Hinweise des Tages
(KR/WL)
Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.
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- Europäische Krisenignoranz
Die Aktienmärkte auf der Achterbahn, das globale Finanzsystem in einer tiefen Krise, Banken am Abgrund und die amerikanische Wirtschaft vor einer Rezession: Dramatischer als mit dem Börsencrash am „schwarzen Montag“ vom 21. Januar hätte das Jahr an den internationalen Finanzmärkten nicht beginnen können. Die Tagesverluste waren so heftig wie seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 nicht mehr. Doch kaum hatten die aggressiven Zinssenkungen der US-Notenbank die Märkte etwas beruhigt, signalisierten die Politiker hierzulande schon wieder business as usual – was wie immer heißt, wir tun nichts, aber auch gar nichts, um einen globalen Einbruch zu verhindern.
Quelle: Blätter für deutsche und internationale Politik - Deutschland im Überstundenfieber
Die Arbeitnehmer arbeiten immer länger – und oft für lau: Im vergangenen Jahr wurden drei Milliarden Überstunden gemacht. Laut der Erhebung ist die Zahl der bezahlten Überstunden um rund fünf Prozent auf 1,477 Milliarden gestiegen. Dies sei der höchste Wert seit dem Jahr 2003. Dazu kommen den IAB-Experten zufolge unbezahlte Zusatzstunden in mindestens der gleichen Größenordnung. Rechnerisch leiste damit jeder Vollzeitbeschäftigte zwei Überstunden pro Woche.
Quelle: SZ - Britische Regierung geht gegen “exzessive” Gewinne der Energiekonzerne vor
Die britische Regierung wirft den Energiekonzernen vor, “exzessiv” von steigenden Preisen profitiert zu haben. Wie der Telegraph berichtet, sollen die Chefs der großen Konzerne einbestellt und aufgefordert werden, einen Teil der Gewinne in ein Programm zu stecken, um die Energiepreise für die 4,5 Millionen ärmsten Haushalte zu senken. Wenn die Konzerne dazu nicht bereit sind, droht die Regierung, die Besteuerung der Gewinne zu erhöhen.
Quelle: Heise.de - Deutschlands Mitte schrumpft dramatisch – Top-Verdiener legen zu
Millionen rutschen ab: Deutschlands Mittelschicht erodiert laut SPIEGEL-Informationen in atemberaubendem Tempo. Die soziale Spaltung ist viel dramatischer als bisher angenommen. Unter dem Druck der Globalisierung zerbricht die alte Balance der Bundesrepublik.
Im Jahr 2000 gehörten 62 Prozent der Deutschen dazu, inzwischen sind es nur noch 54. Spiegelbildlich dazu ist der Anteil der Deutschen mit extrem niedrigen oder extrem hohen Einkommen gestiegen. Ein sozialer Aufstieg ist für die zerfallende Mitte schwierig – der weit größere Teil wandert nach unten ab. Aber etwa elf Prozent haben es geschafft, bis nach ganz oben vorzudringen. Zwischen 2000 und 2006 wuchs der Anteil der Spitzenverdiener an der Bevölkerung von 18,8 auf 20,5 Prozent. Die Besserverdiener können einen Großteil des volkswirtschaftlichen Reichtums unter sich aufteilen, ihre Einkünfte wachsen schneller als im Rest der Bevölkerung.
Quelle: Spiegel OnlineAnmerkung Wolfgang Lieb: Leider wieder einmal typisch Spiegel: nur weil in Amerika und England die Ungleichheit auch zugenommen hat, ist die Globalisierung ist schuld. Vielleicht sollte man in der Redaktion mal das neue Buch von Paul Krugman „Nach Bush“ lesen, der auf über dreihundert Seiten belegt, dass die Zunahme von Ungleichheit vor allem etwas mit der Politik der Konservativen, mit der schwachen Position der Gewerkschaften oder mit dem Einfluss der Plutokratie in den USA zu tun hat. Krugman: „Kurz gesagt, die Indizien sprechen eindeutig für die Annahme, dass Institutionen und Normen und nicht die Technik oder die Globalisierung die Hauptquellen der Ungleichheit in den Vereinigten Staate sind.“ (S. 157)
Als Beispiel für die Veränderung von Normen, die zu mehr Ungleichheit führen:
Wirtschaft fordert Änderungen an geplanter Erbschaftsteuerreform
Einzelne Organisationen wie der Verband der Chemischen Industrie (VCI) forderten sogar einen völligen Verzicht auf die Reform und die Abschaffung der Erbschaftsteuer.
