Serviceangebote, wie etwa Veranstaltungskalender oder z.B. die Lehrstellenvermittlung des WDR sind unzulässig. Wenn die in den Satzungen aufgelisteten „Positiv- oder Negativkriterien“ nicht greifen und wenn die 7-Tage-Frist überschritten werden soll, dann geht die Prüferei erst richtig los.
Bürokratiemonster „Drei-Stufen-Test“
Dann folgt erst das richtige Bürokratiemonster, nämlich der sog. „Drei-Stufen-Test“. (Der im sog. Beihilfekompromiss mit der EU übrigens gar nicht vorgesehen ist und sogar weit über die Anforderungen der EU-Kommission hinausgeht.)Zunächst muss der Intendant oder die Intendantin dem Rundfunkrat eine Beschreibung des Internetangebotes zuleiten.
Danach hat der Rundfunkrat den Test in eigener Regie durchzuführen. Er muss dazu z.B. „Dritten in geeigneter Weise, insbesondere im Internet Gelegenheit zur Stellungnahme“ geben und diese „prüfen“ (§11 f Abs. 6 StV).
Zu seiner Entscheidungsfindung kann der Rundfunkrat „gutachterliche Beratung durch unabhängige Sachverständige auf Kosten der jeweiligen Rundfunkanstalt in Auftrag geben. Vor allem ist zu den „marktlichen Auswirkungen“ gutachterliche Beratung zwingend hinzuzuziehen. Danach entscheidet der Rundfunkrat mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder und er muss seine Entscheidung – sozusagen gerichtsfest – begründen.
Damit aber immer noch nicht genug der Bürokratie: Danach muss auch noch die Rechtsaufsicht (also im Regelfall die zuständige Staatskanzlei) ihr Plazet geben und prüfen, ob die Verfahren auch wirklich alle ordnungsgemäß durchgeführt wurden.
Erste Stufe: Ermittlung eines gesellschaftlichen Bedürfnisses im Rahmen des Programmauftrags
Mit dem sog. „Drei-Stufen-Test“ soll zunächst überprüft werden, ob das Online-Angebot den „demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Gesellschaft“ entspricht und „in welchem Umfang durch das Angebot in qualitativer Hinsicht zum publizistischen Wettbewerb“ beiträgt (§11 f Abs. 3 Nr.2 StV).
Es soll also geprüft werden, ob ein „Bedürfnis der Gesellschaft“ besteht. Wie soll aber ein solches Bedürfnis für ein bisher noch nicht vorhandenes Angebot festgestellt werden?
Man stellt sich nun tatsächlich vor, dass man ein jeweils aktuelles Nutzerverhalten etwa durch Publikums oder Expertenbefragungen ermitteln soll.
Danach soll ermittelt werden, ob das Angebot vom Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks umfasst wird.
Zweite Stufe: Prüfung der Auswirkungen auf den publizistischen und ökonomischen Wettbewerb
In der zweiten Stufe soll dann geprüft werden, wie sich durch das neue Angebot der Rundfunkanstalten der „publizistische Wettbewerb“ verändert, ob also private Angebote dadurch im Wettbewerb Nachteile haben. Besonders absurd ist die Vorstellung, dass nicht etwa wie im allgemeinen Wettbewerbsrecht sich ein „Geschädigter“ melden muss, sondern dass umgekehrt der Rundfunkrat die möglichen Wettbewerber erst noch herausfinden soll und deren veränderte Wettbewerbssituation (bei einem noch gar nicht vorhandenen Angebot) antizipieren soll. D.h. die Rundfunkanstalten tragen die Beweislast, dass sie andere Wettbewerber nicht tangieren oder gar verdrängen.
Es soll auch vorhergesagt werden, was ökonomisch eintreten würde, wenn das neue Angebot der Rundfunksender auf den „Markt“ geht. Bekämen also etwa die kommerziellen Anbieter weniger „Visits“ und würden damit ihre Werbeeinnahmen sinken? (Und das obwohl den Rundfunkanstalten Werbung im Internet schon untersagt ist.) Auch für diese Prüfung sollen spezielle Verfahren – etwa Expertenbefragungen – eingeführt werden. Insbesondere bei den marktlichen Auswirkungen muss (!) der prüfende Rundfunkrat „gutachterliche Beratung hinzuziehen“.
Es sollen also bei dieser Prüfungsstufe die Quantität und die Qualität der vorhandenen (privaten) Angebote, die marktlichen Auswirkungen und die meinungsbildende Funktion des neuen Angebots berücksichtigt werden.
