Hinweise des Tages

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  1. Matthäus-Maier rechnet ab – Steinbrück will Profi als Nachfolger
    Tohuwabohu-Tag bei der KfW: Die staatliche Bank muss 1,8 Milliarden Euro abschreiben, Vorstandschefin Matthäus-Maier verliert ihr Amt – und teilt in ihrem Abschiedsbrief noch mal kräftig aus. Ein Nachfolger ist noch nicht gefunden, aber klar ist: Es soll auf keinen Fall ein Politiker sein.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung AM: Das ist wieder voller Stimmungsmache und Vorurteile. Es wird der Eindruck erweckt, die Spitze der KfW, nämlich die Vorstandssprecherin Ingrid Matthäus-Maier, habe versagt. Dieser Typ Politiker sei schuld. Jetzt müsse ein Banker ran.
    Steinbrück, dieser Opportunist, greift diese Parole auf. Sie ist populär, weil seit Monaten in diese Richtung Stimmung gemacht wird. Und sie hat den Vorteil, dass die wirklichen Versager in der Wirtschaft und in der Politik, nämlich Steinbrück und seine Leute im Ministerium, sich dahinter verstecken können.
    Dass jetzt so getan wird, als wären die Banker unbescholtene Retter, ist wiederum ein herrlicher Beleg für die faktisch mögliche Gehirnwäsche.
    Wie man an SpiegelOnline sieht, funktioniert sie auf jeden Fall bei Journalisten.

    Anmerkung WL: MM soll nun das Bauernopfer sein. War es nicht die Bundesregierung und vorneweg Finanzminister Steinbrück, die entschieden haben, dass die Kfw für die Verluste der IKB gerade stehen soll. War es nicht Finanzminister Eichel der durchgedrückt hat, dass die KfW 2001 die Anteile der Allianz an der IKB abkaufen musste und dafür sogar noch die Steuerfreiheit für Veräußerungsgewinne eingeführt hat.
    War denn nicht Bundeswirtschaftsminister Glos Vorsitzender und Bundesfinanzminister Steinbrück sein Stellvertreter im Verwaltungsrat der KfW.

  2. SPD-Linke droht Beck mit Sonderparteitag
    Der Streit in der SPD um die Privatisierung der Deutschen Bahn (DB) spitzt sich zu. Der einflussreiche Parteilinke Peter Conradi warnt den Vorsitzenden der SPD Kurt Beck vor einem “Wortbruch” und fordert einen Sonderparteitag, falls die Parteispitze das umstrittene Holdingmodell von SPD-Parteivize Peer Steinbrück durchsetzt.
    “Von Eurer Arbeit hängt die Glaubwürdigkeit der SPD und unseres Vorsitzenden ab”, heißt es in dem Brief Conradis an Beck und die SPD-Arbeitsgruppe Bahnreform, der dieser Zeitung vorliegt. “Die Bahnprivatisierung ist in der Öffentlichkeit kein Thema, mit dem die SPD gewinnen kann, im Gegenteil”, warnt Conradi.
    Quelle: FR
  3. Bundesfinanzministerium: Beratung zur Bahnreform ausgeschrieben
    Das Bundesministerium der Finanzen sucht europaweit Unterstützung im Rahmen der Vollendung/Fortentwicklung der Bahnreform. Das Ministerium sieht einen Bedarf dafür über einen Zeitraum von 12 Monaten. Vom Auftragnehmer wird keine Rechtsberatung erwartet, sondern:

    • Erstellung eines Konzepts für eine geeignete Strategie zur Beteiligung privaten Kapitals an der Deutschen Bahn AG oder deren Konzerngesellschaften;
    • Vorbereitung und Durchführung aller im Zusammenhang mit der Realisierung der geeigneten Strategie stehenden Aufgaben (z.B. Beratung hinsichtlich der Plausibilisierung von Bewertungsansätzen der Konsortialbanken sowie im Hinblick auf Kapitalmarktfragen, Entwurf und Beratung einer geeigneten Angebotsstruktur, Beratung bei der Erstellung eines Zeitplans für die Transaktion, Auswahl und Überwachung der Aktivitäten der Konsortialbanken für den Auftraggeber, Beratung bei einem Auktionsverfahren, Beratung bei einer Kombination von Transaktionsverfahren) sowie
    • aktive Begleitung der gesamten Transaktionsmaßnahmen einschließlich Anfertigung eines Abschlussberichts.

