Die meisten sind im Feindmodus. Da wirkt befremdlich, wer freundlich mit den Russen umgeht.
1989, als die Konfrontation zwischen West und Ost zu Ende war, hatten viele gedacht, hiermit seien auch die Propagandaschlachten gegeneinander beendet. Dass wir 25 Jahre später propagandistisch wieder aufeinander einschlagen und militärisch gegeneinander rüsten – unvorstellbar. Das Ende des West-Ost-Konflikts hat sich als Traum erwiesen: Die NATO rückte an die Grenze Russlands heran. Heißer Krieg wegen des Kosovo und in der Ukraine. Kalter Krieg sowieso. Auf Feindmodus umgestellt. Russland antwortete auf die PR-Arbeit und Propaganda des Westens mit Gegeninformation und Gegenpropaganda. Die Senderfamilie RT (Russia Today) wurde vor zehn Jahren gegründet und wird von Russland finanziert. Zum Jubiläum gab es Feiern in Moskau. Der ehemalige CDU-Abgeordnete und Parlamentarische Staatssekretär Willy Wimmer war zu Gast und traf dort Gorbatschow und Putin. Ken Jebsen hat ihn danach interviewt. Siehe hier. Die Existenz und die Arbeit von RT löst in westlichen Reihen heftige, gar hysterische Reaktionen aus. Dazu mehr. Albrecht Müller
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Einige Fragen dazu:
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War und ist die Arbeit dieser russischen Sender berechtigt und richtig?
Wir werden im Westen nicht annähernd umfassend informiert. Über Russland wissen wir wenig. Es gibt Desinformation und Propagandakampagnen. Ein eindrucksvolles aktuelles Beispiel war die am 15. Dezember gelaufene Dokumentation im ZDF „Machtmensch Putin“. So geht es seit Jahren.
Anhand der ZDF-Doku kann man gut sehen, was uns fehlt: etwa Informationen über die Quellen des Films und über die Personen, die als Zeugen auftreten – wer kennt zum Beispiel den politischen und persönlichen Weg des Hauptzeugen Boris Reitschuster und des Medienforschers und Elisabeth-Noelle-Neumann-Schülers Hans Mathias Kepplinger. In deutschen Medien wird es eine umfassende Kritik dieser Doku nicht geben. Von RT Deutsch würde ich das erwarten. Und es gibt sehr viele andere Anlässe und Defizite, die den Anspruch rechtfertigen, den „anderen Part“ – wie RT formuliert – zu liefern. Ob das im konkreten Fall geschieht, ist ungewiss. Ein Medium wie RT wird nur ein Minimum dessen abdecken können, was man als ergänzende Information bräuchte.
Wer sonst liefert den anderen Part? Es ist erstaunlich, dass inzwischen bei uns in Deutschland sogar solche Medien, von denen man es im Vorfeld der Wende von 1989 anders gewohnt war, auf Feindmodus umgestellt haben: Die Zeit, Der Spiegel, die Frankfurter Rundschau, die Süddeutsche Zeitung, die ARD und das ZDF sowieso, In diesen Medien gibt es oft informative Stücke zum Thema. Aber die Grundlinie ist auf Konfrontation gebürstet.In anderen westlichen Ländern geht man übrigens etwas freimütiger mit den russischen Sendern RT um. Anhand des Bildes vom KenFM-Video zum Interview mit Willy Wimmer beschreibt die Redaktion des von Carles Bausmann betriebenen Onlineportals “Russia Insider”, wer alles beim zehnjährigen Jubiläum von RT am Tisch mit Putin saß: Ganz links im Bild, neben Putin, sitzt Michael Flynn, der ehemalige Direktor der US-Militärgeheimdienstes DIA, zu dessen Zeit das mittlerweile freigegebene Dokument über den IS entstand und der das Interview in Al Jazeera gab. Neben Willy Wimmer sitzt Jill Stein, die Präsidentschaftskandidatin der Grünen Partei in den USA, die wirklich erstrebenswerte politische Ziele verfolgt, die jedoch leider im deutschsprachigen Wikipedia-Artikel nicht aufgezählt werden. Z.B. Abzug aller US-Truppen im Ausland, erneuerbare Energie, einen “Green New Deal”, Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel, der öffentlichen Straßen für Fußgänger und Fahrradfahrer, Förderung regionaler Lebensmittel, Senkung des Militärbudgets um 30%.
