FAZ liefert ein Gaunerbrevier für Steuerhinterzieher
„Die deutsche Finanzverwaltung macht mobil…Der Grund: Die Jagd auf Bundesbürger, die ihr Geld ins steuerschonende Ausland gebracht haben oder „vergessen“ haben, Spekulationsgewinne und andere Kapitalerträge zu versteuern. Viele Sünder sehen ihre Rettung in einer so genannten Selbstanzeige nach § 371 Abgabenordnung (AO). Diese ist für viele Betroffene eine beliebte Möglichkeit, beim Fiskus „reinen Tisch“ zu machen und einer Bestrafung zu entgehen. Doch was muss man dabei beachten? Die steuerliche Selbstanzeige entpuppt sich in der Praxis als Minenfeld.“ So beginnt ein Beitrag der FAZ vom 15.2.08 unter der Überschrift „Sieben Tipps für eine steuerliche Selbstanzeige“.
Der eitle Werbetext der FAZ „Dahinter steckt immer ein kluger Kopf“ sollte zutreffender lauten: Dahinter steckt häufig ein krimineller Kopf. Sonst wäre die Häufung von Beiträgen mit Tipps für Steuerhinterzieher wohl kaum zu erklären. Wolfgang Lieb
- „Eine fehlerhafte Selbstanzeige kann mehr Schaden anrichten als Nutzen bringen, zum Beispiel wenn die eigentliche Steuerhinterziehung schon verjährt ist.“
- „Steht die Steuerfahndung schon vor der Tür, ist es für eine Selbstanzeige zu spät.“
- „Achtung! Waren mehrere Personen an den Steuerschummeleien beteiligt, müssen alle zeitgleich eine Selbstanzeige abgeben.“
- „Das Schreiben an das zuständige Finanzamt sollte nicht als „Selbstanzeige“ gekennzeichnet sein. Dies würde umgehend zur Einleitung eines Strafverfahrens durch die Straf- und Bußgeldsachenstelle führen. Geschickter: Betroffene formulieren ihre Selbstanzeige als „Berichtigung der ursprünglichen Steuererklärung/en“.“
- „Die „vergessenen“ Einnahmen müssen zunächst nicht auf den Cent genau angegeben werden. Es genügt eine grobe Schätzung.“
- „Betroffene sollten Selbstanzeigen dem Finanzamt gegenüber keinesfalls ankündigen. Dies wäre ein fataler Fehler. Der Grund: Die bloße Ankündigung ist eine reine Absichtserklärung, die ohne nähere Angaben aber keine strafbefreiende Wirkung hat.“
- „Nur eines ist sicher: Vorschnelle Selbstanzeigen sind der falsche Weg. Nur ein Experte für Steuerstrafrecht kann abschätzen, wann sich eine Selbstanzeige „lohnt“ und wann nicht.“
So lauten einige der Tipps in der FAZ für Steuerhinterzieher. Darüber hinaus bietet die Zeitung Links mit Ratschlägen, was zu tun ist, wenn die Steuerfahnder an der Tür klingeln, welche Verstecke für Unterlagen ungeeignet sind, wie man Spuren in Computern, Notebooks, Organizern, Handys und Telefonanlagen beseitigt oder wie man durch eine Wohnsitzverlagerung ins „richtige“ Land eine Menge Steuern sparen kann. Der Rat ist: „Durch eine Wohnsitzverlagerung werden Sie die deutsche Steuerpflicht in der Tat zum größten Teil los.“
In einem weiteren Beitrag wird erläutert, wie man am besten „Schwarzgeld durch eine Selbstanzeige legalisieren“ kann.
Die Häufung solcher Beiträge gerade im Umfeld der Aufdeckung eines der umfangreichsten Steuerhinterziehungsskandale lässt den Verdacht aufkommen, die FAZ wolle denjenigen, die nach der Durchsuchung von Zumwinkels Wohnung und Büro befürchten müssen, dass nun die Steuerfahnder auch bei ihnen auftauchen, noch ein paar Tipps zu geben, wie sie belastendes Material beseitigen können. Etwa wie sie ihre Computer und Notebooks säubern oder ihre Handys beiseite schaffen können.
Die spektakuläre Vorgehensweise der Steuerfahnder beim Postchef gibt ja den bis zu tausend „Leistungsträgern“, die befürchten müssen auf dem im Besitz der Staatsanwaltschaft befindlichen Datenträger aufzutauchen, noch genügend Vorlaufzeit, möglichst viele Beweisstücke zu beseitigen. „Sie müssen sich über das Wochenende entscheiden, ob sie Reue zeigen, sich selbst anzeigen und die Steuer nachzahlen; oder ob sie so sehr am hinterzogenen Geld hängen, dass sie das Risiko einer Entdeckung mit öffentlicher Verurteilung eingehen wollen“, rät ein weiterer FAZ-Beitrag
Statt den Skandal anzuprangern, dass die Steuerfahndung personell so schmal ausgestattet ist, dass sie nicht in einer flächendeckenden Razzia sämtliche Verdächtige zur gleichen Zeit nach Beweisstücken zu durchsuchen in der Lage ist, leistet die FAZ sozusagen noch Beihilfe zur Vertuschung von Straftaten.
