Hinweise des Tages
Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (AT)
Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
- BND
- Flüchtlingspolitik
- Jahresgutachten der “Wirtschaftsweisen”
- Portugal
- Griechenland auf dem Weg zum EU-Protektorat? Ultimatum zur Zwangsversteigerung von Immobilien
- Fabian Fritzsche: Austerität funktioniert?
- Junckers Gelehrtenclub
- Illegale staatliche Beihilfen durch „tax rulings“ sind in manchen Bundesländern Deutschlands nicht auszuschließen
- TISA ist gefährlicher als TTIP und CETA – und dennoch unbekannt
- Das Pentagon setzt auf die Mensch-Maschine-Kooperation
- Zwischen Spott und Häme
- Nach fast fünf Jahren in die nächste Runde
- Carsten Frerk über die Privilegien der Kirchen: “Der Staat macht sich zum devoten Deppen”
- Hochschulen: 90 Prozent befristete Stellen
- TV-Debatte: Wen interessieren schon die Fakten?
- Stoff für Fremdenfeinde: die erfolgreiche Social-Media-Strategie von „Focus Online“
- Notstand und Staatsräson: Zum Tod von Helmut Schmidt
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
- BND
- Geheime BND-Mails enthüllen Streit um Datenweitergabe an NSA
Das BND-Gesetz erlaubt eine Weitergabe von Daten nur unter strengen Auflagen. Dies hat der BND im Fall Bad Aibling offenkundig ignoriert. BND-Präsident Gerhard Schindler und Ulrich Pferr aus dem BND-Leitungsstab etikettierten daraufhin Daten, die eigentlich als rechtswidrig galten, zu rechtskonformen um. Die darauffolgenden Einwände der Datenschutzbeauftragten des BND und von Referenten des Bundeskanzleramtes wurden ignoriert.
Pullach, Montagmorgen, 5. August 2013. Dienstbeginn im Bundesnachrichtendienst. Für den Nachmittag sind Gewitter vorhergesagt. Dem BND steht an diesem Tag noch ein ganz anderes Gewitter bevor. In den folgenden drei Tagen wird sich die Rechtsauffassung des BND zu einer grundlegenden Frage um 180 Grad drehen. Es gibt Streit darüber. Im BND, im Bundeskanzleramt. Am Ende gewinnt nicht das Recht. Es gewinnen die Chefs. Wie heftig der Streit geführt wird, zeigen vertrauliche E-Mails und Dokumente aus BND und Kanzleramt, die der SZ vorliegen. Sie liefern erstmals das ganze Bild eines Disputs, der am Ende die BND-Datenschutzbeauftragte und ein Referat im Bundeskanzleramt düpiert zurücklässt.
Quelle: Thorsten Denkler in der Süddeutschen - BND hörte deutschen Diplomaten ab
Nach rbb-Informationen hat der Bundesnachrichtendienst auch den Diplomaten Hansjörg Haber abgehört. Da Haber Deutscher ist, hätte dies nach dem Grundgesetz aber nicht passieren dürfen. Politisch hochbrisant ist auch, dass der französische Außenminister Laurent Fabius vom BND belauscht wurde.
900 Seiten lang ist die Liste, die der BND über seine Spionageziele in Europa und den USA vorgelegt hat, eine lange Liste mit Telefonnummern, E-Mail-und IP-Adressen – sogenannten Selektoren zum Abhören und Mitlesen der Kommunikationsströme. Die Bundestagsabgeordneten Armin Schuster von der CDU, Hans-Christian Ströbele von den Grünen und Uli Grötsch von der SPD haben unterstützt von Mitarbeitern der Bundestagsverwaltung die Liste in den vergangenen zwei Wochen gesichtet. Am Mittwoch werden sie dem Parlamentarischen Kontrollgremium berichten, was sie vorgefunden haben.
Es geht darum, in welchem Umfang der BND Spionage unter Freunden betrieben hat – sprich europäische und US- Einrichtungen abgehört hat – zumindest bis Oktober 2013. Dann nämlich soll der BND auf Anweisung des Kanzleramts die Reißleine gezogen haben. Kurz zuvor hatte Angela Merkel die Spionage der NSA mit dem Satz kommentiert: “Abhören unter Freunden geht gar nicht.”
Quelle: rbb - Ausspähen unter Freunden
Der Bundesnachrichtendienst (BND) hat Frankreichs Außenminister Laurent Fabius, diplomatische Vertretungen mehrerer EU-Staaten und der USA, UNICEF sowie einen deutschen Diplomaten ausspioniert. Dies geht aus aktuellen Berichten unter Bezug auf eine vom BND vorgelegte, 900 Seiten starke Liste sogenannter Selektoren hervor. Über das Ausspähen enger Verbündeter ist das Bundeskanzleramt laut einem hohen Regierungsbeamten bereits 2008 informiert worden. Verantwortlich für den BND war damals in letzter Instanz Kanzleramtsminister Thomas de Maizière. Elektronisch ausgeforscht worden sind, wie es heißt, auch mehrere US-Ministerien, darunter das State Department, zudem das Internationale Komitee vom Roten Kreuz und eine Vertretung des Vatikan. Die These, der BND sei in der Kooperation mit der NSA, in der er die Kommunikation zahlreicher Verbündeter abfing und an den US-Dienst weiterreichte, von diesem sozusagen über den Tisch gezogen worden, ist nun endgültig nicht mehr zu halten. Nicht bekannt ist bisher, ob die eigenständigen Spionageattacken des BND auf EU-Staaten sowie die USA bereits – wie die Kooperation mit der NSA – unter Rot-Grün begannen. Die Letztverantwortung für den BND trug damals Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier.