Quelle: ngo-online - Mit Riester zum Ruin der Rentenversicherung
Rürup will prüfen lassen und unter Umständen den Politikern empfehlen, die Erträge aus der Riester-Rente bei der Festsetzung der Grundsicherung nicht anzurechnen.
Hat der Mann plötzlich seine soziale Ader entdeckt? Wohl kaum. Wie könnte er vergessen, daß sein eigentlicher Auftrag- und Honorargeber die Banken- und Versicherungswirtschaft ist? Rürup (neben seinem Professorenamt und den Regierungsaufträgen unter anderem als Aufsichtsratsvorsitzender der AXA Pensionskasse tätig, geschätztes Jahreseinkommen 6,4 Millionen Euro) sieht die Gelegenheit, mit der Freistellung der Riester-Rente auch alle anderen Formen der Privatrente noch mehr vom Staat fördern zu lassen als bisher schon, zu Lasten der Gesetzlichen Rente. Wer heute »riestert«, erhält vom Staat erhebliche Zuschüsse in Form von Steuer- und Sozialabgabenbefreiung bis zu vier Prozent vom Bruttolohn. Das ist ein gutes Geschäft für Vielverdiener. Ungefähr zehn Millionen, ein Viertel aller Beschäftigten, haben inzwischen Riester-Verträge abgeschlossen. Damit endlich auch die kleinen Leute in großer Zahl Beiträge in die private Finanz- und Versicherungswirtschaft zahlen, müßte man ihnen das schmackhaft machen: Jeder bekommt im Alter eine Grundsicherung und obendrein seine Privatrente!
Denn das ist der Trick des Herrn Rürup und sein eigentlicher Plan: Die bisherige Gesetzliche Rente soll nach wie vor im Alter auf die Grundsicherung angerechnet werden, nicht aber die Privatrenten. Hätte er Erfolg, wäre die heute noch weit überwiegende Gesetzliche Solidarrente bald tot.
Quelle: LinksnetAnmerkung Wolfgang Lieb: Wenn – wie das die Sozialverbände oder auch der Vorsitzende des Sachverständigenrates, Bert Rürup, fordern – die Riester-Rente von der Anrechnung auf die Grundsicherung freigestellt würde, würde diese gegenüber anderen Einkommen der betroffenen Rentner bevorzugt. Das wäre dann nicht nur ein „ordnungspolitisches Fehlverständnis“ (Riester), sondern dieser Weg, Riester-Sparer besser zu stellen, wäre eine (verfassungsrechtlich bedenkliche) weitere Subventionierung durch den Fiskus und eine Privilegierung dieser Form der privaten Vorsorge (auch gegenüber anderem Vermögen, also etwa dem Besitz einer Wohnung, sonstigen Ersparnissen etc.). Damit würde man die Menschen erst recht dazu drängen, ja geradezu zwingen, jegliche Vorsorge auf die Riester-Rente zu konzentrieren. Das wäre natürlich ganz im Sinne der Versicherungswirtschaft und ihrer Protagonisten wie der Herren Riester und Rürup, die wesentlich dazu beigetragen haben, die gesetzliche Rente zu ruinieren, um damit die privaten Rentenmodelle durchzusetzen. Es wäre also eher der Weg in die Vollprivatisierung der Rente mit all ihren Risiken statt dass die gesetzliche Rente wieder armutsfest gemacht würde.
- Privat in die Pleite
Weltweit zeigt sich, dass der Ausverkauf öffentlichen Eigentums jene Probleme schafft, die er zu bekämpfen vorgibt. Inzwischen wird vielerorts zurückgerudert – selbst im neoliberalen Musterland Neuseeland. Der Beamtenbund beauftragte das Meinungsforschungsinstitut forsa mit einer Umfrage zum Thema Privatisierung. Danach bewertet die Hälfte der Bevölkerung ihre Erfahrungen als negativ. Vor allem an der Bahn und den Energiekonzernen entzündet sich die Kritik. Nur der Staat, so meinen gegenwärtig 58 Prozent der Befragten, könne flächendeckende Versorgung und angemessene Preise garantieren. Nur 16 Prozent sprechen sich für weitere Privatisierungen aus. Das ist eine Kehrtwendung gegenüber dem Privatisierungsglauben, der in den 90er Jahren vorherrschte.
