INSM-Bildungsmonitor, ein Propagandainstrument für eine arbeitgeberorientierte Bildungspolitik
Rechtzeitig zu dem von der Kanzlerin angestoßenen „Bildungsgipfel“ von Bund und Ländern am 22. Oktober in Dresden, hat die vom Arbeitgeberverband der Metall – und Elektroindustrie finanzierte Propagandaagentur „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ (INSM) ihren seit 2004 jährlich herausgegebenen „Bildungsmonitor“ [PDF – 1 MB] auf den Markt gebracht. Es ist immer die gleiche Masche: Die INSM lässt sich vom arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) eine als wissenschaftliche Studie verpacktes Ranking erstellen und inszeniert damit einen Anpassungsdruck unter den Ländern an die bildungspolitischen Vorstellungen der Arbeitgeberseite. Wolfgang Lieb
Die NachDenkSeiten haben schon zu den früheren „Bildungschecks“ ausführlich Stellung genommen. Zur damaligen Kritik an der Methodik und an der Zielrichtung dieser „Forschungsberichte“, die jeweils vom arbeitgebernahen Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) erstellt wurden, ist nicht viel hinzuzufügen: Man sucht sich gewichtet eine Vielzahl von Indikatoren die zum erwünschten Ergebnis führen, packt sie in ein Ranking und will damit einen Wettbewerbsdruck auf die Bildungspolitik der Länder ausüben.
„Bildung“ wird in dieser IW-Studie ausschließlich unter dem Aspekt betrachtet, „in welchen Bereichen des Bildungssystems Handlungsbedarf besteht, um die Bedingungen für das Wirtschaftswachstum zu verbessern.“
Das „Sich-Bilden der Persönlichkeit“ (Hartmut von Hentig) oder „die Anregung aller Kräfte des Menschen, damit diese sich über die Aneignung der Welt entfalten und zu einer sich selbst bestimmenden Individualität und Persönlichkeit führen“ (Wilhelm von Humboldt) oder andere an der Entfaltung und Entwicklung der geistig-seelischen Werte und Anlagen eines Menschen orientierten klassischen Definitionen von „Bildung“ spielen dabei keine Rolle. (Wie sollten dafür auch quantitative Parameter tauglich sein?) Vielmehr werden „anhand von Indikatoren … 13 bildungsökonomische Handlungsfelder in den 16 Bundesländern bewertet, die ihrerseits einen Einfluss auf die zentralen Stellschrauben des Wirtschaftswachstums in Deutschland haben.“
Bildung wird verstanden „als Investition, die Wohlstand und Wachstum nachhaltig sichern soll“.
Es soll nun keineswegs abgestritten werden, dass Bildung auch etwas mit Wohlstand und Wachstum zu tun hat und dass auch „Input“-Faktoren, wie Bildungsausgaben oder Betreuungsrelationen oder „der bildungsökonomische Output“ wie etwa Schul- oder Hochschulabschlüsse durchaus auch eine gewisse Aussagekraft über das Bildungswesen haben, aber wenn die Arbeitgeberseite die bildungspolitischen Handlungsfelder ausschließlich danach auswählt, inwieweit sie zur „Unterstützung des Wachstumspotenzials in Deutschland“ beitragen können, dann verbirgt sich dahinter eine spezifische „Wachstumstheorie“, die Wachstum vor allem von der Angebotsseite, also der Verbesserung der Investitionsbedingungen für das investierte Kapital und nicht auch von der Nachfrageseite, also den Interessen der Auszubildenden und vom gesellschaftlichen Bedarf her betrachtet. Bildung wird in dieser Studie daran gemessen inwieweit sie dem Nützlichkeitsdenken und den ökonomischen Interessen der Arbeitgeberseite passend erscheinen. Bildungsziele werden „humankapitaltheoretisch“, d.h. auf die durch Bildung zu erwirtschaftenden Erträge begründet.
