Nachtrag zu„Obamania“
Zum Beitrag vom 4.8 schickt die NDS-Leserin Daniala Hoeffler eine interessante Ergänzung. Albrecht Müller.
„Mit Interesse habe ich das Interview mit Herrn Thomas Kliche über die „Obamania“ in Deutschland gelesen. Darin wird der Sorge Ausdruck verliehen, dass die deutschen Obama Fans sich „einen starken Führer“ wünschen, und dies in Anlehnung an die Situation in den 30er Jahren gebracht. Dazu habe ich folgende Ansichten.
Zum ersten einmal möchte ich die Tatsache gar nicht leugnen, dass viele Menschen ihre eigene politische Verantwortung und die Verantwortung für ihr Denken nur allzu gerne an jemanden abgeben, der führungsfähig erscheint. Das ist nicht nur in Deutschland so, und auch nicht nur zum Zeitpunkt des Faschismus. Nicht umsonst rief Kant schon während der Aufklärung dazu auf, den eigenen Verstand und die eigene Fähigkeit zur Verantwortung zu gebrauchen – und wurde schon damals von den wenigsten seiner Zeitgenossen gehört.
Ein solches „Abgeben“ der eigenen Verantwortung ist zutiefst menschlich, meiner Ansicht nach. Verantwortung zu tragen ist, wie Sie selbst am eigenen Leibe täglich erfahren, sehr schwer und auch schmerzhaft.
Die Ersten in diesem schönen Lande, die sich dieses Bedürfnis nach Führung zu Eigen machen (wollen), sind diejenigen, die sich „Elite“ nennen. Allein aus dem Begriff leitet sich ein Anspruch auf Führung ab, auch von Solchen, die dazu nicht demokratisch gewählt wurden. Mit diesem Wort bieten sie sich den (scheinbar) „Bedürftigen“ als Führer an. Nicht nur mit dem Wort, sondern auch in ihren Taten und Äußerungen (von denen ich täglich auch auf den NachDenkseiten lese), ja, sie bieten sich nicht nur an, sondern sehen sich bereits als Führer, die, wie es viele Führer nun einmal tun, in erster Linie an die eigenen Bedürfnisse denken.
Mich lässt eher die Wortwahl der Politiker und Reichen dieses Landes an das Dritte Reich denken, als die Obamania – schließlich bezeichnete sich auch die politische Führung damals und natürlich die SS als „Elite“ , ebenso erinnert mich die Tatsache, dass von dieser Elite wie im Dritten Reich ein Feindbild geschaffen und die Aggressionen des Volkes auf eine bestimmte Bevölkerungsgruppe gelenkt wird, an die Politik von damals. Waren es in den 30er und 40er Jahren die Juden, die das Volk angeblich bluten ließen, so sind es heute die „Sozialschmarotzer“, seit neuestem die Rentner und natürlich die Migranten. Die Aktionen der Elite lassen nicht auf sich warten. Arme werden in diesem Land versklavt (ein Euro Jobs) und entrechtet (Reform der Rechtsbeihilfe), und zwar ohne dass die Mehrheit der Bevölkerung etwas dagegen unternimmt, oder auch nur unternehmen kann. Wo das enden wird, weiß der Himmel. Ich frage mich nur, ob die Wahl des Wortes „Elite“ zufällig geschah.
