Hinweise des Tages

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  1. Die wahren Sozialschmarotzer
    Mit dem Arbeitslosengeld II wird die deutsche Wirtschaft in hohem Maße subventioniert. Ein gesetzlicher Mindestlohn von wenigstens acht Euro pro Stunde könnte Lohndumping stoppen.
    Quelle: Junge Welt
  2. Sparen für nichts – trotz privater Altersvorsorge später arm
    Sozialamt Frankfurt am Main. Wer im Alter zu wenig hat, der stellt hier seinen Antrag auf staatliche Unterstützung, Sozialhilfe im Alter. Sachbearbeiter Knut Koch kümmert sich darum. Von ihm wollen wir wissen: Gibt es Produkte der privaten Altersvorsorge, die nicht mit der Grundsicherung verrechnet werden?
    Wie sieht es mit der Lebensversicherung aus? – “Die Lebensversicherung wird entweder als Vermögen verrechnet, wenn Sie eine Einmalzahlung am Ende der Laufzeit bekommen, oder, wenn sie auf Rentenbasis abgeschlossen worden ist, als laufende Einnahme pro Monat gegengerechnet”, sagt Knut Koch. Auch private Rentenversicherungen würden ganz normal angerechnet wie die gesetzliche Rente auch. Ebenso Betriebsrenten.
    Gibt es denn irgendein Altersvorgeprodukt, das nicht mitverrechnet wird? “Ich könnte Ihnen jetzt keines nennen”, sagt der Praktiker.
    Quelle 1: ARD-PlusMinus (Text)
    Quelle 2: ARD-Plusminus (Video)

    Anmerkungen: Da muss sogar „Rentenexperte“ Meinhard Miegel fast klein beigeben. „Deswegen gilt wirklich, wenn jemand jung ist mit einem niedrigen Einkommen, dann kann es Sinn machen, Sparleistungen zu erbringen. Wenn einer aber die Lebensmitte überschritten hat und im Gesamtblick sagen kann, meine Einkommensverhältnisse werden niedrig bleiben, sie waren in der Vergangenheit niedrig, sie werden künftig niedrig sein, für den stellt sich die Frage etwas anders, für den macht es keinen Sinn jetzt Sparleistungen zu erbringen.” Fazit des Beitrags: „Die Politik muss aufpassen, das mühsam erworbene Vertrauen in die private Altersvorsorge nicht zu verspielen. Und ohne die geht es nicht, wenn es auf den Fluren der Sozialämter auch in Zukunft einigermaßen ruhig bleiben soll.“ Miegel war einer der schlimmsten Einpeitscher für die private Altersvorsorge. Er war gefragter „Experte“ auf allen Kanälen. Die NachDenkSeiten nannten ihn schon den Running-Gag der Privatvorsorge. Nie hat er solche Wahrheiten, wie jetzt in PlusMinus auch nur angedeutet. Die halbe Wahrheit zu sagen ist eben oft eine ganze Lüge.