Man kann den Autorinnen und Autoren der Studie nicht einmal vorwerfen, dass sie diese Prämissen verheimlichten. Ausdrücklich weisen sie darauf hin, dass sie das „Wachstumsmodell“ des Sachverständigenrats aus dem Gutachten 2002/2003 verwenden (SVR, 2002). Dass der Sachverständigenrat (jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt) ausschließlich und einseitig von Anhängern der der Angebotsökonomie besetzt war, haben wir auf den NachDenkSeiten gleichfalls schon mehrfach belegt. Dem Sachverständigenrat geht es seit Jahren ausschließlich um das nachbeten des neoliberalen Katechismus von der Senkung der Abgabenlast, der Rückführung der Staatsquote oder ökonomisch eindimensional um die Verbesserung der Investitionsbedingungen.
So sind für den Sachverständigenrat (laut Studie) typische „Wachstumstreiber“
- die Humankapitalausstattung,
- die strukturelle Arbeitslosigkeit,
- die Gesamtabgabenlast,
- die privaten und staatlichen Investitionen,
- das Bevölkerungswachstum und
- die Staatsverschuldung.
Und dementsprechend sieht dann die Übertragung solcher „Wachstumstreiber“ auf die Bildung aus:
Nach Berechnungen des Sachverständigenrats aus dem Jahr 2002/2003 führt eine Erhöhung der formalen Bildungsjahre um ein Jahr zu einer Erhöhung des BIP je Erwerbsfähigen im Fünf-Jahres-Vergleich um etwa 0,8 Prozent. Ferner führt eine höhere Qualifikation der Arbeitnehmer dazu, dass die strukturelle Arbeitslosenquote sinkt.
Oder:
Außer dem formalen Bildungsniveau ist wesentlich, dass das Humankapital möglichst früh am Arbeitsmarkt genutzt werden kann.
Oder:
Durch gezielte und optimale Förderung bereits im frühkindlichen Alter kann dazu beigetragen werden, dass Nachqualifizierungsschleifen vermieden werden. Ferner ist eine frühere Einschulung möglich. Beides zusammen führt dazu, dass sich die Jugenderwerbsquote erhöht.
Und selbstverständlich kommt es bei diesem wachstumsorientierten „Bildungs“-Begriff vor allem auf das „technische Humankapital“ an:
Besonders wichtig für die technologische Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft ist eine ausreichende Anzahl an Absolventen der so genannten MINT-Studiengänge (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik). Zahlreiche Studien belegen die Bedeutung des technischen Humankapitals für das Wachstum und die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft.
Zufriedenheit mit der Arbeit, Kreativität, soziale Standards oder die volkswirtschaftliche Nachfrage (etwa durch angemessene Löhne) oder gar die Mitbestimmung als produktivitätssteigerndem Vorteil spielen bei dieser Aufzählung der „Wachstumstreiber“ nach der neoklassischen Lehre typischerweise keine Rolle. Und „strukturelle Arbeitslosigkeit“ ist eben keine konjunkturbedingte, sondern die durch den internationalen Wettbewerb erzwungene langfristige Arbeitslosigkeit.
Den Autorinnen und Autoren der Studie sind ihre reduzierten „humankapitaltheoretisch begründeten Bildungsziele“ und die Begrenztheit ihres nur mit quantitativen Indikatoren erfassbaren Bildungsbegriffs durchaus bewusst:
Im Bildungsprozess spielen Ziele (von Inhalten und Qualität erst gar nicht zu reden W.L.) und Strategien der Institutionen, Führung und Management in den Schulen, Bürokratien, die Professionalität der Lehrenden sowie die Schulkultur eine entscheidende Rolle. Aus ökonomischer Sicht sind diese Faktoren nur schwer durch Indikatoren abbildbar.
Von all diesen einseitigen Prämissen und methodischen Beschränktheiten des „Bildungsmonitors“ ist jedoch in der Presseerklärung [PDF – 64 KB] nicht mehr die Rede und schon gar nicht wird in der Berichterstattung darüber darauf eingegangen. Da wird verallgemeinernd nur noch vom „Zustand der Bildungssysteme“ oder von einem „aktuellen Statusreport über die Stärken und Schwächen unseres Bildungssystems“ gesprochen.
Und um politischen Druck aufzubauen wird eine Rangliste aufgestellt, in der es „Spitzenreiter“, „Sprünge nach vorn“ und „Fortschritte“ gibt.
