Verteilungsbericht des DGB für das Jahr 2008. Wir zitieren das Wichtigste in Kürze

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Trotz des Konjunkturaufschwungs der Jahre 2006 und 2007 sind nicht nur nach den im vergangenen Jahr vorgelegten Zahlen aus amtlicher Statistik und Forschungsarbeiten unabhängiger Institute, sondern auch nach dem Empfinden der breiten Mehrheit der Bundesbürger die Unterschiede zwischen Arm und Reich eher größer geworden. Nur noch 15 Prozent der Bundesbürger sind laut einer repräsentativen Umfrage der Bertelsmann Stiftung davon überzeugt, dass die Einkommensverteilung in Deutschland „im Großen und Ganzen gerecht zugeht“. Weit mehr als 50 Prozent halten die Einkommensverteilung dagegen für ungerecht. Trotz des kräftigen Wirtschaftswachstums der vergangenen zwei Jahre haben sich die Stimmung in der Bevölkerung und die Zufriedenheit mit der Verteilung von Einkommen und Vermögen in Deutschland kontinuierlich verschlechtert. Dies steht in krassem Gegensatz zu Erfahrungen in vorherigen
Aufschwungsphasen, in denen die Mehrheit der Deutschen stets die Einschätzung vertrat, die Boomzeiten würden zu mehr Verteilungsgerechtigkeit beitragen. Wolfgang Lieb

Seit Anfang der 1990er Jahre wurde der so genannte neutrale Verteilungsspielraum (Preissteigerung + Produktivität) lediglich einmal überschritten bzw. ausgeschöpft. Die Reallohnentwicklung stagniert deshalb seit Jahren. Die gesamtwirtschaftlichen Tariflohnsteigerungen sind im Jahr 2007 mit 2,2 Prozent
genau so hoch ausgefallen wie die Inflationsrate (ebenfalls 2,2 %). Selbst im Boomjahr 2007 konnten die Beschäftigten keine Reallohnzuwächse für sich verbuchen.

Die Entwicklung der Netto-Reallöhne ist zwischen 1991 und 2007 zum Stillstand gekommen. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben in absoluten Geldbeträgen betrachtet sowie unter Berücksichtigung der auf den nominalen Einkommen noch entrichteten Abgaben (Lohnsteuer, Beiträge zur Sozialversicherung) preisbereinigt leichte reale Einkommensverluste zu verzeichnen: Während ein Arbeitnehmer im Jahr 1991 ein durchschnittliches Monatsnettogehalt von 1.141 Euro hatte, war dieses Monatsnettogehalt im Jahr 2007 preisbereinigt nur noch 1.135 Euro wert, die Kaufkraft
ist somit real zurückgegangen.

Lohn- und Gehaltsentwicklung seit 2000

Die ostdeutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hatten auch im Jahr 2007 einen nach wie vor für sie ungünstigeren Lohnabstand bei den Effektivlöhnen zu den westdeutschen Arbeitnehmern. Während die Tariflöhne in Ostdeutschland mit 95,2 Prozent im Jahr 2007 immer noch nicht das Niveau Westdeutschlands erreicht haben, sieht es bei der Angleichung der ostdeutschen Effektivlöhne noch unausgeglichener aus. Das ostdeutsche Effektivlohnniveau variiert zwischen ca. 70 % des Westniveaus im produzierenden Gewerbe und knapp 87 % des Westniveaus in der Branche Bergbau. und Gewinnung von Steinen und Erden.

Es sei zudem eine wachsende Lücke zwischen den Effektivlöhnen und den Tariflöhnen zu verzeichnen: Die Entwicklung der Tariflöhne verlief mit 21,8 % zu 11,3 % doppelt so stark wie die Zunahme der
Effektivlöhne. Die wichtigsten Ursachen hier für seien:

  • Tariflose Zustände in etlichen Wirtschaftsbereichen
  • Tarifliche Öffnungsklauseln und der wachsende Druck auf Arbeitslose auch niedrig entlohnte Tätigkeiten anzunehmen.
  • Die Hartz-Gesetze hätten maßgeblich zum Auseinanderklaffen beigetragen
  • Der zunehmende Abbau übertariflicher Leistungen senke das Lohnniveau
  • Die weiter nachlassende Tarifbindung der Unternehmen z.T. durch Austritte aus den Arbeitgeberverbänden.

