„Nur wenige arbeiten bis 65“
So beginnt eine Presseinformation des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) vom 19.12.2007 über eine Studie des Instituts. Und weiter heißt es dort: „Ende 2004 waren nur rund fünf Prozent aller 64-jährigen Männer sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Bei 64-jährigen Frauen lag die Beschäftigungsquote mit drei Prozent im Westen und einem Prozent im Osten sogar noch erheblich darunter. Wer die Regelaltersrente erreicht, ist demnach meist gar nicht mehr erwerbstätig, …“ „Bereits ab 55 sinken die Beschäftigungsquoten, ab 60 Jahren sogar rapide.“
Trotz dieser klaren und auch bekannten Lage wurde in diesem Jahr das Renteneintrittsalter auf 67 Jahre erhöht – auf ein Alter das heute fast niemand erreicht. Was zu diesem korrupten Irrsinn zu sagen ist, finden Sie auf den NachDenkSeiten an vielen Stellen, u. a. im Nachwort zu „Machtwahn“.
In der Anlage finden Sie die komplette Presseinformation des IAB und den Link zur Studie.
Bemerkenswert, wenn auch nicht überraschend, ist unter anderem der enge Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Lage und faktischem Renteneintrittsalter. In Teilen Bayerns und in den meisten Arbeitsagenturbezirken Baden-Württembergs sind die Arbeitslosenquoten der Älteren niedriger und die Beschäftigungsquoten dieser Gruppe höher als anderswo. Wo und wenn die Wirtschaft gut läuft, arbeiten auch die älteren Menschen länger. Bei Beginn der Diskussion um die Erhöhung des Renteneintrittsalters vor zwei Jahren habe ich dazu im erwähnten Nachwort folgendes geschrieben:
Ob wir die Arbeitslosigkeit abbauen können und ob wir älteren Menschen und Frauen, die gerne arbeiten möchten, Beschäftigungschancen bieten können, das hängt hundertmal mehr von einer pragmatischen vernünftigen Wirtschaftspolitik ab als von den Rechenkünsten unseres Sozial- und Arbeitsministers. Jetzt diese so viele Menschen verunsichernde Debatte über das Renteneintrittsalter vom Zaun zu brechen lässt nur zwei Schlüsse zu: Entweder die Meinungsführer haben nicht begriffen, worauf es ankommt, oder sie sind wie die Bild-Zeitung in die Interessen der privaten Versicherungswirtschaft eingebunden. Dumm oder korrupt? Werfen wir die Münze.
Anlage
Presseinformation des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) vom 19.12.2007
Nur wenige arbeiten bis 65
Ende 2004 waren nur rund fünf Prozent aller 64-jährigen Männer sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Bei 64-jährigen Frauen lag die Beschäftigungsquote mit drei Prozent im Westen und einem Prozent im Osten sogar noch erheblich darunter. Wer die Regelaltersrente erreicht, ist demnach meist gar nicht mehr erwerbstätig, zeigt eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Bereits ab 55 sinken die Beschäftigungsquoten, ab 60 Jahren sogar rapide. „Ein Ausscheiden vor dem 65. Lebensjahr ist immer noch die Regel. 64-Jährige stehen so gut wie nicht mehr im Erwerbsleben“, so die Autorin der Studie, Franziska Hirschenauer.
Trotz der ungünstigen konjunkturellen Entwicklung sind zwischen 2000 und 2004 die Beschäftigungsquoten der Menschen über 60 gestiegen. Gleichzeitig ist aber auch die verdeckte Arbeitslosigkeit gewachsen.
Jenseits der 60 ist kaum noch jemand registriert arbeitslos
Die Arbeitslosenstatistik spiegelt die Beschäftigungsprobleme Älterer nur teilweise wider. So waren im Jahr 2004 beispielsweise 12 Prozent der westdeutschen und 21 Prozent der ostdeutschen Männer im Alter von 59 arbeitslos, ohne in der Statistik registriert zu sein. Bei den ab 60-Jährigen sinken diese Anteile, sie bleiben jedoch deutlich über denjenigen der registrierten Arbeitslosen. Damit war Ende 2004 die Zahl der nicht registrierten Arbeitslosen in allen Altersgruppen ab 58 größer als die Zahl der registrierten Arbeitslosen.
Grund dafür ist zum einen die so genannte „58er Regelung“, nach der bis 2007 die Betroffenen Arbeitslosengeld beziehen konnten, ohne dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen. Sie tauchen dann aber auch in den Arbeitslosenstatistiken nicht mehr auf. Auch die gestiegene Inanspruchnahme der Altersteilzeit hat bei den über 58-Jährigen zu niedrigeren Arbeitslosenzahlen geführt.
Bei guter Arbeitsmarktlage arbeiten mehr Ältere
Ein regionaler Vergleich zeigt, dass die Erwerbsintegration der Älteren dort am höchsten ist, wo die Arbeitsmarktlage generell gut ist. Teile Bayerns und die meisten Agenturbezirke Baden-Württembergs weisen die höchsten Beschäftigungsquoten und niedrigsten Arbeitslosenanteile von Älteren auf. „Überraschend und ernüchternd ist aber, dass die Beschäftigungssituation Älterer auch dort nicht annähernd gut genug ist“, betont Hirschenauer.
Reformen werden die regionalen Unterschiede verstärken
Die Unterschiede zwischen den Regionen seien noch gering ausgeprägt, da die über 60-Jährigen kaum am Arbeitsmarkt präsent seien. Mit der geplanten Abschaffung noch bestehender vorzeitiger Rentenzugangsmöglichkeiten und der Anhebung der Regelaltersgrenze auf 67 werden diese Unterschiede aber deutlicher zutage treten und die regionalen Jobchancen stärker widerspiegeln, prognostiziert Hirschenauer.
Die IAB-Studie kann unter doku.iab [PDF – 1,7 MB] abgerufen werden.