Medial zugespitzt wird daraus dann die Schlagzeile: „Sachsen hat das beste Bildungssystem“. Und natürlich rühmen sich die Bildungsminister, je nach dem erzielten Tabellenplatz ihrer „bildungspolitischen“ Erfolge und man kann gewiss sein, dass sich die Bildungspolitiker in den Ländern auf diese Ergebnisse stürzen werden.
So werden aus Quantitätsvergleichen (mit beschränkter und einseitig definierter Aussagekraft) unvermittelt Qualitätsvergleiche. Und wer bei solchen Rankings am besten abschneidet, soll natürlich nach den Vorstellungen der INSM die Qualitätsmaßstäbe vorgeben. D.h. die schlechter Platzierten sollen ihre Bildungspolitik an den besser „gerankten“ angleichen oder mit ihnen konkurrieren:
Das Benchmarking kann der Bildungspolitik Entscheidungshilfen geben und aufzeigen, in welchen Bereichen bildungspolitisches Handeln besonders dringend geboten ist. Es gibt Aufschluss über mögliche Ansatzpunkte für bildungspolitische Reformbemühungen, damit die bildungsökonomischen Ziele realisiert werden können.
Mit dem Ranking soll ein bildungspolitischer Anpassungsdruck erzeugt werden und das ist das eigentliche Ziel des „Bildungsmonitors“. Die INSM strebt damit an, dass sich die Bildungspolitik in Deutschland an den von ihr vorgegebenen Prämissen den aus den ausgewählten Indikatoren abgeleiteten Handlungsanleitungen orientiert.
Welcher propagandistische Einfluss damit ausgeübt werden kann, wird man spätestens daran ablesen können, wenn beim bevorstehenden „Bildungsgipfel“ diese Studie als Referenz in aller Munde sein wird.
Dass der „Bildungsmonitor“ am neoliberalen Wachstumsmodell ausgerichtet ist, schlägt bei der Auswahl und der Gewichtung der Indikatoren an allen Ecken und Enden durch.
Da die Senkung der Staatsquote eines der wichtigsten Ziele der neoliberalen Ideologie ist, verwirft die Studie zunächst den international üblichen Vergleich des Anteils der Bildungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt, wo Deutschland weit unterdurchschnittlich abschneidet. Da die öffentlichen Ausgaben für Bildung nach diesem Weltbild ja nur insofern notwendig und gerechtfertigt sind, als „der öffentliche Nutzen einer Dienstleistung den privaten Nutzen überwiegt und marktwirtschaftliche Mechanismen nicht in der Lage sind, die Bereitstellung eines ausreichenden Angebots in der erforderlichen und gewünschten Qualität zu gewährleisten“, müssen sie so knapp wie möglich gehalten werden. Eine „Fehlallokation“ der Bildungsausgaben sei schließlich „wachstumsfeindlich“. „Aus diesem Grund muss die Schule
einem weit verbreiteten Argument entgegen nicht nur als pädagogische, sondern auch als ökonomische Einheit betrachtet werden, die über weitreichende Kompetenzen bei der Disposition knapper Ressourcen verfügt … Der Effizienz im Bildungssektor kommt deshalb für das wirtschaftliche Wachstum eine entscheidende Bedeutung zu…“. So wird dann z.B. „in Analogie zu anderen Wirtschaftsbereichen … davon ausgegangen, dass eine höhere relative Sachausstattung die Produktivität der Lehrkräfte anheben kann“.
Weil man aber um das Eingeständnis nicht herumkommt, dass die Bildungsausgaben seit Jahren nur sehr moderat und unterproportional zur wirtschaftlichen Entwicklung wachsen, muss zunächst einmal diese „Unterfinanzierungshypothese“ infrage gestellt werden. Dies geschieht u.a. mit dem ziemlich weit hergeholten Hinweis, dass die Versorgungsaufwendungen für die wegen Dienstunfähigkeit ausscheidenden Lehrkräfte im Bildungsbudget nicht voll erfasst würden. Wäre dies der Fall – so die Studie -, dann stiege der Anteil der Bildungsausgaben am BIP auf den OECD-Durchschnitt. (Aber auch wenn dieser Durchschnitt erreicht würde, müsste man sich ja fragen, ob man sich damit zufrieden geben wollte.)
