Hinweise des Tages II

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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Brexit
  2. Österreich: Verfassungsgerichtshof lässt neu wählen
  3. Rien ne va plus
  4. Buntenbach: Kurswechsel in der Rentenpolitik jetzt einleiten
  5. Griechisches Lehman-Brothers-Desaster
  6. 40 Jahre Mitbestimmungsgesetz: Bei wichtigen Entscheidungen mitreden dürfen
  7. Was macht eigentlich der Arbeitskraftunternehmer?
  8. Angst vor Transparenz?
  9. „Die Erbschaftsteuer auf Betriebsvermögen gefährdet Arbeitsplätze“
  10. BND: Vom Weltraum zurück auf die Erde?
  11. Grundlegende Neujustierung
  12. Rüstungshaushalt: Bild dir deine Meinung
  13. IS in der Türkei: Feind oder Verbündeter?
  14. Aus der Hölle in die Hölle
  15. Was geschah wirklich?
  16. Die Stunde der „Neuen Rechten“

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Brexit
    1. Krise nach dem Brexit: Schluss mit dem Europa der Petzer
      Von wegen Bürokratie – die EU hat ein Problem, weil sie auf deutschen Druck hin eine Art naiver Globalisierung gepuscht hat. Das trägt heute zum Aufschwung tumber Populisten bei. Zeit für ein neues Paradigma. Der Befund scheint klar. Bloß keine Brüsseler Hinterzimmer-Diplomatie mehr. Natürlich. Und weniger Regeln und Vereinheitlichung. Dafür mehr Demokratie. Außer wenn es darum geht, die Staatsfinanzen in Ordnung zu bringen. Da kann es nicht genug ewige Pakte und unabänderbare Gesetze geben. So oder so ähnlich klingen die Ideen, die vorgetragen werden, seit die Briten vorige Woche dafür gestimmt haben, aus der EU auszutreten. Dabei fragt sich, ob all das den Kern trifft. Immerhin haben Populisten mit Eliten-Bashing in den USA ebenso Erfolg. Obwohl die dort nicht einmal alle wissen, was Brüssel ist. Und weder einen Euro haben noch einen Stabilitätspakt, den sie verschärfen könnten.
      Wenn Europa kriselt, hat das womöglich weniger mit einem typisch Brüsseler Hang zur Bürokratie oder der Unvereinbarkeit europäischer Kulturen zu tun. Es könnte viel tiefer daran liegen, dass die Europäer (wie die Amerikaner) seit den Achtzigerjahren einen Mix aus naiver Liberalisierung und entpolitisierter Globalisierung gepuscht haben, deren Folgeschäden heute überall spürbar werden. Und die jetzt zu politisch sinnentleerten Desastern à la Brexit führen, weil Populisten den Unmut ausnutzen, ohne irgend etwas Schlaueres vorschlagen zu können. Der Boris-Johnson-Effekt.
      Quelle: Thomas Fricke auf Spiegel Online

      dazu: Deutsche lehnen mehr Macht für Brüssel ab
      Trotz der Skepsis bei vielen Deutschen setzt Minister Schäuble auf einen stärkeren Zusammenhalt der EU-Gemeinschaft. Nach SPIEGEL-Informationen zählt dazu etwa die Vollendung des Binnenmarkts und der ungehinderte, grenzüberschreitende Kapitalverkehr. Notwendig ist nach Schäubles Einschätzung auch ein EU-weit einheitliches Insolvenzrecht für Unternehmen. Auch sollten sich die Mitgliedsländer darauf verständigen, wie sie gemeinsam höheres Wirtschaftswachstum erzielen können. Zudem müssten sie die Kontrolle der Außengrenzen verbessern und sich auf eine gemeinsame Asylpolitik einigen. Sollten die Vorstöße auf Ebene aller Mitgliedstaaten nicht zustande kommen, müssten sich die willigen Regierungen zusammenschließen, fordert der Minister. Schäuble hat sich schon in den Neunzigerjahren für ein sogenanntes Kerneuropa besonders integrationswilliger Länder ausgesprochen.
      Quelle: spiegel

      Anmerkung JK: Begreift eigentlich noch irgendwer was hier geschieht? Das Ergebnis der Umfrage ist ein deutliches Votum gegen die Brüsseler Elite und Schäuble verlautbart in junckerscher Manier, dass ihm das völlig schnurz ist. Dem Regierungspersonal in Berlin geht es nur noch um die Durchsetzung der Interessen der neoliberalen Eliten. Wir freuen uns schon 2017 auf den Einzug der AfD mit 20 Prozent in den Bundestag und eine französische Präsidentin Namens Marie LePen.

