Schauen Sie sich den Snowden-Film an und animieren Sie bitte Ihre Freunde, Verwandten, Kinder und Eltern, es Ihnen gleich zu tun.
Wenn ich US-amerikanischer Stratege für den Umgang mit Snowden wäre, dann würde ich die Parole ausgeben: ‚Den Mann einfach vergessen und vergessen machen, Snowden und die ganze Bande drum herum, also auch Greenwald.‘ – Der Film „Snowden“ von Oliver Stone ist ein gut gelungener Versuch, an Snowdens Warnungen zu erinnern und damit auch an das Imperium und seine Kraken allüberall auf der Welt und an die von dort kommende Gewalt und den Tod. Der Film erinnert die Zuschauer „für einen Moment daran, in was für einer Realität sie sich befinden. 2016 lässt 1984 nämlich wie einen Witz erscheinen.“ Albrecht Müller.
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Das schreibt Emran Feroz in seiner Filmbesprechung, die unten folgt.
Wir dürfen nicht vergessen, was um uns herum vorgeht. Wir dürfen nicht vergessen machen lassen, wie weit kriminelle Elemente schon in die Schaltstellen der Macht vorgedrungen sind.
Der Film ist wie ein Kontrastprogramm zur Einlullung, der wir täglich ausgesetzt sind. Lassen Sie uns gemeinsam dafür arbeiten, dass sich nicht immer mehr von unseren Freunden einlullen lassen. Deshalb dieser Appell zur Aufklärung. Im Übrigen ist der Film nicht nur bedrückend, sondern auch spannend. Der Aufwand lohnt sich.
Realität auf der Leinwand
Nachdem der NSA-Skandal und die Enthüllungen Edward Snowdens bereits in die Geschichtsbücher eingegangen sind, hat auch die Filmindustrie das Thema aufgegriffen und daraus einen Film gezaubert, der keine Propaganda, sondern vielmehr ein Abbild der Realität vermittelt. Was der Zuschauer jedoch daraus macht, bleibt ihm selbst überlassen. Von Emran Feroz.
Mitten während des Liebesaktes mit seiner Freundin fällt Snowden (Joseph Gordon-Levitt) auf, dass er beobachtet wird. Die Webcam des Computers ist direkt auf das Bett des Paares gerichtet. Ob sie ausgeschaltet ist oder nicht, weiß man nicht. Immerhin lässt sie sich auch extern bedienen. Und genau das macht die NSA regelmäßig, um jede x-beliebige Person auszuspähen, wie Snowden selbst noch vor ein paar Tagen miterlebte.
Szenen wie diese sind prägend für „Snowden“, der seit Ende September in den Kinos läuft – und sie erinnern die Zuschauer für einen Moment daran, in was für einer Realität sie sich befinden. 2016 lässt 1984 nämlich wie einen Witz erscheinen.
Wie oft betrachten wir immer noch unsere Kameras am Laptop oder am Smartphone und fragen uns, ob wir gerade in diesem Moment von jemandem beobachtet werden? Und wie oft stellen wir uns die Frage, ob durch all die Mikrophone – durch all diese Wanzen, die wir uns selber ins Haus gebracht haben und die wir stets mit uns führen – nicht doch gerade jemand mithört?
Ja, wir tun es ab und zu. Allerdings verdrängen wir es auch schnell wieder – und leben weiter in den überwachten Tag hinein. Trotz der vordergründigen Liebesgeschichte ist „Snowden“ vor allem eine Erinnerung an diesen verdrängten Alltag.
Es gehört nämlich weiterhin zum Alltag, dass amerikanische Geheimdienste jeden überwachen, den sie wollen – seien es nun Privatpersonen, ausländische Wirtschaftskonzerne oder Politiker und Diplomaten. Mit den ermittelten Daten lässt sich viel anrichten. Die Liste ist lang, sie geht von einfacher Erpressung bis hin zum Drohnen-Angriff in Afghanistan, der unschuldige Menschen in Stücke zerfetzt.
All diese Dinge sieht Snowden – und er stellt sie in Frage. In den zweieinhalb Stunden erlebt man eindrücklich, wie seine grundlegenden, anfangs sehr konservativen Überzeugungen erschüttert werden und sich seine Weltanschauung verändert. Das Resultat dieses Prozesses machte ihn zum berühmtesten Whistleblower der Geschichte.
Der Grund für die gelungene Inszenierung heißt Oliver Stone. Vor allem in diesen Tagen erweist sich der Regisseur als Systemkritiker, indem er etwa darauf aufmerksam macht, dass Hillary Clinton nicht per se die beste Alternative zu Donald Trump darstellt. Im Gegensatz zu vielen anderen Sternchen der Industrie, die längst zu einem „Vote for Hillary“ aufgerufen haben, hat Stone mehrfach auf die kriegerische Vergangenheit Clintons aufmerksam gemacht. „Sie ist eine Kriegerin. Sie scheint keinerlei kritische Selbstwahrnehmung zu haben, was die Kriege angeht, die sie unterstützt“, sagte der Regisseur vor einiger Zeit in einem Interview.
Mit derartigen Ansichten ist man in den USA heutzutage alles andere als beliebt, vor allem nicht in der Hollywood-Industrie, die nicht selten als Sprachrohr von neokonservativen Kriegstreibern und Politikern agiert. Dies dürfte wohl auch einer der Gründe gewesen sein, warum keine großen US-amerikanischen Studios sich an der Produktion beteiligten und Stone Hollywood „Feigheit“ attestierte.
Was der Zuschauer letztendlich aus „Snowden“ macht, bleibt ihm jedoch selbst überlassen. Der größte Fehler wäre wohl, den Film als bloße Unterhaltung zu betrachten und dabei zu vergessen, dass er schon längst die Realität erreicht hat.