Hinweise des Tages
(KR/WL)
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- Bahnbeschluss ist “Schlag ins Gesicht”
Der Kompromiss zur Bahnreform könnte SPD-Chef Beck teuer zu stehen kommen: Peter Conradi, Ex-SPD-Abgeordneter und Gegner der Bahnprivatisierung, bezeichnete den Beschluss im Gespräch mit stern.de als “Schlag ins Gesicht der Partei”. Die CDU dagegen wittert Morgenluft.
Quelle: stern - Und keiner nennt es Korruption – das große Schweigen um die “Leihbeamten”-Affäre
Seit zwei Jahren ist bekannt, dass in deutschen Bundesministerien sogenannte “externe Mitarbeiter” oder auch “Leihbeamte” tätig sind. Finanziert werden sie meist von großen Konzernen, und sie üben brisante Tätigkeiten aus, sind beteiligt an der öffentlichen Auftragsvergabe und am Entwerfen von Gesetzesvorlagen. Das Politmagazin Monitor berichtete vor kurzem, aber die Bundesregierung wies tags darauf die Kritik zurück: Man brauche die externe Kompetenz, da die Regierungsbehörden selber nicht darüber verfügen. Ende der Debatte.
Quelle: TelepolisAnmerkung: Wir nennen das schon seit längerer Zeit politische Korruption, so z.B. hier „Das Beratungswesen entpuppt sich immer mehr als Einfallstor für die Durchsetzung privater Interessen in der Politik und damit auch für politische Korruption. Beratung ist heute in vielen Fällen geleitet von großen Interessen. Beratung und Korruption sind zwei Seiten einer Medaille. Viele Politikberater sind zugleich Interessenvertreter. Die Lobby hat sich als Beratung getarnt und lässt sich so ihre Lobbyarbeit in vielen Fällen auch noch vom Steuerzahler bezahlen.“
- Haushaltsausschuss fordert klare Grenzen für externe Mitarbeiter
LobbyControl: Gestern beriet der Haushaltsausschuss des Bundestages über den Bericht des Bundesrechnungshofes zu externen Mitarbeitern in den Bundesministerien (siehe auch Stern Online). Der Ausschuss fordert von der Bundesregierung klare Grenzen für den Einsatz externer Mitarbeiter. “Einsätze in Bereichen mit dem Risiko von Interessenskonflikten” müssten ausgeschlossen werden. Aus unserer Sicht muss die Mitarbeit von Lobbyisten in Ministerien beendet werden, um dieses Risiko wirklich auszuschließen. Die im Bericht des Bundesrechnungshofes beschriebenen Fälle und noch stärker die von den Monitor-Journalisten Sascha Adamek und Kim Otto recherchierten Beispiele zeigten, dass es vielfach zu problematischen Interessenverquickungen gekommen ist.LobbyControl warnt davor, die Debatte nur auf die direkte Mitwirkung an Gesetzen zu verkürzen. Externe Mitarbeiter erhalten auch durch Einblicke in die internen Abläufe und durch gute Kontakte immense Vorteile gegenüber anderen nicht vertretenen Interessen. Dabei muss das Parlament im Blick behalten, dass die bisherigen externen Mitarbeiter fast ausschließlich aus Großunternehmen und Wirtschaftsverbänden stammen (sofern sie nicht aus bundesnahen Einrichtungen kommen). Selbst wenn eine direkte Mitwirkung an Gesetzen in Zukunft ausgeschlossen wird, verschafft der einseitige Austausch Unternehmensinteressen privilegierten Zugang, der sich nicht mit einem fairen und gleichberechtigten demokratischen Prozess vertrage. Die sauberste Lösung wäre deshalb ein Stopp der Beschäftigung externer Mitarbeiter in den Ministerien.
