Die Redaktion von Anne Will schadet Wills Image. Und eine Anmerkung zur Rolle und wirtschaftspolitischen Kompetenz Klaus von Dohnanyis.
Als Anne Will Sabine Christiansen ablöste, dachten wir, es werde sich einiges bessern. NachDenkSeiten waren zu Beginn freundlich mit der neuen Moderatorin umgegangen, zum Beispiel im Beitrag: “Thema Bahn bei Anne Will – ganz gut, aber es fehlte der Blick hinter die Kulissen”. Aber offensichtlich ist der Redaktion insgesamt nicht zu helfen. Die Sendung vom 25.1. war wieder einmal von einer seltsamen Personenauswahl gekennzeichnet. Worin liegt zum Beispiel die Kompetenz von Dohnanyis für das Thema „Verbrannte Milliarden – mit Vollgas in den Staatsbankrott?“ (eine Anmerkung zu dieser Personenauswahl siehe am Ende dieses Beitrags).
Die Redaktion ist auch nicht sonderlich großzügig im Umgang mit kritischen Beiträgen für den Anne-Will-Blog. Von seiner Odyssee, dort einen Beitrag unterzubringen, berichtet ein NachDenkSeiten-Leser. Albrecht Müller.
Als Teil I hier sein Erfahrungsbericht vom 26.1., als Teil II Anmerkungen zu Klaus von Dohnanyis Wirtschaftskompetenz:
Teil I:
Liebe Herausgeber,
seit vielen Monaten lese ich mit großem Interesse (nahezu täglich) Ihre Seiten, mit denen oft erst “das ganze Bild” möglich wird. (…)
Ebenfalls mit Interesse habe ich immer Ihre kritische Begleitung von TV-Gesprächsrunden (Presseclub, Anne Will u.a.) verfolgt. Nun scheint es, dass ich mit einem “pointierten” Beitrag zum Anne-Will-Blog (zum Thema der jüngsten Sendung “Verbrannte Millionen”) Opfer der dortigen redaktionellen Zensur geworden bin. Mein geposteter Beitrag von gestern 22:20 Uhr (während der Sendung) wurde mit dem Zusatz „Achtung: Der Kommentar muss erst noch von der Redaktion freigegeben werden.” versehen. Heute um 17:00 Uhr war mein Eintrag nicht mehr aufzufinden. Um 17:17 Uhr postete ich ihn mit einem kleinen Zusatz noch einmal. Wiederum wurde die o.g. Bemerkung hinzugefügt – und gg. 19:00 war mein Eintrag abermals aus der Liste verschwunden. – Ich dachte, das könnte Sie interessieren! Mein Text liegt als Word-Dokument bei – und darf von Ihnen zu Dokumentationszwecken dieses Vorgangs veröffentlicht werden.
Mit freundlichen Grüßen
HUS, Fl
Das ist der gepostete Beitrag von:
HUS FL 453
“Achtung: Der Kommentar muss erst noch von der Redaktion freigegeben werden.
26. Januar 2009 17:17 Uhr
Gestern um 22:10 Uhr postete ich den folgenden Beitrag, der von der “Redaktion” zensiert wurde, d.h. er wurde nicht veröffentlicht…!!! Na sowas! – Daher nun noch einmal – in nahezu unveränderter Form:
Muss denn dieser alte Mann, der schon Teile der DDR-Wirtschaft nachträglich endgültig zu Grunde gerichtet hat (Herr Dohnanyi), immer wieder als vermeintlich Wirtschaftskundiger in die Talk-Shows gezerrt werden. – Oder soll er von den Redakteuren als SPD-Schreckbild vorgeführt werden…???!
Und dann darf auch wieder das CDU-Röttgen da sitzen und pseudo-akademisch in die Kameras lügen. Dass niemand von der herannahenden sog. “Finanzkrise” gewusst oder sich über die Konsequenzen im Klaren gewesen sein soll, kann nur der behaupten, der wirklich noch nie etwas wusste – oder der die Öffentlichkeit für dumm verkaufen will…! Schon Ende 2007 hat Oskar Lafontaine im Bundestag sehr begründet vor einer Weltwirtschaftskrise gewarnt und die Haltung der Bundesregierung zu Hedgefonds und ähnlichen (für die Allgemeinheit sehr kostspieligen) Taschenspieler-Tricks des Großkapitals scharf kritisiert. – Aber nein – das sei ja alles nur “Populismus”, tönt es dann in dümmlicher Weiter-so-Manier aus den etablierten Parteien… – Röttgen ist der personifizierte Populismus, der auch jetzt noch der Öffentlichkeit den Sand gleich säckeweise in die Augen streut. – Doch die Klaqueure im Publikum scheinen bei jedem Blödsinn zu applaudieren. Vielleicht auch, weil sie’s nicht begreifen – oder begreifen wollen! – Und man glaubt’s nicht: Die Mehrheit der BRD-Bürger soll sich nach “ausgewählten Meinungsmanipulatoren” eine CDU/FDP-Regierung wünschen! Na, dann gute Nacht: …die dümmsten Kälber wählen ihre Metzger selber!!! Und das Geschwätz bei Will und Konsorten soll das auch noch untermauern! Selbst das Testbild hat einen höheren Bildungswert als diese Geschwätz-Shows!“
Nun, der Eintrag ins Forum ist nicht gerade freundlich formuliert. Aber solche deutlich als Teil einer Kampagne erkennbaren Talkshows sind eben auch nicht freundlich. Wenn man zum Beispiel dem Abgeordneten Röttgen von der CDU unkritisch ein Forum für die erkennbar manipulative Strategie bietet, die Finanzkrise hätte man nicht früher erkennen können, dann kann man darauf eigentlich nur mit einem zornigen Kommentar antworten.
