Aus dem Schatten heraus
Dass westliche Geheimdienste mit dem globalen Drogenhandel vernetzt sind, wird heutzutage teils immer noch als Verschwörungstheorie abgestempelt. In seinem aktualisierten Werk „Die CIA und das Heroin – Weltpolitik durch Drogenhandel“ beschreibt der US-amerikanische Historiker Alfred W. McCoy in investigativer Manier, wie real die Verschwörung ist – und wie sie zahlreiche Länder seit Jahrzehnten auffrisst. Von Emran Feroz.
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Irgendwie weiß man es ja schon seit jeher. Man kennt es aus diversen Hollywood-Streifen und reißerischen Thriller-Romanen: Westliche Geheimdienste und Drogen, da gibt es doch irgendeine Verbindung. Ernst genommen wird das Ganze jedoch selten. Smarte CIA-Agenten, die gemeinsame Sache mit Verbrecher-Syndikaten, Kriegsfürsten und allerlei anderen dunklen Gestalten machen? Wie soll das denn in der Realität aussehen?
Alfred W. McCoy beantwortet diese Fragen mehr als ausführlich – auf über 600 Seiten. Es gibt wohl keinen Historiker, der sich besser mit Drogenhandel und Politik auskennt als der scharfsinnige Geschichtsprofessor aus Wisconsin. Egal ob Südeuropa oder Zentralasien, so gut wie alle bekannten Heroinquellen der Geschichte werden ausführlich beleuchtet. Es scheint, als ob kein Fleck der Erde in diesem umfassenden Werk ausgelassen wird.
Dies ist nicht verwunderlich. Es gibt nämlich viele Flecke. Überall, wo die Vereinigten Staaten auf irgendeine Art und Weise aktiv gewesen sind, um genau zu sein. Während heute, im 21. Jahrhundert, in den hiesigen Medien teils weiterhin behauptet wird, der amerikanische Geheimdienst sei ein lupenreiner Verein, der lediglich die westliche Freiheit beschütze, zeichnet McCoy ein Bild vom US-amerikanischen Geheimdienst, dass jegliche Verbrecherorganisation meilenweit hinter sich zurücklässt.
Der Grund hierfür ist die Tatsache, dass nahezu jede Intervention Washingtons, ob geheim oder offiziell, mit dem globalen Drogenhandel Hand in Hand ging. Ähnlich wie der sogenannte Krieg gegen den Terror, der in den letzten Jahren vor allem den Terror selbst förderte, etwa in Afghanistan, im Irak oder in Pakistan, ereignete sich dasselbe Szenario im Laufe des Krieges gegen die Drogen.
Bezeichnend war hierfür die Zusammenarbeit des Geheimdienstes mit jener verdeckten Unterwelt, die McCoy als klandestine, soziale Milieus bezeichnet, sprich, unsichtbare und kriminelle Akteure, die komplexe finanzielle und politische Operationen ausführen, ohne dabei fassbare Spuren zu hinterlassen. Was sich wie ein fantasievoller Thriller voller Verschwörungen liest, ereignet sich seit den 1970ern in Birma, Laos, Sizilien, Marseille, Afghanistan und anderswo, immer und immer wieder.
Die Profiteure sind bis zum heutigen Tage Drogenbarone, die jeglichen Schutz genießen, während sie ihrem Milliardengeschäft in Ruhe und Gelassenheit nachgehen können. Das aktuellste Beispiel hierfür ist Afghanistan, jenes Land, das nun seit fast fünfzehn Jahren von den USA besetzt wird. Seit diesem Zeitpunkt explodiert allerdings auch der Opiumanbau Jahr um Jahr. Im jährlichen Rhythmus berichten führende Medien der Welt immer wieder von diesem Umstand – und geben meistens vor, überrascht und schockiert zu sein.
Was die CIA mit dem afghanischen Opiumanbau zu tun hat, wird jedoch wie gewohnt weggelassen. Das Opium der Afghanen, so scheint es, sprießt ohne Grund. Oder weil die aufständischen Taliban im Land, jene, welche die westlichen Truppen, jene vermeintlichen Kämpfer der Demokratie, bekämpfen, es so wollen.