Quelle: LobbyControl - Rürup: Nur Jüngere profitieren von Entgeltumwandlung
Die zunehmende Zahl von Beschäftigten, die einen Teil ihres Verdiensts steuer- und sozialabgabenfrei für eine betriebliche Altersvorsorge umwandeln, führt bei vielen älteren Arbeitnehmern und den heutigen Rentnern zu einer niedrigeren Altersvorsorge-Rendite. Dieser Effekt dürfte sich wegen der im Herbst vergangenen Jahres beschlossenen unbefristeten Förderung der betrieblichen Altersvorsorge in den kommenden Jahren noch verstärken. Das geht aus Berechnungen des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hervor, die der Darmstädter Rentenexperte Bert Rürup jetzt vor Experten der betrieblichen Altersversorgung (bAV) in Berlin vorstellte.Danach müssen Beschäftigte, die vor 1970 geboren sind, auch bei Nutzung der Entgeltumwandlung mit einer niedrigeren Gesamtverzinsung ihrer Altersvorsorge rechnen als vor Einführung der staatlichen Förderung. Grund dafür sind die geringeren Beitragseinnahmen der gesetzlichen Rentenversicherer, die aus der steigenden Teilnahme an der Entgeltumwandlung resultieren. Besonders trifft diese Entwicklung Rürup zufolge Beschäftigte, die wegen ihres Alters oder fehlender finanzieller Möglichkeiten die Entgeltumwandlung nicht nutzen. Rürup ist Vorsitzender des Sachverständigenrats (“Fünf Weise”) und des Sozialbeirats der Bundesregierung. Arbeitnehmer unter 40 Jahren können Rürup zufolge dagegen damit rechnen, bei Nutzung der Entgeltumwandlung den Renditeverlust aus der gesetzlichen Rente kompensieren zu können. Von der betrieblichen Altersvorsorge besonders profitieren würden Beschäftigte, die nach 1985 geboren sind. Wie aus Berechnungen des Sachverständigenrats hervorgeht, steigt der Renditegewinn für diese Jahrgänge deutlich an. Denn der jüngeren Generation komme besonders stark das “achte Weltwunder” – der Zinseszinseffekt – zugute, erklärte Rürup den bAV-Experten.
Trotz der “sozialpolitisch problematischen” Wirkung der Entgeltumwandlung bekannte sich Rürup zur Fortsetzung der staatlichen bAV-Förderung. Sie sei deshalb zu rechtfertigen, weil es sonst “vermutlich zu unerwünschten Ausweichreaktionen” in eine formal rein arbeitgeberfinanzierte Altersversorgung (“Entgeltumwidmung”) gekommen wäre, so der Finanzwissenschaftler und Politikberater.
Quelle 1: Ihre VorsorgeAnmerkungen Martin Betzwieser: Falsch, ganz falsch. Die Einzigen, die von der beitragsfreien Entgeltumwandlung wirklich profitieren, sind die Arbeitgeber (sie sparen Sozialversicherungsbeiträge), die Finanz- und Versicherungskonzerne sowie Bert Rürup (Versicherungsvertreter mit Professorentitel) und seine vielen Artgenossen. Dass Professor Rürup neben seinen offiziellen Tätigkeiten als Werbemaskottchen der Finanz- und Versicherungsbranche hyperaktiv ist, dürfte ja bekannt sein; aktuelles Beispiel ist ja die hier im Artikel erwähnte Tagung.
Und trotz der “sozialpolitisch problematischen Wirkung der Entgeltumwandlung“ (Zitat Rürup!) spart sich das Internetportal der Regionalträger der Deutschen Rentenversicherung und der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See jeden Ansatz von Kritik. Wer kann sich irgendein deutsches Unternehmen vorstellen, das eigene Einnahmen benutzt (zweckentfremdet!!!), um Werbung für Produkte der Konkurrenz zu machen ?!?
Quelle 3: Handelsblatt-Tagung Betriebliche Altersvorsorge (Programm)
Quelle 4: Handelsblatt-Tagung Betriebliche Altersvorsorge (Sponsoren) - Gewerkschaftschef: Altersarmut bei Millionen Rentnern
Der Deutsche Gewerkschaftsbund befürchtet eine dramatisch zunehmende Altersarmut in Deutschland. DGB-Chef Michael Sommer sagte der “Bild”-Zeitung (Montagausgabe) laut Vorabbericht, derzeit lebe “die letzte Rentner-Generation, in der die allermeisten noch ein auskömmliches Einkommen haben”. Das werde schon in wenigen Jahren anders sein.“Wir werden spätestens in 15 Jahren Millionen Rentner haben, die – wenn nichts passiert – von Sozialhilfe leben müssen”, sagte Sommer. Das Thema Altersarmut werde völlig unterschätzt.
Quelle: FRAnmerkung: „Mehr Steuerzuschüsse in das Rentensystem“ fordert Sommer zur Vorbeugung gegen Altersarmut. Was er mit „Rentensystem“ meint (die Gesetzliche Rentenversicherung oder auch die private Altersvorsorge), hat er in dem BILD-Interview leider nicht gesagt.
