Hinweise des Tages
(KR/WL)
Heute unter anderem zu folgenden Themen:
- Verfassungsänderung für Jobcenter
- Privat statt Staat – Bürger zahlen drauf
- Postbank trommelt für private Pflichtversicherung
- Euro so teuer wie noch nie
- Mehdorn musste zu ICE-Kontrollen gezwungen werden
- US-Kreditkrise
- Studienabbruchsquoten
Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.
Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
- Jobcenter-Streit beendet: Verfassungsänderung angestrebt
Langzeitarbeitslose sollen auch künftig eine Betreuung aus einer Hand erhalten. Damit dies möglich bleibt, wollen Bund und Länder das Grundgesetz ändern. Dies nicht ohne Kritik.Zu der überraschenden Verständigung kam es gestern auf einer Sonderkonferenz der Arbeits- und Sozialminister in Berlin. Ein monatelanges Tauziehen auf allen Ebenen wurde dadurch verhindert. Erst die angestrebte Verfassungsänderung macht es möglich, das vom Bundesverfassungsgericht beanstandete Modell der Jobcenter von Kommunen und Arbeitsagenturen fortzuführen. Für eine Grundgesetzänderung ist in Bundestag und Bundesrat jeweils eine Zwei- Drittel-Mehrheit notwendig.
Der Beschluss der Länder zur Änderung der Verfassung erfolgte einstimmig, teilte der Hamburger Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU) als Vorsitzender der Arbeitsministerkonferenz im Anschluss an das Treffen mit. Er sprach von einem «Durchbruch». Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) begrüßte das Ergebnis als «wirklichen Fortschritt» und kündigte an, die gesetzlichen Änderungen sollten rasch – spätestens bis Jahresende – umgesetzt werden.
Das Bundesverfassungsgericht hatte im vergangenen Dezember die von der Bundesagentur für Arbeit und Kommunen gemeinsam organisierten Arbeitsgemeinschaften (ARGEN) als unzulässige Mischverwaltung beanstandet und eine Änderung bis Ende 2010 gefordert.Mit dem Beschluss, der diese ARGEN langfristig absichert, erhalten auch zehntausende von Beschäftigten der Jobcenter eine Perspektive. «Wir haben jetzt eine Chance, das, was die ARGEN heute tun, besser zu machen», zeigte sich der nordrhein-westfälische Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) zufrieden. Die rheinland-pfälzische Sozialministerin Malu Dreyer (SPD) sagte, die «gute Konstruktion» der ARGEN werde nun «verfassungsgemäß gemacht».
Scholz zeigte sich erfreut, dass die Verständigung mit den Ländern bereits ein gutes halbes Jahr nach dem Urteil aus Karlsruhe erreicht werden konnte. «Wir haben jetzt einen Weg miteinander gefunden.» Erwartet worden war, dass es über die Neuorganisation der Hartz-IV- Verwaltung ein erbittertes und langes Tauziehen geben würde.Die Reaktion auf den Beschluss fiel positiv aus: Dieser verhindere, dass die bisherigen Strukturen zur Beratung und Vermittlung von Langzeitarbeitslosen «auf den Kopf» gestellt werden müssten, sagte die Berliner Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (Linke). Der schleswig-Holsteinische Arbeitsminister Uwe Döring (SPD) sprach von einem «großen Schritt in die richtige Richtung». Die Arbeitsexpertin der Grünen, Brigitte Pothmer, sieht einen «Sieg der Vernunft».