Quelle: German-Foreign-Policy
- Geheime BND-Mails enthüllen Streit um Datenweitergabe an NSA
- Flüchtlingspolitik
- Christdemokratischer Coup
Merkels General stellte sich hinter de Maizières Coup und lieferte gleich noch eine dreiste Begründung:
Das Dublin-Verfahren sei ein „Rechtssystem in Europa“, sagte Kauder dem Fernsehsender N24. „Und wir müssen schon die Europäer darauf hinweisen, dass das, was vereinbart wurde, gilt.“
Soso. Wir, die CDU/CSU, müssen „die Europäer“ auf das „Rechtssystem in Europa“ hinweisen. Genau das System, das wir, die CDU/CSU, mit einem Federstrich ausgesetzt haben. Sehr interessant.
Damit offenbart Kauder nicht nur christdemokratische Willkür – die SPD wird einfach übergangen. Sie zeigt auch, was sie von den angeblich so heiligen EU-Regeln hält: nichts.
Im deutschen Europa gelten die Regeln nur dann, wenn sie Merkel, De Maizière und Kauder in den Kram passen. Dasselbe könnten wir bald mit Schengen erleben…
Quelle: Eric Bonse auf Lost in Europe - In Rufweite zur Staatskrise
Die Flüchtlingskrise führt zur Lagerbildung in der Koalition. Gibt es keinen Befreiungsschlag von Angela Merkel, wird ihre Entmachtung weiter beschleunigt
Thomas de Maizière hat nicht nur Fakten geschaffen. Er hat bisher auch demonstrieren können, dass ihn die Kanzlerin dafür nicht abstrafen und entlassen kann – was sie im Interesse ihrer Richtlinienkompetenz tun müsste. Sie bleibt einen solchen Befreiungsschlag schuldig, weil sie ihn offenkundig nicht führen kann oder will. Beides kratzt an ihrem Status und ihrer Kernkompetenz als Regierungschefin.
Entweder wurde der Innenminister als Minenhund vorgeschickt, um das Terrain zu sondieren, bevor der Status syrischer Flüchtlinge offiziell herabgestuft wird. Oder Thomas de Maizière riskiert bei seinem Vorstoß keinen Rauswurf, weil Angela Merkels Rückhalt im Kabinett genauso bröckelt wie in der eigenen Partei. Von der CSU einmal abgesehen, stießen die jüngsten Erklärungen und Interviews des Innenministers bemerkenswerterweise auf Deutung und Verständnis von Finanzminister Wolfgang Schäuble. Der vertrat in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ gleichfalls die Auffassung, man müsse in Betracht ziehen, dass Flüchtlinge aus Syrien nur noch Aufenthaltsrechte für ein Jahr genießen und ohne Familiennachzug auskommen müssen.
Quelle: der Freitag - Bundesregierung streitet sich auf offener Bühne
Innenminister de Maizière behauptet, dass beim Familiennachzug von Flüchtlingen mit dem “Faktor 4” gerechnet werden müsse. Also auf einen Flüchtling sollen noch vier Angehörige kommen, die nachkommen würden. Das Auswärtiges Amt schreit bei dieser Rechnung “Bullshit!”… auf der diplomatischsten Weise überhaupt! Zum Glück ist sich niemand an die Gurgel gegangen…
Quelle: Jung und Naiv via FacebookAnmerkung AT: Inzwischen wird weiter an der Eskalationsschraube gedreht. Finanzminister Schäuble vergleicht die Zuwanderung aktuell mit einer Lawine.
- Wie Investoren Kasse machen
Die Kommunen sind am Limit: Hunderttausende Flüchtlinge kommen nach Deutschland. Alle müssen untergebracht und versorgt werden. Findige Investoren nutzen dies für lukrative Geschäfte, ob mit Immobilien oder Catering.
Quelle: BR - Nachtrag zu: Wie falsche Bilder von Flüchtlingen entstehen
Boris Palmer hat uns kurz nach Erscheinen unseres Eintrags eine Mail geschickt, die wir mit seinem Einverständnis hier veröffentlichen: […]
Es müssten „die Fakten benannt werden“, schreibt Palmer. Also gut.
Sein Hauptgegenargument sind die Flüchtlinge vom Balkan. Er schreibt:
„Betrachtet man die Zahlen ohne die Flüchtlinge vom Balkan, liegt sogar die Zahl des Bamf schon bei etwa 50% junger Männer.“
Das wollten wir überprüfen und haben das BAMF gebeten, uns die Zahlen aufgeschlüsselt nach Alter, Geschlecht und Herkunftsländern zuzuschicken. Antwort:
„(…) leider haben wir keine Altersgruppen nach Herkunftsländern. Ich kann Ihnen also leider nicht weiterhelfen.“
Wo also hat Palmer die BAMF-Zahl her, wenn nicht mal das BAMF sie hat? Wir haben ihn gefragt. Geantwortet hat er nicht. Sie dürfte also ebenfalls erfunden eine Schätzung sein.
Quelle: BILDblog
- Christdemokratischer Coup
- Jahresgutachten der “Wirtschaftsweisen”: Kosten für Flüchtlinge sind “tragbar”
Eine Million Flüchtlinge werden in diesem Jahr erwartet. Die “Wirtschaftsweisen” halten die Kosten für verkraftbar. Allerdings müssten Flüchtlinge leichter einen Job finden können. Die Regierungsberater fordern dafür Mindestlohn-Ausnahmen. […]
Von einer Erhöhung des Mindestlohns von derzeit 8,50 Euro je Stunde sei abzuraten. “Der Mindestlohn dürfte für viele Flüchtlinge eine hohe Eintrittsbarriere darstellen. Angesichts des steigenden Arbeitsangebots im Niedriglohnbereich sollte der Mindestlohn keinesfalls erhöht werden”. Anerkannte arbeitsuchende Flüchtlinge sollten von Beginn an als Langzeitarbeitslose gelten.