Dabei steht doch außer Frage, dass es eine große, soziale Leistung des Umlageverfahrens war, die Altersarmut in Deutschland weitestgehend verschwinden zu lassen.
Eine nachvollziehbare und sinnvolle Forderung des DGB zur Stabilisierung der Rente könnte daher sein, die Subventionierung der privaten Vorsorge einzustellen und diese Gelder zur Stabilisierung der gesetzlichen Rente zu verwenden. Danach sucht man auf der Homepage des DGB leider vergebens, im Gegenteil:Riester-Rente mit Sondertarifen für Gewerkschaftsmitglieder
Das RentenPlus des DGB ist eine Riester-Rente zum günstigen Sondertarif exklusiv für Gewerkschaftsmitglieder und deren Angehörige ohne betriebliche Altersvorsorge. Hierfür haben wir namhafte Unternehmen gewinnen können. Die Vorteile von Das RentenPlus sind eine hohe garantierte Rente, eine hohe staatliche Förderung, günstige Sondertarife, und eine gute Beratung. Überzeugen Sie sich selbst! - Winfried Wolf: Die Bahn als Becks Schicksal
Kurt Beck hat, aus welchen Motiven auch immer, in der SPD im Herbst 2007 eine bescheidene Linksentwicklung durchgesetzt. Teile des Hartz-IV-Programms wurden in Frage gestellt. Vor und nach dem Hamburger Parteitag Ende Oktober 2007 stiegen erstmals seit geraumer Zeit die Umfragewerte für Beck und die SPD wieder an. Bei den hessischen Landtagswahlen konnte die SPD ihren Stimmenanteil deutlich (plus 7,6 Prozentpunkte) steigern und die CDU (minus 12 Prozentpunkte) deklassieren. Das – für SPD-Verhältnisse – linke Programm der Landes-SPD und ihrer Vorsitzenden Andrea Ypsilanti trug dazu bei. Bei den Wahlen in Niedersachsen und Hamburg war die SPD mit einem alten »Neue Mitte«-, also Rechts-Programm angetreten. In Niedersachsen verlor sie weitere Stimmenanteile, in Hamburg lag der Zugewinn mit plus 3,6 Prozentpunkten halb so hoch wie in Hessen.Als Kurt Beck und Andrea Ypsilanti als logische Konsequenz aus dem hessischen Wahlergebnis kundtaten, den Rechtsausleger und Wahlverlierer Roland Koch durch eine wie auch immer geartete Zusammenarbeit mit der Partei die Linke um sein Ministerpräsidentenamt bringen zu wollen, war dies der Auftakt für eine Anti-Beck-Kampagne der führenden Medien des Landes und der SPD-Rechten. Der Tenor lautet: Beck bricht sein Versprechen (nicht mit den Schmuddelkindern zu spielen). Seither schmieren die SPD und Kurt Beck in den Umfragen ab.
Der Sinn der Kampagne ist offenkundig: Selbst eine bescheidene Öffnung nach links darf nicht erfolgreich sein. Und so gewähren dieselben Medien im Verbund mit den Heckenschützen Steinmeier und Steinbrück dem SPD-Chef jetzt großzügig eine letzte Chance. Am Beispiel der Bahn soll Beck seine und der SPD »Politikfähigkeit« unter Beweis stellen. Damit rückt die Bahnprivatisierung zu einem maßgeblichen Thema der Innen- und Parteipolitik und der Staatsräson auf.
Quelle: Linksnet - Offensive bei ÖPP-Projekten in Berlin vorerst gestoppt
Während die Bundesregierung im Frühjahr eine Offensive zur Etablierung Öffentlich-Privater-Partnerschaften starten will, konnte in Berlin ein ganzes Bündel dieser Form der Privatisierung verhindert werden. In Reinickendorf, Spandau und Treptow Köpenick sollten zukünftig insgesamt 19 Schulen von privaten Konzernen gemanagt werden.
Nicht nur in Berlin werden Öffentlich-Private-Partnerschaften (auch Public-Private-Partnership/PPP genannt) zunehmend kritisch gesehen. Im laufenden Jahr wurden unter anderem auch in Salzgitter, Hannover, Fürth und Freiburg ÖPP-Projekte auf Eis gelegt. Zurückzuführen ist die große Skepsis auf eine Vielzahl schlechter Erfahrungen, dem Engagement privatisierungskritischer Initiativen und Stellungnahmen von Rechnungshöfen, die in einer Presseerklärung im Mai letzten Jahres “vor langfristigen Risiken” warnten. ÖPP seien “mittel- und langfristig ein gefährlicher Weg, weil auch die Finanzierungslast in die Zukunft verschoben” wird.