Quelle 1: Haufe Online
Quelle 2: Passauer Neue PresseAnmerkung KR: Dem Kommentar des DGB, wie er von der Passauer Neue Presse wiedergegeben wurde, ist kaum etwas hinzuzufügen: „Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) kritisierte die Entscheidung der Arbeitsminister gestern scharf. „Wir erwarten, dass nicht unsere bewährte Verfassung an die schlechte Praxis angepasst wird, sondern umgekehrt“, erklärte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach im Gespräch mit der PNP. Es sei „ein Armutszeugnis“, dass statt einer sinnvollen Hartz IV-Reform der faule Kompromiss zu den Arbeitsgemeinschaften (ARGEN) und Optionskommunen von damals „mit all dem bürokratischen Chaos in Beton gegossen und dafür auch noch das Grundgesetz geändert werden soll.“
Die zentrale Herausforderung, die Unterstützung und Betreuung Langzeitarbeitsloser möglichst unbürokratisch und effektiv aus einer Hand zu organisieren, würde damit nicht erfüllt, „sondern um Lichtjahre hinausgeschoben“. Außerdem sei zu befürchten, „dass eine Verfassungsänderung noch eine ganze Reihe von Begehrlichkeiten weckt, die Arbeitsmarktpolitik weiter zu zerfleddern, um Einzelinteressen zu befriedigen“, so Buntenbach. Der DGB verlange, dass die jeweilig unterschiedlichen Kompetenzen von Bundesagentur und Kommunen gestärkt und gebündelt werden. „Die jetzige Situation mit einer Integrationsquote von 3,4 Prozent über eine Grundgesetzänderung in Stein zu meißeln, wäre eine bittere Botschaft für jeden Arbeitslosen“, warnte Buntenbach.“
Außer vielleicht noch dieses:
Weise kritisiert «Katastrophe» Jobcenter
Der Chef der Bundesagentur für Arbeit hält die derzeitige Aufgabenverteilung in den Jobcentern für katastrophal. Die bundesweiten Arbeitsgemeinschaften, in denen beide Seiten je zur Hälfte Verantwortung trügen, seien «ein Mitternachtsbierdeckelkompromiss von beruflich unerfahrenen Menschen» gewesen, sagte Weise am Samstag im Deutschlandradio Kultur.
Quelle: Netzeitung - Interview mit Heiko Habbe, einem Redakteur des Grundrechte-Reports …
(… )zum Stand der Dinge: “Ich würde von einer Ermüdungstaktik sprechen”.
Als Alternative zum alljährlich präsentierten Verfassungsschutzbericht wird seit 1997 von verschiedenen Bürgerrechtsorganisationen der Grundrechte-Report herausgegeben, welcher die Lage der Mensch- und Bürgerrechte zum Inhalt hat. Deswegen wurden die Verfasser und Herausgeber des Projekts dieses Jahr mit der Theodor-Heuss-Medaille geehrt. Telepolis sprach mit dem Grundrechte-Report-Redakteur Heiko Habbe über die Verfassungswirklichkeit: „Was uns als Herausgebern und Autoren des Grundrechte-Reports besondere Sorge macht, ist, dass von Jahr zu Jahr eine stärkere Tendenz von Legislative und Exekutive feststellbar ist, ihre Aufgabe bei der verfassungsmäßigen Ausgestaltung der Rechtsordnung zu missachten (…)
Die Rechtsvereinheitlichung im europäischen Raum weckt Bedenken insbesondere wegen der immer noch unterentwickelten parlamentarischen Kontrolle. Zu viele Entscheidungen werden in Brüssel auf der Ebene von Regierungskonferenzen hinter verschlossenen Türen getroffen … Die Auswirkungen lassen sich beispielhaft an der im Werden begriffenen europäischen Asylpolitik studieren. Hier setzen sich mit unschöner Regelmäßigkeit die jeweils niedrigsten Standards durch, wobei die deutschen Regierungen verschiedener Couleur nicht selten erst in Brüssel Lobbyarbeit für restriktive Regelungen gemacht haben, um dann anschließend im nationalen Recht Verschärfungen durchzusetzen mit dem Hinweis, das europäische Recht verlange dies.“
Quelle: Telepolis - Privat statt Staat – Bürger zahlen drauf
Öffentlich-private Partnerschaften gelten in Zeiten knapper Haushaltskassen für viele Kommunen als eine Art Allheilmittel beim Bau und Erhalt öffentlicher Einrichtungen. Dabei erweist sich das so genannte “Public Private Partnership”-Modell (PPP) immer häufiger als finanzieller Flop – zu Lasten der Bürger.
Quelle: Frontal 21 - Gewiefte Banker, ahnungslose Kämmerer
Es ist ein Streit um Millionen zwischen einer kleinen Kommune und dem größten Kreditinstitut Deutschlands: Am Mittwoch urteilt das Wuppertaler Landgericht über eine Schadenersatzforderung der Stadt Hagen gegen die Deutsche Bank. Die westfälische Kommune befürchtet, wegen eines Zinsoptimierungsgeschäfts, das die damalige Stadtkämmerin 2005 mit der Bank abgeschlossen hatte, insgesamt rund 50 Millionen Euro zu verlieren.