Um zu einem Ranking zwischen den Ländern zu gelangen, werden statt internationaler Vergleichszahlen für die Bildungsausgaben als Indikatoren die Relationen der Ausgaben pro Schüler oder Student zu den Gesamtausgaben öffentlicher Haushalte pro Einwohner auf den vier verschiedenen institutionellen Bildungsebenen gewählt. Damit lässt sich dann die hierzulande gängige politische Ausrede untermauern, dass es nicht so sehr auf die Erhöhung der Bildungsausgaben ankommen, sondern auf eine effizientere Allokation der eingesetzten Ressourcen.
Auch die Reduktion der Schülerzahl pro Klasse oder pro Lehrer wird als Indikator nur nachrangig behandelt, weil mit einer Verbesserung der Betreuungsrelation noch keine Leistungsverbesserung erzielt werden könne, es komme auf die Qualitätsverbesserung des Unterrichts sowie der eingesetzten Lern- und Lehrmethoden an. Diese didaktische Ebene sei jedoch mangels „eindeutiger Operationalisierungsmöglichkeiten eine Black-Box“. Da jedoch ein positiver Effekt einer Verbesserung der Betreuungsrelation auf die Qualität der Lehre nicht ausgeschlossen werden könne, gehen die „Klassengröße und erteilte Unterrichtsstunden pro Klasse … mit dem halben Gewicht in das Benchmarking ein.“
An solchen Gewichtungen lässt sich erkennen, wie die Indikatoren dem von vorne herein gewünschten Ergebnis angepasst werden. Dass das Ergebnis des „Bildungsmonitors“ „vom Aggregationsverfahren und damit von der Gewichtung der einzelnen Kennziffern und der Handlungsfelder“ abhängt, gesteht die IW-Studie ganz zum Schluss (S. 97) auch ganz offen ein.
Nur, wer macht sich schon die Mühe diese Gewichtung im Einzelnen zu hinterfragen.
Ganz aus dem Blickwinkel der Arbeitgeberseite wird in der „Studie“ auch das Kriterium der Internationalisierung als Qualitätsfaktor im Bildungswesen betrachtet. Wird mit der sog. Internationalisierung üblicherweise – zumindest im Studium – das Ziel verbunden, dass die Studierenden problemlos auch im Ausland studieren können sollten, so stellt die IW-Studie gerade umgekehrt vor allem auf die Anwerbung qualifizierter Einwanderer ab: „Bei einer gezielten Anwerbungspolitik spielen die Hochschulen eine besondere Rolle…. Durch die Anwerbung qualifizierter Einwanderer kann eine Volkswirtschaft daher einem drohenden oder bereits eingetretenen Fachkräftemangel entgegenwirken.“
Internationalisierung wird also nicht etwa daran gemessen, wie viele deutsche Studierenden einen Studienaufenthalt an einer ausländischen Hochschule absolvieren, sondern „die internationale Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität eines Hochschulstudiums in den einzelnen deutschen Bundesländern wird mithilfe des Anteils der Bildungsausländer an der Gesamtzahl der Studierenden gemessen.“
Gleich 5 der 102 Indikatoren widmet der „Bildungsmonitor“ dem Fremdsprachenunterricht im Bildungssystem. Begründung:
Nicht nur für wanderungswillige Personen und Unternehmen ist es wichtig, Verständnis für andere Kulturen aufzubringen. Dies gilt gleichermaßen für Unternehmen, die erfolgreich neue Absatzmärkte in anderen Ländern erschließen möchten, und ihre Mitarbeiter.
Grundlage für das Fremdsprachenlernen sollten deshalb spätestens in der Grundschule gelegt werden, die „Anpassung an die internationalen Geschäftsbeziehungen“ werde danach durch das ununterbrochene weitere Unterrichten der Fremdsprachen im Sekundarbereich unterstützt.
