Italien führt eine Pauschalsteuer für Superreiche ein – eine neue Runde im Rattenrennen um die niedrigsten Steuersätze ist eröffnet
Die BMW-Aktien von Susanne Klatten werfen in guten Jahren schon mal Dividenden in Höhe von 815 Millionen Euro ab. Darauf müsste sie in Deutschland eigentlich 387 Millionen Steuern zahlen. Dank der von Rot-Grün eingeführten Erhebungsreform, nach der Einkünfte aus Kapitalvermögen gegenüber Einkünften aus echter Arbeit bevorzugt behandelt werden, spart Frau Klatten und kommt so auf eine Steuerlast von maximal 204 Millionen Euro. Würde sie jedoch ihren Wohnsitz ins schöne Italien verlegen, müsste sie nur noch eine Pauschalsumme von 100.000 Euro zahlen. Und Italien ist nicht alleine. Auch Portugal, Zypern, Großbritannien und zahlreiche andere europäische Staaten buhlen um die Gunst der Superreichen. Ein Rattenrennen, bei dem am Ende alle verlieren. Dabei gäbe es eine überzeugende Antwort auf dieses Steuerdumping, die ausgerechnet aus den USA kommt. Von Jens Berger.
Wenn Medien von einer „Flat Tax“ schreiben, mit der Italien Superreiche anlocken will, so ist dies streng genommen falsch. Unter einer Flat Tax versteht man vielmehr einen pauschalen Steuersatz, der auf das gesamte zu versteuernde Einkommen anzuwenden ist. Bulgarien und Tschechien haben beispielsweise derartige Dumping-Flat-Tax-Tarife, die sich je nach Einkommensquelle zwischen 3% und 15% bewegen. Selbst bei einer Flat Tax von 10% würde Frau Klatten aber immerhin noch 81,5 Millionen Euro Steuern zahlen. Das ist natürlich viel zu wenig, aber immer noch um Längen mehr als die 100.000 Euro der Italiener. Das italienische Angebot vermeidet daher im offiziellen Sprachgebrauch auch den Begriff „Ersatzsteuer“. Die hat es aber dann auch in sich.
Ich mache Ihnen ein Angebot, das Sie nicht ablehnen können
Wer von dem Angebot Gebrauch machen will, das Italiens Finanzbehörden letzte Woche vorstellten, muss schon zu einem ausgesuchten Kreis gehören. Er darf in neun der letzten zehn Jahre keinen Hauptwohnsitz in Italien gemeldet haben, muss seine Einkünfte außerhalb Italiens beziehen, nun aber seinen Hauptwohnsitz nach Italien verlegen und sollte nun – je nach Doppelbesteuerungsabkommen seines Heimatlandes – auch den Großteil des Jahres in seiner neuen Heimat Italien verbringen. Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, dann darf der neue „Steuer-Italiener“ von der Möglichkeit Gebrauch machen, mit einer pauschalen Steuerersatzleistung in Höhe von 100.000 Euro pro Jahr für 15 Jahre folgende Zahlungen an den Fiskus zu vermeiden:
- Einkommensteuer auf sämtliche Einkünfte, die im Ausland erzielt werden
- Vermögenssteuern auf Kapitalvermögen (0,2%)
- Vermögenssteuern auf Immobilienvermögen (0,76%)
- Erbschaftssteuern auf Vermögenswerte im Ausland
- Schenkungssteuern auf Vermögenswerte im Ausland
Darüber hinaus befreit der italienische Fiskus Personen, die dieses Angebot annehmen, auch noch davon, Auslandseinkünfte und Auslandsvermögen überhaupt im Rahmen einer Steuererklärung anzugeben. Diese echte Pauschale ist für Superreiche natürlich ein Hauptgewinn und für die Finanzbehörden anderer Länder ein kompletter Albtraum, da sie sich mangels Kontrollmöglichkeiten wohl oder übel auf die Angaben verlassen müssen, die die neuen „Steuer-Italiener“ gegenüber den italienischen Finanzbehörden machen, die ihrerseits auch noch ausdrücklich auf eine Überprüfung verzichten.
Und last but not least ist das Angebot auch sehr familienfreundlich. Jeder Verwandte, der mit nach Italien kommen will, kostet weitere 25.000 Euro pro Jahr und ist dafür aber voll und ganz mitversteuert. Wenn ein deutscher Milliardär seinem Sohnemann das gesamte Familienvermögen komplett steuerfrei überschreiben will, müssen beide also nur für ein Jahr nach Italien ziehen und bekommen für bescheidene 125.000 Euro den kompletten Steuererlass … der dann freilich auch noch die Steuern auf die sonstigen Einkünfte der Beiden während des entsprechenden Jahres beinhaltet. Wenn das kein Deal ist?
Italien ist keine Ausnahme
Solche Deals haben jedoch in Europa schon beinahe Tradition und damit sind nicht nur die berühmt berüchtigten Steueroasen in Zwergenstaaten gemeint, die man nur aus den UEFA-Qualifikationsspielen kennt. In der Schweiz verhandeln einige Kantone beispielsweise die Steuersätze und Steuerpauschalen mit einreisewilligen Superreichen wie auf dem Viehmarkt. Erst 2014 lehnten die Schweizer in einem Volksentscheid einen Gesetzesentwurf eines Bündnisses aus Sozialdemokraten, Linken und Gewerkschaften ab, der die Pauschalsteuer und damit die „Steuerprivilegien für Millionäre“ abschaffen sollte.