Deutsche Manager haben in den letzten 11 Jahren ihren Verdienst im Verhältnis zu einem Facharbeiter im selben Betrieb vom ursprünglichen 19-fachen Verdienst 1996 auf den 44-fachen Verdienst im Jahr 2006 gesteigert.

Auch die Studie des DIW zur Geld- und Realvermögensverteilung in Deutschland weist erhebliche Ungleichheiten nach: Während etwa zwei Drittel aller erwachsenen Deutschen nur über ein geringes oder überhaupt kein Vermögen verfügen, konzentriert sich der größte Teil des Vermögens auf reiche Bevölkerungsschichten:
Die reichsten 10 % der über 17jährigen Personen in Deutschland besitzen fast 60 % des gesamten Vermögens. Auf das oberste Prozent allein entfallen sogar mehr als 20 % des gesamten Vermögens.

Individuelles Netto-Vermögen nach Dezilen in Deutschland 2002

Das Nettogesamtvermögen (ohne Sachvermögen) der Deutschen über 17 Jahre beträgt auf Basis der Daten aus dem SOEP für 2002 4,5 Billionen Euro. Dem Brutto-Vermögen von 6,5 Millionen Euro stehen Verbindlichkeiten, d. h. Schulden der privaten Haushalte, in Höhe von 1,1 Billionen Euro, gegenüber. Den größten Bestandteil machen der Grund- und Immobilienbesitz mit 4,5 Billionen Euro aus (vgl. DIW Berlin Wochenbericht Nr. 45/2007, Seite 667).
Somit verfügt jeder Bundesbürger über 17 Jahre über ein Nettogesamtvermögen im Durchschnitt (arithmetisches Mittel) in Höhe von knapp 81.000 Euro). Der Median oder der Zentralwert des Vermögens, der eine Grenze zwischen zwei Hälften bezeichnet, liegt hingegen über 15.000 Euro. Das heißt, die ärmere Hälfte der Bevölkerung verfügt über weniger als 15.000 Euro Vermögen.

Eine derartige Konzentration von Vermögen ist für Gewerkschaften aus verschiedenen Gründen nicht akzeptabel. Die Konzentration von Vermögen auf Wenige beinhaltet immer auch die Gefahr des Missbrauches der daraus erwachsenen Macht. Sie ist damit auch eine Gefahr für die Demokratie. Große Unterschiede in der Einkommens- und Vermögensverteilung bedeuten ferner weniger Chancengleichheit auf vielen Feldern der Politik, angefangen von der Ausstattung mit Bildung und Wissen bis hin zu lebensstandarderhaltenden Alterseinkommen.

Die beschriebene Vermögensverteilung ist auch vor dem Hintergrund zunehmend wichtiger werdender privater Altersvorsorge ein verteilungspolitischer Skandal. Wer keine Spielräume zur privaten Altersvorsorge hat, wer kein Vermögen während seiner Lebens-Erwerbsarbeitszeit aufbauen kann, gerät im Alter schneller in die Gefahr, unter Altersarmut leiden zu müssen. Wenn zwei Drittel der Deutschen über 17 Jahren über kein bzw. kaum Vermögen verfügen, ist jeder Aufruf zur privaten Altersvorsorge ein sozialpolitischer Drahtseilakt.

Im Gegensatz zu den sinkenden Reallöhnen, der ungerechten Verteilung von Vermögen und dem nach wie vor unterschiedlichen Tarifniveaus zwischen Ost und Westdeutschland sind die Gewinne der Unternehmen und die privaten Vermögenseinkommen in rasantem Tempo gestiegen.

Gesamtwirtschaftlich betrachtet sind die Brutto-Unternehmens- und Vermögenseinkommen
seit Anfang dieses Jahrzehnts (2000-2007) um 42,7 Prozent gestiegen, während die Brutto-Arbeitnehmerentgelte nur um 10,8 Prozent angewachsen sind.

Arbeitnehmerentgelt, Unternehmens- und Vermögenseinkommen in Deutschland

Die Brutto-Unternehmensgewinne der Kapitalgesellschaften sind zwischen dem Jahr 2000 und dem Jahr 2006 mit durchschnittlich 7,5 % pro Jahr gewachsen. Auch die Nettogewinne der Kapitalgesellschaften sind bedingt auch durch die einseitige Steuerentlastung der Unternehmen weiter gestiegen.