    Quelle: Eurail press

    Anmerkung: Aus dieser Ausschreibung lässt sich Folgendes herauslesen:

    1. Das BMF will die Privatisierung
    2. Es fehlt aber eine Strategie zur Beteiligung privaten Kapitals.

    Die Öffentliche Hand ist durch Europarecht verpflichtet öffentlich auszuschreiben. Man liegt aber sicherlich nicht falsch, dass der Auftragnehmer schon längst feststeht.
    Das ist ein typisches Beispiel dafür, wie zunächst eine politische Entscheidung für die Privatisierung getroffen wurde und anschließend die Berater daran eine goldene Nase verdienen.

  4. Niedriglohnjobs sind nur in wenigen Fällen der Ausgangspunkt für Aufstiege in der Arbeitswelt
    Klein anfangen und sich dann hocharbeiten – dies gelang schon vor 20 Jahren nur knapp jedem fünften vollzeitbeschäftigten Niedriglöhner. In der jüngsten Vergangenheit schaffte es nur noch jeder zwölfte. Das geht aus einer Analyse des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Uni Duisburg-Essen hervor.
    Quelle: Böckler Impuls 05/2008
  5. EU-Arbeitnehmer sollen die Zeche für die Finanzkrise zahlen
    Bei dem Treffen in Slowenien forderte der Rat für Wirtschaft und Finanzen (Ecofin) die Arbeitnehmer zur Lohnzurückhaltung auf, um die Inflation nicht weiter anzuheizen. Damit haben die EU-Finanzminister in Brno klar gestellt, wer für die Finanzkrise zahlen soll. Wurde trotz hoher Gewinne von Unternehmen und Banken lange Lohnzurückhaltung gepredigt, um das zarte Pflänzchen Wachstum nicht zu beschädigen, soll nun damit die Inflation gebremst werden. Tausende Gewerkschafter demonstrierten am Samstag in der slowenischen Hauptstadt für höhere Löhne und Globalisierungskritiker bezeichnen die Absichtserklärung zur Bekämpfung von Finanzkrisen, wie die Einrichtung von “Stabilitätsgruppen”, als einen schlechten Witz.
    Quelle: Telepolis
  6. Arbeitnehmer haben immer weniger Anteil am Volkseinkommen
    Der Anteil der aus unselbständiger Arbeit erzielten Nettolöhne am gesamten verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte in Deutschland ist von 1991 = 48 Prozent auf 2007 = 41 Prozent gesunken.
    Im gleichen Zeitraum stieg der Anteil der Einkommen aus unternehmerischer Tätigkeit und Vermögen am Volkseinkommen von 30,8 Prozent auf 35 Prozent an. Diese Zahlen gehen aus dem aktuellen Bericht Einkommensentwicklung in Deutschland des Statistischen Bundesamtes hervor.
    Selbständigenhaushalte verfügten im Durchschnitt des Jahres 2005 über ein Jahreseinkommen in Höhe von 144.300 Euro. Davon waren 20,3 Prozent an Steuern, Sozialbeiträgen und sonstigen Transferzahlungen zu entrichten, sodass durchschnittlich ein verfügbares Einkommen von 115.000 Euro übrig blieb. Haushalte von Arbeitnehmern nahmen durchschnittlich 70.900 Euro ein, entrichteten davon aber im Schnitt 44,6 Prozent Steuern und Sozialbeiträge – zur Verfügung blieben für die Arbeitnehmerhaushalte damit nur 39.200 Euro. Selbst die Haushalte von Nichterwerbstätigen leisteten mit 22,9 Prozent Steuern und Sozialbeiträgen noch einen höheren Transferbeitrag als Unternehmer und Selbständige.
    Quelle: LexisNexis
  7. Die Unverfrorenen
    Die Ökonomen aus den Chefetagen der deutschen Industrie finden es offenbar in Ordnung, wenn einer der ihren die Früchte seiner Arbeit erntet, aber nie selbst haftet, wenn er Fehler begeht. Dieses Verhalten weicht die politische Ordnung auf.
    Quelle: SZ

