„Saakaschwili als Anti-Korruptions-Kämpfer“ – Das Bayerische Fernsehen rühmt einen Kriminellen

Wolfgang Bittner
Ein Artikel von Wolfgang Bittner

Im Bayerischen Fernsehen wurde in letzter Zeit mehrmals eine Reportage über die Korruption in der Ukraine sowie den in Georgien zur Fahndung ausgeschriebenen Ex-Präsidenten Micheil Saakaschwili und seine Tätigkeit als Gouverneur von Odessa gesendet. Darin wurde Saakaschwili als ehrenwerter „Antikorruptionskämpfer“ gerühmt, so zum Beispiel in der Sendung „Ukraine. Saakaschwili als Anti-Korruptionskämpfer“ vom 29.1.2016 (euroblick) wie auch in Sendungen vom 24., 10., und 5. Januar. Das ist in dieser einseitig verkürzten Form skandalös und wieder ein trauriges Beispiel für den Propaganda-Journalismus, der immer mehr um sich greift. Von Wolfgang Bittner[*].

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Da heißt es in der Sendungsinfo: „Abgesehen vom Krieg in der Ostukraine ist die Bekämpfung der Korruption derzeit das große Thema im Land. Ganz besonders aktiv, dieser Mann: Micheil Saakaschwili, letztes Jahr noch Präsident von Georgien, dort angeklagt wegen zu diktatorischem Gehabe und jetzt vom ukrainischen Präsidenten ernannt zum Gouverneur des Gebietes von Odessa. Er ist viel unterwegs, zeigt gern Journalisten, was er schon gegen Korruption geschafft hat. (…) Ein Grund ihm zu glauben: die Straßenpolizisten. Saakaschwili hat sie fast ausnahmslos austauschen lassen: Neue Gesichter, neue Uniformen…“
Und weiter an anderer Stelle: „Ähnliches schuf Micheil Saakaschwili schon in Georgien. Die jahrzehntelange Erfahrung im Kampf gegen bestechliche Bürokratie kommt ihm jetzt zugute. Nun, nachdem er in Georgien vertrieben wurde und unter Anklage steht, versucht er es hier in der Ukraine“. In der Reportage wird Saakaschwili als „Retter der Ukraine“ und möglicher nächster Ministerpräsident vorgestellt.

Obwohl mir seit Längerem schon bekannt ist, dass derartige Zuschauer-Manipulationen an der Tagesordnung sind, besonders wenn es um die Ukraine und um Russland geht, kann ich als ehemaliger Angehöriger des WDR-Rundfunkrates nur wieder staunen, dass so eine Sendung möglich ist und geduldet wird. Grund genug für eine Programmbeschwerde, die ich am 31. Januar 2016 beim Gremienbüro des Bayerischen Rundfunks eingereicht habe. Diese Reportage ist ein grob tendenziöser TV-Beitrag, und damit handelt es sich um einen eklatanten Verstoß gegen die Programmrichtlinien des Rundfunkstaatsvertrages, also gegen geltendes Recht. Paragraph 11 Absatz 2 lautet: „Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben bei der Erfüllung ihres Auftrags die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit ihrer Angebote zu berücksichtigen.“

Saakaschwili, nach der sogenannten Rosenrevolution Präsident Georgiens von 2004 bis 2013, ist ein durch und durch korrupter Günstling der US-Regierung ohne demokratische Legitimation. Im Mai 2015 gab es Meldungen, dass der ebenfalls umstrittene ukrainische Staatspräsident Petro Poroschenko den georgischen Ex-Präsidenten, seinen ehemaligen Studienfreund, zum Gouverneur der Region Odessa ernannt hat, nachdem er kurz zuvor eingebürgert worden war. Gehälter einiger seiner Mitarbeiter werden von den USA bezahlt, wie der US-Botschafter zugab (Nina Jeglinski, Der Tagesspiegel, 19.7.2015). Gegen Saakaschwili, der seit 2013 in den USA lebte, gute Kontakte ins Weiße Haus pflegte und für eine „effektive Militärhilfe“ für die Ukraine warb, liegt in Georgien ein Haftbefehl wegen Amtsmissbrauchs vor, er stand auf der Fahndungsliste von Interpol (WB, „Die Eroberung Europas durch die USA“, S. 161f mit weiteren Hinweisen).