    Quelle 3: ARD-Plusminus – Interview mit Meinhard Miegel

  3. Thomas Fricke: Erste gesammelte Rezepte gegen die Rezession
    Während sich unsere Kanzlerin intensiv Gedanken über die Haushaltsführung des Jahres 2011 nach Christus macht, läuft in den USA die Debatte über konjunkturelle Stützungsmaßnahmen für die nächsten Wochen und Monaten jetzt auf Hochtouren. Nun gibt es von renommierten Experten die ersten Leitfäden, wann welche Konjunkturpakete wie wirken würden. Lehrreich.
    Nach dem groben Raster aus Kosten-Nutzen, Implementierungszeit und Wirkungssicherheit stünde danach an erster Stelle: eine Erhöhung von Ausmaß oder Bezugsdauer von Arbeitslosenunterstützung. Wirkt effizient, weil die Bevorteilten ihr Geld auch wieder ausgeben; geht schnell; und wirkt relativ sicher. Sagt Herr Beck ja schon die ganze Zeit.
    Quelle: FTD
  4. Lucas Zeise: Anfälle von Wirtschaftspolitik
    Wenn … stimmt, was der Spiegel schreibt, dass Minister Michael Glos genau für den Fall, dass meine Vermutung eintrifft, ein “Hilfspaket für die Konjunktur entwerfen” lässt. Dann wäre mein Glück im konjunkturellen Unglück fast vollkommen. Das in Deutschland von allen Bundesregierungen seit 1982 vertretene ultraorthodoxe unglaublich dumme Verbot, Konjunkturpolitik zu betreiben, wäre endlich gebrochen. Vielleicht ist Michael Glos der richtige Mann, um dieses Tabu zu brechen. Er erzählt vor laufender Kamera gern neoliberale Glaubenssätze, als wären es Volksweisheiten. Vielleicht fällt es den ordnungspolitischen Sittenwächtern gar nicht auf, wenn der Wirtschaftsminister plötzlich Wirtschaftspolitik betreibt.
    Und ob es auffällt! Ich hatte diese Sätze gestern, am 15. Januar als hoffnungsfrohes Entrée für den Herdentrieb kaum formuliert, da hatte Frau Merkel den guten Glos schon zurückgepfiffen. Auch ihm wird kein Abweichen von der Orthodoxie gestattet. Der ausgeglichene Staatshaushalt hat Priorität. Es wird in diesem Land Wirtschaftspolitik nicht geben, und ich wäre besser Zyniker geblieben.
    Quelle: Zeit – Herdentrieb
  5. Arm, vorbestraft, gewalttätig
    Rund 70 Prozent aller Urteile gegen Jugendliche sind Erziehungsmaßnahmen wie Trainingskurse oder Arbeitsstunden. „Das ist auch angemessen“, sagt Jochen Goerdeler von der Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen. Denn von den Jugendlichen, die in einem Gefängnis saßen, werden rund 80 Prozent wieder straffällig. Mehr als 50 Prozent werden mindestens ein zweites Mal zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.
    Sie bleiben selten länger als ein Jahr hinter Gittern: Knapp über die Hälfte der rund 6900 jungen Menschen sitzt wegen Gewalttaten in Jugendgefängnissen – darunter meist Männer aus bildungsfernen Familien.
    Fachleute sind sich einig: Je weniger Bildung er hat und je ärmer er ist, desto eher wird ein junger Mann kriminell – darin unterscheiden sich Deutsche nicht von Einwanderern. Fast zwei Drittel aller jungen Häftlinge haben keinen Schulabschluss, 90 Prozent keine Berufsausbildung.
    Quelle: Tagesspiegel
  6. Bertelsmann: Die Massen führen
    Der einflussreichste private Polit-Thinktank der Bundesrepublik verlangt eine umfassende Entmachtung der kleineren EU-Staaten auf dem Gebiet der Außen- und Militärpolitik. Dies geht aus einem soeben veröffentlichten Strategiepapier der Bertelsmann-Stiftung hervor. Das Papier, das die künftige globale Machtentfaltung “Europas” befördern soll, enthält weitreichende Vorschläge für die Formierung der EU, darunter die Forderung, einen “EU-Sicherheitsrat” zu installieren. Dem Gremium, das die gesamte Sicherheitspolitik der EU zu überwachen habe, sollen nur die sieben Länder mit dem größten Militärhaushalt dauerhaft angehören.
    Die restlichen Staaten hätten sich dagegen mit einer befristeten, rotierenden Mitgliedschaft zufrieden zu geben, heißt es in dem Bertelsmann-Dokument. Es sieht außerdem umfangreiche Aufrüstungsprogramme vor und strebt machtpolitische Konkurrenzfähigkeit gegenüber den USA an. Weil die Bevölkerung der EU-Staaten gegenwärtig noch der Armutsbekämpfung den Vorrang vor globaler Machtentfaltung gibt, empfehlen die Autoren des Papiers gezielte Propagandamaßnahmen und entschiedene “Führung”.
    Quelle: Informationen zur Deutschen Außenpolitik (german-foreign-policy.com)
  7. Contenance, Herr Mehdorn!
    Der Bahnboss wirkt unglaubwürdig. Er operiert mit nicht nachvollziehbaren Zahlen. Fachleute rechnen vor, dass die Tarifabschlüsse jährliche Kosten im zweistelligen Millionenbereich verursachen – und nicht Milliardenhöhe erreichen, wovon Mehdorn spricht. Seine Heftigkeit hat einen anderen Grund: Dem Konzernchef schwimmen die Felle davon.
    Quelle: FR