    2. Das Brexit-Votum, Boris Johnson und die EU: Vorbereitung von „Lehman 2.0+“ wie aus dem Lehrbuch
      Das war´s. Die Finanzmärkte haben den Brexit-Test bestanden. „Lehman 2.0“ wurde abgesagt. Oder nicht?
      Die Brexit-Erkenntnis des Boris Johnson
      Die Politik hat erleichtert aufgeatmet, weil sie nicht von einer neu eskalierenden Finanzmarktkrise auf dem falschen Fuß erwischt worden ist. Der Kopf der Brexit-Befürworter Boris Johnson hat einen Rückzieher gemacht und kandidiert nun nicht für die Cameron-Nachfolge weil er meint, dass er wohl doch nicht der richtige Mann für den Posten und die damit verbundenen Herausforderungen ist. Das sind, wenn man es genau nimmt, die anderen aus seiner Partei, die jetzt kandidieren, zwar auch nicht. Aber Johnson ist eben vorerst der einzige Politiker in Großbritannien, der es öffentlich zugegeben hat. Immerhin, das ist ein Anfang – jenseits des Kanals.
      Quelle: querschuesse.de
    3. GB: »Nervenzusammenbruch des politischen Systems«
      Im britischen Parteiensystem legt sich der Fallout der politischen Kernexplosion Brexit auf alle Parteien. Er durchdringt nicht nur die Konservative Partei und die Labour Party, sondern selbst die Partei, die als Gewinner aus dem Brexit-Referendum hervorgegangen ist, die United Kingdom Independence Party (UKIP). Das Wochenmagazin The Economist titelt: »Anarchie im UK«.
      Aus dem Nichts heraus ist Britannien zum »kranken Mann am Rande Europas« geworden. Die Buchverluste in den ersten beiden Börsentagen nach dem Brexit beliefen sich weltweit auf fünf Billionen US-Dollar. Vier Millionen BritInnen haben innerhalb einer Woche nach dem Referendum eine Petition unterzeichnet, mit der eine Wiederholung der Volksabstimmung gefordert wird. Die schottische Ministerpräsidentin führt mit der EU-Kommission Eruierungsgespräche über die Fortsetzung der EU-Mitgliedschaft der unselbständigen Region Schottland, während gleichzeitig nach 43 Jahren erstmals der Europäische Rat ohne den britischen Premier zusammenkommt.
      David Cameron hat seinen Rücktritt angekündigt, Jeremy Corbyn sieht sich einer Abwahlattacke seitens der Mehrheit seiner Labour-Fraktion gegenüber. In der Primeminister Question Time, einer traditionellen Gepflogenheit des Unterhauses, wird als lahme Ente ein Premier, der faktisch den Bettel abgegeben hat, von einem Oppositionsführer befragt, dessen eigentlichem Gegenspieler er nicht auf der Regierungsbank in die Augen schaut, sondern der als Opposition aus den eigenen Reihen ihm im Nacken sitzt. Und der UKIP-Vorsitzende Nigel Farage wird vom Großfinanzier und Mitbegründer dieser rechtspopulistisch-nationalistischen Partei als unfähig angesehen, die politische Form des britischen Rechtspopulismus entsprechend ihres großen Zulaufs angemessen weiter zu entwickeln.
      Quelle: Sozialismus aktuell
    4. Was passiert nach dem Brexit mit TTIP?
      Viele EU-Beamte müssen sich jetzt um den Austritt Großbritanniens kümmern. Die TTIP-Verhandlungen werden dadurch – zumindest – verzögert. Der gemeinsame Markt wird kleiner, die Kommission verliert an Verhandlungsmasse: Der Austritt der Briten aus der EU hat auf die TTIP-Verhandlungen mit den USA mehr Einfluss als sich die Verhandler wünschen. Nicht zuletzt schwächt er die Position der Europäer im Verhandlungspoker. Sechs Antworten auf die drängendsten Fragen.
      Quelle: Correctiv
    5. EU-Referendum: Sind 52 Prozent eine Mehrheit?
      Ein Referendum ist eine Messung des Volkswillens – und hat entsprechende Messfehler. Um die Bürger über komplizierte Fragen abstimmen zu lassen, gibt es bessere Methoden.
      Quelle: Zeit Online

      Anmerkung unseres Lesers J.A.: Unsäglich und antidemokratisch. Auch ich halte die Entscheidung der 52-Prozent-Mehrheit tendenziell für falsch, aber es steht mir nicht an, die Mehrheit für ihre Entscheidung zu kritisieren. Hier soll also wie in einem wissenschaftlichen Experiment so oft abgestimmt werden, bis das Konfidenzintervall eine stabile Aussage trifft. Komisch, daß die ZEIT solche Forderungen nicht gestellt hat, als der neue österreichische Bundespräsident mit gerade mal 50,3 Prozent gewonnen hatte. (Wenn 4 Prozentpunkte ein Meßfehler sind, was sind dann 0,6 Prozentpunkte Vorsprung?) Aber da hat ja auch “der Richtige” gewonnen. Die ZEIT ist vermutlich ebenfalls der Meinung, daß das normale Wahlvieh nicht über so komplizierte Entscheidungen wie Ceta, TTIP & Co. abstimmen sollte, die ihn nur überfordern.

