Hat uns Berlusconi schon erschlagen? Laue Medienreaktion auf eine eindeutig undemokratische Entwicklung.
Mein Erwachsenenleben lang beobachte ich Meinungsbildungsprozesse: Meinung kann man machen. Veröffentlichte Meinung und öffentliche Meinung bestimmen politische Entscheidungen. Wer viel Geld und publizistische Macht hat, weiß das auch. Und nutzt diese Macht zur Eroberung der politischen Macht. So ist es in Italien jetzt wieder gelaufen. Eigentlich ist, wenn man nicht beschönigen will, die Rückeroberung der Macht durch Berlusconi ein Zeichen für das Ende der Demokratie in Italien. Darauf haben in Deutschland nur wenige Medien aufmerksam gemacht. Eine der großen Ausnahmen ist die taz. Ich weise auf drei Beiträge in der taz und auf zwei weitere in anderen Blättern hin – zusammengetragen für alle Leser, die sich für diese Entwicklung interessieren. Albrecht Müller.
Mich lässt das ganz und gar nicht kalt. Berlusconi steht für einen die Demokratie verletzenden Vorgang: Er hat wirtschaftlicher Macht aufgebaut, er hat mit dieser wirtschaftlichen Macht durch Übernahme und Aufbau kommerzieller Fernsehsender mediale Macht erobert. Mit Hilfe dieser medialen Macht gelang ihm schon zweimal die Eroberung der politischen Macht. Diese hat er ausgenutzt, um die mediale Dominanz auch auf den öffentlichen Teil der elektronischen Medien auszudehnen. Und mit dieser geballten Macht hat er die letzten Wahlen gewonnen.
Mich lässt die Entwicklung auch deshalb nicht kalt, weil Berlusconi in Europa nicht alleine ist. Im Frankreich des jetzigen Präsidenten ist es schon ähnlich gelaufen. Wir in Deutschland sind mit der Machtballung bei Bertelsmann, Springer, einigen wenigen anderen Medienkonzernen und dem vermutlichen Eindringen von Murdoch ins deutsche Geschäft auch schon halb berlusconisiert. In vielen anderen Ländern ist es ähnlich. Von Meinungsfreiheit im Sinne unseres Artikel 5 des Grundgesetzes kann keine Rede sein. Und Berlusconi und seine anderen Freunde in Europa werden auch in Brüssel aktiv werden. Im Sinne ihrer feudalen Machtausübung.
Auf diese Entwicklung kann man doch nicht lau reagieren?!
Es folgen Hinweise auf Beiträge, deren Autoren oder Interviewpartner ähnlich denken:
“Wir werden zum Schweigen gebracht”
Der Sieg von Berlusconi zeigt auch, wie verkommen die Eliten in Italien sind. Das Gemeinwohl interessiert sie nicht, dafür verteidigen sie umso entschlossener ihre Privilegien. Das gilt auch für die Linke, so die Satirikerin Sabina Guzzanti.
Quelle: TAZ
“Italien erlebt ein einzigartiges Experiment”
Die Linke war nicht dazu in der Lage, Berlusconis Medienmacht zu brechen, sagt der Autor Marco Travaglio
Quelle: taz
Wenn eine politische Öffentlichkeit sich selbst aufgibt
Quelle: taz
Werner Pirker: Berlustroni – Desaster der italienischen Linken
Das Entsetzen über den Wahlsieg von Silvio Berlusconi soll die Genugtuung über die Niederlage seines Rivalen nicht schmälern. Denn Walter Veltroni verkörperte nicht den linken Gegenpart zum rechtsextremen Liberalismus des Herrenreiters aus Milano, sondern das Prinzip der Ausgrenzung der Linken. Eine bürgerliche Demokratie ohne Linke – ganz so, wie es der »amerikanische Traum« verheißt. Oder: Der Liberalismus als Neototalitarismus.
Quelle: junge Welt
Schon etwas älter, aber nach der italienischen Parlamentswahl wieder aktuell –
und: ungemein unterhaltsam zu lesen.:
Italien
Deutsche, bitte erobert uns!
Italiens Politik versinkt im Chaos. Jetzt muss das Ausland helfen. Ein Appell des Starkomikers und außerparlamentarischen Oppositionsführers Beppe Grillo
Quelle: Zeit.de