    Siehe dazu auch:

    Was kostet die Lohnerhöhung der Lokführer?
    Einer unserer Leser hat sich dazu Gedanken gemacht und nachgerechnet:
    „Da frage ich mich als Bahnreisender – und weil ich gerade Zeit habe – natürlich: “Hat Herr Mehdorn nicht Recht? Was macht das eigentlich wirklich an Mehrkosten aus?” Machen wir mal eine Milchmädchenrechnung. Die dürfte wenigstens die “Tendenz einer Wahrheit” anzeigen.
    Wieviel Kilometer werden von der Bahn auf dem Bahnnetz zurückgelegt?
    1016 Mio. Trassenkilometer (darin sind sowohl Personenverkehr und Güterverkehr enthalten).
    Quelle: Deutsche Bahn, Kennzahlen 2006:

    Welche Kosten fallen für die Lohnerhöhung der Lokführer an?
    Hierzu kursieren verschiedene Zahlen: 400-450 Mio. Euro und 70 Mio. Euro. Es scheint wohl so zu sein, dass die höhere der Zahlen die Tarifabschlüsse aller 3 Gewerkschaften berücksichtigt (GDBA, GDL, TRANSNET) und sich die 70 Mio. nur auf die Lokführer beziehen.
    Quelle: Spiegel Online, 15.01.2008, “Alle gegen Mehdorn“

    Also rechnet Hänschen Müller:

    Wie hoch sind die Mehrkosten je zurückgelegtem Trassenkilometer?
    Ergebnis für die Lohnerhöhung nur der Lokführer: ca. 0,08 Euro oder auch 8 Cent (Mehrkosten = Lohnerhöhung / Trassenkilometer) je Kilometer.

    Was kostet das die Bahnreisenden?
    Gäbe es keinen Güterverkehr und würde die Lohnerhöhung der Lokführer komplett vom Personenverkehr getragen, käme man bei ca. 1.854 Mio. Reisenden und einer Verkehrsleistung (= beförderte Personen * durchschnittliche Reiseweite) von 74.788 Mio. km im Personenverkehr (Quelle: Deutschen Bahn, Kennzahlen 2006:) und einer daraus leicht zu berechnenden durchschnittlichen Reiseweite von ca. 40 km (Verkehrsleistung / Anzahl der Reisenden = durchschnittliche Reiseweite) auf enorme Mehrkosten von ca. 0,038 Euro (oder knapp 4 Cent) je Durchschnittsreise (die wohlgemerkt über 40 km geht).

    Für eine 250 km lange Reise entstehen demnach Lokführer-Mehrkosten von nicht mal 0,25 Euro je Reisendem. Ich meine, das ist bezahlbar und davon wird Deutschland nicht untergehen. Zudem ist die beträchtliche Kaufkraftsteigerung von mehr als 10000 Familien auch nicht zu verachten.
    Es wäre wohl falsch zu sagen, das alles koste gar nichts – vor allem, wenn man die Lohnerhöhungen aller drei Gewerkschaften berücksichtigt, aber wenn Herr Mehdorn mal nachrechnen sollte, dürfte die Preiserhöhung im Personenverkehr eigentlich nicht allzu hoch ausfallen und bezahlbar bleiben.
    Vielleicht rechne ich ja völlig falsch – aber ich bin ja auch nur Hänschen Müller – eben ein Bahnfahrer.“