  2. Österreich: Verfassungsgerichtshof lässt neu wählen
    Georg Bürstmayr, der Anwalt des ehemaligen Grünen-Chefs Alexander van der Bellen betonte bereits vor Bekanntgabe der heutigen Entscheidung, es sei kein Wahlbetrug festgestellt worden. Der Nachweis einer Manipulation ist für das Ungültigsein der Wahl auch gar nicht nötig: Es reicht die bloße “Möglichkeit dazu”, wie Holzinger hervorhob. Diese Möglichkeit sieht der VfGH in mindestens 14 der Wahlbezirke vorliegen, weil dort nachweislich “Wahlkarten außerhalb einer Sitzung der Bezirkswahlbehörde geöffnet” und damit “Rechtsvorschriften verletzt wurden, die unmittelbar auf die Vermeidung von Wahlmanipulationen gerichtet sind”. Obwohl die Regelverstöße nur die Briefwahl in diesen Bezirken betreffen, muss die ganze Wahl wiederholt werden, weil Wahlkarten in jedem Stimmbezirk abgegeben werden können.
    Quelle: Telepolis

    Anmerkung André Tautenhahn: Hm, keine Stimme ist manipuliert und niemand geschädigt worden, aber die Möglichkeit, das Einfluss auf das Wahlergebnis hätte genommen werden können, bestand. Deshalb wird wiederholt. Mal sehen, welchen Einfluss dann das bisherige Wahlergebnis auf den nächsten Urnengang hat und welcher Schaden dadurch entsteht.

    dazu: Erst UK, nun Österreich?
    Bis zum Herbst wird die EU also durch eine Phase existentieller Unsicherheit gehen. Wenn sich nun auch noch Österreich für den EU-Gegner Hofer ausspricht, sieht es schlecht aus.
    Quelle: Eric Bonse auf Lost in Europe

  3. Rien ne va plus
    Mit seiner Europa-Liebe übertünchte der Luxemburger lange seine größte Schwäche: dass er als langjähriger Chef der größten Steueroase Europas von Anfang an eine Fehlbesetzung war. Schon seine Wahl bestätigte viele Vorurteile gegen die angeblich von Konzerninteressen gesteuerte Kommission. Aber es geht noch schlimmer: Direkt nach dem Brexit mit Ceta ein umstrittenes, geheim verhandeltes Abkommen durchdrücken zu wollen ist unglaublich dreist – oder dumm. Wer dann noch auf Kritik antwortet, wo über Ceta abgestimmt werde, sei ihm „relativ schnurzegal“, hat nichts begriffen. Und muss gehen.
    Quelle: taz
  4. Buntenbach: Kurswechsel in der Rentenpolitik jetzt einleiten
    Der DGB begrüßt die Rentenerhöhung. Sie ist Folge guter Lohnentwicklung und statistischer Einmaleffekte. Klar ist aber: Wir brauchen jetzt einen Kurswechsel in der Rentenpolitik. Denn sonst droht vielen Beschäftigten sozialer Abstieg oder gar Altersarmut, warnt DGB-Vorstand Annelie Buntenbach.
    „Der DGB begrüßt die gute Rentenerhöhung. Sie ist Folge der guten Lohnentwicklung, aber auch statistischer Einmaleffekte. Klar ist aber auch: Wenn jetzt kein Kurswechsel in der Rentenpolitik eingeleitet wird, werden die künftigen Rentenerhöhungen wieder sehr viel niedriger ausfallen. Denn nach geltendem Recht sinkt das Rentenniveau, die Renten verlieren bis 2030 rund neun Prozent an Wert gegenüber den Löhnen. Für einen Durchschnittsverdiener mit 45 Beitragsjahren entspräche das einem Wertverlust von rund 3000 Euro im Jahr. Aber eine solche Entwicklung ist keineswegs zwangsläufig. Hier kann und muss die Politik die Weichen neu stellen. Damit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Zukunft nicht von sozialem Abstieg oder gar Altersarmut bedroht sind, muss als allererstes das gesetzliche Rentenniveau stabilisiert werden, der Sinkflug muss sofort gestoppt werden!
    Quelle: DGB