Quelle: FR - Postbank-Studie: Altersvorsorge in Deutschland
42 % der noch nicht in Rente befindlichen Deutschen halten die eigene Altersvorsorge für nicht ausreichend. Und 16% aller Deutschen geben sogar an, dass sie ihren Lebensunterhalt im Alter absehbar nicht aus eigenen Mitteln bestreiten können. Jeder 6. Deutsche droht demnach im Alter zu verarmen. Dies sind die Kernergebnisse der fünften repräsentativen Studie „Altersvorsorge in Deutschland 2007/2008“ der Postbank in Zusammenarbeit mit dem Institut für Demoskopie Allensbach.
Quelle: PostbankAnmerkung WL: Alle Jahre wieder schafft die Postbank durch eine Allensbach-Umfrage einen Medien-Event. Der Tenor ist immer der gleiche: Die Deutschen sind zur Eigenvorsorge nicht willig. Wenn Du Staat nicht willst, dass Dir künftig die armen Alten auf der Tasche liegen oder sie womöglich sogar einfach auswandern, dann musst Du die Deutschen durch noch mehr Subvention zu privaten Rentenversicherungen „anreizen“, und wenn das alles noch nicht hilft, dann musst Du die Leute zu ihrem Glück zwingen, indem Du eine gesetzliche Pflicht zur privaten Altersvorsorge schaffst. Dann hätte die Versicherungswirtschaft ihr Endziel erreicht: Eine riesige Umsatzsteigerung in Höhe von vielen Milliarden und entsprechenden Gewinnerlösen per Gesetzeszwang – Rendite per Gesetz sozusagen.
Siehe dazu nochmals zur letzten Umfrage: Postbank fordert mehr staatliche Subventionen für die private Altersvorsorge und am besten gleich eine private Pflichtrente – Rendite per GesetzAuf dem Interneteintrag der Postbank wird gleich noch ein Vortrag von Meinhard Miegel, dem „Running Gag“ der privaten Altersvorsorge, verlinkt. Siehe dazu z.B.: Meinhard Miegel kann hellseherisch ausrechnen, dass ein 2040 geborener Mann für 100 Euro Rentenbeitrag im Jahr 2107 gerade noch 89 Euro Rente bekommt Dass für 73 % der Deutschen eine staatliche Rente grundsätzlich zur idealen Alterssicherung zählt, kommt natürlich nur am Rande vor. Dass also fast drei Viertel wünschten, dass es eine gesetzliche Rente gäbe, die sie vor Altersarmut schützt, führt aber nicht zur Forderung, diese Form der Rente wieder zu stabilisieren, sondern die Postbank fordert eine höhere Subventionierung der privaten Rente und am besten eine gesetzliche private Pflichtversicherung.
Dass diese Umfrage nur eine Propagandamaßnahme der Postbank für ihre eigenen Versicherungsangebote darstellt, kann man schon daran erkennen, dass sie sich gleich nach der Darstellung der Studie als die „Altersvorsorgebank“ anpreist.
- Keine Entlastung der Normalverdiener beim Gaspreis vorgesehen
Die Bundesregierung plant keine “besonderen Maßnahmen”, um so genannte Normalverdiener, die keine staatlichen Transferleistungen erhalten, beim Gaspreis zu entlasten. In ihrer Antwort (16/9919) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion (16/9681) heißt es, grundsätzlich müssten vertretbare Energiepreise für alle Verbraucher im Vordergrund stehen. Die Kostenbelastung der privaten Haushalte könnte dadurch begrenzt werden, dass das Kartellrecht strikt angewendet wird und Maßnahmen zur Energieeinsparung gefördert werden. Im Übrigen steige der Staatsanteil an den Energiekosten seit 2003 nicht mehr, weil seither keine wesentlichen Steuererhöhungen vorgenommen worden seien. Dagegen seien die Energiepreise erheblich gestiegen. Der prozentuale Steueranteil bezogen auf den Energiepreis sei also gesunken.Die Bindung des Gaspreises an den Ölpreis ist laut Regierung Bestandteil in langfristigen, privatrechtlichen Gasimportverträgen zwischen ausländischen Gasproduzenten und inländischen Importeuren. Es gebe keine staatlichen Eingriffsmöglichkeiten auf diese Preisgestaltung. Andere Mechanismen zur Preisbestimmung zu finden, sei Sache der Unternehmen. Aber auch bei anderen Modellen der Preisgestaltung wäre angesichts der Marktmacht der Gas produzierenden Länder “wohl kaum mit sinkenden Gaspreisen” zu rechnen, heißt es in der Antwort weiter. Bei der Weiterverteilung des Gases im Inland würden bereits jetzt Lieferverträge auch ohne Ölpreisbindung angeboten.
