EU-Richtlinie über die Arbeitszeit – Entsetzen in Spanien
Der deutsche Ressortchef Olaf Scholz (SPD) wurde in der FR, zitiert: “Das sind wichtige Bausteine eines sozialen Europas. Sie sorgen dafür, dass Wettbewerb nicht auf dem Rücken der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausgetragen wird.” In Spanien wird das völlig anders gesehen. Es waren Großbritannien und Deutschland, diejenigen Länder, die in den letzten Jahren nach der für sie ungünstigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes über Ruhezeiten und Bereitschaftsdienste eine Novellierung der Arbeitszeitregelung vorantrieben haben. Ihre Erfolgsaussichten verbesserten sich schlagartig, als in Frankreich und in Italien die Rechte die Regierung übernahmen. Spanien hatte bis dato mit Hilfe der Regierung Prodis und Chiracs die jetzig eingetretene Novellierung verhindern können. Die Berichterstattung in Spanien ist dementsprechend anders als in Deutschland. Bereits am 9.06.08, also vor Übereinkunft der Arbeitsminister, berichtete die spanische Presse hierüber und über die Ablehnung der spanischen Regierung des deutschen und britischen Standpunktes. Entsprechend bestürzt reagierte die Öffentlichkeit in Spanien nach der Übereinkunft. Widerstand im Europäischen Parlament, über die IAO, aber auch über Streiks ist angekündigt. Unser Leser Ulrich Fischbach hat für uns zwei Beiträge aus der spanischen Zeitung El Pais übersetzt.
Die Minister der EU debattieren über die Erhöhung der Wochenarbeitszeitgrenze auf 65 Stunden
Spanien führt die Opposition gegen die Vorschrift an, die es als „Rückschritt“ betrachtet, obwohl Spanien es als schwierig anerkennt, sie zu verhindern.
AGENCIAS – Luxemburg – 09/06/2008
Die Arbeitsminister der EU beabsichtigen heute eine Einigung über eine Gemeinschaftsnorm zu finden, die die Arbeitszeit regelt, mit der Möglichkeit, sie von 48 auf 65 Stunden in der Woche zu erhöhen. Die Mitglieder der EU sind gespalten in diejenigen, die eine höhere Arbeitsflexibilität fordern, angeführt von dem Vereinigten Königreich und Deutschland, und jenen, die für eine Ende der Ausnahmeregelungen eintreten, die mehr als 48 Stunden wöchentlich erlauben zu arbeiten, angeführt von Spanien. Der spanische Arbeitsminister Celestino Corbacho sagte, die Erweiterung des Arbeitstages sei ein „Rückschritt in der sozialen Agenda“.
Die Minister debattieren über einen Vorschlag der Ratspräsidentschaft Sloweniens, der sich mehr zum Standpunkt des Vereinigten Königreichs und Deutschlands positioniert, da er schon als definitiv eine seinerseits von London eingeführte Klausel , das so genannte opt-out, bestätigt, die Ausnahmen der Höchstarbeitszeit von 48 Stunden erlaubt, immer wenn der Arbeiter und der Unternehmer sich hierauf einigen. Außerdem erhöht der slowenische Vorschlag die Höchstarbeitszeit von 48 auf 65 Stunden wöchentlich. Jedoch beinhaltet der Vorschlag eine Serie von Schutzrechten derart, dass die Arbeiter das opt-out freiwillig akzeptieren und nicht durch die Furcht des Arbeitsplatzverlustes dazu gezwungen werden.
Opposition Spaniens
Die Delegation Spaniens mit Unterstützung Frankreichs, Italiens, Griechenlands und Zyperns hatte bis jetzt erreicht, die Novellierung der Arbeitszeitregelung zu blockieren, da sie kein Datum festlegte, das das opt-out zeitlich befristete, was nach Ansicht dieser Länder mit einem sozialen Europa unvereinbar sei. Jedoch geriet Spanien in eine Minderheit, nachdem es die Unterstützung der neuen Regierungen Italiens und Frankreichs, Sloweniens und Portugals verlor. Es sind bereits drei Jahre, die die Verhandlungen über die Arbeitszeit andauern.