    dazu: Renteneinheit endlich vollenden
    “Jegliche Jubelmeldung über die aktuelle Rentenerhöhung verbietet sich”, warnt Matthias W. Birkwald, rentenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. Er fährt fort: “Zwischen 2002 und 2016 blieben die Renten im Westen um 7,0 Prozentpunkte und im Osten um 3,7 Prozentpunkte hinter der Lohnentwicklung zurück. Diese Abkopplung von einer guten Lohnentwicklung wird sich mit dem Sinkflug des Rentenniveaus noch weiter verschärfen. Deshalb fordern wir, die Kürzungsfaktoren aus der Rentenanpassungsformel zu streichen und schleunigst wieder zu einem lebensstandsichernden Rentenniveau zurückzukehren. Im Jahr 2016 bekommt zudem eine Rentnerin in Dresden nach 45 Jahren Arbeit zum Durchschnittsverdienst immer noch 966 Euro brutto weniger Rente pro Jahr als eine Rentnerin in Hamburg. Wir brauchen deshalb 27 Jahre nach dem Fall der Mauer keine Berichte und Ankündigungen mehr, sondern einen mutigen und abschließenden Schritt, um die Renteneinheit zu vollenden. Ministerin Andrea Nahles muss dazu umgehend einen Gesetzentwurf vorlegen!”
    Quelle: Linksfraktion

  5. Griechisches Lehman-Brothers-Desaster
    Die Kapitalverkehrskontrollen in Griechenland feierten am 29. Juni “Geburtstag”. Immer noch können griechische Bankkunden pro Tag nicht mehr als 60 Euro oder alternativ 420 Euro pro Woche Bargeld abheben. Ein Ende dieser Beschränkung ist noch nicht abzusehen. Tatsächlich brachten die Kapitalverkehrskontrollen dem Land kaum Vorteile. Die Wettbewerbsfähigkeit sank, die Sparer vermeiden es, Beträge auf Konten einzuzahlen, und die Betriebe können auch bei guten Erfolgschancen keine Kredite aufnehmen.
    Innerhalb dieses Jahres gab es eine Reihe von Geschäftsaufgaben. Zum ersten Mal in der Krise werden weniger Unternehmen gegründet als geschlossen. In den einschlägigen Statistiken werden die Unternehmen als absolute Zahl geführt, was nicht unbedingt auf die jeweilige Unternehmensgröße rückschließen lässt. Die oppositionelle Presse im Land führt dies auf die Kapitalverkehrskontrollen zurück und hat mit einer spektakulären Pleite nun ein Paradebeispiel.
    Quelle: Telepolis

    dazu: Das “Filetstück” ist weg
    Griechenland muss Staatseigentum privatisieren – das ist eine der Bedingungen für Hilfen der internationalen Geldgeber. Der Verkauf des Hafen von Piräus ist nun perfekt: Das “Filetstück” geht an einen chinesischen Konzern. Ansonsten gibt es aber offenbar vor allem “Ladenhüter”. Die lange stockende Privatisierung des größten griechischen Hafens ist unter Dach und Fach. Das Parlament in Athen billigte am Abend den Verkauf des Hafens von Piräus an die chinesische Großreederei Cosco. Der neue Besitzer zahlt zunächst 280,5 Millionen Euro für 51 Prozent der Anteile, nach fünf Jahren werden weitere 88 Millionen Euro für 16 Prozent fällig.
    Quelle: Tagesschau