Schon die Sprache belegt, wie die FAZ die Straftat der Steuerhinterziehung bewertet: Da wird von „Steuerschummeleien“ und von „vergessenen Einnahmen“ gesprochen oder darüber spekuliert, wann sich eine Selbstanzeige überhaupt „lohnt“. Steuerhinterziehung wird z.B. als Verlagerung von Geld ins „steuerschonende Ausland“ verharmlost.
Steuerhinterziehung, ein Verbrechen und Betrug an der Allgemeinheit, wird als Kavaliersdelikt verharmlost. Man könne sich ja deren Verfolgung durch die „Berichtigung der ursprünglichen Steuererklärung“ entziehen.
Diese Häufung von Beiträgen in der FAZ liest sich wie ein Gaunerbrevier für Steuerhinterzieher. Der Tonfall erinnert an das Motto von Motorrad-Rockerbanden, die ja vielfach im Verdacht stehen, kriminelle Vereinigungen zu sein: „Your brother ain`t always right, but he`s always your brother.“ So beklagt z.B. das Blatt, dass über gestrauchelte Manager viel zu schnell der Stab gebrochen werde. Wie beim Dorfrichter Adam in Heinrichs Kleists „Der zerbrochene Krug“ werden die Steuerfahnder als die Täter dargestellt und nicht die Steuerhinterzieher.
Zumwinkel und die anderen hunderte von „Leistungsträgern“, denen die Steuerfahnder auf der Spur sind, werden geradezu als verführte Opfer dargestellt:
„Zumwinkel wird vorgeworfen, seit zwei Jahrzehnten mit Hilfe einer Stiftung im Fürstentum Liechtenstein Steuern hinterzogen zu haben – ein Weg, den der Manager mit Sicherheit nicht allein gegangen ist. Dazu waren die Werbeaktionen von Banken aus dem Fürstentum in den vergangen Jahren zu intensiv“, heißt es da verständnisvoll.
Diese Darstellung ähnelt den Doping-Geständnissen der Radprofis: Jeder tat es, weil er ja sonst der Dumme gewesen wäre, und obwohl Doping verboten war, hat jeder gedopt, weil er sicher sein konnte, er werde nicht erwischt.
Dass eine als seriös geltende Zeitung wie die FAZ sich gerade in diesen Tagen bemüßigt fühlt, in der Art der berühmt berüchtigten Consiglieri der Mafia ihren Leserinnen und Lesern Ratschläge geben zu müssen, wie sie ihren Kopf aus der Schlinge ziehen können, wirft ein übles Licht auf das wirtschaftsnahe Blatt. Es ist ein typisches Beispiel für die Erosion des bürgerlichen Normbewusstseins.
Die Häufung dieser Beiträge ist ein Zeichen dafür, dass die Redaktion entgegen dem eitlen Werbespruch der FAZ, wonach hinter dieser Zeitung immer ein kluger Kopf stecke, offenbar davon ausgeht, auch viele steuerhinterziehende, schwarzgeldverschiebende kriminelle Leser zu haben.
In diesem Umgang der FAZ mit der Steuerhinterziehung spiegelt sich eine allgemein herrschende Haltung gegenüber dieser Straftat in Deutschland wieder.
Zurückhaltende Schätzungen gehen davon aus, dass in Deutschland jährlich 30 Milliarden an Steuern hinterzogen werden. In keinem anderen Land konnten so hohe Milliardenvermögen (geschätzte 300 Milliarden meist sogar völlig legal durch Wohnsitzverlagerungen) ins Ausland abwandern. Bezeichnenderweise gibt es darüber keinerlei Statistik.
Das Stiftungsrecht ist so ausgelegt, dass es zahllose Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet, die die Grenzen zwischen Legalität und Steuerhinterziehung verwischen.
Kein vergleichbares Land in der Welt bietet so viele Möglichkeiten einer legalen Steuerflucht wie Deutschland.
Steuerhinterzieher und Steuerflüchtlinge können sich bei ihren gemeinschaftsschädlichen Transaktionen bisher so sicher fühlen, dass etwa die unter Rot-Grün erlassene Steueramnestie, das “Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit” (!) von 2004, für kaum jemanden Anlass war, nicht versteuerte Vermögenswerte oder Erträge gegenüber der zuständigen Steuerbehörde zu deklarieren und pauschal abzugelten. Im Gegenteil, der Staat hat damit eher ein Signal gesetzt, dass er es mit der Steuerehrlichkeit nicht so streng nimmt.