Die Ausnahme vom Mindestlohn für Langzeitarbeitslose in einer neuen Beschäftigung sollte von sechs auf zwölf Monate verlängert werden. Praktika sollten zumindest bis zu einer Dauer von zwölf Monaten vom Mindestlohn ausgenommen werden. Ein nach Alter gestaffelter Mindestlohn könnte die Eintrittshürde für junge Erwachsene senken. Flexible Beschäftigungsmöglichkeiten, etwa in der Zeitarbeit oder über Werkverträge, müssten erhalten bleiben, schlagen die Experten vor: “Den Migranten sollten keine Privilegien gegenüber anderen Beschäftigten eingeräumt werden, sie sollten aber auch nicht schlechter gestellt werden.”
Quelle: TagesschauAnmerkung AT: Die Mehrheit der Wirtschaftsweisen macht weiterhin Stimmung gegen den Mindestlohn. Peter Bofinger – auch Wirtschaftsweise – hält in seinem Minderheitsvotum, das ebenfalls Teil des Jahresgutachtens ist, dagegen. Leider versäumt es die Tagesschau, darauf entsprechend hinzuweisen. Deshalb hier zwei Kernaussagen von Bofinger:
Der Geltungsbereich des gerade eingeführten Mindestlohns soll eingeschränkt werden, obwohl es bisher in den davon besonders betroffenen Branchen zu einem stärkeren Anstieg der Beschäftigung gekommen ist als in anderen Bereichen der Wirtschaft.
Die externe Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt soll gestärkt werden, obwohl die Beschäftigungslage in Deutschland – trotz eines in der Tat hohen Schutzniveaus der Arbeitnehmer – kaum besser sein könnte.dazu: „Mindestlohn nicht ändern“
Peter Bofinger rät davon ab, für Flüchtlinge die Lohnuntergrenze zu durchlöchern. Die Kosten der Zuwanderung seien verkraftbar. […]
Bofinger: Bisher bereitete der Mindestlohn keine Probleme. Ich sehe keinen Bedarf, ihn zu verändern. Heute schon können Langzeitarbeitslose während der ersten sechs Monate schlechter entlohnt werden. Das sollte auch für Flüchtlinge gelten.
Quelle: tazAnmerkung AT: Allerdings gibt es auch keinen Grund, Langzeitarbeitslose während der ersten sechs Monate schlechter zu stellen.
Dazu auch: Die Wirtschaftsweisen und der Mindestlohn: Sachverständige ohne Sachverstand
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat sein Jahresgutachten vorgelegt. Die so genannten Wirtschaftsweisen sind offiziell zu wirtschaftspolitischer Neutralität verpflichtet. Faktisch liefern sie aber sehr fragwürdige und hochideologische Empfehlungen, davon legen ihre Einlassungen zum Mindestlohn in den letzten drei Gutachten beredtes Zeugnis ab.
Quelle: annotazionidazu auch: Mehr gute Arbeit für alle – Flüchtlinge nicht für neues Lohndumping missbrauchen
Arbeit ist der Schlüssel zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, Arbeitslosigkeit in der Regel mit Armut und Ausgrenzung verbunden. Auch wenn derzeit Fragen der Unterbringung der Flüchtlinge sowie der Bekämpfung von Fluchtursachen im Vordergrund stehen, müssen die Weichen für eine gleichberechtigte Teilnahme am Erwerbsleben für Flüchtlinge jetzt gestellt werden. Denn nichts ist zynischer, als die Integration von Menschen einzufordern, denen man gleichzeitig den Zugang zu Arbeits- und Ausbildungsplätzen verweigert. […]
Für gleiche Arbeit muss der gleiche Lohn gezahlt werden – egal welches Alter, Geschlecht oder welche Nationalität der Beschäftigte hat und ob er als Leiharbeiter, Werkverträgler oder in der „Stammbelegschaft“ tätig ist. Der Mindestlohn muss ohne Ausnahme für alle Beschäftigten gelten und zügig auf 10 Euro die Stunde erhöht werden. Um Lohndumping Einhalt zu gebieten, müssen Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt und auf alle Unternehmen ausgedehnt werden.
Quelle: Sahra Wagenknecht (MdB, Die Linke) - Portugal
- Keine Angst vor Gespenstern
Portugals Linke steht bereit, die Macht zu übernehmen. Eine Mehrheit im Parlament hat sie. Angst vor kommunistischen Gespenstern ist nicht nötig.
Eine linke Allianz hat in Portugal die Rechtsregierung des bisherigen Ministerpräsidenten Passos Coelho gestürzt. Diese erhielt im neugewählten Parlament nicht die nötige Mehrheit, um an der Macht zu bleiben. Präsident Cavaco Silva hat sich verrechnet. Um eine Linksregierung zu verhindern, hatte er unmissverständlich zur Spaltung der Sozialisten aufgerufen, doch erreicht hat er im Gegenteil die Einigung der Linken.
Die Sozialisten unter dem Oppositionsführer Costa wollen die Regierung übernehmen, von aussen unterstützt durch Kommunisten und Grüne sowie den sogenannten Linksblock. Geht schon wieder das Gespenst des Kommunismus um in Europa, jetzt auch noch in Portugal, nachdem es in Griechenland nur knapp gezähmt worden ist? Droht ein Schuldenausfall? Die Börse reagiert mit nervösen Schwankungen.
Dabei haben die Sozialisten die Fortsetzung des Schuldendienstes nie infrage gestellt, auch nicht die EU-Budgetrichtlinien und die Auflagen der Troika. Die Rechtsregierung konnte ihren harten Sanierungskurs fahren, weil die Opposition diesen notgedrungen mittrug – immerhin hatte eine sozialistische Regierung 2011 die Troika ins Land geholt.