    Anmerkung: Eine Kritik an den Top-Managern aus liberaler Sicht

  8. Drehtüreffekt:
    Schröders Sprecher Anda für internationale Kommunikation bei AWD zuständig
    Béla Anda (44) ist ab sofort neuer Chief Communication Officer beim Finanzdienstleister AWD in Hannover.
    Der Bereich, in dem der ehemalige Regierungssprecher und Chef des Bundespresseamtes künftig die weltweite Kommunikation des Unternehmens verantwortet, wurde neu geschaffen. Er berichtet an den Vorstandsvorsitzenden, Carsten Maschmeyer.
    Quelle: prportal

    Anmerkung: Wieder einmal ein Dankeschön von Maschmeyer an Schröder. Maschmeyer kennen Sie ja schon:

    Maschmeyer

    Der hier abgebildete Carsten Maschmeyer ist Chef des Hannoveraner Finanzdienstleister AWD und Freund von Gerhard Schröder. Maschmeyer hatte etwa durch eine Anzeigenkampagne wesentlich zum guten Abschneiden des damaligen Ministerpräsidenten Schröder bei der Landtagswahl in Niedersachsen im März 1998 beigetragen und damit letztlich die Kanzlerkandidatur von Schröder gesichert. Die Riester-Rente kann man getrost als Dankeschön betrachten.

  9. Betriebliche Altersvorsorge: Zwischen Aufbruch und Verlust. Während die Entgeltumwandlung zunimmt, verliert die arbeitgeberfinanzierte Betriebsrente an Bedeutung.
    Der 8. November 2007 könnte als Meilenstein in die Geschichte der betrieblichen Altersversorgung (bAV) eingehen. An diesem Tag beschloss der Bundestag mit breiter Mehrheit – gegen erhebliche Bedenken der gesetzlichen Rentenversicherer – das “Gesetz zur Förderung der betrieblichen Altersversorgung”. Es stellt sicher, dass Arbeitnehmer auch künftig etwas mehr als 2.500 Euro pro Jahr aus ihrem Bruttoverdienst steuer- und sozialversicherungsfrei für eine betriebliche Altersversorgung umwandeln können.
    Darüber hinaus können sich Arbeitnehmer jetzt auch schon in jungen Jahren Ansprüche auf eine Betriebsrente sichern. Dazu wurde das Mindestalter für die Unverfallbarkeit von Ansprüchen auf eine arbeitgeberfinanzierte bAV von bisher 30 Jahren ab 2009 auf 25 Jahre abgesenkt. Allerdings muss die Versorgungszusage des Arbeitgebers auch künftig bereits seit mindestens fünf Jahren vorliegen. Diese Neuregelung soll laut Gesetzesbegründung vor allem kindererziehenden jungen Frauen helfen, bei frühzeitigem Ausscheiden aus einem Unternehmen Betriebsrenten-Ansprüche mitzunehmen.
    Ein großer Tag war dieser 8. November also – vor allem für die Finanzdienstleister. Denn sie hatten in den vergangenen Jahren erheblichen Druck auf Politiker und Tarifpartner ausgeübt, das ursprünglich bis Ende dieses Jahres befristete Privileg der Steuer- und Sozialbeitragsfreiheit auch auf lange Sicht zu erhalten. So hatte Hans Melchiors, Vorstandsmitglied der Volksfürsorge Lebensversicherung, im vergangenen Jahr bei der vom “Handelsblatt” veranstalteten Jahrestagung Betriebliche Altersversorgung den Erhalt der staatlichen Förderung – stellvertretend für eine ganze Branche – als “absolut notwendig” bezeichnet.
    Der Trend zur Entgeltumwandlung hat auch Auswirkungen auf die gesetzliche Rente: Wegen der eingesparten Rentenbeiträge bekommen Arbeitnehmer, die Teile einer Sonderzahlung oder ihres Monatsgehalts für die bAV zurücklegen, im Alter auch weniger Rente. Daneben sinken auch die Rentenansprüche der heutigen und künftigen Rentner, wenn bei den Rentenversicherern die Einnahmebasis wegbricht. Experten schätzen, dass wegen der Entgeltumwandlung jährlich bereits über eine Milliarde Euro weniger an die Rentenversicherung fließen als vor Beginn der bAV-Förderung im Jahr 2002.
    Weitere Belastungen kommen auf “Entgeltumwandler” im Alter durch die volle Steuerpflicht ihrer Zusatzversorgung sowie – seit 2004 – durch den vollen Beitragssatz bei der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zu. Nur privat Krankenversicherte sind von dieser Regelung nicht betroffen: Sie zahlen ihre Beiträge weiterhin entsprechend dem von ihnen gewählten Tarif.
    Quelle 1: Ihre Vorsorge