Die OECD hat für Deutschland die niedrigste effektive Steuerbelastung für Kapitalgesellschaften in allen OECD-Ländern nachgewiesen.

Auch in ihrem jüngsten Steuervergleich sieht die OECD die effektive Steuerbelastung deutscher Kapitalgesellschaften im internen Ranking unter den OECD-Ländern auf dem letzten Platz.
Die OECD ermittelt hierbei die Steuerbelastung der Kapitalgesellschaften anhand ihres prozentualen Bestandteils des Steueraufkommens am Bruttoinlandsprodukt.
Hier kommt Deutschland für das Jahr 2005 mit 1,7 Prozent auf den niedrigsten Wert aller OECD-Länder. Der Schnitt der europäischen OECD-Länder liegt bei 3,5 Prozent.

Mit Einschränkung derjenigen Klein- und Einzelunternehmern, die stark unter der chronischen Nachfrageschwäche im Inland leiden, geht es den deutschen Unternehmen, auch denen des Mittelstandes, seit vielen Jahren in Folge ausgezeichnet.

Gewerkschaftliche Forderungen:

Aus all den aufgeführten verteilungspolitischen Ungleichgewichten leiten sich folgende gewerkschaftliche Forderungen für eine wirtschaftspolitisch vernünftige und gerechtere Verteilungspolitik in Deutschland ab:

  • Die Umverteilung der gesamtwirtschaftlich erzielten Einkommen zu Lasten der abhängig Beschäftigten, aber auch der Arbeitslosen und Sozialleistungsempfänger muss beendet werden.
  • Fallende Reallöhne sind kein Stimulus für den Konsum. Daher sind Lohnerhöhungen dringend erforderlich, um der Binnenkonjunktur eine sich selbst tragende und nachhaltige Dynamik zu verleihen. Der DGB unterstützt deswegen eine Tariflohnpolitik, die mindestens den Spielraum aus Produktivitätssteigerung und Preisentwicklung ausschöpfen will.
  • Deutschland hat kein Arbeitskostenproblem. Die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft hat sich fortlaufend verbessert. Der von Deutschland ausgehende Lohnkostensenkungswettlauf zwischen den Euro-Ländern muss beendet werden. Er führt auf Dauer zu einer deflationären Entwicklung und gefährdet die wirtschaftliche Stabilität der Europäischen Union!

Arbeitskosten je geleistete Arbeitsstunde in der Privatwirtschaft

(Die Arbeitskosten je Erwerbstätigenstunde variieren in Deutschland zwischen dem Verarbeitenden Gewerbe und dem privaten Dienstleistungssektor. Während die Arbeitskosten im Verarbeitenden Gewerbe mit knapp 31 Euro pro Stunde im Jahr 2006 weit über dem Euroraum-Durchschnitt von 27 Euro je Stunde in diesem Sektor lagen, betrugen die Arbeitskosten je geleistete Arbeitsstunde im privaten Dienstleistungsbereich in Deutschland nur 24,47 Euro. Im privaten Dienstleistungssektor lag die durchschnittliche Höhe der Arbeitskosten im Euroraum bei 24,07 Euro.
„Anders als in den übrigen EU-Ländern besteht in Deutschland eine erhebliche Diskrepanz zwischen der Höhe der Arbeitskosten in der Industrie und im privaten Dienstleistungssektor“ (IMK Report 2007 Nr. 22; S. 6).)