Hier ist der Link auf den Blog von Anne Will
Für Leser der NachDenkSeiten und für uns ist interessant zu beobachten, wie häufig sich dort Leser der NachDenkSeiten zu Wort melden. Wenn Sie über die Suchfunktion NachDenkSeiten eingeben, werden sie das feststellen können. Uns freut ist natürlich, so beobachten zu können, das wir offensichtlich hilfreiches Material und Informationen für die öffentliche Debatte liefern.
Teil II: Anmerkungen zu Klaus von Dohnanyis Wirtschaftskompetenz:
Vermutlich gibt es so etwas wie ein Register oder eine Liste von Personen, die von den Vertretern und Betreibern der neoliberalen Ideologie für Talkshows angeboten werden. Auf dieser Liste stehen offenbar solche Personen wie Christine Scheel und Klaus von Dohnanyi. Früher gehörte auch der Parteiwechsler Oswald Metzger dazu. Klaus von Dohnanyi ist in letzter Zeit mehrmals aufgetaucht, obwohl eigentlich nicht erkennbar ist, worin seine Kompetenz für die Behandlung des Themenbereichs Konjunkturprogramme, Finanzkrise, Staatsverschuldung liegen soll. Ein Experte für Wirtschaft ist er nicht. Was er als Beauftragter der Treuhandanstalt „geleistet“ hat, ist mehr als fragwürdig. Freunde der NachDenkSeiten wissen darüber mehr. Ich hoffe, sie dokumentieren gelegentlich ihre Erfahrungen.
Ich kann hier nur von meinen eigenen Erfahrungen mit dem „Wirtschaftsexperten“ von Dohnanyi berichten. Ich will das Fazit vorwegnehmen: Wenn der frühere Bundeswirtschaftsminister Schiller 1969 in einer kritischen ökonomischen Situation dem Rat seines Staatssekretärs von Dohnanyi gefolgt wäre, dann wäre unser Land nicht einer kritischen Währungsspekulation entronnen und Willy Brandt wäre damals nicht Bundeskanzler geworden.
Dohnanyi war 1968 und 1969 einer von zwei beamteten Staatssekretären bei Schiller. (Ich war zur gleichen Zeit Redenschreiber von Schiller und Zimmernachbar Klaus von Dohnanyis). Karl Schiller hatte sehr früh gemerkt, dass er sich auf das Urteil von Klaus von Dohnanyi nicht verlassen kann. Wenn sich Schiller damals über wichtige wirtschaftspolitische Entscheidungen beraten wollte, dann gehörte von Dohnanyi nicht zu seinem Küchenkabinett. Schiller war dann sogar von solchen Leuten wie Hans Tietmeyer, Grundsatzreferent im BMWi, besser beraten als von Dohnanyi – dies festzustellen fällt mir nicht leicht.
Im Sommer 1968 war für jeden Volkswirt klar, dass die D-Mark im Vergleich zum Dollar extrem unterbewertet ist. Das zeigte sich in einer beginnenden massiven Spekulation auf die Aufwertung der D-Mark. Der damalige Bundesfinanzminister Franz Josef Strauß (CSU) und infolgedessen auch sein Parteifreund Bundeskanzler Kiesinger (CDU) waren gegen die Aufwertung. Genauso und aus ähnlichen Gründen wie Strauß auch Klaus von Dohnanyi. Beide wollten der in Bayern konzentrierten Flugzeugindustrie ihren aus der Dollar-Überbewertung folgenden Wettbewerbsvorteil erhalten. Klaus von Dohnanyi, von München kommend, war damals ein Fan der Flugzeug- und Rüstungsindustrie und stritt für den Währungsvorteil wie für andere staatliche Subventionen zu Gunsten dieses Wirtschaftszweigs.
Im März 1969 kam es dann zum Schwur: Schiller stellte in seinem „Küchenkabinett“, zu dem ich als Redenschreiber gehörte, jedem reihum persönlich die Frage, ob er dem Bundeskanzler die Aufwertung der D-Mark auch formell und mit einer Kabinettsvorlage vorschlagen solle. Zu einer solchen formellen Kabinettsvorlage war er als für die Währungspolitik Zuständiger berechtigt.