Der neue Gouverneur ernannte dann nach einem Treffen mit US-Botschafter Geoffrey Pyatt, der sich seinerzeit mit der EU-Beauftragten des US-Außenministers, Victoria Nuland, über die Einsetzung des Oligarchen Arsenij Jazenjuk zum Ministerpräsidenten abgesprochen hatte (Albrecht Müller, nachdenkseiten.de, 19.2.2014), die 25-jährige Schauspielerin Julia Maruschewska zu seiner Stellvertreterin. Die Maidan-Aktivistin war durch ein angeblich von ihr selbst produziertes Video „Ich bin eine Ukrainerin“ bekannt geworden. Der Clip, der es auf über 8,5 Millionen Klicks brachte, zeigt die junge Frau auf dem Maidan-Platz, wie sie sehr emotional zum Widerstand gegen die Regierung Janukowitsch aufrief und um Unterstützung der Demonstranten durch „den Westen“ warb. Allerdings wurde später berichtet, dass der Clip, der intensiv von CNN verbreitet wurde, unter maßgeblicher Beteiligung des Hollywood-Produzenten Ben Moses und der US-Stiftung National Endowment for Democracy zustande kam (Deborah Stambler, Huffingtonpost, 15.4.2014), also eine PR-Aktion war.

Dies zur angeblichen Seriosität von Micheil Saakaschwili. Zweifellos ist es dringend geboten, in der Ukraine die Korruption zu bekämpfen. Dass sich jedoch der schwer belastete georgische Ex-Präsident dafür stark machen will, ist ein Witz. Ohnehin dürfte es schwierig sein, unter den derzeitig führenden Politikern der Ukraine eine integre Persönlichkeit zu finden. Wie es in dieser Kaste zugeht, illustriert eine Auseinandersetzung Mitte Dezember 2015 während einer Sitzung des Nationalen Reformrates. Da nannte der Innenminister Asen Awakow, der 2012 wegen Amtsmissbrauchs unter Anklage stand und ins Ausland flüchtete, den Neubürger Saakaschwili einen „verfickten korrupten Gouverneur“, „Dieb“, „Abschaum“, „Bastard“, „verficken Zirkusartisten“, „Hurensohn“ und „Dummschwätzer“ (Ralph Hartmann, Ossietzky Nr. 3/2016). Saakaschwili bezichtigte Awakow im Gegenzug des Diebstahls und der Korruption, worauf der Innenminister ein gefülltes Wasserglas auf seinen Kontrahenten warf und ihn aufforderte, das Land zu verlassen. Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk bezeichnete Saakaschwili in diesem Disput als „Gastartisten“ und „Klatschmaul“ (Gunnar Jeschke, der Freitag v. 20.12.2015).
Ein Wortgefecht zwischen kriminellen ukrainischen Politikern, das ein Schlaglicht auf die momentanen desolaten Zustände in der Ukraine wirft, in der Faschisten im Parlament sitzen und Oppositionspolitiker ermordet werden. Eine Schande für den Bayerischen Rundfunk, einen Kriminellen wie Micheil Saakaschwili als Leuchte der Demokratie in der Ukraine darzustellen. Allerdings passt das in die augenblickliche Medienlandschaft, in der nicht wenige Journalisten unterstützt von leitenden Redakteuren agieren, die entweder ferngesteuert oder ideologisch befangen sind.


[«*] Wolfgang Bittner ist Schriftsteller und Jurist. Kürzlich erschien im Westend Verlag die erweiterte Neuausgabe seines vielbeachteten Buches „Die Eroberung Europas durch die USA“.

Die NachDenkSeiten sind für eine kritische Meinungsbildung wichtig, das sagen uns sehr, sehr viele - aber sie kosten auch Geld und deshalb bitten wir Sie, liebe Leser, um Ihre Unterstützung.
Herzlichen Dank!