    Anmerkung Martin Betzwieser: Das geschilderte Problem trifft nicht nur auf die gesetzliche Rente zu, sondern auf jede Entgeltersatzleistung, welche vom Sozialversicherungsbrutto berechnet wird. Daher kann es schon lange vor der Rente zu bösen Überraschungen kommen. Durch jeden beitragsfrei umgewandelten Euro sinkt das Sozialversicherungsbrutto, und das bedeutet auch:

    • weniger Arbeitslosengeld I
    • weniger Krankengeld
    • weniger Übergangsgeld
    • weniger Krankengeld bei Betreuung eines kranken Kindes
    • weniger Kurzabeitergeld

    Dazu passt:

    Rürup fordert Regierung zur Standfestigkeit auf
    Der Vorsitzende der “Fünf Weisen” sieht Glaubwürdigkeit der Rentenpolitik in Gefahr.
    Berlin (sth). Der Rentenexperte und Darmstädter Finanzwissenschaftler Bert Rürup hält die von der Bundesregierung geplante Aussetzung des Riester-Faktors in der Rentenanpassungsformel in den Jahren 2008 und 2009 für “ordnungspolitisch fragwürdig”. Zwar sei die Rentenformel “nicht sakrosankt” und das Vorhaben der Bundesregierung nachvollziehbar, sagte Rürup am Montag bei der 9. “Handelsblatt”-Jahrestagung Betriebliche Altersversorgung in Berlin. Doch sei die Entscheidung der Bundesregierung “nicht geeignet, künftigen Regierungen die Arbeit zu erleichtern”, sagte Rürup mit Blick auf den Gesetzentwurf der Regierungskoalition, der am morgigen Dienstag vom Bundeskabinett verabschiedet wird.
    Quelle 2: Ihre Vororge

    Anmerkung Martin Betzwieser: Und da schließt sich der Kreis. Bert Rürup, Versicherungsvertreter mit Professorentitel, wird sicher auf dieser Tagung kräftig die Werbetrommel rühren. Ein Blick auf das Programm und auf die Liste der Sponsoren lohnt sich.

    Quelle 3: Handelsblatt-Tagung Betriebliche Altersvorsorge (Programm)
    Quelle 4: Handelsblatt-Tagung Betriebliche Altersvorsorge (Sponsoren)