  6. 40 Jahre Mitbestimmungsgesetz: Bei wichtigen Entscheidungen mitreden dürfen
    Erbitterte Kontroversen über mehr als zehn Jahre hinweg waren vorangegangen: 1976 wurde das Gesetz zur Mitbestimmung in Kapitalgesellschaften verabschiedet. Es regelt für Unternehmen mit mehr als 2.000 Beschäftigten die Zusammenarbeit von Arbeitgebern und Arbeitnehmern in Aufsichtsräten. Das Gesetz ist mittlerweile in die Jahre gekommen. Umgehungsstrategien gibt es viele.
    Quelle: Deutschlandfunk
  7. Was macht eigentlich der Arbeitskraftunternehmer?
    Wir haben uns daran gewöhnt, dass Unternehmen ständige Umstrukturierungen vornehmen und dabei immer höhere Einsatzbereitschaft von ihren MitarbeiterInnen verlangen. Die Globalisierung, der Wettbewerb, die Märkte – so heißt es in Strategiepapieren und ökonomischen Analysen – machen das unvermeidlich. Als sich das ganze Ausmaß dieser Entwicklung vor gut 20 Jahren abzuzeichnen begann, haben wir aus arbeitssoziologischer Perspektive darin einen grundlegenden Wandel der kapitalistischen Arbeitsverhältnisse erkannt. Zusammen mit Günter Voß habe ich die These vom Arbeitskraftunternehmer als neuem Typus der Warenform von Arbeitskraft formuliert. Demnach resultiert der neue Leistungsdruck aus Arbeitsbedingungen, unter denen Erwerbstätige in eigener Initiative für die optimale Verwertung ihres Arbeitsvermögens sorgen.
    Diese These hat lebhafte Diskussionen ausgelöst und ist in der Wissenschaft ebenso wie in der politischen Debatte umstritten geblieben. Sie wird heute immer noch gerne zitiert als Indiz für den dramatischen Wandel der Arbeitswelt, obwohl sie durch empirische Untersuchungen nie eindeutig bewiesen (aber auch nicht überzeugend widerlegt) werden konnte. Es wird deshalb Zeit für eine Zwischenbilanz, in der ich zu folgenden Fragen Stellung beziehen will: Was hat die Analyse zum Arbeitskraftunternehmer damals interessant gemacht? Welche konkreten Entwicklungen konnten wir seitdem beobachten? Und inwiefern ist die theoretische Annahme eines unternehmerischen Umgangs mit dem eigenen Arbeitsvermögen weiterhin relevant? Als Miturheber frage ich mich vor allem, was wir damals übersehen haben könnten.
    Quelle: Gegenblende
  8. Angst vor Transparenz?
    In einem Gastkommentar im Handelsblatt vom 15. Juni 2016 malen Mathias Middelberg und Stephan Harbarth von der CDU den Untergang des Abendlandes für den Fall an die Wand, dass länderbezogene Konzernbilanzdaten veröffentlicht werden. Durch aktuelle Pläne der EU-Kommission seien unser „Standort, unsere Betriebe und unsere Arbeitskräfte massiv“ gefährdet – kurz unser sauer verdienter Wohlstand droht sich in Luft aufzulösen. Die Sachargumente aber können nicht überzeugen.
    Bei den Plänen für öffentliche länderbezogene Berichtspflichten (Country-by-Country-Reporting, kurz: CBCR) geht es im Kern um die Offenlegung von Eckdaten aus der Konzernbilanz, die schon heute in den meisten Ländern veröffentlicht werden müssen, etwa Angaben zu Umsatz, Personalstärke, Gewinn und Steuerzahlungen. Die wichtigste Neuerung: die Zahlen sollen einheitlich vom Stammsitz des Unternehmens für die gesamte Konzernstruktur veröffentlicht und länderweise gegliedert werden, statt wie bisher von jeder einzelnen Tochtergesellschaft. Für Banken innerhalb der EU gibt es solche Berichtspflichten bereits seit 2014.
    Öffentliche Berichtspflichten wären ein ernsthafter Anfang, der Steuervermeidung von großen Konzernen sowie illegale Willkür-Steuergeschenke a la LuxemburgLeaks einen Riegel vorzuschieben. Die bisherige Praktik bürdet Unbeteiligten hierzulande als auch in Entwicklungs- und Schwellenländern eine höhere Steuerlast auf und benachteiligt insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen im Wettbewerb.
    Quelle: Blog Steuergerechtigkeit
  9. „Die Erbschaftsteuer auf Betriebsvermögen gefährdet Arbeitsplätze“
    Sollte jedoch das Betriebsvermögen wie bisher weitgehend von der Steuerpflicht befreit sein, bleibt eine progressive Erbschaftsteuer als Instrument der Vermögensumverteilung wirkungslos. Denn die Top-Vermögen bestehen zu großen Teilen aus Betriebsvermögen. Eine vorurteilsfreie Analyse der ökonomischen Wirkung einer Besteuerung von Betriebsvermögen im Rahmen der Erbschaftsteuer ist daher unumgänglich, wenn die Erbschaftsteuer gestärkt werden soll. Obwohl in der Fachliteratur die Argumente gegen eine Privilegierung des Betriebsvermögens klar dominieren, krankte die Debatte um die Reform der Erbschaftsteuer bisher daran, „dass die Politik sich von den Schreckensszenarien der Lobbyisten hat einschüchtern lassen. Deshalb wurde die Frage nach dem ökonomisch sinnvollen Ausmaß einer Privilegierung des Betriebsvermögens gar nicht erst rational diskutiert.“ (Truger und Scholz 2016).
    Quelle: Steuermythen.de

    dazu: Länderminister lehnen Gesetz zur Reform der Erbschaftsteuer zu Recht ab
    “Das Ergebnis der Länderfinanzministerkonferenz war voraussehbar. Das durch den Bundestag in der letzten Minute durchgepeitschte Gesetz zur Reform der Erbschaftsteuer ist zu Recht sowohl von der Fraktion DIE LINKE als auch Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt worden”, erklärt Richard Pitterle, steuerpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE und Mitglied im Finanzausschuss.
    Quelle: Linksfraktion