Auch jetzt versprechen die Sozialisten in ihrem Regierungsprogramm , die europäischen und internationalen Verträge einzuhalten. Gleichzeitig stellen sie eine Abkehr von der Austeritätspolitik der bisherigen Regierung und von der «Strategie der Verarmung» in Aussicht. Der Spagat zwischen Müssen und Wollen dürfte schwierig werden, ist aber bereits in einem Wirtschaftsprogramm skizziert, das nun von den übrigen Parteien der Linken mitgetragen wird. Es erscheint insgesamt nicht revolutionär.
Quelle: NZZ - In Portugal entscheidet die Mehrheit – und Spiegel-Online kann es nicht fassen
In Portugal ist die konservative Minderheitsregierung gestern wie erwartet gestürzt worden. Immerhin ist damit dem Ergebnis der Wahlen Rechnung getragen worden. Nun ist es am Staatspräsidenten zu entscheiden wie es weiter geht.
Nicht zu fassen ist allerdings die Einseitigkeit, mit der ein Medium wie Spiegel-Online diese normale demokratische Entscheidung kommentiert. Stefan Schultz fehlen schier die Worte angesichts der Tatsache, dass eine Mehrheit im Parlament sich anmaßt, die Macht zu übernehmen und wirklich etwas zu ändern.
Quelle: flassbeck-economics - Keine Angst vor den neuen Linken
In Portugal soll die Austeritätspolitik enden. Wer sich im Norden darüber beklagt, treibt die Leute in die Arme der Europagegner.
Portugals konservativer Ministerpräsident Pedro Passos Coelho fiel gestern erwartungsgemäß vor dem Parlament durch. Obwohl der Austeritätspolitiker bei der Wahl im vergangenen Oktober keine Mehrheit erzielte, hatte ihn Staatspräsident Aníbal Cavaco Silva mit der Regierungsbildung beauftragt. Die linke Mehrheit aus Sozialisten, den Kommunisten und dem Linksbündnis Bloco hatte von Anfang an verkündet, dies nicht dulden zu wollen.
Gestern bei der Vorstellung des Regierungsprogramms, das auf weitere harte Sparpolitik setzte, wurde Passos Coelho auf die Oppositionsbank verbannt. Nun ist der ehemalige Bürgermeister von Lissabon António Costa an der Reihe. Er hat die Zeit genutzt und ein Regierungsabkommen mit den beiden Parteien links seiner Sozialisten geschmiedet.
Nach Griechenland bekundet damit ein weiteres EU-Mitglied den Willen, die Austeritätspolitik zu beenden. Spanien und Irland könnten bei den nächsten Wahlen in den kommenden Monaten folgen. Und das ist gut so.
Denn die Sparpolitik hat nichts als Arbeitslosigkeit und Armut für die breite Bevölkerung gebracht. Die Schere zwischen arm und reich war in Südeuropa noch nie so groß, wie sieben Jahre nach Beginn der Krise.
Die neuen Regierungen wollen letztendlich nur eines: einen Teil des verlorenen Sozialstaates zurückgewinnen. Dafür stand Europa zumindest bevor sich die Deutsche Bank verzockte und gerettet werden musste.
Quelle: taz - Ermutigung für Podemos
Erstmals seit der Nelkenrevolution von 1974 könnte es in Lissabon wieder eine Linksregierung geben. Die EU-Sparkommissare haben daran ihren Anteil.
Es grenzte schon an Amtsmissbrauch, als Portugals konservativer Staatschef Cavaco Silva der autoritären Versuchung erlag und Premierminister Passos Coelho eine weitere Amtszeit verschaffen wollte. Dabei hatte dessen Mitte-Rechts-Regierung beim Parlamentsvotum Anfang Oktober kein klares Mandat erhalten. Die Koalition aus Partido Social Democrata (PSD) und Centro Democrático e Social (CDS) blieb zwar mit gut 38 Prozent stärkste Formation, aber ohne Mehrheit im Abgeordnetenhaus. Ihr durch präsidialen Erlass die Macht zu sichern, musste früher oder später zum Offenbarungseid führen. Für den haben nun Sozialisten, Linksblock, Kommunisten und Grüne gesorgt. Ihr Misstrauensantrag im Parlament zwang die Minderheitsregierung endgültig zum Abgang.
Der Sturz von Passos Coelho mag kein politisches Erdbeben sein, doch ermöglicht es einen Regierungswechsel, der den Paradigmenwechsel einschließt. Immerhin hat der designierte Regierungschef António da Costa vom Partido Socialista im Wahlkampf versprochen, er werde sich Brüsseler Sparauflagen nicht willenlos beugen. Riskiert er das wirklich, dürfte die Euro-Rettungsgemeinde von EU-Kommission bis EZB alles andere als amüsiert sein. Bisher galt Portugal als ihr Musterschüler und eine Art Anti-Griechenland, das man Rebellen wie Alexis Tsipras als nachahmenswertes Beispiel für Demut und Disziplin vorhalten konnte.
Quelle: Freitag - António Costa: Linker Macher will Geschicke Portugals lenken
Portugal bekommt – falls Staatspräsident Cavaco Silva die Spielregeln akzeptiert – eine linke Regierung unter Führung des Sozialisten António Costa. Dieser hat erfolgreich einen Pakt mit dem Linksbündnis Bloco und der kommunistisch-grünen CDU geschmiedet. Der 54-jährige Ex-Bürgermeister der Hauptstadt Lissabon hat damit geschafft, was ihm nur wenige zutrauten: Er ist ganz oben angekommen.
Immer wieder wurde der Jurist unterschätzt, zuletzt bei der Urwahl des Generalsekretärs der Sozialistischen Partei (PS) im vergangenen Herbst. Wider Erwarten besiegte der charismatische Politiker den verknöcherten Parteiapparat und den damals amtierenden Generalsekretär António Seguro, der als Favorit ins Rennen ging. Es waren die ersten Urwahlen in der Geschichte des PS. Costa stach seinen Gegner in drei Fernsehdebatten brillant aus. Die Einschaltquoten lagen bei bis zu 32 Prozent.