Auch die Europäische Direktive zur Zinsbesteuerung mit anfänglich einem Satz von nur 15 % ist verpufft, weil sich die Drittstaaten Schweiz, Andorra, Liechtenstein, Monaco, San Marino oder die assoziierten Gebiete von Mitgliedstaaten, wie z.B. Guernsey und Jersey, entziehen.
In Deutschland hat es nie einen ernsthaften Versuch gegeben, Steuerhinterziehung zu bekämpfen. Die Bekämpfung ist zwar eine Angelegenheit von Bund und Ländern, doch die Länder sind verantwortlich für den Vollzug. Ich kann mich noch zu gut an das Aufjaulen der Wirtschaftsverbände erinnern, als in Nordrhein-Westfalen ein Zentralfinanzamt zur Steuerbetrugsbekämpfung vorgeschlagen wurde. Die meisten Länder haben dies vehement abgelehnt, weil sie in einer intensiveren Steuerfahndung einen Standortnachteil für Investoren und Unternehmen gesehen haben. Der Wettbewerbsföderalismus hat lasche Steuererhebung geradezu zu einem Vorteil im Standortwettbewerb erhoben.
In Deutschland wird so getan, als ob man gegen Steuer- und Vermögensflucht nichts unternehmen könne, so lange nicht alle anderen Länder mitmachten. Mit diesem Argument wird die Untätigkeit nun schon seit Jahren gerechtfertigt. Die Politik ging eher ständig in die andere Richtung, man wollte den „Steueroasen“ durch permanente Steuersenkungen das Wasser abgraben. Und dennoch nimmt die Kapitalflucht ständig zu.
Dass aber ein einzelnes Land durchaus etwas dagegen unternehmen kann, beweisen die ziemlich steuerliberalen Vereinigten Staaten von Amerika. Seit 2001 gelten dort Vorschriften, die eine korrekte Besteuerung von amerikanischen Steuerpflichtigen bis hin zu Green-Card-Besitzern weitgehend sicherstellen.
Die US-Amerikaner haben es durchgesetzt, dass nicht in den USA ansässige Banken – selbst die Banken in der Schweiz – mit der amerikanischen Steuerbehörde (IRS) Verträge (Qualified Intermediary Agreements) abschließen mussten, um den Status eines Qualified Intermediary (QI) zu erhalten.
Ein Qualified Intermediary ist verpflichtet, die Identität der US-Person (know-your-customer) gegenüber dem IRS offen zu legen, wenn diese in US-Wertschriften investiert. Will die US-Person ihre Identität nicht preisgeben, hat der Qualified Intermediary dafür zu sorgen, dass sie keine Investitionen in US-Wertschriften tätigt. Auf Erträgen aus und auf Transaktionserlösen von US-Wertschriften, die sich dennoch im Portfolio der US-Person befinden, wird für die Verletzung der Meldepflichten eine amerikanische Sicherungssteuer, die sog. Backup Withholding Tax, von 28% erhoben und an die IRS weitergeleitet [PDF – 96 KB]
(Revenue Procedure 2000-12 states that the IRS will not enter into a qualified intermediary (QI) withholding agreement that provides for the use of documentary evidence obtained under a country’s know-your-customer rules if it has not received the know-your-customer practices and procedures for opening accounts and responses to 18 specific questions listed in the revenue procedure Wie man der Liste entnehmen kann, haben es die USA geschafft, selbst die Cayman Inseln, die Isle of Man, ja sogar Liechtenstein an diese Vorschriften zu binden.)
Das Prinzip ist ziemlich einfach: Jede Bank, die sich dem Testat (QI) nicht unterwirft, ist davon ausgeschlossen, ihre Dollars bei amerikanischen Banken einzuwechseln.
Vergleichbare Vorschriften wie in den USA könnte man auch in Deutschland und besser noch auf EU-Ebene anstreben und durchsetzen. Dann könnte man sehen, wie schnell die Länder, die derzeit Beihilfe zur Steuerhinterziehung in Deutschland leisten, sich gezwungen sähen, die Identität ihrer Kunden preiszugeben und deren Steuern an den deutschen Fiskus abzuführen.
Beiträge zu solchen Lösungen vermisst man leider in der FAZ, eine lasche Steuerfahndung gilt ihr halt nach wie vor als Standortvorteil – jedenfalls für die vermögenden Leser dieser Zeitung.
Vermutlich wird die Debatte wohl eher darum gehen, wie die Steuerfahnder an die Informationen gekommen sind.
Statt zu handeln, führt man in Deutschland wieder einmal Klage über den allgemeinen Verfall der Werte. Wie sagte unser Finanzminister doch: Das Verhalten von Managern könne man vornehmlich nicht mit Regeln beeinflussen. Hier gehe es vielmehr darum, ein neues Bewusstsein zu bilden.
Bis dieses Bewusstsein gebildet sein wird, dürfen die Milliarden aber ruhig weiter an der Steuer vorbei straflos ins Ausland geschafft werden.