Grundsätzlich soll ein Angebot auch nach Prüfung des ökonomischen und publizistischen Wettbewerbs nur dann zulässig sein, wenn ein „publizistischer Mehrwert“ gegeben ist. Dieser Mehrwert könnte etwa durch eine Inhaltsanalyse (Was haben andere nicht?), durch Expertenbefragungen oder durch Publikumsbefragungen ermittelt werden.
Auch beim „publizistischen Wettbewerb“ sollen die negativen Auswirkungen auf andere Anbieter untersucht werden. Dabei ist eine Strategie der Verdrängung privater Anbieter den Sendern von vorneherein untersagt. Zwar sollen die öffentlich-rechtlichen Angebote nicht nur publizistische Leerstellen ausfüllen dürfen, aber sich doch durch Alleinstellungsmerkmale auszeichnen und in jedem Falle den publizistischen Wettbewerb um Qualität fördern. (Was das auch immer bedeuten mag.)
Dritte Stufe: Abwägung von Kosten und publizistischem Nutzen
Als dritte und letzte Stufe des „Tests“ soll dann eine Abwägung erfolgen, ob der finanzielle Aufwand für das neue Internetangebot den zusätzlichen Nutzen im publizistischen Wettbewerb rechtfertigt. Dabei geht es wohl vor allem auch darum, dass die privaten Konkurrenten Einblick in die Kosten bekommen und entsprechend mit öffentlicher Kritik reagieren können.
Weitere bürokratische Hürden: Rechtsaufsicht, Rechtsweg, Einschaltung der EU-Kommission
Nach Abschluss des „Drei-Stufen-Tests“ durch den Rundfunkrat muss dann noch die Rechtsaufsicht, dessen Entscheidung überprüfen; vor allem ob auch alle Verfahren korrekt eingehalten wurden.
Passt den privaten Anbietern das neue Angebot der öffentlich-rechtlichen Rundfunksender dann immer noch nicht, bleibt selbstverständlich der Rechtsweg offen.
Als letztes Druckmittel bleibt den kommerziellen Anbietern schließlich immer noch der Weg zur EU-Kommission. Sie könnte dann noch überprüfen, ob der Drei-Stufen-Test ihren europäischen wettbewerblichen Vorstellungen entspricht und, wenn der Kommissar für Wettbewerb es für nötig erachtet, könne er weitere Nachbesserungen verlangen.
In letzter Instanz würden dann Streitigkeiten vor dem Europäischen Gerichtshof landen – und dessen wirtschaftsliberale Haltung ist ja bekannt.
Will sagen, das Damoklesschwert, nämlich dass die EU-Kommission doch noch ein Beihilfeverfahren eröffnet und die Rundfunkgebühr auf den Prüfstand des EU-Vertragsrechts stellt, schwebt weiter über der ganzen Prozedur. Das allein dürfte Druckmittel für die Rundfunkräte genug sein, den privaten Anbietern bloß keinen Anhaltspunkt für eine Beanstandung zu bieten.
Im Internet liegt den Rundfunkanstalten die Schlinge um den Hals
Bewertend lässt sich zu diesem Staatsvertrag über die Nutzung von Telemedien durch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten folgendes sagen:
- Der Rundfunkfreiheit und der Bestands- und Entwicklungsgarantie wie sie die Verfassungsrechtsprechung aus dem Grundgesetz abgeleitet haben, wird eine eng geflochtene und dicke bürokratische Schlinge an den Hals gelegt.
- Der bürokratische Aufwand für das Prüfverfahren ist höchst komplex, arbeits- und vor allem kostenintensiv. Ähnlich wie bei den Hochschulen mit ihren Akkreditierungsagenturen und der sich darum herumrankenden Testindustrie, wird sich auch um die Internetangebote der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ein krebsgeschwürartig wachsendes Beratungsfeld für „unabhängige“ (kommerzielle) Gutachter und marktanalytische Berater auftun. Wie man hört sitzen, die Medienrechtskanzleien schon in den Startlöchern. Der Staatsvertrag wird sich als Lizenz für das Beraterunwesen in einem weiteren öffentlichen Sektor erweisen.
- Die Rundfunkanstalten und die Rundfunkräte müssen eine Vielzahl von Verfahrensregelungen und Satzungen ausarbeiten und beschließen. Bei der ARD muss das neunmal, nämlich bei jedem Sender passieren, auch beim kleinsten Sender.
- Die bisherigen Rundfunkräte bekommen eine ganz neue Rolle gegenüber der Intendanz einer Rundfunkanstalt. Waren sie bislang als Wahrer der Interessen der Allgemeinheit auf die Wahl des Intendanten und im laufenden Prozess auf eine Kontroll-, Beratungs- und beim Wirtschaftsplan auf eine Genehmigungsfunktion beschränkt, so bekommen sie als Herren des Verfahrens über den „Drei-Stufen-Test“ eine eigenständige Prüfungs- und Begründungsfunktion gegenüber der Intendanz und gegenüber der Öffentlichkeit (und im Streitfall auch gegenüber den Gerichten). Aus einer Beratungsinstanz wird somit eine Entscheidungsinstanz mit einer eigenen rechtlichen Außenvertretung.