Latein oder gar (Alt-)Griechisch dürften als Fremdsprachen für die Anpassung an die internationalen Geschäftsbeziehungen wohl keine Rolle spielen um so mehr lobt die Studie, dass „bereits zwei von drei Grundschülern … heutzutage Englisch oder Französisch“ lernen.
Ein ganz zentraler Indikator des „Bildungsmonitors“ ist die Zeiteffizienz:
Zeit ist ebenso wie das Sach- und Personalkapital eine knappe Ressource. Die in einem Bildungssystem verbrachte Zeit ist ebenso ein Resultat der gegebenen Bildungsstrukturen wie die Zahl der Abschlüsse und die Qualität einer Ausbildung. Verbrauchte Bildungszeit erlaubt
Aussagen über die Effizienz eines Bildungssystems. Je kürzer die Verweildauer in einem Bildungssystem bei gleicher Qualität, umso höher sind die privaten und gesellschaftlichen Erträge der Bildung, denn umso länger kann das erworbene Humankapital ertragreich auf dem
Arbeitsmarkt eingesetzt werden.
Maßgrößen für den ertragreichen Einsatz auf dem Arbeitsmarkt sind deshalb die frühe Einschulung, kürzere Schulzeiten oder die abnehmende Ausbildungsdauer an den Hochschulen durch kürzere (Bachelor-)Studiengänge: „Die Absolventen sind deutlich schneller auf dem Arbeitsmarkt einsetzbar.“ Die Frage aber, ob die Bachelor-Absolventen ein qualifizierte wissenschaftliche Ausbildung erhalten, um damit eine Chance auf dem Arbeitsmarkt zu haben, und zu welchen Konditionen sie eingestellt werden, wird gar nicht erst gestellt. Und natürlich wird auch nicht darauf eingegangen, dass in den wirtschaftlich und bildungspolitisch durchaus erfolgreichen Ländern wie Skandinavien und Finnland erst im Alter von 7 Jahren eingeschult wird.
Es versteht sich nach der bisher dargestellten Ausrichtung der IW-Studie sozusagen von selbst, dass Maßstab für die Bildungsqualität ausschließlich die internationalen Schülerleistungsvergleiche IGLU, PISA und TIMSS sind. Dass mit diesen Tests unter der Hand ein neuer Bildungsbegriff eingeführt wurde, der funktionalistisch auf die Bedürfnisse der modernen Industrie ausgerichtet ist, wird nicht weiter problematisiert, die dabei gemessenen Kompetenzen entsprechen selbstverständlich dem Verständnis von Bildungsqualität beim IW und bei der INSM.
Auch in der Bildungsarmut, also der mangelnden oder gescheiterten Qualifikation, wird vor allem „eine Schwächung der Humankapitalbasis (gesehen), die auf lange Sicht zu Störungen des Wirtschaftswachstums führt.“ Soziale Ausgrenzung oder der Verlust an gesellschaftlicher oder demokratischer Teilhabe und vor allem materielle Armut bleiben bei einer solchen Betrachtungsweise außen vor.
Nicht anders ist der Blickwinkel auf die Integration: „Zum Wohlstand eines Landes trägt nicht nur die ursprüngliche Bevölkerung bei, sondern auch die Einwanderer sowie ihre Kinder stellen ein Humankapitalpotenzial dar, das ausgebaut sowie in Wirtschaft und Kultur eingesetzt werden sollte.“
Besonders schönfärberisch ist der Umgang dieser Studie mit der auch in der Studie nicht bestrittenen Tatsache, dass es in den letzten Jahren für Schulabgänger immer schwieriger geworden ist, eine Ausbildungsstelle zu finden. Ganz und gar auf Arbeitgeberlinie, werden dafür die zu hohen Ausbildungsvergütungen, die Schließung oder die Konkurse ausbildungsfähiger Betriebe, die schwierige Lage auf dem Arbeitsmarkt insgesamt und natürlich die fehlende Ausbildungsreife verantwortlich gemacht:
Deswegen ist die Schaffung von günstigen Rahmenbedingungen und von positiven Anreizen für die ausbildenden Betriebe eine der wichtigsten Aufgaben der Wirtschafts- und Bildungspolitik auf Bundes- und regionaler Ebene.