  10. BND: Vom Weltraum zurück auf die Erde?
    Die Bundesregierung hat am Dienstag einen Gesetzesentwurf zur Novellierung des BND-Gesetzes beschlossen, der die sog. „Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung“ regelt. Hierunter versteht der Gesetzesentwurf die strategische Fernmeldeaufklärung von Ausländerinnen und Ausländern im Ausland vom Inland aus. Es ist zunächst erkennbar, dass damit der Versuch unternommen wird, die bisherige klar rechtswidrige fragwürdige Praxis des BND zu legalisieren. Die legendäre Weltraumtheorie des vormaligen BND-Präsidenten Schindler bekommt also nun doch einen gesetzlichen Unterbau. Ob dieser verfassungskonform ist, steht allerdings auf einem anderen Blatt.
    Quelle: Internet Law

    dazu: Das neue BND-Gesetz: Alles, was der BND macht, wird einfach legalisiert. Und sogar noch ausgeweitet.
    Der Bundesnachrichtendienst kann seine Internet-Überwachung demnächst massiv ausbauen. Das geht aus dem neuen BND-Gesetz hervor, auf das sich Bundesregierung und Koalitionsfraktionen geeinigt haben. Alles, was durch Snowden und Untersuchungsausschuss als illegal enttarnt wurde, wird jetzt einfach als legal erklärt.
    Quelle: netzpolitik.org

    dazu auch: Dem präventiven Sicherheitsstaat entgegentreten
    Der Bundestag hat in der vergangenen Woche ein weiteres Anti-Terror-Paket im Schnellverfahren durchgewinkt und dabei einige Wünsche der Sicherheitsorgane erfüllt. Ein genauerer Blick in den Gesetzentwurf zeigt aber, dass wesentliche Änderungen mit Terrorismus höchstens am Rande zu tun haben. Da wird die Bundespolizei ermächtigt, verdeckte Ermittler auch im Bereich der Gefahrenabwehr einzusetzen, also bevor Straftaten geschehen. Das zielt auf die Bekämpfung von „Schleusern“ und damit direkt gegen schutzsuchende Flüchtlinge. Denn durch die EU-Abschottung haben sie nun mal keine andere Möglichkeit, als mit Hilfe von anderen ins Land zu kommen. Eine weitere Regelung betrifft tatsächlich uns alle: Anbieter von prepaid-Telefonkarten sollen verpflichtet werden, die Identität ihrer Kunden zu prüfen. Ein sinnloses Unterfangen, wie beispielsweise die Anschläge in Frankreich trotz des dort geltenden Identifizierungszwangs belegt haben. In vielen EU-Mitgliedsstaaten können SIM-Karten außerdem weiterhin vollkommen anonym erworben und in Deutschland eingesetzt werden. Straftäter könnten nach wie vor auch von Strohmännern registrierte Karten nutzen. Ein Ausweiszwang läuft gegen organisierte Kriminalität leer, schadet aber unbescholtenen Bürgern umso mehr. Denn Opfer von Straftaten sind oftmals auf die Möglichkeit anonymer Strafanzeigen und auf vertrauliche Beratung und Selbsthilfe angewiesen. Auch für Presseinformanten ist Anonymität essenziell. Mit seinem „Anti-Terror-Paket“ hat sich der Innenminister jetzt außerdem die Erlaubnis geholt, selbst 14-Jährige zu überwachen: Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf künftig unter erleichterten Bedingungen auch Jugendliche zwischen 14 und 16 Jahren bespitzeln. Nicht zuletzt soll der internationale Datenaustausch erleichtert werden, auch mit Staaten in denen der individuelle Rechtsschutz nicht vorhanden ist. In vielen EU-Mitgliedsländern werden diejenigen, deren Telefonate mitgehört und deren Mails mitgelesen wurden, nicht einmal benachrichtigt.
    Quelle: Jan Korte (MdB, die Linke)