Quelle: Berliner Mietergemeinschaft e.V.Anmerkung: Schon etwas älter, aber dennoch aktuell.
- Banken an die Leine gelegt?
Die führenden Industriestaaten wollen als Reaktion auf die Krise an den Finanzmärkten die Kreditwirtschaft stärker kontrollieren. Nach einem Treffen in Washington einigten sich die Finanzminister und Notenbankchefs der sieben wichtigsten Industrienationen (G7) auf ein umfassendes Aktionspaket. Vorgesehen ist unter anderem, dass die Banken mehr Eigenkapital für riskante Geschäfte zurücklegen müssen. Zudem sollen die Geldinstitute für mehr Transparenz sorgen und ihr Risikomanagement verbessern. Allerdings bleibt die Siebenergruppe mit ihren Empfehlungen hinter Forderungen nach einer umfassenden Regulierung der Finanzbranche zurück. So haben viele Beschlüsse nur empfehlenden Charakter. Keine Mehrheit fanden zudem Vorschläge, die Entlohnung der Bankmanager so umzugestalten, dass diese sich weniger am kurzfristigen Erfolg orientiert.
Quelle: FR - An Zynismus kaum zu überbieten
Das globalisierungskritische Netzwerk ATTAC kritisiert die gemeinsame Erklärung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank zum Abschluss ihrer Frühjahrstagung.»Es ist an Zynismus kaum zu überbieten, wie sich hier zwei Sensenmänner über das gefallene Gras wundern und die gestiegenen Lebensmittelpreise bedauern«, konstatiert Pia Eberhardt vom ATTAC-Agrarnetz. IWF und Weltbank stünden seit Jahrzehnten für eine systematische Vernichtung kleinbäuerlicher Existenzen. So habe der IWF die Entwicklungsländer mit Strukturanpassungsmaßnahmen gezwungen, ihre gesamte Landwirtschaft auf den Export auszurichten und für billige Importe zu öffnen. Großflächige Monokulturen verdrängten den Anbau für den Eigenbedarf sowie lokale Märkte. Billigimporte taten ein übriges, um den Landwirten im Süden ihre Existenz zu rauben.
Quelle: junge Welt - Ein Praktikum führt selten in die Festanstellung
Ein Praktikum verhilft nur gut einem Drittel der Berufsanfänger unmittelbar zu einer Festanstellung. Die Mehrzahl der Praktikanten fühlt sich zudem untervergütet. Dies sind Ergebnisse einer Studie im Auftrag des Bundesarbeitsministeriums.
Quelle: Personal-Magazin - Korrespondentenkritik: “Nur noch selten prime-time-fähig”
Zwischen dem ZDF und einigen seiner Auslandsreporter ist ein Streit um die politische Berichterstattung entbrannt.
Quelle: FR - China zahlt für Amerikas Kriege
Die chinesische Regierung ist indirekt an der Finanzierung der Kriege im Irak und in Afghanistan beteiligt. Das berichten die Autoren des Buches „Der globale Countdown“, das übernächste Woche im Verlag Kiepenheuer & Witsch erscheint. Die chinesische Zentralbank habe so viel ihrer Devisenreserven in US- Staatsanleihen investiert, wie die US-Regierung an zusätzlichen Schulden für die Kriegskosten aufnehmen musste, schreiben Harald Schumann, Tagesspiegel, und Christiane Grefe, „Die Zeit“. Demnach kosteten die Kriege im Irak und Afghanistan von 2003 bis Ende 2006 rund 400 Milliarden Dollar. Im gleichen Zeitraum erwarben Mitarbeiter der chinesischen Devisenverwaltung US-Staatspapiere im Wert von 464 Milliarden Dollar, heißt es in dem Buch, aus dem der Tagesspiegel heute einen Auszug veröffentlicht.
Quelle: Tagesspiegel - Carla Del Ponte bezichtigt den Anführer des Kosovo des Organhandels
Ein Buch der ehemaligen Staatsanwältin der UNO beschuldigt die Kosovar-Guerrilla von Thaçi, serbischen Gefangenen Eingeweide herausgerissen zu haben.