Zusätzliche Anstrengungen der Wirtschaft Ausbildungsplätze anzubieten oder Auszubildende besser zu fördern, spielen im „Bildungsmonitor“ erwartungsgemäß keine Rolle.
Der deutschen Volkswirtschaft seien als unmittelbare Folge des Ingenieurmangels allein im abgelaufenen Jahr Wertschöpfung in Höhe von mindestens 7,2 Milliarden Euro entgangen.
Die Ursache für diesen Mangel wird aber nicht etwa darin gesehen, dass in den letzten Jahren tausende von Ingenieuren auf die Straße gesetzt wurden und auf Seiten der Wirtschaft nur eine geringe Bereitschaft besteht die „Reservearmee“ älterer Ingenieure wieder einzustellen, nein, die Hauptursache des Ingenieurmangels wird darin gesehen, dass Deutschland im internationalen Vergleich zu wenig Menschen im Bereich naturwissenschaftlich-technischer Studiengänge ausbilde. Von daher versteht sich, dass die entscheidenden Indikatoren für den „Bildungsmonitor“ die Schaffung und die Bereitstellung von sog. MINT-Studienplätzen und Absolventen dieser Fächer sind. Nach den Ursachen für die mangelnde Nachfrage nach MINT-Studien wird nicht geforscht.
Ganz im Sinne der Ideologie von der „unternehmerischen Hochschule“ wird die Forschungsqualität zuerst an den Erfolgen im Wettbewerb auf dem Wissenschaftsmarkt, also an der Höhe der eingeworbenen Drittmittel pro Professor gemessen. Daran zeige sich, „wie der Anteil der Ausgaben der Hochschulen, die durch Drittmittel finanziert wurden (Handlungsfeld Inputeffizienz), die Teilnahme am Ideenwettbewerb an, die letztendlich nicht nur die Forschung an sich vorantreibt, sondern auch deren Qualität verbessert.“
Man kann einen in das Ranking eingehenden Indikator nach dem anderen durchgehen, ganz überwiegend wurden sie danach ausgewählt, welche Bedürfnisse die Wirtschaft an das Bildungssystem und damit an die Bildungspolitik anmeldet. Der „Bildungsmonitor“ sagt somit wenig über die Bildung, aber umso mehr misst er das Bildungssystem an den bildungspolitischen Zielen der Arbeitgeber. Hätten der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) oder der Deutsche Industrie- und Handelskammertag ihre bildungspolitischen Ziele in ein Programm gefasst, so wären diese bildungspolitischen Vorstellungen eben als Verlautbarung von Interessenverbänden aufgenommen worden. Das ist legitim und damit könnte man sich kritisch auseinandersetzen.
Das trügerische am „Bildungsmonitor“ der INSM ist, dass sie mit ihrem „wissenschaftlichen“ Schreibtisch, dem Institut der Deutschen Wirtschaft (IW), eine „Studie“ veröffentlicht, die den Anspruch erhebt, objektiv zu sein. Dabei ist der „Bildungsmonitor“ tatsächlich nicht mehr und nicht weniger als ein Propagandamittel, das den bildungspolitischen Vorstellungen der Arbeitgeberverbände den Anstrich der Allgemeingültigkeit verleihen soll.
Indem die Messergebnisse in ein Ranking eingeordnet werden, das vorspiegelt wissenschaftlich objektiv die Stärken und Schwächen der bildungspolitischen Leistungen der Länder messen zu können, wird ein politischer Hebel eingesetzt, dass sich die Bildungspolitik an den einseitig ausgewählten und interessenbezogen gewichteten Indikatoren misst.
Beim Bildungsmonitor handelt es sich somit um einen typischen Fall, wie durch die Veröffentlichung einer angeblich wissenschaftlichen Studie durch eine angeblich gemeinnützige Organisation wie der INSM die öffentliche Meinung und die Politik beeinflusst, genauer gesagt manipuliert werden soll.
Immerhin einen Fortschritt kann man verzeichnen: in den meisten Medienberichten wird inzwischen darauf hingewiesen, dass es sich bei der INSM um eine Arbeitgeberlobbyorganisation handelt.