  • Deutschland braucht dort, wo tarifliche Regelungen und Regelungen über die Ausweitung des Entsendegesetzes nicht greifen, den gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von mindestens 7,50 Euro pro Stunde. Löhne unterhalb von 7,50 Euro sind nicht existenzsichernd und bedeuten vorprogrammierte Altersarmut.
  • Das Mindestarbeitsbedingungengesetz (MiAG) sollte weitergehend verändert werden. Der DGB hält es für nicht sachgerecht, dass nach dem Entwurf des MIAG ein Hauptausschuss über die Frage entscheiden soll, ob Mindestlöhne in einer Branche notwendig sind, der weder mit aktiven Arbeitgeber- noch Gewerkschaftsvertretern besetzt werden darf. Die aktuellen wirtschaftlichen und sozialen Kenntnisse der Sozialpartner dürfen hier nicht fehlen. Schließlich wird die Festlegung von Mindestlöhnen über das MiAG nur dann akzeptable Lohnhöhen aufweisen können, wenn flankierend ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn eine untere Grenze bereits festlegt, auf deren Basis Löhne nach dem MiAG aufbauen können.
  • Der Rentenversicherung wird durch niedrige Löhne Geld entzogen. Auch vor diesem Hintergrund ist ein gesetzlicher Mindestlohn sinnvoll.
  • Notwendig ist vor allem aber auch der Erhalt der umlagefinanzierten gesetzlichen, solidarischen Altersrente, um zu verhindern, dass im großen Umfang Altersarmut auftritt.
  • Die Gewinn- und Vermögenseinkommen werden nach wie vor steuerlich deutlich besser gestellt als die Einkünfte aus abhängiger Beschäftigung. Deswegen fordert der DGB eine Steuerpolitik, die die Spitzeneinkommensbezieher – und das sind nicht nur die Manager der großen Kapitalgesellschaften – stärker in Anspruch nimmt. Wie die andauernden hohen Unternehmensgewinne zeigen, war auch eine grundlegende Entlastung der Unternehmen durch Senkung der Steuersätze nicht erforderlich. Die deutschen Unternehmen sind im internationalen Vergleich auf breiter Front gut aufgestellt. Wenn Vertreter der Wirtschaft sagen, dass die derzeit
    steigenden Energiepreise oder der Anstieg des Euro von den Unternehmen gut verkraftet werden können, würden sie auch an einer höheren Besteuerung nicht zugrunde gehen.
  • Ebenso wenig gibt es keine stichhaltigen Beweise für die These, dass die deutsche Wirtschaft im internationalen Wettbewerb mit sog. Niedrigsteuerländern nicht mithalten kann. Wie vielmehr Zahlen der OECD und der EU zeigen, fällt die effektive Steuerbelastung der deutschen Unternehmen im Vergleich zu den Wettbewerbsländern verhältnismäßig gering aus. Trotzdem haben sich die Gewerkschaften in der Vergangenheit nicht generell gegen nominelle Steuersatzsenkungen ausgesprochen. Sie haben aber stets verlangt, dass diese Entlastungen dann durch eine konsequente Verbreiterung der Bemessungsgrundlage sprich Abbau
    von Steuervergünstigungen jedweder Art selbst getragen werden müssen. Diesem vernünftigen Grundsatz ist die Bundesregierung jedoch nicht gefolgt. Stattdessen ist sie bei der Unternehmensteuerreform bereit, dauerhaft auf einen Steuerausfall von bis zu 10 Mrd. Euro jährlich zu verzichten.
  • Der DGB fordert des Weiteren die Reaktivierung der bis 1996 von allen Regierungen gleich welcher parteipolitischen Couleur erhobenen Vermögensteuer. Es kann nicht angehen, dass die einzigen Vermögensteuerzahler in Deutschland die Hartz IV-Empfänger sind, die erst dann staatliche Unterstützung bekommen, wenn sie zuvor große Teile ihres privaten Vermögens aufgebraucht haben.
  • Der DGB findet es auch mehr als nur befremdlich, dass bei der Erbschaftsteuer die jahrelange Unterbewertung von Immobilien und Betriebsvermögen, die vom Bundesverfassungsgericht wie zu erwarten als verfassungswidrig deklariert worden ist, für die bisher Begünstigten bei der Erbschaftsteuerreform die Folge haben soll, dass sie ab 2009 noch stärker begünstigt werden. Auch hier verzichtet der Staat, wie bei der Vermögensteuer, auf etliche Milliarden Euro Steuereinnahmen, die den Betroffenen nicht wehtun, die aber für die Bestreitung wichtiger öffentlicher Aufgaben, wie z. B. die Verbesserung der Bildungssituation und der öffentlichen Verkehrsinfrastruktur, bitter notwendig sind.
  • Die Neuregelung bei der Pendlerpauschale, die Fahrten zwischen Wohn- und Arbeitsort erst ab dem 21. Kilometer als Werbungskosten abzugsfähig macht, belastet die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit jährlich rund 3 Mrd. Euro. Die Bundesregierung sollte nicht bis zur endgültigen Klärung der Verfassungskonformität der veränderten Pendlerpauschale vor dem Bundesverfassungsgericht in 2008 warten, sondern die unsoziale und einseitige Belastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch die sofortige Rückkehr zur alten Regelung bei der Pendlerpauschale beenden.
  • Die Höhe der Vorstandsvergütungen in den großen Unternehmen ist verteilungspolitisch nicht zu rechtfertigen und gefährdet den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Die variablen Vergütungsbestandteile sollen deshalb nicht den Großteil des Gesamtgehaltes ausmachen. Auch ist die Begrenzung und Kontrolle wirtschaftlicher Macht notwendiger denn je.

