Leibhaftige Finanzminister sind nicht fähig, in gesamtwirtschaftlichen Zusammenhängen zu denken
Das demonstriert der bayerische Finanzminister Erwin Huber mit einem Leserbrief zu einem Beitrag von Heiner Flassbeck in der Süddeutschen Zeitung vom 4.3.2008. Es ging dabei um den bayerischen Staatsfonds, und es geht um ähnliche Versuche in anderen Bundesländern.
Heiner Flassbeck hat den Leserbrief Erwin Hubers für die NachDenkSeiten kommentiert. Es folgen alle drei Texte. Albrecht Müller.
Weiß-Blaue Pensionsphantasien
Der bayrische Staatsfonds für Beamte investiert langfristig vor allem in Staatsschulden – da feiert der Unverstand fröhliche Urständ
von Heiner Flassbeck
Süddeutsche Zeitung, 4. März 2008
Es gibt Geschichten, die könnte sich kein Kabarettist so gut ausdenken, wie sie wirklich sind. Dem normalen Menschen fehlt die Phantasie sich vorzustellen, auf welch’ aberwitzige Ideen von bestimmten Ideologien verblendete Geister kommen. Die bei weitem beste dieser Geschichten, die mir seit der Subventionierung der Riesterrente durch den Staat untergekommen ist, erzählte die SZ unter dem Titel „Weiß-Blauer Staatsfonds“ in der letzten Woche.
Der Freistaat Bayern zahlt – nach einem Vorbild, das in Rheinland-Pfalz (ein gewisser Kurt Beck ist bekanntlich dort Ministerpräsident) schon 1996 eingeführt wurde – künftig monatlich 500 Euro für jeden neu eingestellten Beamten in einen Pensionsfonds ein, um die stetig steigenden Pensionslasten „aufzufangen“. Schwierig, sagt man, sei vor allem die Phase des Fondsaufbaus, weil das Land einerseits die laufenden Pensionen finanzieren und außerdem die Fonds speisen muss. Später, so die Erwartung, werde dann der Staatshaushalt entlastet, weil der Fonds die Pensionen zahlt und nicht mehr der Steuerzahler.
Was aber passiert mit dem Geld, das das Land sich mühsam erspart, um den Fonds aufzubauen? Nun, Bayern gibt das Geld der Deutschen Bundesbank zur Aufbewahrung und die investiert das Geld „gebührenfrei“ in sicheren Anlagen. Was aber sind sichere Anlagen? Die Bundesbank verfolgt, wie die SZ zitiert, ein „passives“ Anlagekonzept, das zu 80 Prozent aus festverzinslichen Wertpapieren besteht, weil man „keine Risiken eingehen will“. Festverzinsliche Wertpapiere ohne Risiken sind in diesen Zeiten der Weltfinanzkrise aber nur Staatsanleihen und am sichersten sind sicherlich die vom Freistaat Bayern ausgegebenen.
Das geht dann also folgendermaßen: Der bayrische Staat, statt durch hohe Pensionsverpflichtungen Lasten für die Zukunft anzuhäufen, gibt schon heute mehr Geld als sonst aus (genau 500 Euro pro neuem Beamten pro Monat), um einen Pensionsfonds aufzubauen. Dieses Geld schickt er an die Bundesbank. Die wiederum kauft mit dem Geld Anleihen des bayrischen Staates. Der muss ja auch mehr Geld als sonst am Kapitalmarkt aufnehmen, weil er ja zusätzlich zur Finanzierung seiner sonstigen Aufgaben die monatlichen Pensionszahlungen aufbringen muss. Wenn man das 30 Jahre lang macht, sind die Pensionslasten 2038 wesentlich geringer als heute. Allerdings, der kleine Haken bei der Geschichte, die Staatsverschuldung ist 2038 genau um den Euro-Betrag höher, um den die Pensionslasten abgenommen haben.
Wie sinnvoll! Der Freistaat hat das Geld aus seiner rechten Tasche genommen und in die linke geschoben und das ganze als Zukunftsvorsorge verkauft. Allerdings mussten für 30 Jahre 25 Beamte (oder sind es 250?) bei der Bundesbank bezahlt werden, die nichts anderes getan haben, als dem Freistaat – verkleidet als Anleihe – das Geld wiederzugeben, was er kurz vorher zur Bundesbank geschickt hat.