  11. Grundlegende Neujustierung
    Wenige Tage vor dem NATO-Gipfel in der polnischen Hauptstadt Warschau fordern deutsche Think-Tanks neben der Stationierung von Kampftruppen an der Grenze zu Russland den Ausbau des westlichen Atomwaffenarsenals. Eine “Überarbeitung” der “Nuklearstrategie” der NATO sei “dringend geboten”, da eine gegen Moskau gerichtete “glaubwürdige Abschreckung” zwingend einer “nuklearen Komponente” bedürfe, erklärt etwa die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung. Auch die zentrale militärpolitische Denkfabrik der Bundesregierung, die Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS), verlangt nach einem “neuen nuklearstrategischen Konsens” des transatlantischen Bündnisses, um die “anti-westliche Macht” Russland in Schach zu halten. Die Implementierung eines Raketenabwehrsystems in den osteuropäischen NATO-Staaten wird ebenfalls mit der vermeintlichen “Aggressivität” Moskaus und der davon abgeleiteten Notwendigkeit der “Abschreckung” begründet. Ihre “politische Handlungsfähigkeit” gegenüber Russland stelle die westliche Militärallianz zudem dadurch unter Beweis, dass die formal neutralen Staaten Schweden und Finnland bereits “eng in die NATO-Prozesse integriert” seien, heißt es. Darüber hinaus bekennen sich beide Think-Tanks zum gewaltförmigen “globalen Krisenmanagement”. Der Adenauer-Stiftung zufolge muss die NATO in der Lage sein, “Bedrohungen” überall “dort auszuschalten, wo sie entstehen”. Als solche gelten der Denkfabrik explizit auch “Migrationsströme”.
    Quelle: German Foreign Policy
  12. Rüstungshaushalt: Bild dir deine Meinung
    Trotz der üppigen Etatsteigerungen auf 39,2 Mrd. Euro im jahr 2020 gibt die Bundeswehr – natürlich – an, weiter chronisch unterfinanziert zu sein, was von der Bild-Zeitung unter der Überschrift „Der Truppe fehlen vier Milliarden Euro“ bereitwillig aufgegriffen wird: „Damit stehen die Pläne der Verteidigungsministerin in Frage, eine „Trendwende“ bei der Modernisierung der Bundeswehr, im Rüstungsbereich und beim Personal einzuleiten. Auch das NATO-Ziel für die Bündnis-Partner, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Verteidigung auszugeben, wird mit dem vorliegenden Etatansatz weder kurz- noch mittelfristig erreicht.“
    Quelle: Informationsstelle Militarisierung e.V.

    dazu: Bundeswehr: Sanierungsfall?
    Unermüdlich macht der Chef des Bundeswehrverbandes, André Wüstner, seinen Job und streut der Bevölkerung Sand in die Augen, was Zustand und Finanzierung der Bundeswehr anbelangt. Obwohl der Rüstungshaushalt in den letzten Jahren drastisch angestiegen ist (siehe IMI-Analyse 2016/02) gab er gegenüber dem Deutschlandfunk an, die Bundeswehr sei der „größte Sanierungsfall, den man sich vorstellen kann“.
    Quelle: Informationsstelle Militarisierung e.V.