Quelle: junge Welt - Bock und Gärtner – Das System der Arzneimittelstudien gerät zunehmend unter Beschuss
Die Pharmaindustrie bekommt ihre Produkte großzügig patentiert und kann – vor allem in Deutschland – Phantasiepreise dafür verlangen. Gerechtfertigt wird dies damit, dass der Entwicklungsaufwand für Medikamente hoch wäre. Und den Löwenanteil dieses Entwicklungsaufwands, so die Pharmalobby, würden die aufwändigen und teuren Studien ausmachen. Die jüngst ans Licht drängenden Ergebnisse zur Qualität solcher Studien lassen die Frage jedoch immer lauter werden, ob es wirklich sinnvoll ist, diese Forschung nicht von unabhängigen Instituten durchführen zu lassen – was den Steuerzahler und Krankenversicherten, der in solch einem System die Monopolrenditen nicht mitfinanzieren müsste, möglicherweise auch deutlich billiger käme.
Quelle: Telepolis - Bertelsmann-Chef schiebt Konzernumbau an
Die Führung um den neuen Vorstandschef Hartmut Ostrowski hat beschlossen, für das in der Direct Group gebündelte Buchclub- und Buchhandelsgeschäft eine eingehende Buchprüfung einzuleiten – mit ergebnisoffenem Ziel. Nach einer Phase der Konsolidierung unter Ex-Chef Gunter Thielen versucht Ostrowski nun trotz der hohen Konzernschulden, Bertelsmann eine in die Zukunft gerichtete Struktur zu geben. Bis zum Jahr 2015 soll der Jahresumsatz des Medienunternehmens von bislang rund 20 auf 30 Mrd. Euro wachsen. Investieren will der Bertelsmann-Chef dabei vor allem in die Bereiche Bildung, Dienstleistungen und Internet.
Quelle: FTDAnmerkung WL: Dass Bertelsmann im Bereich der Bildung expandieren will, muss man als ernsthafte Drohung ansehen. Zunächst hat die Bertelsmann Stiftung im öffentlichen Bildungssystem privatwirtschaftliche Strukturen durchgesetzt; jetzt könnte die zweite Runde kommen und Bertelsmann steigt direkt ein.
- “Wir sind doch keine Unmenschen”
Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, 60, über die schwindende Akzeptanz der Marktwirtschaft in der Bevölkerung, über Steuersünden und andere Verfehlungen der Top-Manager sowie die Ursachen und Folgen der gegenwärtigen Finanzkrise.
Quelle: DER SPIEGEL 10/2008 – 03. März 2008Anmerkung Albrecht Müller: Dieses Interview ist in mehrerer Hinsicht lesenswert.
Es zeigt an mehreren Stellen, wie die Verkaufsstrategie der Wirtschaft in der jetzigen Debatte aussieht: die Spitzen haben ein Vermittlungsproblem, in der Sache ist nahezu alles in Ordnung; wir sind Spitze, nur hierzulande erkennt man das nicht; die Chefs der Unternehmen werden systematisch schlecht gemacht; sie verdienen viel, weil Leistung sich lohnen muss; und so weiter.Ackermann nutzt auch die offenbar im Lager der Wirtschaft abgesprochenen oder kommunizierten (Schein-) Argumente: Das Thema Gerechtigkeit werde bei uns leider völlig falsch diskutiert. Den Armen und Schwachen zu helfen sei ein Gebot der Mitmenschlichkeit. Gerechtigkeit sei aber vor allem Chancengleichheit und Leistungsgerechtigkeit. Es lasse sich nur verteilen, was erarbeitet ist; 10% der Spitzenverdiener zahlen schon heute 50% der Einkommensteuer, und so weiter.
Ackermann wendet sich wie auch der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie Thumann in der Bild-Zeitung vom 3.3. gegen den Linksdrall der SPD und gegen die Linke. Das ist ein offenes Aufgeben der politischen Neutralität. Dabei wird Ackermann auch gegenüber Lafontaine persönlich. Seine Einlassungen zur Hypothekenkrise in den USA sind bemerkenswert. Er behauptet, das Geschäftsmodell sei nicht schlecht gewesen, solange die Häuserpreise stiegen und die Zinsen sanken. Insgesamt gibt er mit dieser Würdigung dieser absurden Entwicklung zu, dass er ein Anhänger des Kettenbrief-Modells ist. Er setzt auch künftig auf die jetzt kläglich gescheiterte Art des Kapitalmarktes. Bemerkenswert ist leider auch noch, dass der Spiegel nur vordergründig kritisch fragt. Tatsächlich hätten die Redakteure ganz anders zuschlagen können und müssen. - Kurt Beck verspielt die Zukunftsfähigkeit der SPD
Machtpolitisch scheint Kurt Becks Öffnung zur Linkspartei von zwingender Logik. Ob auf Bundesebene oder in den Ländern: Willy Brandts Mehrheit links von der Mitte ist Wirklichkeit. Die SPD müsste nur ihren Stolz herunterschlucken und mit der Linkspartei koalieren.