Zu Obama: auch derjenige, der sich nicht ausführlich mit dem Wahlprogramm des US Senators vertraut gemacht hat, kennt seinen Wahlslogan: „Yes, we can!“, dieser Slogan wurde auch von Deutschen während seiner Rede skandiert, man kann also davon ausgehen, das er bekannt war, und verstanden wurde. Es heißt nicht: „I can“ sondern „We can“, nicht also „ich kann!“ sondern „Wir können!“. In Amerika fühlen sich die Anhänger Obamas auch als „Täter“ und Verantwortliche, nicht als Herde, die einem Schäfer folgt. Michael Moore, der Filmemacher, hat seine Gedanken und Gefühle in einem Satz formuliert, der auch genau meine Meinung widerspiegelt: „I do not believe in Obama The Man, I believe in Obama The Movement!“ übersetzt etwa: “Ich glaube nicht an Obama den Mann, aber an Obama die Bewegung!“. Obama hat vielen Menschen in Amerika Hoffnung gemacht, dass politisches Engagement sich lohnt, dass es sich lohnt, zu tun, und dass dadurch etwas bewegt wird. Obama war lange Aktivist für Wählerrechte, seine Kampagne wird zum Teil durch Spenden finanziert, die direkt von der Bevölkerung kommen, und nun ist er, der aus der Grassroots Bewegung stammt, Präsidentschaftskandidat
Warum sollte die Botschaft „Wir können!“ nicht auch in Deutschland gerne gehört werden?
Wenn wir uns den Status dieses Landes und seiner Politik ansehen, die Tatsache, dass es außer der Linken keine wählbare Opposition gibt, keine Alternative, und die meisten alternativen Gruppierungen den Desastern, die täglich von der politischen Führung produziert werden, jammernd und diskutierend zusehen (ich weiß das, ich bin seit Jahren Attac Mitglied). Hoffnungslosigkeit ist das Gefühl, dass sich durch dieses Land zieht, das Gefühl, hilflos mit ansehen zu müssen, wie alles zerstört wird, wie immer mehr Menschen in bittere Armut gestoßen werden, geplant und gewollt, Entscheidungen durchgesetzt werden, die von der Mehrheit abgelehnt werden und der Mehrheit schaden, ohne das man, wie Karl Popper es formulierte „die Regierung (durch Abwahl) abstrafen zu können“, weil die Ersatzregierung genau das gleiche Programm unter anderen Überschriften weiterführt. Hoffnungslosigkeit, wie sie mich auch täglich überfällt, wenn ich die NachDenkseiten lese. (So interessant und informativ diese auch sind) „Wir können!“ klingt nach Hoffung, nach Engagement, nach Veränderung, und dieser Wunsch nach Veränderung, nach Abkehr von der herrschenden Ideologie, ist nicht nur den Amerikanern zu Eigen. Es muss sich etwas ändern. Und „Wir“ müssen das bewirken.
Wer soll diese Energien, diesen Wunsch nach Handeln, nach Veränderung kanalisieren? Die SPD? Obama ist ein Symbol, eher als ein Mythos. Und ein solches Symbol, ob als Person oder Organisation ist ein starkes Mittel, Energien zu bündeln und zu leiten. Gerade findet in Amerika eine der größten politischen Aktionen einer politischen Partei seit seiner Entstehung statt. Tausende von Freiwilligen helfen Menschen, sich für die Wahl zu registrieren, damit auch ihre Stimme endlich gehört wird. Ziel der Sache:
“The voter registration effort is part of a broader strategy to not just elect Obama, but also to alter the political landscape by shifting power from Washington to the grassroots, the officials say, to cultivate a base for significant political reforms.” Also: „Die Wählerregistrierung ist Teil einer weiten Strategie, nicht nur um Obama zu wählen, sondern auch die politische Landschaft so zu verändern, dass Macht von Washington auf die „Graswurzeln“, also die Basis zu verschieben, um eine Basis für signifikante politische Reformen zu schaffen.“ Ist das jetzt Populismus oder der Versuch, Menschen dazu zu bringen, selbst etwas zu bewegen? Nachzulesen unter: “Can Obama Turn the Democratic Party Upside Down with the Biggest Voter Mobilization Drive in History?” Auf Alternet kann man sich auch über das für und wieder der Obama Kampagne, seines Wahlprogramms und seiner Kandidatur informieren – und nicht nur darüber.
Ansonsten auch von mir großes Lob für Ihre Arbeit und Ihr Engagement. Ich lese die NachDenkSeiten täglich, und empfehle sie auch weiter. Sie haben mich auch dazu gebracht, mich wieder politisch zu engagieren. Obama hat ein Quäntchen Hoffnung hinzugefügt. I can!
Mit freundlichen Grüßen
D. Hoeffler