  8. Lobbyismus, Medien und CSU: Das schwarze Netzwerk des Klemens J.
    In Berlin und Brüssel sind Lobbyisten zur Großmacht geworden. Sie wirken leise und effizient – so wie der bayerische Unternehmer Klemens Joos. Der Gründer des Internetportals Polixea hat vor allem mit Unionsfreunden einen vitalen Verbund aus Lobby und Medien geschaffen. Ein Fallbeispiel.
    Quelle 1: Süddeutsche
    Quelle 2:LobbyControl
  9. Hartz-IV-Tribunal in Frankfurt am Main: Druck auf Veranstalter, öffentliche Anhörung abzusagen
    Am Freitag findet in Frankfurt am Main ein »Hartz-IV-Tribunal« von Erwerbsloseninitiativen mit verschiedenen Bündnispartnern statt, darunter dem DGB Hessen. Im Vorfeld wollte man sie dazu bewegen, die Veranstaltung abzublasen, in der ALG-II-Bezieher und Beschäftigte von Jobcentern ihre Fälle darstellen. Von den Verantwortlichen, die bei diesem Tribunal »angeklagt« werden, wird es offenbar sehr ernst genommen. So ernst, dass etwa Conrad Skerutsch, Geschäftsführer der Werkstatt Frankfurt, nach einem jW vorliegenden Schreiben versucht, andere Beschäftigungsträger gegen das Tribunal aufzubringen.
    Quelle 1: Junge Welt
    Quelle 2: DGB Hessen
  10. Leben in Berlin wird immer gesünder
    Die Berliner leben immer länger, gesünder und werden medizinisch besser versorgt als in früheren Jahren. Das geht aus dem aktuellen Gesundheitsbericht hervor, den Berlins Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Linke) am Mittwoch vorstellte. Damit liegt die Hauptstadt beim Lebensalter erstmals fast im Bundesdurchschnitt. Allerdings geht der insgesamt positive Trend an den in Berlin lebenden Ausländern vorbei.
    Doch zeigen die Statistiken auch, dass der soziale Status für den Gesundheitszustand der Bevölkerung weiterhin der entscheidende Faktor ist, sagte Lompscher. Ein Hinweis dafür ist die Lebenserwartung in den Bezirken: So beträgt sie bei einem Mann im als relativ wohlhabend geltenden Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf 78,5 Jahre, in Friedrichshain- Kreuzberg dagegen mehr als vier Jahre weniger.
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung Orlando Pascheit: Es ist wie beim Pro-Kopf-Einkommen. Hinter den Durchschnittswerten verbirgt sich oft eine ansteigende Polarisation der Lebensbedingungen. Mit Problemstadtteilen wie Wedding, Neukölln oder Kreuzberg sind auch die Viertel benannt, in denen sich Armut und Arbeitslosigkeit verfestigt haben.

    Siehe dazu auch:

    Geteiltes Berlin
    Gesundheitsbericht: Unterschiede zwischen armen und reichen Bezirken verfestigt.
    Quelle: Junge Welt

  11. Roland Koch opfert die Gesundheit Hunderttausender im Rhein-Main-Ballungszentrum den Dividenden von FRAPORT
    Die hessische Landesregierung unter Roland Koch erweckt den Eindruck, den berechtigten wirtschaftlichen Interessen der Flughafen-Betreiber stünden die kleinliche Sorge um Ruhestörung oder um sinkende Immobilienpreise gegenüber.
    Tatsächlich geht es um konkrete medizinische Folgeschäden. Die mit der Ausweitung des Luftverkehrs unwidersprochen steigende Lärm- und Schadstoffbelastung von Hunderttausenden von Menschen im Rhein-Main-Ballungszentrum durch den Bau einer zusätzlichen Landebahn wird nachteilige Auswirkungen nicht nur auf die Lebensqualität im allgemeinen sondern vor allem auch auf die Erkrankungswahrscheinlichkeit (Morbidität), die Sterblichkeitswahrscheinlichkeit bzw. die Lebenserwartung (Mortalität) haben. Die Chancen der unter diesen Bedingungen aufwachsenden Kinder und Jugendlichen für eine gesunde geistige und körperliche Entwicklung werden sinken.
    Quelle: Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte e.V.

