„EWS-Award 2005“ an Roland Koch – die ganz alltägliche Meinungsmache neoliberaler Lobbyorganisationen
„Roland Koch gewinnt mit Bürokratieabbau“ titelt der Tagesspiegel einen Beitrag über die Verleihung eines sog. „Award 2005“ durch einen hochrespektabel klingenden „Europäischen Wirtschaftssenat“ (EWS). Was nicht berichtet wird, das ist, wer und was sich hinter der den hessischen Ministerpräsidenten auszeichnenden Organisation verbirgt. Der EWS hat – entgegen seinem Namen – nichts mit irgendwelchen europäischen Gremien zu tun, sondern rühmt sich selbst als „Gremium besonders erfolgreicher Unternehmerpersönlichkeiten“. Sieht man noch genauer hin, so entpuppt sich der EWS als eine der gemeinen Wirtschaftslobbyorganisationen. Da überrascht es nicht mehr, dass der CDU-Vorsitzende Koch gerade sechs Wochen vor der hessischen Kommunalwahl „geehrt“ wird.
Die Initiative Neue Sozialwirtschaft verleiht den Titel des Reformers des Jahres oder des Ministerpräsidenten des Jahres, natürlich immer an einen besonders strammen neoliberalen Politiker wie z.B. Friedrich Merz oder an einen ihr genehmen Ministerpräsidenten der im Wahlkampf seht, wie etwa an den Sachsen Milbradt.
Und nun gibt es eben einen „Award“ des EWS an Koch.
Man mag sich darüber ärgern, dass solche Lobbyorganisationen wie Metastasen in die Politik und in die Medien eindringen. Man mag es ungerecht empfinden, dass solche Propagandaagenturen offenbar massenhaft Geld zur Verfügung haben und damit andere gesellschaftliche Gruppen an die Wand drängen.
Wirklich schlimm für die von einer aufgeklärten Öffentlichkeit lebende Demokratie ist es aber, wenn sich die Medien als Resonanzboden für solche Propaganda anbieten und jede kritische Distanz zu Hintergründen und Hintermännern vermissen lassen.
Und gerade darauf zielt diese Wirtschaftslobby ab, sonst würde es sich für ihr Investment ja auch gar nicht lohnen. Sie kann inzwischen jeden beliebigen „Event“ inszenieren, jede Propagandaveranstaltung getarnt als wissenschaftliche Tagung durchführen oder jede sog. Expertise veröffentlichen, diese Lobby kann damit rechnen, dass ihr ein großer Teil der Journalisten und ein großer Teil der Medien unkritisch „aus der Hand frisst“.
(Man brauchte nur heute Abend die Fernsehnachrichten ansehen, wo als Bildunterlage für die Einigung über die Föderalismusreform – genauer für den Systemwechsel vom kooperativen Föderalismus zum Wettbewerbsföderalismus – ein Happening der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft mit der Durchschlagung eines Knotens dicker Seile gezeigt wurde.)
Dabei wäre es im Regelfall ein Leichtes zu erkennen, mit wem man es dabei zu tun hat und welche Interessen da propagiert werden, man brauchte nur mit einem Mausklick deren Hompages zu besuchen.
Da das viele Journalisten nicht mehr wollen oder können (oder gar dürfen), tun sie das doch einfach einmal selbst. Hier die Webadresse des EWS: www.eu-wirtschaftssenat.de. Da werden Sie dann den ehemaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Prof. Dr. Bernhard Friedmann als Präsidenten finden. Sie treffen auf Wirtschaftsberater, Bankenvertreter oder Repräsentanten anderer Lobbyorganisationen im Aufsichtsrat.
Sie werden erfahren, dass der EWS ursprünglich ein Mittelstandsverband war. „Die Wirtschaftssenatoren setzen sich für eine Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Unternehmer und Unternehmen ein“ und der EWS versteht sich – wie das heute mit der üblichen Korruption der Sprache gesagt wird – als „Erneuerer der sozialen Marktwirtschaft“ ein. (Man kann das korrekt ohne weiteres als Umbau der „sozialen Marktwirtschaft“ in eine Marktgesellschaft übersetzen.)
Dazu braucht man sich nur einmal die Protokolle der Kommissionen des EWS anzusehen: Da geht es um Bürokratieabbau oder Kündigungsschutz, um die Abschaffung der Mitbestimmung auf Unternehmensebene um eine „flexiblere“ betriebliche Mitbestimmung, um die Senkung der Unternehmenssteuern oder um die Wiederbelebung des Private Equity Marktes Deutschland und was sonst von der Unternehmerlobby noch für Themen politisch und medial vorangetrieben werden sollen.
Sie brauchen nur einmal die Liste der Senatoren durchscrollen oder surfen Sie einfach mal über die Webseiten des EWS.
Wer danach immer noch so tut, als handle es sich dabei um eine ausschließlich am Allgemeininteresse orientierte, unabhängige oder neutrale Einrichtung, über deren Botschaften man unkritisch berichten dürfte, der macht sich selbst zur Lobby einseitiger Wirtschaftsinteressen in unserer Gesellschaft.