Quelle: Deutscher BundestagAnmerkung: An die Gasimportverträge, die den Gaspreis an den Ölpreis koppeln kommt also die Regierung nicht ran. Interessant zu wissen wäre jedoch, wie sich die Gas produzierenden Länder und die Gasimporteure die Windfall-Profits aus dieser Preisbindung aufteilen. Konkreter: Sahnt nicht nur z.B. Gazprom ab oder auch etwa Ruhrgas als Importeur? Wie sind die Importeure mit den Produzenten miteinander verbandelt, so dass diese Importverträge Verträge zu Lasten der Konsumenten sind?
- Euro so teuer wie noch nie
Der Euro ist am Dienstag auf den höchsten Stand in seiner Geschichte gestiegen. Die Gemeinschaftswährung erreichte am Vormittag ein Rekordhoch von 1,6038 Dollar, bevor sie wieder unter 1,60 Dollar sackte. Ausgelöst wurde der erneute Schwächeanfall der amerikanischen Währung durch die Zuspitzung der Immobilienkrise in den Vereinigten Staaten.
Quelle: FAZ.NetAnmerkung WL: Am Tag der Einführung des Euro am 1. Januar 2002 musste ein Amerikaner, wenn er seine Dollars in Euro einwechselte, für einen Euro weniger als einen Dollar, nämlich nur 89 US-Cents bezahlen. Vergleicht man einmal die Gelassenheit, mit der auf das Rekordhoch des Euro und dessen Einfluss auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit reagiert wird, mit dem öffentlichen Getöse, dass etwa um die Lohnabschlüsse, vor allem aber um die Bedeutung der Senkung der sog. „Lohnnebenkosten“ gemacht wird, so ist das schon bemerkenswert.
Siehe dazu:
Wirtschaftsexperte Franz: “Es wird keine Rezession geben”
Hoher Ölpreis, starker Euro und Finanzkrise in den USA – die Aussichten für die deutsche Konjunktur sind miserabel. Doch der Wirtschaftsweise Franz warnt vor Panikmache.
Quelle: FocusAnmerkung WL: So sicher wie das Amen in der Kirche wird aber der Wirtschaftsweise Franz im nächsten Gutachten des Sachverständigenrats wieder weitere „Strukturreformen“ (d.h. die Senkung der Sozialabgaben) und moderate Lohnabschlüsse fordern.
Wann merken die Deutschen endlich, dass sowohl die Finanzkrise als auch der ständiger Anstieg des Euro gegenüber dem Dollar, aber auch gegenüber anderen Währungen, auf ihren Knochen ausgetragen werden. Es sind im Wesentlichen immer nur die Arbeitnehmer und die Sozialleistungsempfänger, die dafür eintreten müssen, dass die deutsche Wirtschaft weitere Exporterfolge erzielt und dass die Verluste aus der Finanzkrise aufgefangen werden können.
Der Sozialstaat und die Löhne als variable Verfügungsmasse der Währungs- und Finanzpolitik.Dazu passt:
Steinbrück hetzt gegen Sozialleistungsempfänger
“Eine Erhöhung um acht oder zehn Euro hat den Gegenwert von zwei Schachteln Zigaretten oder zwei großen Pils. Ich fürchte, das Geld kommt bei den Kindern in vielen Fällen nicht an”, sagte Steinbrück in den „Ruhr Nachrichten“ im Zusammenhang mit der geplanten Erhöhung des Kindergeldes.
Quelle: Gegen Hartz.deAnmerkung WL: Das Zitat von Steinbrück ist ziemlich typisch für die Vorurteile der rechten Sozialdemokraten über Sozialleistungen, wonach die Eltern das Kindergeld versaufen und verrauchen.
- Heiner Flassbeck: Im Würgegriff der Globalisierung?