Die vergleichsweise zahlreich vertretenen Sympathisanten der CDU/CSU und Kiesingers (Staatssekretär Schöllhorn, Tietmeyer und Schlecht) waren zwar sachlich von Schillers Vorschlag überzeugt, hielten aber einen solchen Vorstoß nicht für sinnvoll, weil ein solcher den konservativen Teil der damaligen Großen Koalition gnadenlos in die Defensive bringen würde. Sie wären auf eine sachlich nicht mehr haltbare Position festgelegt und bekämen massiven Gegenwind auch von Medien, die ihnen nahe stehen – zum Beispiel von der FAZ und dem Handelsblatt. Ich war sowohl sachlich als auch politisch von der DM-Aufwertung und dem Vorstoß Schillers überzeugt und votierte entsprechend.
Schiller schloss die Sitzung ohne seine Entscheidung zu erkennen zu geben und schlug dann acht Wochen später, am 9. Mai 1969 im Kabinett die Aufwertung der D-Mark vor. Das führte zu einer vergleichsweise großen politischen Explosion und zu einem großen Konflikt zwischen den beiden Koalitionspartnern, der dann nach der Wahl im September 1969 durch einen anderen Bundeskanzler, Willy Brandt, und die Entscheidung für die Aufwertung endgültig gelöst wurde.
Die Notwendigkeit zur Aufwertung der D-Mark war selbst in konservativen Medien unbestritten. Schiller hatte auch dort für seinen Vorstoß die volle Sympathie. Das brachte der SPD im Bundestagswahlkampf endgültig den Vorsprung bei der Wirtschaftskompetenz. Das Thema Aufwertung war deshalb ein geradezu fantastischer Konflikt für die Wahlauseinandersetzung und hat neben der Person Willy Brandts und den Vorstellungen zu einer neuen Ostpolitik und sozialen Reformpolitik die Wahl entschieden.
Klaus von Dohnanyi war zur Sitzung des Küchenkabinetts im März des Jahres nicht eingeladen. Er hatte jedoch als formeller Staatssekretär des Bundeswirtschaftsministeriums und als ehemaliger Infratest-Mann vergleichsweise großen Einfluss auf Willy Brandt und hat dessen Meinung zur Aufwertungsfrage, wie indirekt auch die anderer Führungspersonen der SPD wie zum Beispiel Herbert Wehner und Helmut Schmidt, bis Anfang Juli 1969 geprägt. Auf Schillers Seite war öffentlich erkennbar nur der damalige Bundesgeschäftsführer Hans-Jürgen Wischnewski. Aus diesem Grund war die SPD zu dieser Frage zwischen dem 9. Mai und Anfang Juli öffentlich erkennbar gespalten. Seine eigentliche Dynamik konnte das Thema Aufwertung und der Konflikt mit Kiesinger, Strauß und der gesamten Union erst mit der endgültigen Entscheidung ab Juli 1969 entwickeln. Das reichte gerade noch zum notwendigen Beitrag für den Wahlsieg und damit für den ersten politischen Wechsel in Deutschland nach 1945.
Hätte sich die SPD damals nach dem Rat des „großen Wirtschaftsexperten“ von Dohnanyi gerichtet, wäre nach meiner Überzeugung der damalige politische Wechsel nicht zu Stande gekommen – mit allen Folgen auch für die Ost- und Entspannungspolitik. An solch kleinen Dingen können auch große Weichenstellungen scheitern.
Ich verbinde mit Klaus von Dohnanyi noch eine weitere „Großtat“ im Sinne der gedeihlichen Entwicklung unseres Volkes im allgemeinen und der Sozialdemokratie im besonderen:
Bis 1982 war die Mehrheit der SPD und insbesondere ihr Bundeskanzler Helmut Schmidt gegen die Kommerzialisierung der elektronischen Medien. Nach der Wende von 1982 hat Kanzler Kohl mit seinem Postminister Schwarz Schilling auch die Wende hin zur Kommerzialisierung durchgesetzt und 1984 auch tatsächlich mit der Programmvermehrung und Kommerzialisierung begonnen. Die SPD stand damals vor der wichtigen Entscheidung, wie sie sich zu dieser Weichenstellung verhalten wolle. Es gab aus meiner Sicht sachlich keine Gründe, eine Wende im Sinne der Union zu vollziehen. Klaus von Dohnanyi hat sie dennoch aus durchsichtigen eigenen Interessen betrieben. Beim Essener Parteitag von 1984 – die passende Jahreszahl siehe Orwell – kippte die SPD um. Klaus von Dohnanyi hatte ein Interesse daran, weil ihm dies als Hamburger Bürgermeister zumindest das teilweise Wohlwollen des in Hamburg besonders vorherrschenden Springerkonzerns sicherte. Springer hatte damals ein besonderes Interesse an der Kommerzialisierung von Hörfunk und Fernsehen.
Dass Klaus von Dohnanyi inzwischen für den „Konvent für Deutschland“ und damit für eine neoliberale Kampfeinheit tätig ist, überrascht mich nicht. Als solcher und nur als solcher müsste er in Talkshows präsentiert werden, wenn überhaupt.