Das ist aber noch der harmlosere Fall. Stellen wir uns vor, Bayern würde, um eine höhere Staatsverschuldung zu vermeiden, die 500 Euro pro Monat pro neuem Beamten konsequent bei den laufenden Ausgaben, sagen wir bei den öffentlichen Investitionen oder bei den Konsumausgaben, einsparen. Dann hätten allerdings alle bayrischen Unternehmen jeden Monat für 30 Jahre genau die Summe weniger in der Tasche, die der Staat sonst ausgegeben hätte, und werden selbst auch entsprechend weniger in die Zukunft investieren. Dann sind zwar 2038 die Pensionslasten im öffentlichen Haushalt geringer, die Leistungsfähigkeit der bayrischen Wirtschaft ist aber ebenfalls geringer und damit die Fähigkeit, die Anleihen zu bedienen, aus deren Erträgen die Pensionen für die heute jungen, dann aber zu pensionierenden Beamten zu bezahlen sind.
Man sieht, der verzweifelte Versuch, den Staat von zukünftigen Pensionszahlungen in der Zukunft zu entlasten, kann nur Schaden anrichten. Entweder man endet in einem Karussellgeschäft, bei dem nichts gespart wird, sondern sinnlose Geldverwaltung bezahlt wird (die übrigens bei privaten Banken noch viel teurer als bei der Bundesbank wäre), oder man schädigt heute direkt die Wirtschaft, in der naiven Hoffnung, sie morgen zu entlasten.
Und die Moral von der Geschicht’? Gesamtwirtschaftlich gibt’s kein Sparen nicht. Wann immer einer mehr sparen will, braucht er einen, der sich höher verschulden will. Wenn das der Staat selbst ist, kann er sich die Sparanstrengung vollständig sparen, denn er gibt nur unsinnigerweise Geld aus für die Verwaltung eines Pensionsfonds, der nichts, aber auch gar nichts zur Absicherung der Pensionen oder zur späteren Entlastung des Staates beiträgt.
Wenn der Staat aber zum eigenen Sparen eine höhere Verschuldung anderer Gruppen wie der Unternehmen oder der privaten Haushalte oder des Auslandes braucht, kann er die nicht einfach verordnen. Versucht er aber die anderen sozusagen zur höheren Verschuldung oder zum Entsparen zu zwingen, indem er trotz höherem Pensionssparen seine Verschuldung nicht erhöht, dann erreicht er genau das Gegenteil dessen, was er anstrebt: Dann sinken wegen der sinkenden Nachfrage die Investitionen in Realkapital, also in Maschinen, Ausrüstungen und Bauten, und damit vermindert sich die einzig wirksame Form der Zukunftsvorsorge, nämlich der Aufbau eines Kapitalstocks, der es erlauben würde, in der Zukunft Pensionen direkt aus dem Staatshaushalt oder aus den Erträgen eines Pensionsfonds zu bezahlen.
Was wie eine bayrische Provinzposse aussieht, beinhaltet aber auch eine bedeutende Lehre für die von einer Finanzkrise gebeutelte Weltwirtschaft. Weil an immer mehr Plätzen in der globalen Wirtschaft versucht wird, auf die bayrische Art und Weise Geld in Staatsfonds oder privaten Pensionsfonds anzusparen, scheint das Geschäft mit der Verwaltung dieser Gelder immer attraktiver zu werden. Leider hat man dabei die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Die Erträge der Ersparnis müssen nämlich aus dem Ertrag der realen Wirtschaft kommen. Deren Geschäft, also das Geschäft derjenigen, die investieren, leidet aber mit zunehmender Ersparnis, so dass auf Dauer auch die Erträge der Ersparnis deutlich sinken müssen. Gleichzeitig wird aber der Wettbewerb unter den Ersparnisverwaltern zunehmend unseriöser, weil die hohe Erträge für eine Zukunft versprechen, in der die realen Erträge wegen der steigenden Ersparnis ständig sinken werden. Das Ergebnis: Finanzkrisen, in denen der Staat schließlich mit Steuergeld eingreifen muss, um die Ersparnisse zu retten.
Diese Geschicht’ in der Süddeutschen Zeitung erwiderte Erwin Huber, Der Finanzminister des Freistaates Bayern und Vorsitzende der CSU am 17. März mit dem folgenden Leserbrief:
Kommentar Heiner Flassbeck zum Leserbrief des Bayerischen Finanzministers Huber:
Dieser Brief, besser als alles, was ich noch hätte schreiben können, zeigt, dass in der Bayrischen Finanzverwaltung überhaupt nicht verstanden wird, worum es geht. Weil es offenbar nur wenige verstehen, will ich versuchen, es noch einmal zu erklären:
- Vollkommen richtig beobachtet ist, dass ich einer Schuldenfinanzierung des Versorgungsfonds das Wort rede, obwohl diese, wie ich in dem Artikel versucht habe zu zeigen, besonders offenkundig absurd ist. Ich würde auch den Bürgern von Schilda empfehlen, lieber weiter das Licht in Töpfen zu fangen zu versuchen, als sich die Töpfe gegenseitig auf die Köpfe zu hauen. Das wäre einfache eine pragmatische Vorgehensweise, wenn es mir mit Vernunft nicht gelänge, die Bürger von Schilda von der Unsinnigkeit des Lichtfangens zu überzeugen.