Die einfache Lohn- und Gewinnregel garantiert auf der einen Seite die Teilhabe der breiten Masse der Bevölkerung an der Produktivitätsentwicklung via Lohnkostenzuwachs. Sie garantiert auf der anderen Seite, dass die Gesellschaft die Dimension des Sozialen in der Marktwirtschaft auch bei völlig offenen Märkten frei festlegen kann, solange auch dies, die Lohnnebenkosten also, von der Produktivität gedeckt sind.Letzteres war in Deutschlands Wirtschaftswunderzeiten immer der Fall. Dagegen führte der mit der Agenda 2010 forcierte Versuch, die breite Masse wegen vermeintlichen Globalisierungsdrucks über Jahre hinweg beim Lohn und bei den Einnahmen für das Soziale von der Teilhabe auszuschließen, zu mangelnder Binnennachfrage und zu einer massiven Störung in der internationalen Arbeitsteilung. Denn Deutschland zwingt andere Länder, über ihren Verhältnissen zu leben. Weil das nicht von Dauer sein kann, braucht Deutschland in der Tat eine Agenda 2020 – aber sie muss ein genau umgekehrtes Vorzeichen haben.
Quelle: FR - Für Hartz-IV-Kinder lohnt sich ein Ferienjob kaum
Die Hartz-IV-Gesetze liefern immer wieder Lehrstücke für Demotivation und Benachteiligung. Beispiel Ferienjob: Schüler, die in einem Hartz-IV-Haushalt leben, müssen ihr aufgebessertes Taschengeld den Einkünften der Eltern zurechnen lassen. Von der Anrechnung ausgenommen ist lediglich der Grundfreibetrag von 100 Euro je Monat. Von dem Betrag, der diese Grenze überschreitet, muss der Schüler 80 Prozent von dem Einkommen aus dem Ferienjob in dem Topf der Bedarfsgemeinschaft werfen.
Quelle: Spiegel OnlineAnmerkung T.K.: Die einen – Kinder reicher Eltern – brauchen nicht in den Ferien arbeiten; die anderen – Kinder armer Eltern – dürfen nicht; na, wenigstens können sie dann ihre Ferien genießen (was ja auch Sinn und Zweck der Ferien ist).
- Eilerlaß gegen Mehdorn
Es war nicht, wie in allen Medien verkündet, die Deutsche Bahn AG, die in den vergangenen Tagen als »Vorsichtsmaßnahme« alle ICE-3-Einheiten zu einer »Zusatzuntersuchung mit Ultraschall« beordert hatte. Vielmehr handelte es sich um einen Beschluß der Aufsichtsbehörde Eisenbahn-Bundesamt (EBA), der der Bahn aufgezwungen werden mußte. Nach der Entgleisung eines ICE-3 in Köln am 9. Juli ließen Bahnchef Hartmut Mehdorn und der Bahnvorstand die ICE-3-Züge weiterfahren, auch mit Tempo 300. Das EBA drängte auf sofortige Ultraschallprüfungen. Als der Bahnvorstand dazu nicht bereit war, wurde diesem am Freitag der EBA-Bescheid übermittelt: Alle im Einsatz befindlichen ICE-3, die seit der letzten Ultraschallüberprüfung mehr als 60000 Kilometer Laufleistung hinter sich hatten, seien »aus dem Betrieb zu nehmen« und »als Leerzug in eine Werkstatt zur Durchführung von Ultraschallprüfungen« auf »Rissfreiheit« zu überführen. Es dürften »nur solche Fahrzeuge (…) wieder in Betrieb genommen werden, für die die Rissfreiheit der Triebradsatzwellen (…) mittels mechanisierter Ultraschallprüfung nachgewiesen ist«. Schließlich steht dort weiter, daß die »sofortige Vollziehung dieses Bescheides (…) wegen Gefahr im Verzug als Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse (…) angeordnet« wird.
Quelle: junge WeltAnmerkung AM: Wenn stimmt, was Winfried Wolf berichtet – und davon gehe ich aus -, dann muss die Tatsache, dass man dies bei nahezu keinem anderen Medium erfuhr, erschrecken. Denn das bedeutet, dass alle, die die Version der Bahn verbreiteten, an der Leine von Mehdorns PR-Maschinierie geführt werden und auch in einer solchen für viele Menschen lebensgfährlichen Affäre nicht an Aufklärung interessiert sind. Ein gerüttelt Maß an gleichgerichteter Meinungsmache. Wahrlich.
- Störfall für Schwarz-Grün
Die Atomdebatte legt den Flirt zwischen Union und Ökos auf Eis. Über Gespräche mit Merkel nach der Wahl 2009 wird jetzt nur gespottet.
Quelle: FRAnmerkung Orlando Pascheit: Natürlich nutzt Grün die Chance zur Profilierung, aber Frau Merkels Gespür für Macht sollte nicht unterschätzt werden. Falls eine Koalitionschance besteht, wird Frau Merkel die Atomdebatte beenden, die Grünen werden das mit großem Getöse als ihren Sieg herausstellen und sich wieder in gehobener Stellung auf der Berliner Bühne tummeln dürfen.