Der Publikumserfolg war Costa zu verdanken. Der Sohn des Schriftstellers Orlando da Costa, der aus dem indischen Goa stammte, ist ein bekanntes Gesicht in Portugals Politik. Seit seiner Jugend im PS aktiv, war er Bürgermeister der Hauptstadt und Innenminister unter dem letzten sozialistischen Regierungschef José Socrates. Costa definiert sich gerne als “Macher” und kann seine Erfahrung als Bürgermeister von Lissabon in drei Amtszeiten (2007-2015) anführen. Und er gilt als Mann mit außerordentlicher sozialer Sensibilität. So verlegte er seine Amtsstube vom Terreiro do Paço – dem bei Touristen so beliebten Platz direkt am Meer – in einen von Armut, Drogen und Prostitution geplagten Stadtteil, den er sanieren ließ.
Als Kommunalpolitiker hat er es verstanden, nicht nur die Stammwählerschaft zu mobilisieren, sondern auch enttäuschte Nichtwähler. Auch breite Teile der Intellektuellen und der Künstler in der Hauptstadt unterstützen ihn.
Quelle: der Standard
- Keine Angst vor Gespenstern
- Griechenland auf dem Weg zum EU-Protektorat? Ultimatum zur Zwangsversteigerung von Immobilien
Trotz optimistischer Sprachgirlanden in den Statements zur jüngsten Sitzung der Eurogruppe ließ das eigentlich mächtigste Gremium der EU die Regierung Tsipras wieder einmal demonstrativ an der kurzen Leine zappeln. Schminkt man die höfliche Sprachkosmetik ab, hat die Eurogruppe Tsipras in Wahrheit am Montag ein knallhartes Ultimatum gestellt, „binnen einer Woche“ die Zwangsversteigerung und damit mögliche Zwangsräumung von Immobilien zugunsten der griechischen Banken parlamentarisch durchzusetzen.
Finanzminister wurde vorgeführt
Gleichzeitig verweigerte die Eurogruppe die umgehende und haushaltspolitisch hochdringliche Auszahlung der ohnehin schon verschobenen Kredittranche von 2 Milliarden Euro, mit der die griechische Regierung längst fällige Rechnungen an heimische Unternehmen bezahlen wollte. Der diplomatisch-sanft auftretende griechische Finanzminister Euklid Tsakalotos wurde damit genau so vorgeführt wie früher sein konfliktfreudiger Amtsvorgänger Yannis Varoufakis. Daran ändern auch die freundlichen Worte von Klaus Regling, Chef des Euro-Rettungsschirms ESM, nichts. Regling stellte – natürlich auch nur für den Fall der Erfüllung des einwöchigen Ultimatums – eine rasche 10 Milliarden-Tranche des ESM zur Rekapitalisierung der griechischen Banken in Aussicht.
Quelle: Blog der Republik - Fabian Fritzsche: Austerität funktioniert?
Spanien, Portugal und Irland, also zumindest drei der ausgemachten Krisenstaaten der Eurozone, weisen seit einigen Quartalen wieder positive BIP-Wachstumsraten auf, zum Teil ist das Wachstum sogar vergleichsweise hoch. Dies hat sowohl bei vielen Politikern aber auch einigen Ökonomen zu der Überzeugung geführt, Austerität funktioniere. Das nun wiederkehrende Wachstum wäre demnach mindestens trotz der Sparpolitik erfolgt, eher sogar das Ergebnis der Austeritätspolitik, die das Vertrauen der Investoren zurückgebracht habe.
Diese drei Staaten seien daher auch das Vorbild etwa für Italien, Frankreich und natürlich Griechenland. Auf den ersten Blick scheint die Argumentation verlockend, weil sie sich irgendwie richtig anfühlt: Sparsamkeit, Gürtel enger schnallen, Entbehrung werden am Ende belohnt.
Diese Sichtweise hält einem Blick auf die Daten allerdings kaum stand. In Irland erreichte das BIP in der Krise zwar schon im Schlussquartal 2009 den Tiefstand, erholte sich aber bis 2013 kaum. Erst 2013 begann der Nach-Krisen-Aufschwung. Die realen Staatsausgaben sanken wiederum bis Quartal zwei 2013. In Spanien wurde der Tiefpunkt der Rezession im ersten Halbjahr 2013 erreicht, seitdem hat sich die Wirtschaftsleistung relativ ansehnlich erholt. Auch dort sanken die realen Staatsausgaben nicht mehr und stiegen zuletzt leicht an. Und in Portugal das gleiche Bild: Beginn der Wirtschaftlichen Erholung ab 2013, ab dem Zeitpunkt, ab dem die realen Staatsausgaben nicht mehr sanken. […]
Die Daten der letzten Quartale bestätigen damit letztlich, die hier im Blog und an anderer Stelle durchaus verbreitete Skepsis gegenüber der Austeritätspolitik. Solange die Staatsausgaben gekürzt wurden, sank die Wirtschaftsleistung und damit auch die Steuereinnahmen, was in Kombination zu steigenden Staatsschuldenquoten geführt hat. Zum Aufschwung kam es dann nicht etwa, weil diese Politik letztendlich doch Früchte trug, sondern weil die Ausgabenkürzungen zumindest beendet wurden.
Quelle: WirtschaftsWunder - Junckers Gelehrtenclub
Die Europäische Kommission hat jetzt einen Rat der sieben Weisen. Mehr Kompetenz für Brüssel hoffen die einen, andere frotzeln: ein Alibi-Diskutierclub für noch mehr Bürokratie.
