Trump, Trump, Trump … und wenn der Theaterdonner sich verzogen hat, bleibt uns vor allem eins: höhere Rüstungsausgaben
Wer am Wochenende die Münchner Sicherheitskonferenz samt medialem Beiprogramm verfolgt hat, fühlte sich vor allem an ein Stück absurdes Theater erinnert. Während der Protagonist sich im fernen Washington Sorgen darüber machte, was „letzte Nacht in Schweden“ geschah, spekulierten die Weißes-Haus-Astrologen im Umfeld der Münchner Sicherheitskonferenz, was der prominente Personalwechsel in Washington nun für die „transatlantische Sicherheitsarchitektur“ bedeute. Nichts, das wurde schnell klar, wenn man sich die Reden des neuen Verteidigungsministers Mattis und des neuen Vizepräsidenten Pence angehört hat. Bemerkenswert war indes das freudige Bekenntnis „unserer“ Verteidigungsministerin zu höheren Rüstungsausgaben. Ganz nach dem Motto: „Wir machen das schon, nun wartet doch noch ein Jahr ab, wir haben schließlich im Herbst Wahlen, da können wir jetzt nicht so offen reden“. Ist das „unser“ Verständnis von Demokratie? Und was sagen eigentlich die potentiellen Koalitionspartner der CDU zu dieser vorweggenommenen Budgetentscheidung einer noch nicht einmal gewählten kommenden Regierung? Von Jens Berger.
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Lesen Sie dazu bitte auch „Rüstung statt Abrüstung. Das deutsche Volk lässt sich mehrheitlich grandios verführen, ohne aufzumucken“ von Albrecht Müller
„Wir haben verstanden“ – was in Ursula von der Leyen gefahren ist, ausgerechnet den Werbeslogan der mit Steuermilliarden geretteten Commerzbank als Überschrift für ihren Aufsatz zur Münchner Sicherheitskonferenz in der Süddeutschen zu wählen, wird wohl ewig ihr Geheimnis bleiben. Alleine schon die Illustration ihres Gastartikels lässt Böses ahnen. Umrahmt von Panzern, Soldaten und Transportflugzeugen wirft unsere oberste Soldatin einen kühlen, aber entschlossenen Blick auf eine unter dem roten Stern versteckte Stadtsilhouette, aus der statt Kirchtürmen Raketen ragen. Kalter Krieg reloaded. Es gibt Dinge, die sollten eigentlich selbst „Flinten-Uschi“ zu peinlich sein. Aber ok.
Mindestens genauso fragwürdig ist jedoch der Inhalt ihres Gastartikels. Von einer Friedensdividende ist da die Rede, die „wir“ genossen haben, während unsere guten Freunde jenseits des Atlantiks viel Geld dafür bezahlt haben, dass wir diese Dividende überhaupt ausgezahlt bekommen. Doch nun haben „wir“ undankbaren Deutschen verstanden. „Wir“ müssen aufrüsten, „uns“ stärker engagieren und in Europa zur Hegemonialmacht für kleinere Staaten werden. „Wir“ wollen ja schließlich nicht undankbar sein und zurückgeben, was uns unsere Freunde aus Amerika erst ermöglicht haben. Geschenkt gibt es das Alles natürlich nicht. Da müssen „wir“ schon Geld in die Hand nehmen.
In von der Leyens Eröffnungsrede in München hörte man den gleichen Nonsense. „Wir haben verstanden“, „wir haben die Vorzüge einer Sicherheitsdividende genutzt“ und jetzt müssen „wir in Sicherheitsrücklagen investieren“. Von der Leyen schlug auf und der Ball lag nun bei US-Verteidigungsminister Mattis, der dies natürlich nur allzu gerne hörte und seine Kollegin pflichtschuldig daran erinnerte, diesen hehren Worten doch auch Taten folgen zu lassen und das Militärbudget auf die „vereinbarte“ 2-Prozent-Marke zu erhöhen. Gemeint ist hiermit, dass die NATO-Staaten ihr Verteidigungsbudget auf 2,0 Prozent des Bruttoinlandsproduktes anheben sollen; eine ebenso willkürliche wie unsinnige Marke, die nur von den USA, Großbritannien, Estland und paradoxerweise Griechenland eingehalten und von den meisten NATO-Staaten geflissentlich ignoriert wird. Sollten die Europäer ihre „Anstrengungen“ nicht erhöhen und die 2-Prozent-Marke ernst nehmen, so Mattis, würden die USA ihr „Engagement“ in der NATO verringern; und dieser verlockende Satz wird interessanterweise von den transatlantischen Journalisten quer durch die Zeitungslandschaft als „Drohung“ bezeichnet.
Wie beim Ping Pong landete der Ball nun also wieder bei Ursula von der Leyen, die freilich genau dies im Sinne hatte. Man solle doch Verständnis für Deutschland haben, schließlich würde in diesem Jahr gewählt und es dauere halt ein wenig, bis der neue Haushalt verabschiedet sei. Vielleicht sei dies „auch erst am Anfang des nächsten Jahres“ der Fall. Aber Steigerungen wird es natürlich geben; so oder so. Angela Merkel warf in München sogar eine Zahl in die Runde: Acht Prozent, so die Kanzlerin, sei die Zielmarke, um die man die Militärausgaben jährlich steigern wolle. Gerade so als sei eine jährliche Steigerungsrate von acht Prozent nur Peanuts, ergänzte Merkel noch, „mehr können sie faktisch nicht machen“. Nur gut, dass wir ja in „postfaktischen Zeiten“ leben, möchte man da sarkastisch hinzufügen.