Es ist Zeit für eine wirtschaftspolitische und das heißt auch lohn- und verteilungspolitische Wende! Kräftige Tariflohnerhöhungen können ein erster Schritt zu einer Trendumkehr zu mehr Verteilungsgerechtigkeit sein. Die ersten Ergebnisse in der Stahlindustrie (5,2 % Tariflohnsteigerungen) geben Anlass zur Hoffnung, dass die Tarifrunde 2008 ihren Beitrag zu einer Trendumkehr leisten kann.

Die Gewerkschaften werden auch in Zukunft weiter versuchen, mit Hilfe kräftiger Tariflohnpolitik dafür zu sorgen, dass der Vermögensaufbau auch bei den Arbeitnehmern ankommt. Die Erfahrung über Jahrzehnte Tarifpolitik hat allerdings auch gezeigt, dass eine grundsätzlich andere Einkommens- und Vermögensverteilung gegenüber den klassisch Reichen und zu Lasten des Kapitals kaum möglich war.

Dennoch: Zukünftige Lohnsteigerungen sollten mindestens einen Inflationsausgleich und den Produktivitätsanstieg berücksichtigen. Eine zusätzliche Umverteilungskomponente ist darüber hinaus in besonders prosperierenden Wirtschaftszweigen denkbar. Mitarbeiterbeteiligungsmodelle können eine Ergänzung sein. Sie dürfen kräftige Tariflohnsteigerungen jedoch nicht ersetzen, sondern sind als zusätzliche Komponente denkbar. Insgesamt bleibt es dabei, dass große Vermögen stärker zur Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben herangezogen werden müssen.

Durch verschärfte Ungleichheiten steht der Zusammenhalt unserer Gesellschaft auf dem Spiel. Eine zunehmende Spaltung unserer Gesellschaft in Reiche und Arme, Beschäftigte und Arbeitslose sowie Gesunde und Kranke darf sich Deutschland als sozialer Rechtstaat nicht leisten. Der soziale Zusammenhalt der Bundesrepublik muss bewahrt werden: Eine Gesellschaft, in der alle Bundesbürger
am erwirtschafteten Erfolg partizipieren, in der alle Rechte und Pflichten haben, in der Vor- und Nachteile gemeinsam getragen werden, und eine Gesellschaft, in der Lasten und Aufgaben gerecht verteilt sind.

Quelle: DGB
Hier finden Sie die Langfassung zum Herunterladen.

Anmerkung AM/WL: Wir fragen uns, warum sich der Verteilungsbericht des DGB bei zurückliegenden Wachstumsraten von maximal 2,9 (2006) und im letzten Jahr von 2,5 Prozent der gängigen Euphorie anschließt und von einem „kräftigen Wachstum“ oder gar von einem „Boom“ redet.

Diese Darstellung ist prototypisch für die Argumentation des Mainstreams. Man vergleicht das Wachstum der vergangenen 2 Jahre mit dem Wachstum seit 1992 und kann dann feststellen, dass die 2,5% oberhalb des langjährigen Durchschnitt von 1,5% gelegen haben. Dann sieht alles ganz schön robust aus, vor allem wenn man verschweigt, dass die vergangenen 15 Jahre für Deutschland nahezu vollständig eine Phase der Stagnation waren. (Vgl. Tabelle, diese Tabelle zeigt, dass Booms, wie z.B. bei uns zwischen 1988 und 1991 und in anderen Ländern in den neunziger Jahren anders aussehen, als die leichte wirtschaftliche Erholung hierzulande in den vergangenen zwei Jahren.)