Lieber Drogen als Kommunisten
McCoy räumt mit derartigen Halbwahrheiten auf, indem er unter anderem darauf hinweist, dass afghanische Rebellenführer schon während des Kalten Krieges zu mächtigen Drogenfürsten aufstiegen. Den Amerikanern war dies herzlich egal, solange die kommunistischen Herrscher in Kabul bekämpft wurden. Das Feindbild Kommunismus taucht in diesem Kontext des Öfteren auf. Die CIA griff etwa auch der korsischen Mafia in Marseille, rechten Contra-Rebellen in Nicaragua oder blutigen Warlords in Birma unter die Arme. Hauptsache, dem kommunistischen Feind wurde der Garaus gemacht. Währenddessen flossen Geld und Drogen.
Ähnlich verhält es sich auch in jenen Kriegen der USA, die nach dem Fall des Eisernen Vorhanges begonnen haben. Exemplarisch hierfür ist ein weiteres Mal Afghanistan. Seit die NATO-Truppen dort unter der Führung Washingtons stationiert sind, floriert der Opiumanbau und bricht jedes Jahr Rekorde. Kurz vor dem Einmarsch der NATO stammten rund fünf bis zehn Prozent des weltweiten Schlafmohns aus dem Land – mittlerweile sind es mehr als neunzig Prozent.
Der Grund hierfür liegt vor allem in der Tatsache, dass die westlichen Truppen sich im Kampf gegen die Taliban mit jenen brutalen Kriegsfürsten verbündeten, die parallel dazu ihrer Tätigkeit als Drogenbaron nachgingen. Neben zahlreichen Kriegsverbrechen wurde ihnen die Ausweitung ihrer Macht sowie der damit einhergehende Drogenanbau so gut wie in den Schoß gelegt. Derartige Entwicklungen reichten bis in den Präsidentenpalast. So galt etwa Ahmad Wali Karzai, einer der Brüder des damaligen afghanischen Präsidenten Hamid Karzai, als einer der berüchtigsten Drogenbosse des Landes und stand auf der Gehaltsliste des CIA. Bekannt wurde dies erst, nachdem er 2011 Opfer eines Attentates wurde.
Prohibition förderte Anbau, Handel und Konsum
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es nur wenige Geschäfte auf der Welt, die profitabler erscheinen als der Drogenhandel. Warum sich dies auf diese Art und Weise entwickelt hat und jeglicher Kampf gegen das Rauschgift aussichtslos erscheint, hat mehrere Gründe. Für McCoy ist vor allem die Prohibition des Opiums ein Grund. Erst nachdem die Gesetze mehrerer Staaten die Droge verboten, begann das Geschäft mit ihr zu florieren. In den Jahren zuvor, etwa Ende des 19. sowie in den Anfängen des 20. Jahrhunderts, bekam jedes Kind Opium in der nächsten Apotheke. Der spätere Antidrogenkampf der Vereinten Nationen sowie der USA verschärften hingegen das Problem. Sowohl Produktion als auch Konsum wurden dadurch gefördert.
All dies macht Alfred W. McCoy mit zahlreichen Zahlen und Fakten deutlich, die sich derartig akribisch kaum woanders zusammengefasst finden lassen. Es ist kein Wunder, dass die CIA einst versucht hat, die allererste Version dieses Buches zu verhindern. McCoys „Drogenbuch“ liest sich wie ein Thriller. Der Autor bleibt sich zwar als Historiker treu, schlüpft allerdings auch in die Rolle eines investigativen Journalisten, der die Gefährlichkeit dieses umstrittenen Themas hautnah miterlebt. Mal interviewt er brutale Kriegsfürsten oder hochrangige Militärs, mal lauern ihm CIA-nahe Milizen auf und trachten nach seinem Leben. Für jene, welche die komplexen Verstrickungen von globaler Politik und Drogenhandel bis in die heutige Zeit verstehen wollen, ist McCoys Werk ein absolutes Muss.