  13. IS in der Türkei: Feind oder Verbündeter?
    Lange war die Türkei von Anschlägen durch die Terrormiliz Islamischer Staat verschont geblieben. Dem Land wurde sogar eine Zusammenarbeit mit den Terroristen unterstellt. Der jüngste Anschlagsserie sei die Quittung einer verfehlten Sicherheitspolitik der AKP-geführten Regierung, kritisieren oppositionelle Politiker.
    Quelle: Deutschlandfunk
  14. Aus der Hölle in die Hölle
    Australien geht erbarmungslos mit Flüchtlingen um: Wer das Land überhaupt erreicht, wird auf eine öde Insel gesperrt. Hier herrschen grauenerregende Zustände – und manche Menschen müssen dort jahrelang ausharren. Die Ausflugsschiffe tuckern vom Circular Quai los zwischen der Sydney Harbour Bridge und der Oper mit ihrer außergewöhnlichen Architektur hindurch, dem Wahrzeichen der Stadt. Die Appartements direkt am Wasser machen einen exklusiven Eindruck, doch von einem Balkon flattert ein großes Transparent: CLOSE THE CAMPS – “Schließt die Lager” – steht darauf. Der einzige Hinweis in der schönen Metropole auf das Grauen, das die australische Regierung zu verantworten hat: die Flüchtlingslager auf Manus Island in Papua-Neuguinea und auf Nauru.
    Quelle: Deutschlandradio Kultur
  15. Was geschah wirklich?
    Die Silvesternacht von Köln wurde zur Projektionsfläche in der Flüchtlingsdebatte. Eine Frage blieb unbeantwortet: Was geschah wirklich? […]
    Dabei ist es sehr wohl möglich, nüchtern auf die Ereignisse von Köln zu blicken, auf das, was in dieser Nacht wirklich passiert ist. Die Rolle der Polizei zu dokumentieren, das Leiden der Opfer, die Geschichten der Täter. Und über “Köln” als Chiffre zu reden, die heute die ganze Welt kennt und die es bis in Donald Trumps Wahlkampf schaffte. Man kann zeigen, dass die Silvesternacht keine Naturkatastrophe war, die über die Stadt hereinbrach, wie man angesichts der Berichterstattung meinen könnte, sondern die Summe Hunderter individueller Entscheidungen und Fehlentscheidungen, die zu Toten hätten führen können. Und beschreiben, wie die Silvesternacht ihre mediale und politische Wucht vor allem dadurch entfaltet hat, dass sie je nach Interesse, je nach Sorge, je nach politischer Ausrichtung mit anderen Themen verknüpft wurde: mit der “Frauen und Islam”-Debatte, der Flüchtlingskrise, der “Lügenpresse”, der Landespolitik in Nordrhein-Westfalen. “Köln”, sagt Helge Malchow, der Verleger von Kiepenheuer & Witsch, dem wichtigsten Verlag der Stadt, “ist im Grunde selbst Opfer dieser Nacht.“
    Über Monate hinweg hat das ZEITmagazin mit Dutzenden betroffenen Frauen, Tätern, Polizisten, Staatsanwälten, Richtern, Anwälten, Politikern und Kölner Lokalgrößen gesprochen. Auch in Dortmund, Düsseldorf, Paris und Casablanca haben die Reporter recherchiert.
    Quelle: ZEIT Magazin
  16. Die Stunde der „Neuen Rechten“
    Führende AfD-Funktionäre warnen in einem offenen Brief vor einem Einsickern von Rechtsextremen in die Partei – und grenzen sich scheinbar von der „Identitären Bewegung“ ab. Doch das ist nichts als Fassade: Zwischen der Partei und der „Neuen Rechten“ gibt es zahlreiche Verbindungen
    In der Alternative für Deutschland (AfD), oder genauer, in deren Landesverband in Sachsen-Anhalt regt sich ein oberflächlicher Widerstand gegen einen weiteren Rechtsruck der eigenen Partei. Vor allem gegen die Zusammenarbeit mit der „Identitären Bewegung“ (IB) in Deutschland und das Agieren der parteieigenen „Patriotischen Plattform“ richtet sich ein offener Brief zahlreicher Funktionäre. Man wolle keine „Verschmelzung mit Organisationen, die als Auffangbecken für Extremisten fungieren“ und auch kein „Auffangbecken für ehemalige Netzwerke der NPD“ sein.
    Quelle: Cicero

    dazu: Wie wir den Kampf gegen AfD und Rassismus gewinnen
    Die AfD hat mittlerweile den Sprung in drei Landesparlamente geschafft. Dabei verkauft sie sich als Partei der kleinen Leute, die deren Interessen vermeintlich ernst nimmt und in ihrer Argumentation die berechtigten Existenzängste und Sorgen vieler Menschen für ihre rechte Stimmungsmache nutzt. Ihr größtes Wählerpotenzial findet sich bei Arbeitenden und Arbeitslosen. Denn die soziale Situation vieler Menschen ist beispielsweise durch Mietexplosionen, prekäre Beschäftigung und Arbeitslosigkeit bedroht. Gleichzeitig sind diese Menschen enttäuscht von der Politik der Regierenden, da sie feststellen, wie wenig ihre Interessen darin einen Platz finden. An diese „Protestwähler“ richtet sich die AfD.
    Ihr gelingt es, die Ängste der Menschen in eine Angst vor Flüchtlingen umzulenken. Dabei bekommt sie ausreichend Unterstützung durch die anderen Parteien. Im Zuge der Debatten um Flüchtlingsobergrenzen und Schießbefehle wirkt es manchmal so, als wäre Deutschland bereits jetzt das Land, das sich die AfD wünscht. Anfang Mai fand in Stuttgart der erste Programmparteitag der AfD statt. Dieser wurde mit riesigem Polizeiaufwand gegen Proteste abgeschirmt. Zum Schutz der als rechtspopulistisch bezeichneten Partei hat die Polizei Recht gebeugt und gebrochen. Demonstranten wurden eingekesselt, gefesselt, stundenlang weg gesperrt. Dass die AfD alles andere als eine Partei der kleinen Leute ist, zeigt das dort verabschiedete Parteiprogramm und damit zeigt es auch wie und mit wem der Kampf gegen rechts erfolgreich sein kann.
    Quelle: Die Freiheitsliebe

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