Der tägliche Manipulationsversuch – diesmal mittels Umfrage
Zur Zeit sind wir nahezu täglich Opfer von gezielten Meinungsmanipulationen . Die etablierten Parteien und ein Großteil der Medien machen mit allen Mitteln Stimmung gegen das neue Linksbündnis . Ein Beispiel unter vielen ist die folgende Meldung von SpiegelOnline:
Lafontaine verliert an Neonazis
Nach seinem Höhenflug bei den Umfragewerten hat das Linksbündnis von PDS und WASG seinen ersten Einbruch erlebt. Innerhalb einer Woche gab die Lafontaine-Truppe rund 500.000 potenzielle Wähler an NPD und Republikaner ab. …“
Diese „Meldung“ verdient es, in unsere Rubrik „Manipulation des Monats” eingestellt zu werden.
SpiegelOnline begründet seine Behauptung wie folgt: „Hamburg/Halle – Laut einer Hochrechnung des Meinungsforschungsinstituts Forsa für die “Financial Times Deutschland” gab das neue Linksbündnis vergangene Woche knapp 500.000 Wähler ab und kann demnach nun noch auf 4,5 Millionen Stimmen zählen. Zugleich legten die “Sonstigen Parteien”, darunter die rechtsextremen, um 400.000 auf 1,8 Millionen Stimmen zu.“
Dazu ist zu sagen:
- Der von Forsa angeblich festgestellte Wählerschwund liegt innerhalb des Fehlerbereichs und innerhalb von ganz normalen stimmungsabhängigen Schwankungen Man weiß, dass allein die Bildzeitung mit einem reißerischen Artikel 3-4% Meinungsschwankung bewirken kann.
- Die Ermittlung von Wählerwanderungen ist bei allen Umfragen höchst unsicher. Jedenfalls kann man ohne spezielles Frageraster mit einer schlichten Hochrechnung seriöserweise nicht feststellen, wohin die angeblich 500.000 Abgänger gewandert sind. Die Tatsache, dass NPD und Republikaner zugelegt haben, sagt noch nichts darüber, woher diese Wähler gekommen sind. Hier wird einfach eine politische Absicht in eine Umfrage gepackt, damit das Linksbündnis und seine potentiellen Wählerinnen und Wähler in den Augen der Leser als den Rechtsradikalen nahe stehend diskreditiert werden können.
- Es gibt Umfrageinstitute, bei denen man Ergebnisse bestellen kann Entscheidend für das Ergebnis ist immer auch die Fragestellung und die lässt sich so abfassen, dass bestimmte Ergebnisse, die man wünscht, erwartet werden können bzw. man veröffentlicht einfach unliebsame Ergebnisse nicht. Ich bin in meiner früheren Eigenschaft als Wahlkampfplaner und Wahlkampfberater des öfteren Zeuge solcher Vorgänge gewesen. An ein Beispiel erinnere ich mich noch sehr gut: In der Schlussphase eines Landtagswahlkampfes in Nordrhein-Westfalen in den achtziger Jahren fragte der Landesgeschäftsführer in die Runde der Wahlkampfmacher und Berater, welches Ergebnis wir uns vom Umfrageinstitut wünschen sollten. Diese Frage war legitim. Schließlich ist es in der Schlussphase eines Wahlkampfes wichtig zu entscheiden, ob man den eigenen Anhängern mit einem schlechten Umfrageergebnis eher signalisieren soll, dass sie noch mobilisieren müssen, oder ob man den eher unpolitischen potentiellen Wählern signalisieren soll, mit ihrem Votum – in konkreten Fall für die SPD – sind sie bei den Siegern, also dem sog. Go-with-the-Winner-Effekt. Das Umfrageergebnis fiel der strategischen Überlegung entsprechend aus.
So legitim solche strategischen Überlegungen auf der Seite der wahlkämpfenden Parteien sind, so wichtig ist es auf Seite der Betroffenen, der Wählerinnen und Wähler, zu wissen, dass mit Umfragen die Absicht verfolgt wird, Wähler zu beeinflussen, man kann auch sagen, dass die öffentliche Meinung manipuliert wird.
Das hier skizzierte Beispiel ist nur eines von vielen Beispielen für Manipulationen und für die Diffamierungsversuche in der öffentlichen Debatte, die wir erleben, seit die etablierten „Reform“- Parteien Konkurrenz bekommen haben. Das zeigt, wie sehr sich die Anhänger eines neoliberalen Reformkurses bedroht fühlen. Sie konnten sich bisher beruhigt zurück lehnen und darauf bauen: Macht Schröder das Rennen, dann bleibt es bei der Agenda, wird Merkel Bundeskanzlerin, dann bleibt es erst recht bei der Agenda. Das nun ein neues Linksbündnis, alle diese Kalkulationen durcheinander wirbeln könnte, weil es der SPD, den Grünen aber auch der CDU Wahlanteile wegnehmen könnte, macht sie hoch nervös und lässt sie nach allen möglichen Mitteln greifen, diese sich etablierende politische Kraft zu desavouieren. Eines dieser Mittel ist das Abschieben in die rechtsradikale Ecke.
Es ist schon schlimm genug, dass wahlkämpfende Politiker diesen braunen Schlamm werfen, noch schlimmer ist, dass sich auch ein Großteil der Medien an solchen politischen Schlammsschlachten beteiligen, und das noch unter dem Mantel unabhängiger Berichterstattung.