Schwarzer Tag für die Schwarzen in Bayern – SPD in Euphorie trotz schlechtestem Ergebnis
Die CSU ist von 60,7 % und einer Zweidrittelmehrheit der Mandate wie noch keine andere Partei bei einer Wahl um über 17 % auf 43,5 % abgestürzt und benötigt zum ersten Mal seit 46 Jahren einen Koalitionspartner. Die Unionsparteien haben damit die zehnte Landtagswahl hintereinander und – laut Tagesthemen – in den letzten 10 Jahren insgesamt 53 % ihrer Wähler verloren. Die SPD hat nach ihrem letzten schlechten Wahlergebnis noch einmal 1 % verloren und landete als 18-Prozentpartei. Dennoch machte die Parteiführung in Euphorie. Wolfgang Lieb
Ministerpräsident Beckstein, der CSU-Vorsitzende Huber und die Generalsekretärin Haderthauer sprachen dennoch von einem „deutlichen“ Wählerauftrag zur Regierungsbildung. Dass die ehemalige „Staatspartei“ bei 58 % Wahlbeteiligung gerade mal von einem Viertel der Wahlberechtigten Zustimmung erfuhr, ist nur ein Indiz unter vielen, dass die CSU offenbar die Stimmungslage der Bayern auch noch nach diesem epochalen Einbruch nicht wahrnehmen will oder kann. 180.000 Stimmen hat sie an die Nichtwähler verloren, genauso viel wie an die FDP.
230.000 ehemalige CSU-Wähler gingen an die Freien Wähler (FW).
CDU-Generalsekretär redete das Desaster der Schwesterpartei damit schön, dass ja die Stimmen im „bürgerlichen Lager“, nämlich bei der FDP (mit 8,0 % d.h. ein Plus von 5,4 %) und bei den Freien Wählern (FW) (mit 10,2 % d.h. ein Plus von 6,2 %) geblieben seien und rechnete eine Mehrheit für eine „bürgerliche Koalition“ im Bund vor – gerade so als könnte man die Wähler der Parteien wie Schachfiguren hin und her schieben.
Die CSU hat bei den jüngeren Wählern bis 35 Jahre ihre größten Verluste hinnehmen müssen, nämlich rund ein Viertel. Sie hat sich nur bei den Rentnern einigermaßen behaupten können. Auch Arbeiter sind ihr in Scharen davon gelaufen, allerdings sind sie nicht bei der SPD angekommen.
Bei der SPD, die mit 18,6 % (minus 1 %) ihr schlechtestes Ergebnis aller Landtagswahlen erzielt hat, wollte der Interimsvorsitzende und Kanzlerkandidat Steinmeier nicht über das eigene Ergebnis sondern über das „Erdbeben“ in Bayern reden. Der designierte Parteivorsitzende, Franz Müntefering, der sich im bayerischen Wahlkampf als der Retter der SPD feiern ließ, trat am Wahlabend gar nicht erst in Erscheinung. Jedenfalls scheint das neue Führungsduo entgegen aller Wahlkampfinszenierungen und vieler Mediendarstellunger den weiteren Niedergang der SPD nicht aufgehalten zu haben. Die SPD habe sich stabilisiert (Heil) und ohne die beiden wäre das Ergebnis noch schlechter gewesen (Stiegler), lautete die beschönigende Darstellung. Dass Die Linke aus dem Stand 4,3 % schaffte und zwar vor allem gespeist aus ehemaligen SPD-Wählern, wurde gar nicht erst zur Kenntnis genommen.
Die SPD-Führung verstieg sich vielmehr in die euphorische Sprachregelung, das Wahlergebnis in Bayern sei der „Sargnagel“ (Nahles, Steinmeier) für Schwarz-Gelb im Bund. Daran mag so viel richtig sein, dass die CSU in Bayern fast immer zweistellig höhere Prozentanteile erzielt hat als ihre Schwesterpartei letztlich im Bund insgesamt erzielte und die CDU immer nur dann Mehrheiten erzielte, wenn die Bayern zu über fünfzig Prozent für die Union stimmten. Überträgt man das gestrige bayerische Ergebnis auf die derzeitigen Umfragewerte der CDU von um die 37 %, dann – so rechnet man wohl in der SPD-Führung – dürfte das reale Ergebnis bei der kommenden Bundestagswahl noch schlechter aussehen als die derzeitigen Erhebungen ausweisen und dann würde es der Union zusammen mit der FDP nicht für eine Regierungsmehrheit reichen. Was man bei dieser Schönrechnerei außer Betracht lässt, das ist das schlechte Abschneiden der SPD selbst. Ein weiterer Stimmenverlust in Bayern lässt nun auch nicht gerade den Schluss zu, dass die SPD über die 30-Prozent-Marke hinauskommen dürfte und jedenfalls Rot-Grün weit von einer Mehrheit entfernt wäre. Und da ja eine Zusammenarbeit mit der Linken ausgeschlossen wird, bliebe nur die Fortsetzung einer ziemlich klein gewordenen Großen Koalition. (Selbst in Bayern sind die Anteile der beiden „Volksparteien“ an den Landtagswahlen von über 90 % im Jahre 1982 auf etwas über 60 % bei dieser Wahl geschrumpft.)
Die von Steinmeier vorgegebene Sprachregelung, dass die Bayernwahl das Ende von Schwarz-Gelb im Bund sei, beweist eigentlich nur eines, nämlich dass „seine“ SPD bei der Bundestagswahl nur ein Ziel vor Augen hat: die Fortsetzung der Großen Koalition mit der SPD als Juniorpartner. „Seit zehn Jahren gibt es im Bund kein Schwarz-Gelb mehr und das wird so bleiben, das sage ich Euch“ erklärte er vor den jubelnden Anhänger im Willy-Brandt-Haus.
Seine Hoffnung auf eine Verbesserung des Resultats für die SPD setzt er offenbar darauf, dass die „Abtrünnigen“ von der Union, statt bei FDP und Freien Wählern bei den Sozialdemokraten ankommen. Dass mit dieser Strategie der SPD auf dem linken Wählerspektrum erheblich mehr Wählerinnen und Wähler davon laufen als CDU-Abtrünnige ankommen, kommt in den politischen und strategischen Überlegungen der jetzigen Parteiführung offenbar nicht mehr vor.
Das Kommunalwahlergebnis in Brandenburg ist jedoch ein deutliches Indiz dafür, dass die SPD von den Verlusten der Union (minus 8 %) kaum profitieren kann.
In den Fernsehsendungen am Wahlabend war interessant zu beobachten, dass Beckstein als mögliche Koalitionspartner die SPD immer zuerst genannt hat und dass sich Maget und der bayerische Ministerpräsident erkennbar über die Anbiederung von Martin Zeil von der FDP mokierten, war bemerkenswert. Zu einer großen Koalition wird es jedoch in Bayern vermutlich nicht kommen und es wird wahrscheinlich auf Schwarz-Gelb hinauslaufen. Die Verweigerung einer Koalition mit den Freien Wählern (FW) wird jedoch sicher nicht dazu beitragen, dass die CSU wieder mehr Bodenhaftung findet.
Verloren haben bei dieser Wahl einmal mehr die Demoskopen. Keines der Institute hatte auch nur annähernd ein so schlechtes Ergebnis für die CSU ermittelt und auch für die SPD lagen die Prognosen deutlich höher. Offenbar laufen den Volksparteien an der Wahlurne die Wähler weg.