  12. Rendite-Gier und milder Winter stoppen ATU
    Die Kette Autoteile Unger sollte für den amerikanischen Finanzinvestor KKR ein weiteres Vorzeigeinvestment werden. Doch die Expansionspläne waren zu ehrgeizig. Die Verschuldung hat bedenkliche Ausmaße erreicht. Nun steckt ATU in einer tiefen Krise.
    Quelle: WELT
  13. Welches Studium bares Geld wert ist
    Einer Studie der Universität Frankfurt/Main zufolge sind die Fachbereiche Recht- und Wirtschaftswissenschaft sowie Medizin, mit gewissem Abstand auch die Mathematik- und Naturwissenschaften sowie die Ingenieurwissenschaft, besonders attraktiv für die Geldbörse. Wer ein Studium in einem dieser Fachbereiche aufnimmt, könne mit einer “durchschnittlichen Rendite von mehr als sechs Prozent” nach dem Abschluss rechnen, sagt Studienautor Martin Weldi. Das Studium lohnt sich also finanziell und gleicht die Einkommensverluste während der Hochschulzeit später wieder aus.
    Quelle: SZ

    Anmerkung: Und was passiert, wenn immer mehr junge Menschen ihr Studium als privates Investment in ihr „Humankapital“ betrachten und sich den Renditefächern zuwenden. Richtig:
    Es gibt ein größeres Angebot und das senkt bei nicht gleichzeitig steigender Nachfrage den Preis und damit die Rendite. Wie kurzfristig denken doch diese Renditespekulanten.

  14. Sinkflug und Absturz
    Kapitalabfluß, zurückgehende Nachfrage, private Verschuldung, Immobilienblasen: Polen und Osteuropa am Vorabend der Weltfinanzkrise.
    Quelle: Junge Welt
  15. Kardinal Lehmann folgt ein langer Winter
    Klar ist: Die Bischofskonferenz wird noch konservativer werden, als sie jetzt schon ist. Die wenigen Liberalen unter den deutschen Oberhirten haben einen langen Winter vor sich. Und Benedikt XVI. wird sich klammheimlich die Hände reiben, dass er nun seinen alten Widersacher mehr oder weniger los ist. Denn Lehmann bleibt ja als Bischof von Mainz Mitglied der Bischofskonferenz. Und wer weiß, vielleicht wird Lehmann eines Tages unter dem “Jüngsten Gericht” Michelangelos auch noch den Nachfolger Benedikts mitwählen dürfen. Das wäre eine merkwürdige Pointe. Denn es ist ein offenes Geheimnis, dass Lehmann beim letzten Konklave einer der Wortführer der liberaleren Kardinäle war, die Ratzinger zu verhindern suchten – vergeblich.
    Quelle: taz
  16. Zu guter Letzt:
    Ein hochaktuelles Gedicht aus dem Jahre 1930 von Erich Kästner:

    “Patriotisches Bettgespräch”
    Hast du, was in der Zeitung stand, gelesen?
    Der Landtag ist mal wieder sehr empört
    von wegen dem Geburtenschwund gewesen.
    Auch ein Minister fand es unerhört.

    Auf tausend Deutsche kämen wohl pro Jahr
    gerade 19 Komma 04 Kinder.
    04! Und so was hält der Mann für wahr!
    Daß das nicht stimmen kann, sieht doch ein Blinder.

    Geburtenrückgang hat er noch gesagt,
    sei, die Geschichte lehrt es, Deutschlands Ende,
    und deine Fehlgeburt hat er beklagt.
    Und das er, daß man abtreibt, gräßlich fände.

    Jawohl, wir sollen Kinder fabrizieren.
    Fürs Militär. Und für die Industrie.
    Zum Löhnesenken. Und zum Kriegverlieren!
    Sieh dich doch vor. Ach so, das war dein Knie.

    Na, komm mein Schatz. Wir wollen ihm eins husten
    Dein Busen ist doch wirklich noch famos.
    Ob unsere Eltern, was wir wissen, wußten…
    Wer nicht zur Welt kommt, wird nicht arbeitslos.

    Der Kinderreichtum ist kein Kindersegen.
    Deck uns schön zu. Ich bild mir ein, es zieht.
    Komm, laß uns den Geburtenrückgang pflegen!
    Und lösch die Lampe aus. Des Landtags wegen.
    Damit er es nicht sieht.

    Anmerkung: Zwischen 1925 und 1930 kamen die Ehen nur auf 1,98 Kinder. Heute rechnet man ja Kinder pro Frau und kommt auf 1,34 Kinder.

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