Quelle: Die WeltAnmerkung: Von der extrem konservativen Welt war natürlich kein anderer Kommentar zu erwarten. Wir weisen auf diesen Artikel wegen folgendem Satz hin, der einen aufmerken werden lassen muss: „Der Verzicht auf militärische Einsätze dort, wo unsere Sicherheit oder unsere wirtschaftlichen Interessen von Islamofaschisten bedroht werden, ist nicht links.“ Militärische Einsätze zur Verteidigung wirtschaftlicher Interessen… Das ist wieder aufkommender deutscher Imperialismus.
- “Es herrscht Krieg in Berlin”
Dem britischen Investor Montgomery misslingt der Spagat zwischen Finanz- und Medienmarkt. Seine Redaktionen wehren sich gegen die Sparorgien – die “Berliner Zeitung” erlebt einen Massenexodus.
Quelle: FTDAnmerkung: Schade für eine noch einigermaßen kritische Zeitung
- Der ZDF-Fachberater und die Rechten
Der 82-jährige Autor Heinz Schön gilt als der Experte, wenn es um den Untergang der “Wilhelm Gustloff” geht. Auch zur opulenten ZDF-Produktion “Die Gustloff” hat er als Augenzeuge einen wichtigen Beitrag geliefert. Dass Schön seit den 90er Jahren auch in Publikationen im rechtsextremen Umfeld veröffentlichte, wurde bislang nicht beachtet.
Quelle: sternAnmerkung Wolfgang Lieb: Ich habe mir diesen Film angesehen. Es ist ein emotionaler Liebes- und Episodenfilm, der (berechtigtes) Mitleid mit den Opfern erweckt, der aber rein gar nichts zur historischen Aufklärung über die Hintergründe von Flucht und Vertreibung beiträgt. Die Nazis werden als verrückte Spinner dargestellt und der Eindruck vermittelt, als seien die Vertriebenen auch nur deren Opfer. Für meine Tochter war das ein bombastisch gemachter Film wie Titanic.
Wenigstens wurde die Schuld an der Katastrophe nicht ausschließlich auf den „Iwan“ abgeladen. Vielleicht konnte das Stück ein wenig deutlich machen, dass Krieg unmenschlich ist und die Gesetze von denjenigen bestimmt werden, die über Leichen gehen. - Renten kürzen, um Bildung zu fördern?
So sehen die Themen in der sog. Ideenwerkstatt von „Zukunft-Technik-entdecken“ von Thyssen Krupp aus.
Quelle: Zukunft, Technik entdecken - Akkreditierungsrat führt Systemakkreditierung ein
Auf seiner 55. Sitzung am 29. Februar in Bonn hat der Akkreditierungsrat “Kriterien für die Systemakkreditierung” und “Allgemeine Regeln für die Durchführungen von Verfahren der Systemakkreditierung” beschlossen und damit den letzten Schritt zur Einführung der Systemakkreditierung in Deutschland vollzogen.
In Zukunft sollen die Hochschulen wählen können, ob sie ihre Studiengänge einzeln akkreditieren lassen, oder ob sie mittels der Systemakkreditierung ihr System der internen Qualitätssicherung akkreditieren lassen, womit alle Studiengänge akkreditiert wären.
Als Voraussetzung für die Systemakkreditierung weist die Hochschule nach, dass die internen Systeme der Hochschulsteuerung und der Qualitätssicherung die Einhaltung der einschlägigen Bestimmungen der Kultusministerkonferenz und des Akkreditierungsrates für die Akkreditierung von Studiengängen gewährleisten. Dies setzt auch ein internes Berichtssystem voraus, das die Strukturen und Prozesse bei der Entwicklung und Durchführung von Studiengängen sowie die Strukturen, Prozesse und Maßnahmen der Qualitätssicherung, ihre Ergebnisse und Wirkungen dokumentiert.
Quelle: Akkreditierungsrat [PDF – 44 KB]Anmerkung: Ein treffendes Beispiel, wie ständig von Deregulierung und Autonomie geredet wird und zugleich Bürokratiemonster aufgebaut werden: Berichtssysteme, Dokumentation von Strukturen, Prozessen, Auflistung von Maßnahem etc. etc.