Ein weiteres Beispiel ist der EU-Staat Malta, der ein spezielles Steuerprogramm für HNWIs hat – also für „High Net Worth Individuals“, damit sind in der Branche Personen gemeint, die ein frei verfügbares Nettovermögen von mehr als einer Million Dollar besitzen. Diese Personen können in Malta dann von einer 15%-Flat-Tax profitieren und EU-Bürger haben als besonderes Schmankerl sogar die Chance, nach dem Inländer-Prinzip besteuert zu werden und dann für Einkünfte, die außerhalb der maltesischen Grenzen erzielt werden, gar keine Steuern mehr zu zahlen.
Wo Malta ist, darf natürlich auch Zypern nicht fehlen. Und Zypern bietet auch Personen eine neue Steuerheimat, die nicht zu den Superreichen zählen. Wer sich seine regelmäßigen Renten oder Pensionen nach Zypern überweisen lässt, zahlt darauf in der Regel nur 5% Steuern; Einmalzahlungen und Pauschalen sind sogar steuerfrei. Ein Herz für Rentner und Pensionäre mit Pauschalabschlägen hat übrigens auch Frankreich. Dort fallen pauschal 7,5% Einkommensteuer auf Einmalzahlungen und Abschläge an; egal wie hoch diese Zahlungen und Pauschalen sind. Zu einem echten Eldorado für Rentner und Pensionäre hat sich indes der EU-Staat Portugal gemausert. Alterseinkünfte müssen dort generell – für die Dauer von 10 Jahren – nicht versteuert werden.
Gewinnen können dabei nur wenige, verlieren werden indes fast alle
Rein egoistisch gedacht, haben die Italiener ja nicht einmal Unrecht. Man spekuliert auf rund 1.000 Personen, die sich durch die Steuerprivilegien ins Land locken lassen und dort dann nicht nur 100 Millionen Euro „Steuern“ zahlen, sondern natürlich auch ziemlich viel Geld im Land ausgeben. Problematisch ist jedoch, dass diese Ausgaben ja automatisch woanders wegfallen. Würde Frau Klatten nach Italien ziehen, würden dem deutschen Fiskus mehrere Millionen entgehen.
Auf der anderen Seite sind die Täter oft auch gleichzeitig Opfer, wenn derartige Modelle Schule machen und ein Rattenrennen einsetzt. Wenn der Schweizer Superreiche seinen Wohnsitz vom Tessin ein paar Kilometer gen Süden ins Piemont verlegt und sein italienischer Artgenosse vom Piemont ein paar Kilometer nach Norden ins Tessin zieht, haben beide Staaten unter dem Strich nichts gewonnen, sondern wichtige Steuereinnahmen verloren. Dies dürfte wohl auf fast alle entwickelten Flächenstaaten zutreffen, die sich auf derlei Spielereien einlassen. Dass dies nicht für Zwergenstaaten gilt, versteht sich von selbst. Aber diesem parasitären Treiben eine Ende zu bereiten, wäre kein großes Kunststück und dass dies noch nicht passiert ist, ist wohl einzig und alleine dem Einfluss der Superreichen auf die Politik zu verdanken.
Es geht auch anders – von den USA lernen, heißt Steuern einnehmen lernen
Es macht ohnehin wenig Sinn, hier auf der Ordnungsebene voranzuschreiten und diesem oder jenem Staat bestimmte Steuermodelle zu untersagen. Wer dieses Rattenrennen beenden will, muss nur das US-Modell der Besteuerung des weltweiten Einkommens seiner Staatsangehörigen umsetzen.
So attraktiv das italienische Angebot auch sein mag – für US-Bürger ist es alles andere als attraktiv. Und das hat natürlich seinen Grund. Der US-Steuerbehörde ist es ziemlich egal, ob ein US-Bürger bereits von einem anderen Staat besteuert wurde. US-Bürger sind mit ihren weltweiten Einkünften in den USA steuerpflichtig. Das betrifft den in Deutschland lebenden Softwareingenieur mit amerikanischem Pass genauso wie den US-Milliardär, der sich auf einer Karibikinsel niedergelassen hat. Beide müssen ihre Einkünfte sowohl dem lokalen Finanzamt als auch den US-Steuerbehörden melden. Normal- und Geringverdiener können jedoch aufatmen, da es einerseits sehr hohe Freibeträge (bei Singles bis zu 91.400 US$ pro Jahr) gibt und andererseits im Ausland gezahlte Einkommensteuern voll abzugsfähig sind. Der US-Milliardär hätte also – zumindest steuerlich – nur sehr wenig davon, nun nach Italien zu ziehen. Er könnte die Pauschale von 100.000 Euro zwar als Verlustvortrag anmelden, müsste aber für den gesamten Rest seiner Einkünfte in den USA den vollen Steuersatz bezahlen.
Lesen Sie dazu bitte auch den Artikel „Was unsere Steuergesetzgebung von den USA lernen könnte“, der sich ausführlich mit dem Konzept der Besteuerung des weltweiten Einkommens beschäftigt.
Selbstverständlich wäre ein solches Modell auch in der EU möglich. Man muss nur wollen. Und genau daran hapert es.
Eine offene Frage ist jedoch, wie lange das „italienische Angebot“ überhaupt bestehen bleibt. Kritiker, wie der Mailänder Jura-Professor Carlo Garbarino weisen – vollkommen zu Recht – darauf hin, dass die italienische Verfassung vorsieht, dass die Steuergesetzgebung „gerecht“ sein soll. Ein Steuergesetz, bei dem eine Frau Klatten nur einen Steuersatz von 0,12 Promille hätte, ist aber alles andere als gerecht und das werden wohl auch die Richter am Corte costituzionale so sehen.