Begeisterung sieht anders aus: Nachdem der portugiesische EU-Forschungskommissar Carlos Moedas die Namen der sieben neuen Wissenschaftsberater von EU-Präsident Jean-Claude Junckers genannt hatte, war es in den sozialen Netzwerken bemerkenswert still. Keine Spur von Euphorie, obwohl die Wissenschaft sich historisch gesehen durchaus privilegiert fühlen durfte – und obwohl durchaus klingende Namen darunter waren: der (noch) amtierende deutsche Cern-Chef Rolf-Dieter Heuer und Mathe-Genie Cédric Villani, der vor fünf Jahren mit der Fields-Medaille ausgezeichnet worden war. Ein offizielles Beratungsgremium, einen „Rat der Weisen“ von der Stärke gab es bei weitem noch nicht in Brüssel.
Quelle: FAZ - Illegale staatliche Beihilfen durch „tax rulings“ sind in manchen Bundesländern Deutschlands nicht auszuschließen
Die EU-Kommission entschied im Oktober 2015 (vor drei Wochen), dass zwei tax rulings Luxemburger und niederländischer Steuerbehörden als illegale staatliche Beihilfe nach Art 107(1) des Vertrags über die Arbeitsweise der EU einzustufen seien. Diese konkreten Tax Rulings wurden aller Wahrscheinlichkeit nach auf einen Antrag von Wirtschaftsprüfungskanzleien hin erteilt. Die Wirtschaftsprüfungskanzleien wiederum verkauften diese Tax Rulings im großen Stil als Teil von angeblich legalen Steuersparpaketen. Bei Luxemburg Leaks wurden im November 2014 allein von PwC über 500 solcher Steuersparpakete inklusive rulings bekannt, die an über 300 Firmen vergeben wurden. Aller Wahrscheinlichkeit nach würden viele dieser rulings ebenfalls als illegale staatliche Beihilfe eingestuft, wenn sie gründlich untersucht würden.
PwC hat Anzeige erstattet und die Luxemburger Justiz hat ein Strafverfahren gegen Alain Deltour, Ex-Mitarbeiter von PwC und Hinweisgeber der Luxemburg Leaks, eingeleitet. Daneben wird auch ein Journalist strafrechtlich verfolgt, der Deltour bei der Veröffentlichung all dieser – aller Wahrscheinlichkeit nach illegalen Praktiken – geholfen haben soll.
Dennoch ist heute PwC hier als Experte eingeladen. Vor dem eben geschilderten Hintergrund verwundert mich, dass PwC als neutraler Experte geladen ist, und dieser Firma also noch immer ein prominentes Mitspracherecht im deutschen Gesetzgebungs- und Meinungsbildungsprozess eingeräumt wird. In anderen Parlamenten der EU gab es längst Untersuchungsausschüsse, bei denen PwC und andere Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in etwas anderer Rolle auftreten mussten. Wollen Sie, verehrte Damen und Herren des Finanzausschusses des deutschen Bundestages, wirklich so weiter machen wie bisher, so tun als ob nichts gewesen wäre, Augen und Ohren vor Unrecht verschließen?
Quelle: Markus Meinzer auf blog steuergerechtigkeit - TISA ist gefährlicher als TTIP und CETA – und dennoch unbekannt
Das geplante TISA-Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen birgt noch mehr Gefahren für die Demokratie als TTIP und CETA, so der Gewerkschafter Jürgen Buxbaum, der mit den Details des Abkommens vertraut ist. Im Interview erklärt er die Folgen, die TISA für uns haben könnte. Über TTIP und CETA, die Freihandelsabkommen, die die EU mit den USA bzw. Kanada abschließen möchte, wird viel diskutiert. Doch was ist TISA?
Quelle: blog.campact - Das Pentagon setzt auf die Mensch-Maschine-Kooperation
Das Pentagon schaltet endgültig von der Antiterrorbekämpfung, also vom Krieg gegen den Terror, auf ein altes Bedrohungsszenario um, in dem der alte Gegner aus den Tagen des Kalten Kriegs zur größten Bedrohung der Weltordnung erklärt wird. US-Verteidigungsminister Ash Carter hatte die Neuorientierung, die aber für ihn selbst in den Kalten Krieg und die damals von Reagan als “Reich des Bösen” dämonisierte Sowjetunion zurückreicht, in einer Rede über die strategische und operative Innovation in der Reagan Foundation vorgestellt und dort vor allem Russland, aber auch die aufstrebende Militärmacht China, als die größten Gefährder der von den USA verteidigten “Weltordnung” bezeichnet (“Sicherheit ist wie Sauerstoff”).
Quelle: Florian Rötzer auf Telepolis - Zwischen Spott und Häme
Auf der 21. Internationalen Klimakonferenz im Dezember will die Weltgemeinschaft wieder einmal den globalen Temperaturanstieg begrenzen. Baden-Württemberg macht Druck: mit einem Klimabündnis aus über 50 Regionen weltweit. Die Opposition im Stuttgarter Landtag amüsiert’s.
Dramatische Flüchtlingskrise, schwarze Fußballkassen, manipulierte Abgastests – war da noch was? Vielleicht: der Klimawandel. Erst neulich, im vergangenen Sommer. Affenhitze ohne Ende und furztrockene Böden, weil über Monate kein Tropfen vom wolkenlosen Himmel fiel. Schnee von gestern, könnte man meinen. Dabei beginnt in wenigen Wochen in Paris ein Gipfel, der entscheidend für die Menschheit sein könnte: Hier soll die Staatengemeinschaft vom 30. November bis 11. Dezember 2015 aushandeln, dass es auf unserem Planeten nicht bald zu heiß hergeht. Letzte Chance, die Erderwärmung noch auf weniger als zwei Grad zu begrenzen, sagen Wissenschaftler.