Rundfunkrat zu sein, war bislang ein Ehrenamt (mit einer kleinen Aufwandsentschädigung), der neue Staatsvertrag setzt eine Professionalisierung wenigstens der mit dem Prüfverfahren beauftragten Rundfunkratsmitglieder voraus, zumindest aber einen professionell zuarbeitenden Unterbau an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die nicht Bedienstete der jeweiligen Rundfunkanstalt sein können bzw. dürfen. Man braucht Medienanlysten, Medienökonomen und vor allem auch Medienjuristen, um das Prüfverfahren gerichtsfest machen zu können.
Die Rundfunkräte müssen (juristische) Rechtspersonen werden, um mit Gutachtern, Experten und Beratungsfirmen selbständig Verträge schließen zu können.
Das heißt die Rundfunkräte benötigen einen selbständigen (beachtlichen) Etat und eigene Dienstherrneigenschaft. Für die „professionellen“ Rundfunkratsmitglieder stellt sich darüber hinaus das Problem von Beurlaubungsregelung gegenüber ihrem entsendenden Arbeitgeber.
Ich habe den Eindruck, dass jedenfalls ein Großteil der Rundfunkratsmitglieder diesen Bedeutungs- und Funktionszuwachs inzwischen nachdrücklich begrüßt und als Chance für ihre Aufwertung begreift. Man wird davon ausgehen müssen, dass die neu aufzubauende Bürokratie sich selbst legitimierend aufblähen wird. Die beträchtlichen Kosten werden aus den Etats der Rundfunkanstalten geschnitten werden müssen. Damit wird ein neuer und zusätzlicher bürokratischer Wasserkopf geschaffen, der Finanzmittel vom eigentlichen Auftrag der Sender abzieht, nämlich Programmangebote zu machen.
Die Intendantinnen und Intendanten werden es sich aufgrund dieser bürokratischen Barrieren künftig hundert Mal überlegen, ob sie ein Internetangebot in dieses Prüfverfahren geben wollen. Es kostet die Rundfunkanstalten nur eine Menge Geld, einen hohen personellen Aufwand und das alles bei unsicherem Ausgang des Verfahrens. Der neue Rundfunkstaatsvertrag ist somit das Gegenteil einer Förderung der Meinungs- und Informationsvielfalt, er hat eher eine verhindernde Wirkung.
Aber selbst wenn all dieser – unsinnige – Aufwand betrieben werden sollte, verlangt der neue Staatsvertrag letztlich eine im Rechtssinne „unmögliche“ Leistung. Wie sollten etwa die „marktlichen Auswirkungen“ eines noch gar nicht vorhandenen Internetangebots ermittelt werden. Mein Eindruck ist, hier soll ein Windhundrennen veranstaltet werden, bei dem eine neue Bürokratie einem ausgestopften Lockhasen hinterher rennen soll, ohne ihn je erreichen zu können.
Da redet die EU, da redet in Deutschland jeder von Entbürokratisierung und mit dem Zwölften Rundfunkänderungsstaatsvertrag wird sehenden Auges ein neues Bürokratiemonster aufgebaut. Man kann jetzt schon prognostizieren, dass bei der nächsten Rundfunkgebührendebatte wieder einmal gegen den aufgeblähten Verwaltungsapparat der Rundfunkanstalten Stimmung gemacht wird. Niemand wird sich dann allerdings noch daran erinnern, wer der Verursacher war.
Und das Ganze geschieht ausschließlich zu dem Zweck, Internetangebote der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zugunsten privater Anbieter einzuschränken oder gar zu verbieten. Wenn es um die kommerziellen Interessen von Verlegern und Kommerzsendern geht, stirbt die Informationsfreiheit der Gebühren zahlenden Bürgerinnen und Bürger. Mit dem Hebel „Wettberb“ soll so das Internet zu einer Plattform für kommerzielle Angebote gemacht werden.
Quellen: Ich stütze mich in meinem Text auf einen Aufsatz von Rechtsanwalt Dr. Butz Peters in der Zeitschrift Kommunikation und Recht (K&R) 1/2009 S. 26ff. [PDF – 127 KB] und auf einen Vortrag von Frau Professorin Erika Bock-Rosenthal, Vorsitzende des Ausschusses für Rundfunkentwicklung des WDR-Rundfunkrates, beim Initiativkreis Öffentlicher Rundfunk Köln (IÖR) am 3. Februar 2009.