„Clinton ist nicht das kleinere Übel. Sanders hätte selbst kandidieren müssen, jedenfalls keine Wahlempfehlung aussprechen dürfen.“
So einige NDS-Leser in Mails. Mein Beitrag vom 13.7. Was hätte Sanders anders machen können, als sich für Clinton auszusprechen? hatte einige kritische Mails zur Folge. Zwei dieser Mails werden unten wiedergegeben. Der zweite Leserbriefschreiber merkt am Ende seiner Mail an: „Vielleicht erklären Sie ausführlich, wie Sie zu Ihrer Einschätzung kommen, die ich (noch) nicht nachvollziehen kann.“ Das will ich hiermit tun. Albrecht Müller.
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Zunächst ein paar notwendige Vorbemerkungen:
- Die am 13. Juli gestellte rhetorische Frage war nicht aus Opportunismus geboren, sondern das Ergebnis einer Abwägung.
- Das Ergebnis einer Abwägung wird es auch bei allen anderen Zeitgenossen sein, die sich mit diesem Thema beschäftigen.
- Man kann zu verschiedenen Ergebnissen kommen.
Wir haben auf den NachDenkSeiten Dutzende mal der Einschätzung unserer Hauptmedien widersprochen, Frau Clinton sei eine harmlose Kandidatin und wünschenswert. Wir haben ihre Gefährlichkeit und die Gefährlichkeit ihrer Entourage des Öfteren beschrieben. Jens Berger hat mehrmals dazu geschrieben, unter anderem hier und hier. Ich persönlich habe oft über die imperialistische Politik der USA und gerade auch der führenden Demokraten geschrieben. Siehe dazu zuletzt zum Beispiel meine Rede in Kaiserslautern zum Drohneneinsatz über Ramstein. Gelegentlich musste ich mir wegen meiner kritischen Haltung zu den USA einschließlich der Präsidenten Obama und Clinton „Antiamerikanismus“ vorwerfen lassen, übrigens auch von meinem früheren Mitherausgeber. Trotz allem:
Zwei Überlegungen führten mich zu der rhetorischen Frage: Was hätte Sanders anders machen können, als sich für Clinton auszusprechen?
- Die Republikanische Partei halte ich für noch schlimmer als die Demokratische Partei. Deshalb meinte ich annehmen zu können, dass einige Elemente bei den Demokraten kombiniert mit einem Bernie Sanders, dessen Gewicht durch sein Votum dort jedenfalls nicht beschädigt worden ist, uns vor dem Schlimmsten bewahren können.
Das kann eine Fehleinschätzung sein. Jeder Leser und jede Leserin, kann auf der Basis seiner eigenen Abwägungen zu einem anderen Ergebnis kommen. Ich jedenfalls meinte meine Meinung nicht opportunistisch gebildet zu haben. Und einen Scherz wollte ich auch nicht machen.
- Auf welchem Weg könnte Sanders seinen Einfluss und den der vielen Menschen, die sich mit ihm zusammen geschlagen haben, am besten geltend machen und retten? Diese Frage habe ich mir gestellt, wie Sanders sie vermutlich für sich auch gestellt hat. Das Ergebnis: wenn er selbst kandidiert, dann gibt es ein Leuchtfeuer. So wie die Medienlage ist, wird dieses nicht lange brennen und Sanders wird vergessen sein. Wenn er sich so verhält wie jetzt, also Clinton unterstützt, dann hat er zumindest eine Chance, seine Stimme weiter zu erheben und leichter gehört zu werden. Und wenn die vielen Tausend Menschen, die ihn unterstützt haben, seine Entscheidung ein bisschen verstehen und weitermachen, dann wird seine Stimme auch künftig deren Echo und Unterstützung finden. Und die gemeinsame Bewegung wird dann vermutlich nicht tot sein.
Auch für die Erwägung Nr. 2. gilt: Das kann eine Fehleinschätzung sein. Aus Opportunismus oder aus Lust am Spaß geboren ist sie nicht.
Anhang:
Zwei kritische Mails an die NDS zur Einschätzung von Bernie Sanders Entscheidung, sich für Hillary Clinton auszusprechen:
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Sehr geehrte Damen und Herren,
der Artikel von Albrecht Müller zu Sanders Entscheidung enttäuscht mich auf ganzer Linie!
Wie kann er denn die Unterstützung der korrupten, notorischen Kriegstreiberin Clinton durch Sanders gut finden?? Sanders ist umgekippt, das ist nun mal so, er hätte selbst kandidieren müssen oder mindestens keine Wahlempfehlung aussprechen dürfen. Clinton wird der Welt mit Sicherheit mehr Krieg bringen, was Trump bringen wird, wissen wir noch nicht.
Zur inhaltlichen Vertiefung eine kleiner Beitrag der Kollegen von Telesur.
Ich hoffe, dass sich die opportunistische Linie, die in Müllers Beitrag zum Vorschein kommt, bei den Nachdenkseiten nicht durchsetzt. Ansonsten wäre mein Geld für die Fördermitgliedschaft aus dem Fenster geworfen!
Viele solidarische Grüße
Heinz A. -
“Was hätte Sanders anders machen können, als sich für Clinton auszusprechen?”
Sehr geehrter Herr Müller,
da Sie heute (am 14.7.) keine Auflösung des Scherzes von gestern gebracht haben, gehe ich davon aus, dass Sie ihren gestrigen Beitrag ernst meinen. Ich kann immer noch nicht glauben, dass ich solche Zeilen auf den Nachdenkseiten lesen muss. Das ist nicht Ihr gewohntes Niveau! Die Nachdenkseiten haben wie kaum ein zweites Medium versucht, sachlich über Sanders’ Wahlkampf und seine Positionen zu berichten und ihn eben nicht vernachlässigt und lechtfertig als chancenlos abgetan, wie das der zurecht kritisierte Mainstreamjournalismus immer und immer wieder getan hat. Die Nachdenkseiten haben, im Gegensatz zum angeblichen Qualitätsjournalismus, die Kanditatin Clinton kritisch beläuchtet, ihre Verfilzung mit finanzmächtigen Interessen thematisiert und klar gezeigt, dass Clinton eben keine echte Alternative darstellt, sondern in etlichen Punkten auch für die Republikaner antreten könnte. Vor diesem Hintergrund einer löblichen und vorbildlichen Gegenaufklärung kann ich Ihren Artikel gestern einfach nicht verstehen. Sie fragen, was Sanders hätte anders machen können, als sich für Clinton auszusprechen? Er hätte sich konsequent und entschieden GEGEN Clinton aussprechen können, sollen und müssen. Wenn Sanders sich für Clinton ausspricht ist das genauso verrückt, wie wenn Vertreter der SPD Merkel loben – was soll das?! Sie befürchten, dass Sanders einen eventuellen Wahlsieg Trumps zu verantworten hätte. Dahinter steckt für mich die Annahme, dass Cinton das kleinere Übel wäre. Aber gerade die Nachdenkseiten haben doch gezeigt, dass die Wahl zwischen Clinton und Trump keine wirkliche ist, eine aggressive Außenpolitik und eine kläglich versagende Innenpolitik ist von beiden zu erwarten.
Vielleicht finden Sie die Zeit auf meine Mail in irgendeiner Form zu reagieren. Vielleicht erklären Sie ausführlich, wie Sie zu Ihrer Einschätzung kommen, die ich (noch) nicht nachvollziehen kann.
Mit freundlichen Grüßen
Sören B.