Während die Staaten erst noch verhandeln, zeigen Regionen und Großstädte, wie es gehen kann: mit der internationalen Klimaschutz-Initiative “Under2MOU”, die im Mai gemeinsam von Kalifornien und Baden-Württemberg ins Leben gerufen wurde. Die Wortschöpfung, die das Kürzel für “Memorandum of Understanding” (eine Absichtserklärung zwischen Verhandlungspartnern) enthält, drückt aus, was die Unterzeichner wollen: ihren Beitrag dazu leisten, die mittlere globale Erwärmung auf weniger als zwei Grad Celsius zu begrenzen. In Zahlen: bis 2050 soll der Pro-Kopf-CO2-Ausstoß ihrer Bevölkerung auf unter zwei Tonnen sinken. Eine Größenordnung, die von Klimawissenschaftlern als noch vertretbares Maß angesehen wird. Zum Vergleich: In Deutschland liegt der CO2-Fußabdruck pro Einwohner derzeit bei elf Tonnen jährlich.
Quelle: Kontext:WochenzeitungHinweis: Auch diese Woche wieder eine Reihe interessanter Artikel in Kontext:Wochenzeitung u.a.:
- Alptraum Wohnen: Wohnungen online zu buchen liegt voll im Trend. Mit entsprechenden Nebenwirkungen: Mieter müssen weichen, Vermieter machen Kasse und lassen auf dem Sofa schlafen – wie unseren Autor.
- Chaostruppe: Im NSU-Ausschuss wird die Mitbewohnerin und Kollegin von Michèle Kiesewetter gehört. Von der ermordeten Polizistin zeichneten ZeugInnen bisher ein arg retuschiertes Bild.
- Raus aus der Kammer: In der Echokammer lässt sich gut leben. Die eigene Meinung wird bestätigt, verbreitet und schon hält man sich für eine relevante Mehrheit. Das gilt für rechts wie links, meint unser Autor. Er will raus aus dem Kokon. (zuerst erschienen auf den NachDenkSeiten am 5. November)
- Kein roter Faden: Zum zweiten Mal nach 2011 versuchen die Südwest-Grünen, mit einem Bestseller in die Charts zu stürmen. Er hat 100 Seiten, ist eher resümierend denn visionär und keine leichte Kost. Eine Rezension des Entwurfs des grünen Wahlprogramms zur Landtagswahl 2016.
- „Wie Feuer“: Der Schwarze Donnerstag ist fünf Jahre her, beschäftigt aber immer noch zwei Staatsanwaltschaften und ein Gericht. Auch weil „Ermittler“ Dieter Reicherter keine Ruhe gibt. Eilig hat es dabei niemand. Eine Übersicht.
- Mohamads erste Worte: Rund ein Drittel der Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, sind minderjährig – und damit schulpflichtig. Das erfordert Improvisation, weil Lehrer fehlen. Einigen Grundschulen sichern die Kinder aber auch das Überleben.
- Nach fast fünf Jahren in die nächste Runde
Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat mit Beschluss vom 24.10.2015 die Berufung des Bundesamtes für Verfassungsschutz gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 20.01.2011 zugelassen – „wegen tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten“. Im Januar 2011 hatte das Verwaltungsgericht (VG) Köln nach einem fünfjährigen Prozess die vier Jahrzehnte währende geheimdienstliche Überwachung und Ausforschung des Rechtsanwalts, Publizisten und Bürgerrechtlers Rolf Gössner durch das Bundesamt für Verfassungsschutz für unverhältnismäßig und von Anfang an rechtswidrig erklärt.
Quelle: nrhz.de - Carsten Frerk über die Privilegien der Kirchen: “Der Staat macht sich zum devoten Deppen”
Der Politologe Carsten Frerk fordert ein Ende der Privilegien für die christlichen Kirchen und plädiert dafür, sie wie Wirtschaftsverbände zu behandeln. […]
Wir groß ist der ökonomische Einfluss der Kirche?
Rund 129 Milliarden Euro fließen jedes Jahr durch die Hände der Kirchen. Zum Vergleich: Der Inlandsumsatz der deutschen Automobilindustrie beträgt 127 Milliarden Euro. Die Kirche ist eine wirtschaftliche Macht in Deutschland. In jedem Politikfeld, in dem die Kirche eine Rolle spielt, funktioniert der Staat eins zu eins wie die Kirche es will. Das liegt auch daran, dass die Kirche wie kein anderer Lobbyverband derart mit Wahlempfehlungen drohen kann. Dieses Drohpotenzial macht den Staat zum devoten Deppen.
Quelle: Wirtschaftswoche - Hochschulen: 90 Prozent befristete Stellen
Befristungen an Hochschulen eindämmen – Gesetz nachbessern
Rund 90 Prozent der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an deutschen Hochschulen haben nur einen befristeten Vertrag. Deshalb ist “eine Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes überfällig”, fordert die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung müsse in einigen Punkten korrigiert werden.
“Hire-and-Fire-Mentalität schadet den Hochschulen und Forschungseinrichtungen, denn wenn wissenschaftliche Arbeit in Kurzzeitverträge zerstückelt wird, bleibt die Kontinuität und damit die Qualität der Arbeit auf der Strecke”, sagte Hannack anlässlich der Anhörung zur Reform des Gesetzes im Bundestag am 11. November.
Quelle: DGB - TV-Debatte: Wen interessieren schon die Fakten?
Die Steuern sind zu hoch, die Löhne auch und die besten amerikanischen Zeiten sind vorbei: Bei der TV-Debatte der Republikaner wurde erstaunlich faktenfrei gestritten.
Quelle: Zeit OnlineAnmerkung unseres Lesers J.A.: Furchtbar. Allerdings wird auch in der ZEIT immer wieder erstaunlich faktenfrei behauptet, die Löhne in Deutschland wären zu hoch, die Renten nicht bezahlbar und TTIP ganz toll fürs Wirtschaftswachstum.
