“Schwarzgeld-Amnestie ist bisher ein Flop” – “Die Schweiz bleibt ein Paradies für Steuerhinterzieher”
Zwei Schlagzeilen an ein und dem selben Tag sagen eigentlich alles über die Ungerechtigkeiten bei der Besteuerung von Kapital- und Lohneinkommen. Am 19. Mai berichtet der Kölner Stadt-Anzeiger, dass trotz Steuer-“Amnestie” und Minibesteuerung von 25% von den geschätzten 100 Milliarden Euro, die vor der Steuer ins Ausland verschoben worden sind, seit in Kraft treten des Steueramnestie-Gesetzes noch nicht einmal eine halbe Milliarde zurückgeholt wurde. Gleichzeitig meldet die Frankfurter Rundschau, dass Schweizer Banken, bei denen schätzungsweise 1.300 Milliarden ausländische Gelder angelegt sind, auch künftig bei einem Verdacht auf Steuerhinterziehung den Finanzämtern jegliche Auskunft verweigern dürfen.
Das „scheue“ Kapital fließt in Steuerparadiese oder wird an der Steuer vorbei ins Ausland geschafft, während den Lohnsteuerzahlern wird jeder verdiente Euro über die Gehaltsabrechnung versteuert wird. Wer sich erhofft hat, durch niedrigste Steuersätze die Kapitaleinkommensbezieher zu mehr Steuerehrlichkeit gewinnen zu können, sieht sich getäuscht. Seit Inkrafttreten des „Steueramnestiegesetzes“ Anfang des Jahres sind statt der erhofften Milliarden gerade mal 120 Millionen Euro in die Staatskasse geflossen. Steuerschätzer und Wirtschaftsforscher rechneten statt der erhofften 25 Milliarden Euro allenfalls mit zwischen 500 Millionen bis maximal 1,5 Milliarden Euro Steuereinnahmen aus dem Rückfluss von „schwarzem Geld“, berichtet Peter Hahne im Kölner Stadt-Anzeiger vom 19. Mai 2004. Am selben Tag schreibt A. Neitzel in der Frankfurter Rundschau, dass es der EU zwar endlich gelungen sei, dass in der Schweiz ab 2005 eine Quellensteuer von zunächst 15 (!) Prozent auf die Zinserträge der dort von EU-Ausländern gelagerten Vermögen eingeführt werden soll. Die Schweiz bleibt aber nach wie vor ein Paradies für Steuerhinterzieher, denn die vor dem Zugriff des Fiskus hinterzogenen Vermögen selbst sollen auch in Zukunft vom „Bankgeheimnis“ geschützt bleiben. Als Gegengabe für die Einführung der Quellensteuer, darf die Schweiz dem Schengener Abkommen beitreten; das Schwarzgeld kann also noch unkontrollierter über die Grenzen geschafft werden. Und das dürfte auch vermehrt geschehen, denn bei 15 Prozent Quellensteuer bis 2008 und bei 20 Prozent bis 2011 müsste man jedem, der seine Barschaft nicht in die Schweiz bringt, für seine Steuerehrlichkeit (man könnte auch sagen Dummheit) mindestens mit dem Bundesverdienstkreuz auszeichnen.
Wer mit ehrlicher Arbeit sein Geld verdient, ist und bleibt in Deutschland der Dumme. Und die Dummen sind vor allem die unselbständig Beschäftigten. Deutschland wird immer mehr zum Lohnsteuerstaat. Klaus Heidel hat in einem Beitrag für die taz vom 3.12.02 unter dem Titel „Die hausgemachte Pleite“ die Fakten zusammengetragen, die in der öffentlichen Debatte über weitere Steuersenkungen vor allem für Kapitaleinkünfte völlig in den Hintergrund geraten sind: „Während sich die durchschnittliche Lohnsteuerbelastung der Bruttolöhne von 1960 bis 2000 mehr als verdreifachte, sank die steuerliche Belastung der Gewinn- und Vermögenseinkommen kräftig: Im Jahr 2000 betrug sie nur noch ein Drittel dessen, was sie 1960 – zu Zeiten des „Wirtschaftswunders“ – eingebracht hat…Obgleich es die Gewinne waren, die überdurchschnittlich wuchsen, trug der Faktor Kapital immer weniger zur Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben bei. Besonders dramatisch ist der relative Bedeutungsverlust der (veranlagten) Einkommenssteuer: Sie erbrachte 1960 noch rund 31 Prozent des gesamten Steueraufkommens, 2000 aber nur noch verschwindende 2,7 Prozent. Auch die Körperschaftssteuer und die Gewerbesteuern stellten immer kleinere Anteile des Steueraufkommens. Demgegenüber wurde der Beitrag des Faktors Arbeit mehr als verdreifacht: Im Jahre 2000 entfielen über 35 Prozent des gesamten Steueraufkommens allein auf die Lohnsteuer! Auch die Anteile der indirekten Steuern stiegen: Die Umsatzsteuer um fast die Hälfte und die der Mineralölsteuer um über 90 Prozent. Damit tragen heute die „Massensteuern“ drei Viertel des gesamten Steueraufkommens, also dreimal so viel wie der Faktor Kapital…Der wachsende Reichtum von Unternehmen und Personen kam nur in engen Grenzen der gesamten Gesellschaft zugute: Steuersenkungen allein schaffen weder Wachstum noch Arbeitsplätze, sondern lediglich öffentliche Armut.“