Quelle: El PaisÜbersetzung von Ulrich Fischbach:
Unter Beihilfe des aktuellen Premierministers Hashim Taçi wurden im Sommer 1999 zwischen 100 und 300 serbische Gefangene in den Händen der Guerrilla-Befreiungsarmee des Kosovo (UÇK in albanesischen Buchstaben) mit Lastwagen zu einem Haus in Burrel (Albanien) gebracht. Dort angekommen, entfernte man ihnen diverse Organe, die für den internationalen Organhandel gebraucht wurden, bis die Gefangenen ihr Leben verloren.
Solche Behauptungen sind Teil des Buches Die Jagd. Ich und die Kriegsverbrecher, veröffentlicht in italienisch von Carla Del Ponte, Ex-Staatsanwältin des Internationalen Strafgerichtshofs für das Ex-Jugoslawien, der vom UNO-Sicherheitsrat eingerichtet worden war, um über die Verbrechen jenes Krieges zu richten.Das Werk, das in Zusammenarbeit mit Chuck Sudetic entstand, dem ehemaligen, regionalen Korrespondenten der New York Times, wurde diese Woche in Mailand veröffentlicht und rief unmittelbar Polemiken hervor.
Del Ponte erzählt in dem Buch, dass das von ihr geleitete Büro des Gerichtshofs für Jugoslawien „erstmalig im Sommers 1999 Informationen über ca. 300 Personen erhielt, die in Lastwagen über die Grenze in Richtung Nord-Albanien transportiert worden seien (…) Die jüngsten, gesunden, starken und gut ernährten Gefangenen verschonte man mit Schlägen. Sie wurden von medizinischem Personal betreut und später in andere Haftbedingungen in Burrel überführt. Dort wurden sie in einem gelben Haus untergebracht, das als heimlicher Operationssaal diente, wo ihnen Organe entfernt wurden.“
Sobald sie entfernt waren, wurden diese Organe „ins Ausland verschickt, um sie Kliniken zu übergeben, wo zahlungskräftige Patienten auf sie warteten (…) Nachdem man ihnen eine Niere entfernt hatte, wurde einige Gefangene zurück ins Gefängnis gebracht bis zu dem Augenblick, in dem man ihnen andere lebenswichtige Organe entfernte, und man so schließlich den Tod herbeiführte.“
Die Autoren des Buches schreiben auch, dass „der Organhandel mit Wissen und aktiver Billigung der hochrangigen Offiziere der Befreiungsarmee des Kosovo (UÇK) betrieben wurde.“
Die Aufdeckung dieser angeblichen Taten ist auf „Angehörige der UNO, Journalisten und auf einen albanischen Staatsanwalt“ zurückzuführen“, erklärt Chuck Sudetic dieser Zeitung. Jene Personen „untersuchten das Haus in Burrel und entdeckten mittels chemischer Stoffe im Fußboden und in den Wänden Spuren von Blut. Die erste Version der verhörten Albaner war, dass dort eine Frau entbunden hätte. Angesichts der großen Blutmengen änderten sie die Version und erklärten, dass das Haus als Schlachthof genutzt worden sei.“
Eine Reihe von schauderhaften Daten widerspricht dieser Version. „Die Ermittler entdeckten eine Fläche von 3 mal 1 Meter in der Mitte des Fußbodens des Raumes, die keinerlei Blutflecken hatte, was auf einen entfernten Operationstisch schließen ließ“, erklärt Sudetic. „Auch fand man chirurgische Instrumente, Arzneien und Mittel zur Entspannung von Muskeln, wie sie in der Chirurgie verwendet werden, sowie einen Eisschrank mit entnommenen Organen mit Ziel Flughafen Rinas“. Die heimliche Klinik „durchliefen wahrscheinlich auch Prostituierte verschiedener Länder Osteuropas und Albaniens“, fügt der Coautor hinzu.
Die Beschuldigung macht einen Teil des ausführlichen Buches aus, in dem Carla Del Ponte ihr gesamtes Leben als Juristin durchlaufen lässt. Aber soweit sie sich auf den Kosovo bezieht, stützt sie sich auf Zeugenaussagen von Personen, deren Identität sie nicht offenlegt, und bringt auch keine direkten Beweise für die angeblichen Verbrechen bei. Warum wurden sie nie angeklagt? Die Autoren weisen auf das Problem der fehlenden rechtlichen Zuständigkeit Del Pontes in der Tatzeit hin. „Es war nicht klar“, schreiben sie, „ob die begangenen Verbrechen in dieser Zeit unter die Rechtsprechung des Tribunals für Jugoslawien fielen (…) Die wenigen Kosovo-Albaner, die zu einer Zeugenaussage bereit gewesen wären, hätten lebenslang beschützt werden müssen, was den Umzug ganzer Familien ins Ausland bedeutet hätte (…) Die Polizisten aus Bern in Brüssel, die durch die Bronx patroullieren, wissen wie frustrierend es ist, innerhalb des kriminellen, albanesischen Netzes zu ermitteln.“ Carla Del Ponte schreibt auch, dass einige Autoritäten der UNO-Kosovomission und der NATO „um ihr Leben fürchteten und um das der Mitglieder der Missionen“ und dass „einige der Richter des Tribunals für das Ex-Jugoslawien befürchteten, ermordet zu werden“.
