Springer und der „Fußballkrieg“, oder: Wie der Springer-Verlag die Polen und die Deutschen aufeinander hetzt
In den Unternehmensgrundsätzen der Axel Springer AG
wird als erstes Essential für die publizistische Ausrichtung genannt: „Das unbedingte Eintreten für … die Förderung der Einigungsbemühungen der Völker Europas“. Wie es um diese „Förderung der Einigungsbemühungen“ bestellt ist, wenn es um Auflage und damit um Geld geht, beweisen die publizistischen Hetztiraden, zwischen dem 2003 von Springer aufgekauften Blatt „Fakt“ und Springers „Bild“ im Vorfeld des EM-Spiels, mit denen neuer Hass zwischen Polen und Deutschen gesät wurde. Wolfgang Lieb
Am 5. Juni 08 macht Bild mit folgender Balkenüberschrift auf: „EM-Krieg gegen uns“. Abgedruckt wird dabei u.a. auch eine Fotomontage mit dem Kapitän des deutschen Fußballteams Michael Ballack, ausstaffiert mit Pickelhaube und einem Umhang der Kreuzritter. Dahinter schwingt der Trainer der polnischen Fußballnationalmannschaft Leo Beenhakker drohend ein Schwert. „Leo, mach’s wie in Grunwald!”, lautete die Schlagzeile. Grunwald steht für den polnisch-litauischen Sieg bei der Schlacht gegen den Deutschen Orden im Jahr 1410 – im kollektiven Gedächtnis der Polen ein historischer Triumph gegen den mächtigen und deshalb ungeliebten deutschen Nachbarn.
Quelle: Bild
Die Boulevardzeitung „Fakt“ ist mit einer Auflage von über 500.000 die größte polnische Tageszeitung und sie gehört genauso zum Springer-Verlag wie „Bild“.
Um so perfider ist es, dass sich Springers deutsches Pendant „Bild“ zu Springer Polskas „Fakt“ in die Pose des Angegriffenen wirft und auf diese Karikatur antwortet: „EM-Krieg gegen uns“. Völlig geschichtsvergessen schiebt „Bild“ noch die weitere Schlagzeile nach: „Polen eröffnen (!) Fußball-Krieg“ .
War im national-konservativen Hause Springer keiner der Verantwortlichen in der Lage, die perfide historische Parallele zu erkennen, dass die Deutschen schon einmal eine verleumderische Lüge gebraucht haben, um den Polen vorzuwerfen, sie hätten einen Krieg „eröffnet“?
„Seit 5.45 Uhr wird zurückgeschossen“ brüllte nach dem Angriff der Wehrmacht auf Polen am 1. September 1939 Hitler in den Deutschen Reichstag. Damals hatte die SS drei tote KZ-Häftlinge in polnische Uniformen gesteckt und dies als Überfall der Polen auf den Sender Gleiwitz ausgegeben und u.a. mit diesem angeblichen polnischen Angriff die Bombardierung des Nachbarlandes begründet und den zweiten Weltkrieg entfacht.
Nun wird man bei „Bild“ vielleicht abwiegelnd darauf hinweisen, dass die Konkurrenz-Zeitung zum polnischen Springer-Blatt „Fakt“, nämlich „Super Express“ noch eine viel brutalere Fotomontage mit einem geköpften Michael Ballack und Joachim Löw auf der Titelseite hatte. Tatsache ist und bleibt, dass das Revolverblatt „Fakt“ mit dieser kriegslüsternen Hetze begonnen hatte und „Super Express“ die Geschichte nur den bildlichen Vergleich mit „Grunwald“ fortgeschrieben hat.
In gespielter Unschuld verteidigt nun „Bild“ die deutsche Ehre: „Es ist einfach widerlich! Millionen Fans freuen sich auf den EM-Start der deutschen Mannschaft…Doch die Polen, unser 1. Gegner, führen einen schmutzigen Fußballkrieg!“
Die hausinterne Hetze eskalierte weiter, als „Fakt“ nachlegte und eine österreichisch-deutsche Verschwörung witterte: „Skandal! Unsere Gegner machen keinen Hehl daraus, dass sie sich auf das Ergebnis ihres Spiels einigen könnten. Diese Abmachung wäre für uns keine Überraschung.“ All das angeblich, um die Polen aus dem Turnier zu werfen. Darauf wiederum „Bild“ in der Freitagausgabe: „Es wird immer irrer: Polen werfen uns EM-Betrug vor!“
Die scheinheiligen Hasstiraden zweier Gossenblätter lassen sich nicht etwa als üblichen geschmacklosen Ausrutscher der jeweiligen Redaktionen abtun, denn auch ein weiteres überregionales Blatt von Axel Springer Polska, die Zeitung „Dziennik“ packte in den braunen Jauchekübel.
Die 2006 von Springer aufgekaufte „Dziennik“ kommentierte am Freitag das sportliche Verhältnis zwischen Polen und Deutschen mit den Worten: „Wir mögen deutsche Autobahnen, Autos und Schokolade, die deutschen Sportler haben wir allerdings niemals gemocht. Diese Abneigung wurde noch dadurch verschärft, dass sie sehr oft und skrupellos nach unseren Besten greifen und sie einbürgern: in letzter Zeit Podolski, Klose, Trochowski und früher Michalczewski, Kozakiewicz oder Wilimowski. (…) Deshalb streben wir alle nach diesem historischen Sieg. Ohne Zweifel ist dieser wichtiger als ein Erfolg gegen alle anderen Gegner.“ In der gleichen Zeitung wird der polnische Stürmer Marek Saganowski zitiert: „Dieser deutsche Panzer stört mich nicht. Ich würde gerne mit ihm zusammenstoßen.“
„Wie weit gehen die polnischen Blätter noch?“ „Bild“ die verfolgte Unschuld und tut so, als habe das eigene Haus mit den polnischen Blättern nichts zu tun.
Dass in Klagenfurt über hundert Deutsche festgenommen wurden, die vor dem Spiel mit rechtradikalen Parolen Krawall machten, damit hat das Haus Springer natürlich auch nichts zu tun.
Wo bleibt eigentlich ein Protestbrief unserer Kanzlerin an ihre Wahlhelferin Friede Springer?
Von Springer-Chef Mathias Döpfner darf man keine Konsequenzen für die Verantwortlichen bei „Fakt“ und „Bild“ erwarten, ihm geht es ohnehin nur um die Auflage der Springer-Blätter und ums Geldverdienen. Die Hetze gegen Arbeitslosen im Innern sind für ihn dazu ein genauso probates Mittel wie das Aufeinanderhetzen von Deutschen und Polen. Geld geht eben über die schönen Unternehmensgrundsätze von der „Förderung der Einigungsbemühungen der Völker Europas“.