- Das ökonomische Problem verbirgt sich in dem Satz: „Das Geld wird damit (also mit dem Kauf von Aktien oder anderen Anleihen, HF) dem Wirtschaftskreislauf nicht entzogen, sondern zugeführt.“ Was der bayrische Finanzminister offenbar nicht versteht: Immer ist er es, der im ersten Schritt über Steuern oder sonstige Abgaben den Unternehmen und den Haushalten Einkommen entzieht. Wenn das nicht so wäre, hätte er ja kein Geld zur Verfügung. Nimmt er das zusätzlich benötigte Geld für den Versorgungsfonds, sagen wir eine Million Euro pro Jahr, über Schulden auf, fließen alle Steuereinnahmen sofort wieder für Gehälter, für Konsumgüter oder für Investitionen in die Wirtschaft. Die Steuern vermindern dann zwar das für private Güter vorhandene Einkommen, die Million Euro ist aber wieder im Kreislauf, ohne dass die Wirtschaft noch einmal zusätzlich dafür zahlen müsste. Der Staat hat dann wie ein Privatmann oder ein Unternehmen Geld für seine Leistungen verlangt (in Form von Steuern), die aber zum großen Teil von Unternehmen oder Haushalten erbracht wurden oder denen unmittelbar zugute kamen. Der Versorgungsfonds ist dann nur ein Karussellgeschäft, bei dem, wie ich beschrieben habe, die Staatsverschuldung steigt und die Pensionsverpflichtungen abnehmen. Das ist Lichtfangen auf bayrisch, aber sei’s drum.
- Wenn der Staat aber wegen des Versorgungsfonds spart (also seine Gesamtverschuldung nicht nach oben anpasst), heißt das nichts anderes, als dass Herr Huber sich entschließt, von den vorhandenen Steuereinnahmen eine Million Euro pro Jahr weniger als sonst in den Kreislauf zurück zu geben, um das Ersparte zunächst zur Bundesbank zu leiten, damit die es verzinslich investiert. Dann ändert sich das Bild fundamental. Dann sinken nämlich der Absatz der Unternehmen und das Einkommen der privaten Haushalte im Vergleich zu der Situation ohne das bayrische Sparen um genau eine Million Euro. Dann müssten sich die Unternehmen verschulden (Anleihen ausgeben oder mehr Aktien emittieren) und die Haushalte entsparen, damit sie die verlorene Million wiederbekommen.
- Das, wird Herr Huber sagen, ist genau, was ich will: Die öffentlichen Haushalte sparen mehr als zuvor, die Unternehmen verschulden sich aber stärker oder die privaten Haushalte sparen weniger als zuvor, dann geht die Rechnung auf. Das kleine Problem ist nur: Wir leben in einer Marktwirtschaft und da kann man weder die höhere Verschuldung der Unternehmen noch das Entsparen der Haushalte einfach als Finanzminister anordnen. Da sich die wirtschaftliche Lage aber verschlechtert hat (bei konstantem Sparen der privaten Haushalte ist der Gewinn der Unternehmen exakt um die vom Staat eingesparte eine Million Euro gesunken) ist es mehr als unwahrscheinlich, dass die Unternehmen sich genau um die Summe höher verschulden, um die der Gewinn gesunken ist. Dieser unwahrscheinliche Ausgang ist es aber, auf den man setzt, wenn man glaubt, Kapitaldeckung habe keine negative Wirkung auf die Wirtschaft (dass sie eine positive habe, ist sowieso ein Märchen). Mit anderen Worten, man unterstellt, die Unternehmen verschuldeten sich ohne Rücksicht auf ihre wirtschaftliche Lage, obwohl sie nun – bei schlechterer Absatz und Gewinnlage – Zinsen für das Geld zahlen müssen, das sie ohne staatliches Sparen umsonst bekommen hätten. Das ist schlimmer als Lichtfangen, weil man mit dieser Politik die Wirtschaft am Investieren hindert (also Vorsorge für die Zukunft vermindert) und im Brustton der Überzeugung behauptet, man tue das Gegenteil, nämlich für die Zukunft vorsorgen.