- Stoff für Fremdenfeinde: die erfolgreiche Social-Media-Strategie von „Focus Online“
Am Dienstag vergangener Woche meldete „Focus Online“ an prominentester Stelle, dass ein islamisches Bündnis in Duisburg getrennte Schwimmzeiten für Muslime im Hallenbad fordere. Die Geschichte ist über ein halbes Jahr alt und überholt: Die Stadt hat den Vorschlag längst abgelehnt.
„Focus Online“ hat einen Artikel aus der WAZ vom Februar genommen und den Inhalt einfach als neu ausgegeben. Inzwischen steht unter dem Text eine als „Update“ verbrämte Korrektur.
Man könnte das für einen peinlichen Fehler halten. Für „Focus Online“ ist es ein großer Erfolg. Die alte, überholte Geschichte wurde in den sozialen Netzwerken zehntausendfach geteilt. Laut der Auswertung von Storyclash war es die siebtmeistgeteilte Medien-Geschichte der vergangenen Woche in Deutschland.
Mit dem Satz „Soweit kommt es noch“ verbreiteten verschiedene Pegida-Ableger das „Focus Online“-Stück auf Facebook. Die AFD machte es zum Teil ihrer „Herbstoffensive 2015″:
Quelle: Stefan Niggemeierdazu: Lasst uns unsere eigenen Melodien singen
Kritik an den Verbrechen der Rechten und Neoliberalen ist gut und notwendig; aber wenn wir uns ausschließlich darauf konzentrieren, kann es sein, dass wir jeden Mut und jede Lebensfreude verlieren. Wir geraten dann in ein wachsendes Seelendunkel nach dem Motto „Bin ich denn nur noch von Idioten und Verbrechern umgeben?“ Dabei müssen wir nicht unpolitisch werden, um wieder mehr Hoffnung zu schöpfen. Wir müssen nur auf die positiven und mitfühlenden Taten vieler aufrechter Menschen schauen, die tagtäglich Flüchlingen helfen, sich „Fremdes“ aneignen und ihr Herz den Not Leidenden öffnen. Auf den „Sieg“ dürfen wir uns dabei nicht fixieren, auch wenn wir ihn selbstverständlich erhoffen und zu erarbeiten versuchen. Niemals darf der Erfolg unser oberster Gott sein, nicht mal der in gerechten politischen Kämpfen. (Konstantin Wecker)
Quelle: Hinter den Schlagzeilen - Notstand und Staatsräson: Zum Tod von Helmut Schmidt
Als Helmut Schmidt, am 23. Dezember 1918 in Hamburg geboren, 1945 aus dem Krieg zurückkam, war er Oberleutnant und musste, so erscheint es im nachhinein, nicht mehr viel dazulernen. Befehl und Gehorsam, schnelles Entscheiden, ein paar Grundsätze – das war eine gute Ausstattung für den Notstand, der angesichts der Trümmer ja wohl noch einige Zeit fortdauern werde. Nazi war er nicht gewesen, seine Distanz zur NS-Herrschaft wird von Zeit zu Zeit unterschiedlich vermessen, aber es gab sie wohl. 1984, als er nicht mehr Kanzler war, gab er bekannt, dass er einen jüdischen Großvater hatte, dies schon vor 1945 wusste und gemeinsam mit seinem Vater verheimlichte.
Volkswirtschaft studierte er nach eigenem Bekunden, weil es das kürzeste Studium war. Seine Frau Hannelore, eine Lehrerin, kam für die Ernährung der Familie auf, und er wollte selbst möglichst schnell diese Einseitigkeit beenden.
In die SPD ging er wohl aus ähnlich rationalen Gründen: Er lebte in Hamburg und war evangelisch. 1947/48 war er Bundesvorsitzender des SDS, als dieser eben eine Organisation der akademischen Parteijugend war und nichts anderes sein wollte. […]
1977 hielt er vor dem Londoner Institut für Strategische Studien einen Vortrag, in dem er vor den sowjetischen SS-20-Raketen warnte. Dies führte zum NATO-»Nachrüstungs«beschluss von 1979: Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Europa, akute Gefahr eines Atomkriegs.
Wer den Kraftakt auf sich nimmt, in dieser Frage Helmut Schmidt gerecht zu werden, sagen wir: als Pflichtverteidiger, könnte Folgendes vorbringen: Anders als Zbigniew Brzeziński wollte er wohl die Sowjetunion nicht wegputzen, und er hielt sie wahrscheinlich auch nicht für aggressiv. Die ganze Sache war für ihn ein technisches Problem: Es musste ein Gleichgewicht im Mittelstreckenbereich, das angeblich durch die SS 20 aufgehoben wurde, wiederhergestellt werden. Dass dadurch die Weltkriegsgefahr wuchs, war halt wieder Notstand, und dass die UdSSR schließlich aufgrund dieser Politik zusammenbrach, war ein Kollateralnutzen, der ihn auf fast schon ironische Weise gegen Egon Bahr und Willy Brandt ins Recht setzte: Schmidt hatte sie als Friedens- und Deutschland-Romantiker im Verdacht, während er eben der pragmatische Sicherheitspolitiker sei. […]
Als er 2007 einen seiner zahlreichen Ehrendoktorhüte entgegennahm, zog er in seiner Dankesrede Bilanz, nämlich: In keiner seiner Notstandssituationen: Flut 1962, RAF und Raketen 1977, habe er sich nach dem Grundgesetz, anderen Gesetzen und sonstigen Vorgaben richten können. Später legte er nach: Auch Verantwortung vor Gott half da nicht weiter. Nicht dem Inhalt, aber dem Gestus nach wirkte das so, als habe er in diesen Situationen an dessen Stelle treten müssen.
Als er am 10. November 2015 starb, hatte ihm schon seit Jahrzehnten niemand mehr widersprochen. Eine Generation von autoritätshörigen Männern hat ihn verehrt, und diese werden das weiterhin tun, solange sie ihn überleben.
Quelle: junge Welt