- Wolfgang Münchau: In die Katastrophe
Die Ereignisse vom Wochenende zeigen, wie hochgradig ansteckend die Kreditkrise geworden ist. Fannie und Freddie haben nämlich gar nichts mit der Subprime-Krise zu tun. Im Gegenteil: Beide spielen nur in den seriösesten Segmenten des US-Hypothekenmarkts. Der Grund für die De-facto-Pleite dieser beiden Hypotheken-Riesen liegt im Verfall der Häuserpreise. Viele Hausbesitzer sind nicht mehr in der Lage, die Schulden abzubezahlen. In einigen Fällen könnten sie es, wollen es aber nicht. Wenn ein Schuldner seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, kann nach dem Recht vieler US-Bundesstaaten die Bank nur das Haus zurückfordern, aber nicht mehr. Wenn Hauspreise nun um 20 oder 30 Prozent fallen, wie zum Beispiel in Kalifornien, dann fällt in vielen Fällen der Wert des Hauses unter die Hypothekenschuld. Da ist es nur logisch, wenn der Hauseigentümer seinen Hausschlüssel an die Bank zurückschickt. Er ist dann zwar sein Haus los – die Bank hat aber den schwarzen Peter.Die Schulden von Freddie und Fannie belaufen sich auf ungefähr 5000 Mrd. $, ungefähr 40 Prozent der gesamten amerikanischen Staatsschulden. Wenn man Freddie und Fannie in die Staatsbilanz konsolidiert, dann liegt die amerikanische Schuldenquote bei rund 100 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt.
Quelle: FTDEine andere Sicht der Dinge:
- Fannie, Freddie und die Lästerzungen
„Fannie Mae“ ist der geläufige Name für die Federal National Mortgage Association. Sie wurde 1938 im Rahmen von Roosevelts New Deal Politik gegründet, um den Immobilienmarkt zu stabilisieren und es dem „kleinen Mann“ einfacher zu machen, seine eigenen vier Wände zu besitzen. Lokale Banken und Immobilienfinanzierer konnten die einzelnen Hypotheken an die „Fannie Mae“ auslagern, die sie gebündelt an Großinvestoren weiterverkaufte. Damit hatten sie freie Mittel, um neue Hypotheken zu vergeben. Bis ins Jahr 1968 war „Fannie Mae“ eine Behörde, 1968 wurde sie privatisiert und ist seitdem ein „staatlich gefördertes Unternehmen“, welches zwar als private Aktiengesellschaft firmiert, aber aufgrund der gemeinwirtschaftlichen Aufgaben spezielle Vorzüge genießt und auch spezielle Auflagen hat. „Freddie Mac“ – eigentlich Federal Home Loan Mortgage Corporation – wurde 1970 als Konkurrenz gegründet und ist „Fannie Maes“ Zwilling.
Quelle: Spiegelfechter - Robert von Heusinger: Bitter
Die Banken kann man durch Verstaatlichung retten, wie in Amerika geschehen. Die Konjunktur muss der Staat stabilisieren, wenn die Krise eingedämmt bleiben soll. Das alles kostet viel Geld – und fördert hoffentlich die Einsicht, dass die Deregulierung unverantwortlich war.
Quelle: FR - US-Kreditkrise: Wie Fannie und Freddie Milliarden verzockten
Mit einer dramatischen Rettungsaktion hat die US-Regierung die Hypothekengiganten Fannie Mae und Freddie Mac vor dem Kollaps bewahrt. Es ist ein einzigartiger Eingriff des Staates in die Privatwirtschaft – die Rechnung bezahlt der Steuerzahler (…)Das gilt auch fürs jüngste Kapitel dieses Dramas. In dessen Mittelpunkt stehen zwei ebenso gigantische wie obskure US-Unternehmen mit seltsamen Namen: Fannie Mae und Freddie Mac. Fannie und Freddie, wie sie meist nur genannt werden, sind die beiden größten Hypothekenfinanzierer der USA: Fast die Hälfte aller US-Hypotheken sind über sie abgesichert – insgesamt 5,2 Billionen Dollar (…)
Denn die saftige Rechnung, so viel war klar, dürfte am Ende dem US-Steuerzahler präsentiert werden: Fannie und Freddie stehen vor weiteren Riesenverlusten – und die wird die Regierung nun aus der Staatskasse begleichen müssen. Das ist eine frappierende Entwicklung für ein Land, dem die private Marktwirtschaft heilig ist. “Ich verstehe nicht, woher diese Kerle die Dreistigkeit haben, sich unser Geld, unser Steuerzahlergeld zu nehmen”, schimpfte Großinvestor Jim Rogers, der frühere Geschäftspartner des Hedgefondskönigs George Soros, gestern auf Bloomberg TV. (…)
Private Gewinne – sozialisierte Verluste (…)
Es ist nicht ohne Ironie: In der Hochburg der freien Marktwirtschaft ist der Staat die letzte Hoffnung der Finanzbranche geworden. “Wenn du ein Sozialist bist”, lästerte Michael Lind von der New America Foundation in der “New York Times”, “dann solltest du dich freuen.”
