Endzeitstimmung. CDU/CSU und SPD erweisen sich mit den neuen Verabredungen zur betrieblichen Altersvorsorge wieder einmal als Anhängsel der Finanzwirtschaft.
Man könnte es auch anders formulieren: Die politische Korruption ist durchgehend hoffähig geworden. Dies, zusammen mit der täglichen Agitation zum Aufbau von Feindbildern zwischen West und Ost macht die Endzeitstimmung aus. – Es gäbe eine klare, sachliche und zielführende Reform der Altersvorsorge, nachdem sich die Versuche mit Riester-Rente, Rürup-Rente und Entgeltumwandlung als teure Flops erwiesen haben: Die Konzentration aller politischen Kräfte und aller finanziellen Mittel auf die Stärkung der Gesetzlichen Rente. Stattdessen entscheiden sich die Koalitionäre Nahles und Schäuble für die Bedienung der Versicherungswirtschaft und Banken und der Tarifpartner. Das ist Ausdruck einer schamlosen politischen Korruption. Albrecht Müller
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Sie geht zulasten der Beitragszahler und zulasten der Steuerzahler und bringt einen Wust von Bürokratie.
Wer hat die Abreden getroffen
Getroffen haben sich die Ministerin für Arbeit und Soziales, Andrea Nahles, und der Bundesfinanzminister, Wolfgang Schäuble, und mit ihnen Vertreter der Arbeitgeber, also BDA, Gesamtmetall und Chemie sowie Vertreter des DGB, der IG Metall, der IG BCE und Verdi.
Was geplant ist, kennen wir nur in Umrissen
In den heutigen Hinweisen haben wir unter der Ziffer 1 schon davon berichtet. Die FAZ hatte eine ausführliche Darstellung gebracht.
Die betriebliche Altersvorsorge soll ausgebaut werden. Es sollen auch Betriebe, vor allem eben Kleinbetriebe, die bisher keine oder nur eine geringfügige betriebliche Altersvorsorge haben, einbezogen werden. Betriebliche Altersvorsorge soll durch Zuschüsse und Steuervorteile gefördert werden. Das soll durch Tarifverträge bewirkt werden. Diese sollen auch für Unternehmen gelten, die nicht vom Flächentarifvertrag erfasst sind.
Die Zahlungen werden ausschließlich von den Beschäftigten geleistet. Sie werden steuerfrei gestellt und vermutlich auch sozialabgabenfrei. Das bedeutet, dass die Leistungen für die Gesetzliche Rente sinken und deren Leistungsfähigkeit weiter verringert wird. Wie zu hören ist, sollen bis zu 7 % des Arbeitnehmereinkommens in die betriebliche Altersvorsorge eingezahlt werden können. Das wäre die sogenannte Entgeltumwandlung.
Die einfache Lösung will man offensichtlich nicht. Diese wäre: Konzentration aller Mittel auf die gesetzliche Rente und das Umlageverfahren
Das Umlageverfahren arbeitet ausgesprochen kostengünstig. Es fallen fast keine Verwaltungskosten und keinerlei Werbe- und Vertriebskosten an. Die Kosten liegen unter einem Prozent der eingezahlten Beiträge. Die Bürokratie würde auf ein Minimum beschränkt.
Wenn man die von der Koalition in Aussicht genommene Möglichkeit, 7 % des Lohnes/Gehaltes für die zusätzliche betriebliche Altersvorsorge zahlen zu können, überträgt, dann entspräche der Beitrag für die Gesetzliche Rente statt bisher 18,7 % dann 25,7 %. Er würde locker ausreichen, um das Niveau der Renten wieder ein ganzes Stück über die 50 % hinwegzuheben und auch noch Sonderregelungen im Kampf gegen Altersarmut vorzunehmen. Zur Erinnerung: schon bisher hätte die bei der Riester-Rente vorgesehene Zahlung der Beschäftigten in Höhe von 4 % ausgereicht, um mit der dementsprechenden Beitragserhöhung bei der gesetzlichen Rente deren Leistungsfähigkeit wieder enorm zu verbessern.
Was die Konzentration auf die gesetzliche Altersvorsorge nicht leisten würde:
- Den Versicherern würde kein neues Geschäftsfeld eröffnet bzw. das Geschäft mit der betrieblichen Altersvorsorge würde nicht mit neuen Subventionen und neuen quasi zwanghaften Regelungen verstärkt werden.
- Den Gewerkschaften würde auch kein neues Arbeitsfeld eröffnet. Das stimmt. Wenn die Regelungen ihretwegen so eingetütet werden sollen, dann soll man das bitte offen sagen und nicht schamhaft verschweigen, wie Frau Nahles das tut.
Die Folgen der geplanten Neuregelungen
- Die Verbesserung der Altersvorsorge wird teuer für die Arbeitnehmer.
- Die Verbesserung der Altersvorsorge wird teuer für die Steuerzahler.
- Es wird unnötig Geld ausgegeben, obwohl ein technisch einfaches und unbürokratisches Verfahren möglich wäre.
- Es wird der Korruption auf betrieblicher Ebene Tür und Tor geöffnet. Es gab ja schon einen gerichtsnotorischen Fall. Die NachDenkSeiten haben schon 2008 davon berichtet: Betriebliche Altersversorgung – dank hoher Provisionen Tummelplatz seltsamer Elemente. Ein Erfahrungsbericht
- Es unterbleiben wichtige Neuregelungen, die bei einer Verbesserung der gesetzlichen Rente neben der Erhöhung des Leistungsniveaus insgesamt möglich wären.
- Es wird sichtbar, dass die politisch handelnden Personen nicht mehr zu sachlichen Lösungen fähig sind.
Das sachlich Richtige und Naheliegende tut man nicht. Man tut das, was der Versicherungswirtschaft und den Banken gefällt. Und nebenbei bedient man Nebenkriegsschauplätze der Gewerkschaften.
An die Gewerkschaften ist die Frage zu richten, was ihre Rentenkampagne, die für den Herbst vorgesehen ist, noch bewirken soll, wenn sie sich auf solche Deals wie jene mit Herrn Schäuble und Frau Nahles einlässt.