Die Mehrheit der Mitgliedsstaaten geben dem Vorschlag der slowenischen Ratspräsidentschaft Rückendeckung und wollen die Vorschrift billigen, um die Probleme zu lösen, die ihnen das medizinische Pflegepersonal bereiten. Der Europäische Gerichtshof hatte anlässlich diverser Angelegenheiten entschieden, das nicht aktive Zeiten des Pflegepersonals als Arbeitszeit angesehen werde müssen, und genau deswegen wird diese Vorschrift reformiert, um die erhöhten Kosten zu vermeiden, die die Anwendung dieser Urteile in Bereichen wie der der Gesundheit hervorruft.
Dennoch wird Madrid, so die Ankündigung des spanischen Arbeitsministers bei seiner Ankunft in Luxemburg, seine „Gegen“-Position „schwierig“ ändern. Corbacho vertraut darauf, dass der Text bei seiner zweiten Lesung, der er im Europäischen Parlament unterworfen wird, verändert werden könnte. „Ich glaube, dass es kontroverse Auseinandersetzungen geben wird. Heute wird es von denjenigen eine Erklärung geben, die diesen Vorschlag gutheißen, dass er ein großer sozialer Fortschritt des sozialen Europas sei und ich glaube, dass heute Europa einen Rückschritt in der sozialen Agenda macht“ bedauerte er, obwohl er es als Tatsache ansieht, dass die Direktive gebilligt wird., weswegen er seine Kräfte darauf konzentriert, dass die Norm im Europaparlament modifiziert werde.
Die EU hat Eile, die Reform zu billigen, angesichts der Aktualität vieler Mitgliedsstaaten, die die Vorschriften der Regelung nicht erfüllen, insbesondere im Gesundheitssektor.
Originaltext: www.elpais.com
Die Regierung bezeichnet den Arbeitstag von 65 Stunden als „Angriff“
Regierung, Gewerkschaften und Parteien bezeichnen den Arbeitstag von 65 Stunden als „Angriff“. Die PP (Volkspartei, d. Übers.) ist anderer Meinung und beschuldigt die Exekutive des „Verwirrens“.
10/06/2008
Regierung, Gewerkschaften, politische und autonome Parteien betrachten das von den Arbeitsminister der Europäischen Union (EU) erzielte Übereinkommen, den Arbeitstag auf bis zu 65 Stunden wöchentlich zu erhöhen, als einen „Angriff“ auf die Rechte der Arbeiter.
Die Arbeitsminister der 27 Staaten der EU erreichten nach ca. 12 Stunden Verhandlungen, den Vorschlag durchzusetzen, der jetzt vom Europäischen Parlament (EP) gebilligt werden muss, um in Kraft zu treten.
Die spanische Regierung lehnt die europäische Direktive ab, bestätigte der Außenminister Miguel Angel Moratinos, der ankündigte, dass Spanien im Europäischen Parlament darauf hinarbeiten werde, sie zu überprüfen.
Der Minister für Arbeit und Immigration Celestino Corbacho sagte gestern vor Beendigung der Versammlung mit seinen Kollegen der EU, dass Europa einen „Rückschritt“ in seiner sozialen Agenda mit dieser Maßnahme, die Europa „mehr dem 19. Jahrhundert als dem 20. Jahrhundert näher bringe“, erleiden werde.
Die Gewerkschaft CCOO betrachtete ihrerseits die Direktive als „unerträglich“ und kündigte an, den Inhalt ihrer Intervention vor der 97. Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) am nächsten 12. Juni zu überarbeiten, um die Direktive zu annullieren, während der Generalsekretär der Gewerkschaft UGT Cándido Méndez warnte, dass „wir in eine sehr ernste Situation der Konfrontation geraten können“.
Die PP ist anderer Meinung
Auch alle politischen Parteien mit Ausnahme der PP betrachten die Direktive als einen sozialen Einschnitt.
Der Sprecher für Beschäftigung der Volkspartei José Ignacio Echániz beschuldigte die Regierung, die öffentliche Meinung zu „verwirren“ , da die Direktive „nicht zwingend sei“ und sich auf ein punktuelles Problem beschränke bezüglich der Berechnung der Arbeitsstunden des medizinischen Pflegepersonals.
Originaltext:
www.elpais.com