  10. Gute Konjunktur lässt Zahl der Überstunden steigen
    Im vergangenen Jahr wurden nach Angaben des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg 1,488 Milliarden Überstunden geleistet. Das sind 64 Millionen oder 4,5 Prozent mehr als noch im Jahr 2006. Die Forscher des IAB gehen davon aus, dass zu der Gesamtzahl der bezahlten Überstunden noch einmal ebenso viele unbezahlte Überstunden hinzukommen. Rein rechnerisch leistete jeder Arbeitnehmer im vergangenen Jahr durchschnittlich 53,1 bezahlte Überstunden. Für das laufende Jahr prognostiziert das IAB einen weiteren Anstieg der Überstundenzahl auf 1,493 Milliarden. Unbezahlte Überstunden fallen dem Zeitungsbericht zufolge vor allem im Handel und der Gastronomie sowie bei Banken und Versicherungen an.
    Insgesamt haben die 39,74 Millionen Erwerbstätigen laut IAB im vergangenen Jahr in Deutschland 56,95 Milliarden Arbeitsstunden geleistet. Das entspricht einem Plus von 1,7 Prozent. Für 2008 erwartet das IAB eine weitere Zunahme des Arbeitsvolumens um 0,8 Prozent auf 57,38 Milliarden Stunden. Ein so hoher Wert wurde zuletzt im Jahr 2000 erreicht.
    Quelle: Personal-Magazin
  11. Betriebsverlagerungen: Niedrige Hürden in Deutschland
    Wer in Deutschland einen Standort schließt, hat geringere Kosten und weniger Zeitaufwand als in anderen europäischen Ländern. In den Niederlanden oder Frankreich setzt der Staat bei Massenentlassungen höhere Hürden, zeigt ein Gutachten. Deutschland liegt “im Hinblick auf Zeit- und Geldkosten für die Unternehmen am unteren Ende der untersuchten Länder”. Dies ist das Ergebnis eines Gutachtens des Hamburger Arbeitsrechtlers Ulrich Zachert.
    Quelle: Böckler Impuls 05/2008
  12. »Diese Ungleichbehandlung ist nicht akzeptabel«
    Krankenhausbeschäftigte werden beim Tarifergebnis im öffentlichen Dienst benachteiligt. Ein Gespräch mit Dieter Janßen. Dieter Janßen ist Personalrat, ver.di-Vertrauensmann im Klinikum Stuttgart und aktiv im »Netzwerk für eine kämpferische und demokratische ver.di«
    Quelle: Junge Welt
  13. Arvato-Chef Rolf Buch im Interview: „Ein riesiger Markt vor der Haustür“
    Die Bertelsmann-Tochter Arvato will das Dienstleistungsgeschäft mit Städten und Gemeinden massiv ausbauen. „Das ist ein Markt von mehr als 20 Milliarde Euro, also so viel wie der derzeitige Umsatz von Bertelsmann“, sagte der neue Arvato-Chef Rolf Buch dem Handelsblatt. Arvato, einst die reine Drucksparte, startete vor wenigen Tagen die erste Zusammenarbeit mit einer Kommune.
    Quelle: Handelsblatt
  14. Hessische Studiengebühren: Abschaffung kostet 52 Millionen
    Das Gesetzesvorhaben wurde nach Angaben der SPD mit der Fraktion der Linken erörtert und sei dort “auf offene Ohren” gestoßen. “Wir sind uns sicher, dass dieser Gesetzentwurf eine Mehrheit im hessischen Landtag haben wird”, sagte der SPD-Abgeordnete Michael Siebel.
    In diesem Fall müsste es die CDU-Landesregierung umsetzen. Sie hatte die allgemeinen Studiengebühren zum Wintersemester 2007/2008 eingeführt. Nach dem Willen von SPD und Grünen soll das Gesetz noch vor der Sommerpause vom Landtag beschlossen werden.
    “Der Grundsatz gilt: Was die Hochschulen durch die Abschaffung der Studiengebühren verlieren, bekommen sie voll ersetzt”, sagte der SPD- Abgeordnete Reinhard Kahl. Das dafür nötige Geld soll im Landeshaushalt in diesem Jahr bei den Zins- und Sachkosten eingespart werden. Zuletzt hatten SPD und Grüne die Kosten auf bis zu 120 Millionen Euro jährlich – also rein rechnerisch 60 Millionen Euro pro Semester – beziffert. Bei dem nun vorgelegten Gesetzentwurf habe man sich auf die realen Einnahmen der Hochschulen im vergangenen Wintersemester bezogen, erklärte Kahl.
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  15. Hamburg kassiert später
    CDU und Grüne in Hamburg wollen Studierende erst nach dem Studium zahlen lassen – und auch nur dann, wenn sie genug verdienen. Das Vorbild: Australien. So soll ab Herbst in Hamburg ein neues Gebührenmodell gelten. Statt wie bisher 500 Euro zu Beginn des Semesters überweisen zu müssen, sollen die Studierenden nur 375 Euro pro Semester zahlen. Das Novum: Sie müssen ähnlich wie beim Bafög ihre Schulden erst begleichen, wenn sie ihr Studium abgeschlossen haben und mindestens 30.000 Euro im Jahr verdienen.
    Quelle: taz

    Anmerkung:

    • Nachgelagerte Gebühren oder Studienkredite schreiben die Benachteiligung der Studierenden aus niedrigen Einkommensverhältnissen als Start- und Einkommensnachteil in die Berufsphase fort.
      Wer reiche Eltern hat, startet ohne Hypothek.
      Das ist keineswegs nur eine plausible Annahme, sondern wird empirisch fundiert:
      Obwohl die Verschuldungshöhe auf 10.000 Euro gedeckelt wurde, sank nach der Umstellung des BaföG auf Darlehensmodelle im Jahre 1982 der Anteil der Studierenden aus sog. „bildungsfernen“ Schichten bis 2000 von 23% auf 13%.
    • Dass nachgelagerte Gebühren „sozial verträglich“ seien, entspricht „Oberschichtdenken“. (Vgl. die Untersuchung an der TU Dresden zur schichtenspezifischen Kosten- und Risikoeinschätzung von Rolf Becker, danach schätzen Eltern aus bildungsfernen eher sozial niedrigen Familien das finanzielle Risiko für ein Studium weit höher ein als höhere Einkommensbezieher.)
    • Sie benachteiligt Frauen, weil die Rückzahlungsverpflichtungen vor dem Hintergrund nach wie vor schlechterer Einkommenserwartungen oder der Unterbrechung der Erwerbstätigkeit während der Kinder-Erziehungsphase einen höheren Abschreckungseffekt haben (bzw. eine schlechtere Bildungsrendite erwarten lassen) als bei Männern.
    • Der „return on investment” aus einer Hochschulausbildung wird in Zukunft eher unsicherer, daher werden sich die Nachfrager nach einem Studium in solche aufteilen, die (weil wohlhabend) kein Risiko einzugehen brauchen, weil sie keine „Hypothek“ dafür aufnehmen müssen und in solche, für die sich eine wirkliche Risikoabwägung stellt, weil sie sich mit einer Hypothek belasten müssen.
    • Man macht in Hamburg jetzt nur das, was schon in allen anderen „Gebühren“-Ländern üblich und möglich ist, nämlich dass man auf die Studiengebühren einen Kredit aufnehmen kann.

    Siehe auch Aktionsbündnis gegen Studiengebühren, dort Download “Nachlaufende Studiengebühren in Australien”.

  16. Sparen an der Uni Bremen
    Die Universität in Bremen hat sich für den Hochschulentwicklungsplan 5 entschieden. Das bedeutet, die Uni muss bis zum Jahr 2010 mit weniger Geld auskommen – und das obwohl sie bundesweit bereits unterdurchschnittlich mit Mitteln ausgestattet ist. Konkret bedeutet das, statt des ursprünglichen Etats von 110 Millionen fällt der neue Etat um 10 Millionen Euro niedriger aus.
    Quelle: DLF

    Anmerkung: Aber für die private Uni, die jetzige Jacobs University, hatte Bremen 118 Millionen Euro nebst einem Kredit in Höhe von 50 Millionen Euro übrig. Es ist immer dieselbe Logik: Man blutet die staatlichen Institutionen aus, damit die privaten überhaupt erst eine Chance haben.