Wirtschaftswachstum

Wenn man jedoch beachtet, dass wir auf eine mindestens dreizehnjährige Schwächeperiode zurückschauen, mit durchschnittlich nur 1,2% realem Wachstum seit 1993, dann leuchtet sofort ein, dass wir einen enormen Nachholbedarf haben, dass wir unterausgelastete Kapazitäten haben; die hohe Arbeitslosigkeit ist der beste Beleg dafür. In anderen Ländern, die einen wirklichen Aufschwung schafften, waren mehrmals reale Wachstumsraten um die 3-4% nötig, um den Durchbruch zu erzielen und eine positive Wirkung für die Beschäftigung, die Minderung der Arbeitslosigkeit und den Schuldenabbau zu erreichen.

Wenn man noch bedenkt, dass die Zuwachsrate der Arbeitsproduktivität jährlich ungefähr 1,5% ausmacht, dass also ein Wachstum in dieser Größenordnung sich nicht in neue Arbeitsplätze umsetzt, dann erkennt man sofort, dass die jetzt avisierten Wachstumsraten für 2008 zwischen 1,7% (Bundesregierung) und 1,5% (IMK) alles andere als robustes Wachstum darstellen. Wir bräuchten mehrmals hintereinander 3% oder mehr, um wirklich aus dem tiefen Loch herauszukommen, in dem sich unsere Volkswirtschaft seit 1993 befindet.

Diese unterschiedliche Beurteilung ist keineswegs nur ein Streit um statistische Werte, sondern in der Sache. Der Verteilungsbericht des DGB kann die Entwicklung bei der Einkommensverteilung nicht richtig erklären, wenn er nicht in Rechnung stellt, dass der Arbeitsmarkt angesichts der schwachen wirtschaftlichen Entwicklung völlig unausgeglichen ist.
Die Gewerkschaften und die Arbeitnehmer sind, wie die Vermehrung der Niedriglöhne und der prekären Arbeitsverhältnisse zeigt, immer noch in einer vergleichsweise schlechten Verhandlungsposition. Das ist eine der Hauptursachen für die in dem Bericht diagnostizierten Reallohnverluste und die zunehmend ungleiche Verteilung. Deshalb konnte die Lohnquote von 72,2 im Jahre 2000 auf 64,6 Prozent im Jahre 2007 (trotz eines angeblichen „Booms“) absinken.

Deshalb bleiben auch die Forderungen des DGB nach Lohnerhöhungen oder nach einem Mindestlohn auf halbem Wege stehen. Sie können von der Unternehmerseite unter Hinweis auf die Abschwächung des Wachstums schon in diesem Jahr gekontert werden.

Was fehlt sind Forderungen nach einer wachstumsfördernden Wirtschschaftspolitik, also etwa nach einem Investitionsprogramm, wie es etwa ver.di fordert. Gerade in der derzeitigen labilen wirtschaftlichen Situation wären (binnen-)konjunkturstabilisierende Maßnahmen ausgesprochen wichtig und schon deshalb führt die Behauptung von einem „kräftigen Wachstum“ in die falsche Richtung.

Weil die Wirtschafts- und Finanzpolitik außen vor bleibt, fehlt auch ein kritisches Wort zu den rigorosen Sparversuchen des Finanzministers, auch die Geldpolitik der Zentralbanken kommt im Bericht nicht vor. So fehlt auch eine Aussage zu den Warnungen des EZB-Chefs Trichet zu den angeblich zu hohen Lohnabschlüssen in Deutschland.

Die u.E. zumindest unzureichende Beurteil der wirtschaftlichen Situation ist somit kein nebensächlicher Aspekt, die nach wie vor schwache Konjunktur ist im Gegenteil eine der Hauptursachen der zunehmenden Ungleichverteilung und vor allem auch der Finanzierungsprobleme der sozialen Sicherungssysteme. Über die Tarifpolitik und über steuerpolitische Forderungen alleine kann eine „verteilungspolitische Wende“ nicht erreicht werden. Der DGB sollte sich zumindest zusätzlich für eine Wende in der Wirtschafts- und Geldpolitik einsetzen.

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