Quelle: SPIEGEL
Dazu:
Siehe auch:
Anmerkung: „Wacht da jemand auf?“ fragt einer unserer Leser, „Der SPIEGEL trommelt doch sonst für die Privatisierung von allem, was nicht niet- und nagelfest ist, aber trotzdem zur Daseinsvorsorge zählt und am Ende immer vom Staat gerettet werden muss“.
Ergänzung AM: Wenn Marc Pitzke aus den USA schreibt, dann ist das meist informativ und nicht spiegelgemäß angepasst. Damit Sie aber nicht auf falsche Gedanken kommen und denken, beim Spiegel tue sich wirklich eine neue Hoffnung auf kritischen Journalismus auf, weisen wir auf Reinhard Mohr zur letzten Sendung mit Anne Will hin. Ein Klischee nach dem andern, schon in den vier Zeilen des Einstiegs. Interessant ist der Versuch, die parlamentarische Geschäftsführerin der Linken, Dagmar Enkelmann, als antidemokratisch darzustellen, weil sie folgenden Satz gesagt hat:
“Auch ich finde, diese Demokratie löst die Probleme der Menschen nicht.”
„Diese Demokratie“ – damit kann ja wohl die Demokratie gemeint sein, in der die Gewinne privatisiert und die Verluste sozialisiert werden (siehe oben), in der wichtige öffentliche Unternehmen wie die Deutsche Bahn privatisiert wird, weil einige daran verdienen wollen, in der angepasste Journalisten wie Reinhard Mohr das Sagen haben. Oder, noch schlimmer, die auf leisen Sohlen und völlig legal in einen Zustand verfällt, wie wir ihn heute in Italien erleben. Siehe dazu den Hinweis auf Berlusconis Sultanat (Hinweise von gestern Ziffer 11). Diese Sorge hat den „bedeutenden“ Spiegelredakteur Reinhard Mohr noch nicht erreicht. Solange der Spiegel von dieser Art von schwadronierenden Journalisten geprägt wird, muss man die Hoffnung auf Besserung leider erfahren lassen.
- Fannie, Freddie und die Lästerzungen
- Größte US-Sparkasse wankt – Riesen-Bankrott in Spanien
Die weltweite Krise bei Hypotheken und Kreditgeschäften hat mit der größten US-Sparkasse Washington Mutual und dem spanischen Immobilien-Giganten Martinsa Fadesa zwei neue Opfer gefunden. Dem US-amerikanischen Institut drohen Verluste in Höhe von 26 Mrd. Dollar, die aus dem angeschlagenen Hypothekengeschäft stammen. In Spanien befürchten Finanzexperten mittlerweile ein Platzen der Spekulationsblase auf Immobilien. Während sich die Krise auch in Großbritannien dramatisch zuspitzt, zwingen Verluste am Aktienmarkt aufgrund fehlender Mittel zur Refinanzierung den Martinsa Fadesa-Konzern in die Insolvenz.
Quelle: Linkszeitung - “EU in der Krise – Ist Europa noch zu retten?”
Gaby Dietzen diskutiert mit Prof. Hans Herbert von Arnim (Hochschule Speyer, EU-Kritiker), Prof. Wichard Woyke (Politikwissenschaftler, Universität Münster) und Prof. Karl Albrecht Schachtschneider (Universität Erlangen-Nürnberg).
Quelle: PhoenixAnmerkung WL: Eine recht interessante Diskussion, die aber natürlich, wie immer bei solchen Sendungen, sehr an der Oberfläche blieb. Aber immerhin wurden die Demokratiedefizite der EU angesprochen und es wurde deutlich, wie sehr die veröffentlichte Meinung bei ihrer Aufklärungsfunktion über die Inhalte des EU-Reformvertrages versagt hat.
