Zum Verhältnis SPD und Gewerkschaften
„Die SPD muss – unter Druck, wie sie derzeit ist – ihre bisherige Politik überdenken“, sagte DGB-Vorstandsmitglied C. Matecki der „Osnabrücker Zeitung“ (23.10.) und begrüßte deren „Kurswechsel“ im Umgang mit der Agenda 2010, wie er sich mit dem Hamburger Parteitag angebahnt habe. Dieser werde von den Gewerkschaften unterstützt.
Michael Sommer, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes, sagte der „Berliner Zeitung“ (29.10.): „Ich sehe eine strategische Hinwendung zu den sozialdemokratischen Grundwerten und damit zu den klassischen SPD-Wählern.“ Im ARD-Presseclub vom 28. Oktober war man zurückhaltender als es in diesen Äußerungen klingt: „Die gewerkschaftsnahe SPD wird sich zumindest berücksichtigt sehen.“ Immerhin war auch da euphemistisch von einem „erfolgreichen Ausbruch aus dem Gefängnis 2010“ die Rede. Von Kurt Pittelkau
Angesichts der Folgen der durch G. Schröder und seine Gefolgschaft zu Zeiten von Rot-Grün und danach ausgelösten „Eiszeit“ in den Beziehungen zwischen SPD und Gewerkschaften hatten Besorgte in der Partei schon vor Monaten eine „Charmeoffensive“ begonnen. „SPD umwirbt DGB“, berichtete „Neues Deutschland“ (27.6.07). Und: Der DGB-Chef würde K. Beck, den SPD-Vorsitzenden, loben,
das Gesprächsklima zwischen SPD und Gewerkschaften wieder auf eine vernünftige Basis gehoben zu haben.
Doch da betonte M. Sommer im „Focus“ (23.7.) auch das:
Der DGB ist eine parteiunabhängige Einheitsgewerkschaft und hat Mitglieder aus allen Parteien. Schon deshalb gibt es für die Gewerkschaften keinen ´natürlichen Bündnispartner’ in der Politik.
Und er mahnte („Berliner Zeitung“, 29.10.) Nüchternheit an:
Aber man darf auch nicht so tun, als habe es die Zeit dazwischen nicht gegeben.
Nun müsse die SPD ihre neuen Beschlüsse auch ernst nehmen und umsetzen. Sonst würden die Menschen in ihr weiter die Partei der umstrittenen Agenda 2010 sehen.
Das klingt selbstbewusst.
Erfolgreicher Ausbruch aus dem Gefängnis 2010 oder taktischer Gag?
wurde im ARD-Presseclub vom 28.10. gefragt. In der Runde meinte man, unter dem Eindruck der Stimmung im Land würde sich niemand mehr trauen, dem Sozialstaat eine völlige Absage zu erteilen. Das schlösse „Marktradikalität“ aus.
Die SPD repariere jetzt ihr Image durch eine ziemlich vorsichtige Rückbesinnung auf die alten Werte der Arbeiterbewegung – vorsichtig mit Blick auf den starken „Wirtschaftsflügel“ in den eigenen Reihen.
Der SPD-Sozialpolitiker (und Schröderianer) Rainer Wend gibt widerwillig zu bedenken:
Die Delegierten (des Parteitages – pit) müssen wissen, Parteitagsbeschlüsse sind noch kein Regierungshandeln.
ntv – 5.11.
Aus anderer Sicht hörte ich O. Schreiner, den SPD-Linken, in einer Veranstaltung der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen in der SPD – Funktionäre aus den DGB-Gewerkschaften waren hinzu geladen – für Realismus plädieren, mit optimistischem Grundton:
Das ist nicht ,der’ Kurswechsel. Die SPD ist aber dabei, ihre Identität wiederzugewinnen.
Diese Entwicklung habe bereits vor einem Jahr mit der Orientierung der Partei auf die Durchsetzung von Mindestlöhnen begonnen, was im Gegensatz zur Agenda-Politik stünde.
Viele Leute zeigen sich allerdings – und die unsicheren Umfragewerte belegen es – nach wie vor irritiert: Sie fragen:
Was kann man der SPD noch glauben?
Dazu aus „Neue Ruhr- Zeitung online“ (28.11.):
Die Konflikte in der Partei wurden und werden unterdrückt. … Die Entscheidungen der Delegierten des Parteitages führen zu keinem grundlegenden Politikwechsel der SPD sowie zu keiner Revision der Agenda 2010 und der Hartz-Gesetze.
(….)
Der linke Publizist Georg Fülberth erlaubt sich eine bösartige Warnung:
Im Realen Sozialismus gab es eine fatale Taktik. Sie hieß: ,Korrektur von Fehlern im Vorwärtsschreiten’. Das bedeutete, dass niemals ehrlich Bilanz gezogen wurde und damit Fehlentwicklungen nicht revidiert wurden, sondern wie ein Alb auf der Gegenwart lagen, bis es keine Zukunft mehr gab.
Genug der Zitate! Doch sie dokumentieren die Unsicherheit darüber, ob in der SPD tatsächliche etwas in Bewegung gekommen ist, und sie zeigen auch welche Kräfte miteinander ringen.
Der Arbeitnehmerflügel der SPD, wie er sich in der AfA darstellt, in ihm spiegelt sich die Verbindung der Partei mit den Gewerkschaften am deutlichsten wider, hat sich vorgenommen, auf der nächsten Bundeskonferenz im April 2008 die Wiederbesinnung auf eine wirklich sozialdemokratische Politik weiterzutreiben.
Quelle: Soziale Politik & Demokratie
Noch etwas: Forsa hat gerade ermittelt:
80 % der Deutschen sind davon überzeugt, dass die Gewerkschaften als Vertreter der ArbeitnehmerInnen notwendig sind.
Daran kommen auch die Parteien nicht vorbei und schon gar nicht die SPD!