Michael Flynn und Jill Stein kommen wie Willy Wimmer zu der Feier in Moskau. Offenbar ohne Berührungsängste. Ohne Feindmodus. Man kann den Eindruck gewinnen, dass sich die russischen Medien, besonders RT, zu einer Anlaufstelle für Dissidenten aus dem Westen entwickeln. Die US-Amerikaner sind da um Lichtjahre freier als die Deutschen. Die Deutschen scheinen immer das Gefühl zu haben, sie müssten sich vor den USA rechtfertigen. Das ist das typische Verhalten von treuen Vasallen.
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Staatlich finanziert. Ist das statthaft und wie sieht die Welt in dieser Sache ansonsten aus?
Willy Wimmer geht zu Beginn des erwähnten und verlinkten Interviews auf diese Frage ein. Er weist darauf hin, dass es in westlichen Staaten selbstverständlich ist, dass Medien staatlich finanziert werden und sozusagen als die Stimme des Landes auftreten: die Deutsche Welle und die britische BBC zum Beispiel. Die NATO hat ihre eigene Propagandamaschinerie. Das konnten wir beim Kosovokrieg jeden Tag bewundern und jetzt immer wieder.
Hinzu kommen im Westen eine Fülle von kommerziellen Medien, die in den Händen sehr reicher Personen und Gruppen sind und auch in der Frage des Umgangs mit Russland voll auf Konfrontationskurs liegen. Herausragendes Beispiel bei uns ist die Bild-Zeitung.
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Gefragt sind differenzierte Informationen und Kommentare. Also auch keine Glorifizierung.
Wer Gegeninformation betreiben soll und betreibt, ist leicht geneigt, Gegenpropaganda zu machen. Es wäre glaubwürdiger, differenziert vorzugehen, zum Beispiel militärische Interventionen auch dann infrage zu stellen, wenn sie von russischer Seite betrieben werden. Und wenn wir beispielsweise vom Westen erwarten, dass endlich mit der Erforschung der Ursachen von Terrorakten und der Beteiligung von eigenen Geheimdiensten begonnen wird, dann könnten wir das mit Recht auch von Moskau fordern und erwarten.
Verklärung sollte man unterlassen. Das gilt für die Bewertung der Tätigkeit von RT wie etwa beim zehnjährigen Jubiläum wie auch für die innere Entwicklung von Russland. Bei letzterem setzt Willy Wimmer aus meiner Sicht zu positive Signale. Ob in Russland die Familie als Institution noch intakt ist und die Religion zu Recht eine große Rolle spielt, weiß ich nicht. Letzteres würde ich persönlich auch nicht für begrüßenswert halten.
Diese kritische Anmerkung wird Willy Wimmer aushalten. Er leistet ansonsten eine wichtige Arbeit. -
Es wäre ein Zeichen neuer friedlicher Kooperation, wenn RT in zehn Jahren nicht mehr nötig wäre; und es dann selbstverständlich auch nicht mehr die NATO-Propaganda gäbe; und schon gar nicht die westliche Grundhaltung, wir seien fraglos und grundsätzlich die Guten.
Die Rückkehr zum Kalten Krieg ist Ausdruck einer verheerenden Fehlentwicklung. Sie kann im tatsächlichen tödlichen Konflikt enden. Wir sollten immer bedenken, dass in einem nicht allzu fernen Land, in der Ukraine, Krieg geführt wird, und dass die politische Entwicklung in Osteuropa mit dem Aufleben rechtskonservativer Mehrheiten und die kriegerischen Auseinandersetzungen von Afghanistan über Syrien bis Libyen die Funken für den heißen Krieg sein können.
Beim Entwurf der Ostpolitik spielte die Erwägung eine große Rolle, dass wir mit dem Abbau von Konfrontation auch die innere Entwicklung bei unserem damaligen Gegner, der Sowjetunion und der DDR, mitbestimmen könnten, im Guten wie im schlechten Sinne. Die Formel, die damals von einem Zirkel um Willy Brandt geprägt wurde, lautete: Wandel durch Annäherung. Damit war ein positiver Wandel in der Sowjetunion und im gesamten Ostblock gemeint. Die Strategie ging auf. Jetzt könnte es passieren, dass es zu einem Wandel negativer Art kommt. Die Konfrontation kann die orthodoxen Kräfte, die nationalistischen und die auf das Militär setzenden Kreise fördern. Es kann der Tag kommen, an dem wir die Entmachtung Putins bedauern.