netzwerk recherche ohne Berührungsängste zur Bertelsmann Stiftung. Nicht mehr zu verstehen.
Wir halten die Bertelsmann Stiftung für eine undemokratisch und anti-parlamentarisch agierende Einrichtung. Wir haben das vielfältig beschrieben. Klicken Sie auf unsere Rubrik Sachfragen/Krake Bertelsmann. Bertelsmann übt eine unkontrollierte und durch nichts als Geld legitimierte Macht in unserer Gesellschaft aus. Diese Meinung teilen wir mit vielen anderen Beobachtern des Geschehens. Mit vielen unserer Leser sind wir uns auch einig, dass die Bertelsmann Stiftung das Privileg der Gemeinnützigkeit nicht verdient und wirklich parlamentarisch-demokratische und soziale Verhältnisse in unserem Land nur wieder erreichbar sind, wenn der politische Einfluss dieses Konzerns gebrochen ist. Wenn das überhaupt noch irgendwann zu schaffen sein sollte, dann nur in einem breiten Bündnis aller Demokraten. Aus diesem Bündnis scheint eine Organisation, deren Anliegen ich prinzipiell von tiefstem Herzen teile, auszuscheren: das Bündnis von Journalisten mit dem guten Namen netzwerk recherche. Albrecht Müller.
Das netzwerk recherche lädt zusammen mit dem Bevollmächtigten des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund und dem MainzerMedienDisput für den 26. Februar zu einem Disput über das Thema »Politikberatung in Deutschland – Chancen, Risiken, Nebenwirkungen« ein. (Einladung siehe unten.)
Das Podium ist höchst erstaunlich besetzt, nämlich mit Personen, von denen wirklich kritische Beiträge zum Thema kaum zu erwarten sind. Platz nehmen auf dem Podium darf wie selbstverständlich auch das Mitglied der Geschäftsleitung der Bertelsmann Stiftung, Josef Janning. Wenn man das schon macht, was ich persönlich bereits für eine unnötige Anbiederung halte, dann sollte zumindest jemand ins Podium aufgenommen werden, der die massive Politikberatung und -beeinflussung aus dem Hause Bertelsmann kennt und kritisch hinterfragt.
Die Veranstalter halten das nicht für nötig, noch schlimmer, bei dieser Gelegenheit wird auch noch die Neuauflage des bei Bertelsmann erschienenen Buches »Beraten und Verkauft – McKinsey und Co. Der grosse Bluff der Unternehmensberater« kostenlos verteilt – ein Buch des Machers des netzwerk recherche, das Bertelsmann als mächtigste Beratungsinstitution komplett ausblendet. Wir hatten am 15.8.2007 über diesen Vorgang berichtet Damals hatte sich die taz von einer zuvor abgedruckten kritischen Besprechung des Buches von Thomas Leif distanziert.
Angesichts dieser Situation möchte ich drei Dinge anregen:
Erstens möchte ich unsere Leserinnen und Leser im Raum Berlin animieren, die Tagung am Abend des 26. Februar aufzusuchen. Bitte rechtzeitig anmelden und vorher informieren. Wer sich zum Beispiel für die beratende und prägende Rolle Bertelsmanns in der Bildungspolitik interessiert, kann bei einem längeren Beitrag von Wolfgang Lieb vom 6.12.2006 mit dem Titel „Die Souffleure der Macht – Bertelsmann als informelles Bildungsministerium?“. Oder lesen Sie den gerade eingestellten Beitrag eines praktischen Arztes aus Bayern über die Gesundheitspolitik und die Rolle von Bertelsmann. Oder geben Sie bei uns in die Suchfunktion „Arvato“ ein. Das ist die Tochtergesellschaft von Bertelsmann, die schon eine englische Stadt verwaltet und jetzt auch in Würzburg Funktionen der Kommunalverwaltung übernehmen will – ein neues Geschäftsfeld, dem die Bertelsmann Stiftung mit ihrer Beratung zur Privatisierung und zum schlanken Staat kräftig auf die Beine hilft.
Zweitens: Da die Bertelsmann Stiftung mit dem von ihr beherrschten Bertelsmann-Konzern eine undemokratische und einseitige ideologische Wirkung entfaltet und viele ihrer der Politik aufgenötigten Beratungsvorschläge wichtige gesellschaftliche Einrichtungen zerstören, halten wir es für an der Zeit, die Aberkennung der Gemeinnützigkeit dieses Konzerns zu fordern und diese Forderung zu einem großen Thema der öffentlichen Auseinandersetzung zu machen.
Drittens könnte das netzwerk recherche, da es offensichtlich unsere Bewertung der Bertelsmann Stiftung nicht teilt, einen Beitrag zur Aufklärung leisten. Es sollte zwei Recherchestipendien mit folgenden Themen vergeben:
- Was spricht noch für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit der Bertelsmann Stiftung?
- Was spricht für die Aberkennung der Gemeinnützigkeit der Bertelsmann-Stiftung?
In beiden Fällen ist viel zu recherchieren. In beiden Fällen bedarf die Recherche auch eines fundierten Wissens über steuerrechtliche und demokratietheoretische Fragen. Jedenfalls sind das reizvolle Themen, und sie wären wirklich im Sinne des netzwerks recherche. Und die Finanzierung dürfte kein Problem sein. Dazu müsste man die Bertelsmann Stiftung, die bisher „ausschließlich operativ“ arbeitet, d.h. nur von ihr selbst initiierte Projekte zulässt, allerdings zum ersten Mal dazu bringen, Wettbewerb ernst zu nehmen und Forschungsanträge frei zu vergeben. Das wäre doch mal eine Nagelprobe. – Den Rechercheuren versprechen wir jetzt schon die Unterstützung der NachDenkSeiten und vieler unserer Leserinnen und Leser.