Die NGO Human Rights Watch bestätigte am Freitag, dass das Buch Del Pontes „ausreichende Gewißheit“ beibringt, um die Regierung des Kosovo und Albaniens aufzufordern zu einer „förmlichen Ermittlung, die die Richtigkeit der Anschuldigungen überprüft“.
In dem Buch rechnet Del Ponte mit alten Gegner ab, und zwar mit einer Offenheit, die die schweizerische Regierung zu der Bitte veranlasste, davon abzusehen, es vorzustellen oder mit den Medien darüber zu sprechen. Seit Anfang dieses Jahres ist die Ex-Staatsanwältin in Argentinien Botschafterin der Schweiz, einem Land, das gerade eine Botschaft im Kosovo eröffnete, was es zu einem der ersten machte, das diplomatische Bindungen mit dem neuen Staat einging.
„La caza (Die Jagd, der Übers.) wurde unter ihrer Verantwortung als Ex-Staatsanwältin geschrieben, aber die Erklärungen, die es enthält, sind nicht vereinbar mit ihrer aktuellen Funktion als Repräsentantin der schweizerischen Regierung“, erklärt Jean-Philippe Jeannerat, Sprecher des schweizerischen Außenministeriums. „Wenn Del Ponte über ihre Anschuldigungen, die sie in ihrem Werk aufstellt, öffentlich spricht, könnte dies als offizielle Position der schweizerischen Regierung ausgelegt werden, was unakzeptabel wäre.“
Am 31. März, noch vor der Präsentation in Mailand, wurden Del Ponte von ihrer Chefin Micheline Calmy-Rey (schweizerische Außenministerin) disziplinarrechtliche Schritte angedroht, wenn sie nicht schnellstmöglich nach Buenos Aires zurückkehre. Laut der Ex-Staatsanwältin nahestehenden Quellen zeigte diese ein „relatives Unverständnis“ für die Entscheidung, sie (die Veröffentlichung, d. Übers.) zu verschweigen, aber sie befolgte die Anweisung.
Jedoch ist es ungewiss, ob Del Ponte in der argentinischen Hauptstadt offiziell angekommen ist, wenn man sie für die kommende Woche erwartet, wie Jorge Marirrodriga aus Buenos Aires berichtet.Die Präsentation des Buches vor der Presse in Mailand wurde im letzten Augenblick abgesagt, nachdem man von der Position der schweizerischen Regierung erfahren hatte. Dies bestätigt Lucia Piani vom Verlag Feltrinelli, der La caza herausgegeben hat.
Im Balkan hat das Buch Aufsehen erregt. Anhänger von Thaci, dem kosovarischen Premierminister, versicherten, dass es „eine Reihe von Lügen“ aufliste. Der Justizminister des Kosovo, Nekibe Kelmendi, trägt seinerseits vor: „Es ist eine Erfindung von Carla Del Ponte und der Serben, um mein Land zu diskreditieren.“ Aus Sicht der Serben hat die Betrachtung der kosovarischen Guerrilla als „kriminelle Mafiabande“ Befriedigung hervorgerufen. Del Ponte hatte den Ex-Präsidenten Serbiens, Slobodan Milosevic, auf die Anklagebank gebracht.
Warum wurden diese Scheußlichkeiten so spät ans Tageslicht gebracht“? Chuk Sudetic erklärt: „Del Ponte genießt zur Zeit eine Freiheit zu sprechen, die sie als Generalstaatsanwältin nicht hatte. Sie glaubt, es sei besser, die geheimen Mechanismen der internationalen Justiz mit einem Buch zu erklären als mit einem langweiligen Artikel für eine Rechtsanwaltszeitschrift, den niemand liest. Es ist möglich, dass sich die Zeugen letztendlich trauen zu sprechen, wenn sie diese Geschichte lesen.“