  17. Karl-Heinz Heinemann: Wissenswertes über PISA und Bologna
    Die Flut von Reformen, die in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten über Schulen und Hochschulen hereingebrochen ist, bewirkt vor allem eines: alte, funktionierende Institutionen sturmreif zu schießen für die Eroberung durch Bertelsmänner und andere neoliberale Privatisierer. Teils ist die Kritik berechtigt. Nur: Wo wollen wir jetzt hin? Zurück in die fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts? Oder noch weiter zurück in die “gute alte Zeit”?
    Quelle: Freitag
  18. Insolvenz – und der Arbeitnehmer ist der Dumme
    Die oberfränkische Baufirma Holz-Nüssel hatte einst 120 Mitarbeiter. Aufgrund kaufmännischer Fehler geriet das alteingesessene Familienunternehmen Anfang letzten Jahres in eine finanzielle Schieflage. Obgleich die Auftragsbücher voll waren und alle Mitarbeiter voll ausgelastet waren, stockten die Finanzflüsse. Die Löhne für die Mitarbeiter konnten nicht mehr regelmäßig ausgezahlt werden, aber der Geschäftsführer versicherte den Mitarbeitern, man sei „weit von einer Insolvenz weg, die Mitarbeiter bräuchten sich keine Gedanken zu machen, da mit neu abgeschlossenen Baustellen frische Gelder hereinkämen, von denen die Löhne bezahlt werden könnten.“
    Wer hätte damals gedacht, dass die Mitarbeiter für ihre „einzigartige“ Treue auch noch von deutschen Gerichten abgestraft werden? Wenige Tage nach der positiven Prognose des eingesetzten Finanzberaters musste der Insolvenzantrag gestellt werden und der Anwalt Eberhard Irrgang wurde als Insolvenzverwalter eingesetzt. Dieser sei ein fähiger Mann, so der Gewerkschaftsvertreter Paul Schmid, der im Auftrag der Mitarbeiter deren Lohnforderungen eintreiben sollte.
    Bis zu ihrer Änderung im Jahre 1999 galten Arbeitnehmerinteressen in der deutschen Insolvenzordnung als besonders geschützt. Wenn man den Paragraphen 130 der neuen Insolvenzordnung, der die besondere Bevorteilung eines Gläubigers bei drohender Insolvenz behandelt, eigenwillig interpretiert, so kann man zu dem Schluss kommen, dass ein Arbeitnehmer, der von der drohenden Insolvenz seines Arbeitgebers weiß, nicht berechtigt ist, seine Lohnzahlungen entgegen zu nehmen. Dies betrifft die letzten drei Monate vor Insolvenzantrag. Das heißt, die letzten drei Monatsgehälter von Angestellten eines Unternehmens, das die Insolvenz anmelden muss, sind dann vom Insolvenzverwalter pfändbar, wenn er der Meinung ist, die Angestellten hätten es zumindest ahnen müssen, dass ihr Arbeitgeber insolvent sein könnte.
    Diese eigenwillige Interpretation vertrat auch der Insolvenzverwalter Irrgang und die Gläubigerversammlung beauftragte ihn, die in den letzten drei Monaten gezahlten Löhne aller 120 Mitarbeiter einzuklagen. In dieser Gläubigerversammlung saß auch Gewerkschaftssekretär Schmid, der laut Informationen des ARD-Magazins FAKT diesem Beschluss auch zustimmte. Welch eigenwillige Interpretation der Vertretung der Arbeitnehmerinteressen – das er heute davon nichts mehr wissen will und ungehalten reagiert, ist verständlich.
    Mehrere Amtsgerichte haben mittlerweile dem Insolvenzverwalter recht gegeben und die ehemaligen Angestellten zur Rückzahlung ihrer Löhne verurteilt. Amtsrichter Martin Hönick aus Wunsiedel begründete den Spruch folgendermaßen: „Aufgrund der bekannten Umstände konnte sich ein redlich und vernünftig Denkender der Einsicht nicht verschließen, dass der Schuldner zahlungsunfähig war.“ Der verurteilte Schreiner, der seinen Arbeitgeber retten wollte und den Versprechungen und Aussagen seines Arbeitgebers geglaubt hat, ist in den Augen des Richters also unredlich und unvernünftig.
    Der Fall aus Oberfranken ist allerdings beileibe kein Einzelfall – die eigensinnige Rechtsinterpretation scheint in Juristenkreisen immer mehr Freunde zu finden. Das MDR-Magazin FAKT berichtete vor wenigen Wochen von einem Fall aus Gera, in dem die ehemaligen Mitarbeiter einer Wachfirma ebenfalls ihre letzten drei Monatsgehälter zurückzahlen sollen – es geht um 100 Mitarbeiter mit einem Stundenlohn von 4,32 Euro und um Summen in Höhe von 3.700 Euro pro Fall. Auch hier haben die Mitarbeiter nichts von der drohenden Insolvenz gewusst, einigen wurde kurz vor der Insolvenz noch ein Festvertrag und eine Lohnerhöhung angeboten. Nun sollen diese Minilohnempfänger ihren Lohn und zusätzlich Zinsen und Anwaltsgebühren zurückzahlen. Der Insolvenzverwalter meinte trocken, dann müsse man halt an seine Ersparnisse gehen. Ersparnisse bei Wachleuten, die 4,32 Euro die Stunde bekommen? Dann sollen sie doch Kuchen essen. Wir leben wieder in Zeiten, in denen sich Recht und Gerechtigkeit immer weiter auseinanderbewegen und in denen die Schicht der selbsternannten Leistungsträger sich in allen Punkten immer weiter von der Basis entfernt.
    Alleine in Sachsen sind vier weitere Fälle bekannt, in denen ehemalige Mitarbeiter erhaltene Löhne zurückzahlen sollen. Die Gewerkschaften belassen es bei Kritik am Gesetz, Informationskampagnen oder Widerstand sind nicht auf der Agenda des DGB. Die Große Koalition sieht auch keinen Nachbesserungsbedarf.
    Quelle: Spiegelfechter

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