Und was ist nun mit diesem „Verrückten“, vor dem SPIEGEL und CO. uns täglich warnen? Wenn Trump auch nur im Ansatz so „verrückt“ ist, wie die Herren Edelfedern es darstellen, kann es doch nicht Ziel einer souveränen Politik sein, immer mehr Geld dafür auszugeben, um sich immer enger an diesen „Verrückten“ zu binden. Von Trump war abseits der boulevardesken Begleitberichterstattung jedoch in München erstaunlicherweise kaum die Rede gewesen. Der gleiche alte Wein in neuen Schläuchen war vielmehr das Motto. Es ging vor allem darum, immer mehr und mehr Geld für Rüstung auszugeben. Verteidigungsminister Mattis und Vizepräsident Pence haben sich da – wenn überhaupt – nur in Nuancen von ihren im München aufgetretenen Vorgängern Hillary Clinton, Joe Biden und John Kerry unterschieden. Die „große Kluft“ zwischen Washington und Berlin scheint eher ein „Narrativ“, also eine Geschichte der Medien zu sein. Zumindest die in München vertretenen Spitzenpolitiker haben nicht eben den Eindruck vermittelt, dass es sowas eine Kluft geben könnte.
Ich habe da eher den Eindruck, als sei das ganze Gerede vom „Verrückten“ in Washington und der „großen Kluft“ eher eine schöne Geschichte, um dem Volk wieder einmal eine Politik anzudrehen, die ganz und gar nicht im Interesse des Volkes ist. Die meisten von uns haben ganz andere Sorgen als die angebliche „Bedrohung der NATO-Ostflanke“ durch den ewig bösen Russen und islamistischen Terror in Nahost. Aber wie soll die Rüstungslobby ohne derlei Schauergeschichten den Wähler davon überzeugen, noch mehr Geld für Rüstung locker zu machen?
Die europäischen NATO-Staaten geben schon heute mehr als dreimal so viel für das Militär aus wie Russland und die USA sogar zehnmal so viel. Rein logisch sollte man da doch darüber diskutieren, wie viel weniger Geld man für das Militär ausgeben sollte; schließlich ist es ja nicht so, dass es sonst keinen sinnvollen Verwendungszweck für das viele schöne Geld gäbe. Aber nein. Paradoxerweise ist es laut den Damen Merkel und von der Leyen bereits abgemachte Sache, dass wir nicht weniger, sondern deutlich mehr Geld für Rüstung und Militär ausgeben werden. Doch darüber spricht niemand.
Allenthalben geht es nur um Trump, Trump, Trump und nochmals Trump. Weil Trump unzuverlässig sei, müssten wir selbst Verantwortung übernehmen. Und Verantwortung ist nur ein anderes Wort für Geld. Da freut sich die Rüstungslobby dies- und jenseits des Atlantiks und da freut sich die Pickelhaubenfraktion, die Deutschland ja schon immer zu seiner angestammten Rolle als „Groß- und Schutzmacht“ Europas zurückführen wollte.
Und was bleibt, wenn wir alle endlich eingesehen haben, dass sich durch den Personalwechsel im Weißen Haus gar nicht so viel geändert hat und der Theaterdonner rund um den Hanswurst mit den orangenen Haaren gelichtet hat? Merken wir dann, dass dieses absurde Theaterstück uns um unsere „Friedensdividende“ gebracht hat und wir wieder einmal mehr Geld für Panzer und Haubitzen als für Kindergärten und Schulen ausgegeben haben? Und derweil stehen wieder deutsche Landser im Baltikum.
Was sagen eigentlich die potentiellen künftigen Koalitionspartner der beiden Rüstungsfreundinnen Merkel und von der Leyen zu den schon feststehenden Budgetzusagen für die Rüstungslobby? Sowohl von der SPD als auch von den Grünen hört man dazu erstaunlicherweise nichts Substanzielles. Es ist ja auch erstaunlich. Ich dachte immer, man wählt Abgeordnete und Parteien, die dann gemäß des Wählervotums ihr Wahlprogramm umsetzen und den Bundeshaushalt anhand dieses Programms – und natürlich der Kassenlage – festlegen. Wenn bereits „abgemacht“ ist, dass der Rüstungsetat künftig Jahr für Jahr um stolze acht Prozent steigt, dann sollten die Wähler aber bitte auch erfahren, welche Ressorts dann weniger Geld bekommen. Das sind die Fragen, die den Wähler interessieren sollten – und nicht das Theater rund um Trump, Trump, Trump. Aber wahrscheinlich ist es auch so, wie Albrecht Müller am Freitag zu diesem Thema geschlussfolgert hat: Wir sind schon ganz schön blöd.