- Genua bleibt ungesühnt
Sieben Jahre nach den Polizeiübergriffen beim G8-Gipfel in Genua sind 15 Beamte zu insgesamt 24 Jahren Haft verurteilt worden. Doch die Strafen verjähren, noch ehe sie rechtskräftig werden.
Quelle: FR - HIS-Bericht “Die Entwicklung der Schwund- und Studienabbruchquoten an den deutschen Hochschulen”
Schon im Februar 2008 berichtete die HIS Hochschul-Informations-System GmbH über die Entwicklung der Studienabbruchquoten an den deutschen Hochschulen. Unter den Studienanfängern der Jahrgänge von Anfang 2000 ist diese Quote an Universitäten auf 20 % gefallen, an den Fachhochschulen aber auf 22 % gestiegen. Zum ersten Mal konnten dabei auch Werte für die neu eingeführten Bachelor-Studiengänge vorgelegt werden.Im Rahmen einer erweiterten Berechnung der Erfolgsbilanzen an den deutschen Hochschulen legt HIS jetzt auch Studienabbruchquoten für weitere Abschlussarten vor. Demnach zeigt sich eine besonders günstige Situation in den Fächern, die mit einem Staatsexamen abschließen. Hier liegt der Studienabbruch nur bei rund 7 %. In den bisherigen Diplom- und Magister-Studiengängen an Universitäten beträgt der Studienabbruch demgegenüber 29 % und in den Diplom-Studiengängen der Fachhochschulen 21 %. Wie schon gemeldet, weisen die Studienfänger im Bachelor-Studium der Jahre 2000 bis 2004 an den Universitäten einen Studienabbruch von 25 % und an den Fachhochschulen von 39 % auf. Für die Ingenieurwissenschaften und einen Teil der mathematisch-naturwissenschaftlichen Studiengänge hohe Studienabbrecheranteile und Wechselquoten charakteristisch. Dem starken Schwund an Immatrikulierten steht nur ein geringer Zuwachs an Studierenden aus anderen Bereichen entgegen, so dass der bilanzierte Verlust mit rund 50 % sehr hoch ausfällt.
Quelle 1: IDW
Quelle 2: HIS Studie [PDF – 2,3 MB] - Wissenswirtschaft beschäftigt immer mehr Fachkräfte
Im Jahr 2007 entfiel jede dritte Neueinstellung einer Fachkraft mit Berufsausbildung oder Studium auf die forschungsintensiven Industrien und wissensintensiven Dienstleistungen. Der Anteil der sogenannten Wissenswirtschaft an den Stellenbesetzungen im Fachkräftebereich ist damit in den letzten Jahren deutlich gewachsen: Im Jahr 2000 lag ihr Anteil an den neueingestellten Fachkräften erst bei einem Viertel, berichtet das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).Gerade die Betriebe der Wissenswirtschaft sehen sich besonders häufig mit Stellenbesetzungsproblemen konfrontiert, zeigt eine repräsentative Befragung des IAB von 16.000 Betrieben. Ob Betriebe alle Stellen für Fachkräfte besetzen können, sei aber auch vom Engagement der Betriebe selbst abhängig, betonen die Nürnberger Arbeitsmarktforscher. Diejenigen Betriebe, die gezielt personalpolitische Maßnahmen wie Aus- und Weiterbildung nutzen, erwarten der IAB-Studie zufolge auch seltener Probleme bei der Stellenbesetzung.
Im internationalen Vergleich der Industrieländer hat Deutschland den zweithöchsten Anteil der forschungsintensiven Industrien und wissensintensiven Dienstleistungen an der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung. Die Wissenswirtschaft erarbeitet rund ein Drittel des gesamtwirtschaftlichen Umsatzes. Lediglich in der Schweiz ist dieser Anteil noch höher.
Quelle: IAB [PDF – 1,4 MB] - Ein Blatt im Wind
Die Turbulenzen sind heftig bei der “Berliner Zeitung”. Weil der Besitzer mehr Gewinn fordert, soll es Kündigungen im großen Stil geben. Leser und Angestellte wollen wissen, wie es weitergeht. Sie bekommen keine Antworten.
Quelle: Tagesspiegel - Jürgen Todenhöfer: “Warum tötest Du, Zaid?”
Quelle: Bei Kerner