Netzwerk des Todes: Die kriminellen Verflechtungen von Rüstungsindustrie und Staatsapparat
Der Export von Abertausenden von Sturmgewehren an korrupte und menschenrechtsverletzende Sicherheitskräfte in verbotenen Unruheprovinzen Mexikos konnte gelingen, weil deutsche Rüstungsexport-Kontrollbehörden diese Kriegswaffentransfers geduldet und bei deren Abwicklung weggeschaut haben – und weil sie in bestimmten Fällen gar an diesem Waffendeal mitgewirkt haben. Das konstatieren die Autoren Jürgen Grässlin, Daniel M. Harrich und Danuta Harrich-Zandberg in ihrem aktuellen Enthüllungsbuch “Netzwerk des Todes. Blutiger Handel – die kriminellen Verflechtungen von Waffenindustrie und Behörden“, das in dieser Woche im Heyne Verlag erschienen ist. Das Buch unterfüttert den ARD-Themenabend „Deutsche Waffenexporte“ mit Fakten und hilft juristische Auseinandersetzungen gegen Heckler & Koch und gegen hohe Beamte im Land vorzubereiten. Jens Wernicke sprach mit Jürgen Grässlin, dessen „Schwarzbuch Waffenhandel“ in keinem pazifistischen Bücherschrank fehlt.
Herr Grässlin, nachdem Sie seit vielen Jahren publizistisch wie juristisch gegen die deutsche Waffenindustrie vorgehen, legen Sie und Ihre Mitautoren in Ihrem aktuellen Buch nun die Verflechtungen derselben mit deutschen Behörden und führenden Politikern offen. Wie kommt es dazu?
Erst einmal haben wir tausende Seiten vertraulicher Papiere ausgewertet, die uns von mehreren Insidern zugespielt wurden. Mit der Publikation von Schlüsseldokumenten im neuen Buch „Netzwerk des Todes“ ermöglichen wir den Leserinnen und Lesern einen tiefen Einblick in die Machenschaften dieses Todesapparates.
Im Rahmen unserer aktuellen Recherchen der letzten beiden Jahre hat sich einfach immer wieder gezeigt, dass die Waffenindustrie allein niemals so mächtig wäre, wie sie de facto ist. Ohne Hilfe aus höchsten Kreisen, ohne gute Freunde von ganz oben, wäre ihr vieles unmöglich gewesen. Deshalb müssen wir zukünftig nicht einzig die Waffenindustrie angehen, sondern gezielt auch die Kontrollbehörden Bundesausfuhramt (BAFA) in Eschborn und das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) in Berlin. Zumal es bei den untersuchten Kriegswaffenexporten auch um kriminelle Machenschaften und Gesetzesbrüche geht…
Was konkret haben Sie denn recherchiert?
Wir haben den Transfer von bis zu 19.000 Gewehren nach Mexiko nachverfolgt, die reale Zahl muss in Anbetracht widersprüchlicher Aussagen staatlicherseits erst noch ermittelt werden. Im Kern geht es um die Lieferung von Sturmgewehren des Typs G36 des Oberndorfer Kleinwaffenproduzenten Heckler & Koch an Polizeieinheiten in weiten Teilen Mexikos.
Die Waffenausfuhr erfolgte über das mexikanische Verteidigungsministerium, die SEDENA. Polizisten machen sich seit Jahren schwerster Menschenrechtsverletzungen schuldig macht. Polizisten schießen jetzt mit deutschen Sturmgewehren, die nachweislich intensiv in Korruption verstrickt sind und eng mit Mörderbanden der Drogenmafia zusammenarbeiten.
Die Folgen sind dramatisch: Zahlreiche Menschen wurden bereits jetzt durch den Einsatz der deutschen G36-Gewehre getötet. Auch bei der Ermordung von sechs Studenten und dem Verschwindenlassen von 43 Studenten waren die H&K-Gewehre im Einsatz. Angesicht schwerster Menschenrechtsbedenken des Auswärtigen Amtes hätten die Gewehre niemals in mexikanische Unruheprovinzen gelangen dürfen – doch genau dorthin führt die Blutspur. Das belegen die Vor-Ort-Recherchen des Filmemachers Daniel Harrich und des Journalisten Wolf Dieter Vogel.
Und dabei handelt es sich um sozusagen einen Einzelfall?
Eben nicht. Denn diese Kriegswaffentransfers mit Mexiko weisen eine lange Historie auf: Beginnend im Jahr 2002 wollte Heckler & Koch eine neue Generation von Maschinenpistolen und Sturmgewehren in den mexikanischen Markt bringen. Damals waren die Voraussetzungen besonders günstig. Immerhin waren mexikanische Polizisten und Soldaten seit Jahrzehnten mit der sogenannten „Waffenfamilie“ von H&K bestens vertraut.
Das Schnellfeuergewehr G3 von Heckler & Koch wird immerhin seit dem Jahr 1979 bei der „Fábrica de Armas“, der einzigen Waffenfabrik Mexikos, in Lizenz nachgebaut. Und die Maschinenpistole MP5 seit 1980. Drei Jahre später folgte der Vertrag zur Fertigung des Maschinengewehrs HK21. Und im Folgejahr der Lizenzvertrag für die H&K-Pistole P7. Also zählen diese vier Waffentypen seit Jahrzehnten zur Standardausrüstung der mexikanischen Streitkräfte.
Was macht Mexiko derart interessant?
Naja, aus Sicht der Oberndorfer Waffenschmiede war das mittelamerikanische Land ein äußerst lukrativer Absatzmarkt. Immerhin stand Mexikos Volkswirtschaft im Jahr 2002 auf dem zehnten Platz in der Weltrangliste. Mit seiner Wirtschaftskraft ist das Land das führende Land Lateinamerikas. Unter der Ägide des damaligen Präsidenten Vincente Fox sollte mit ganzer Härte gegen die Drogenkartelle und den Rauschgifthandel vorgegangen werden. Anfangs des letzten Jahrzehnts spitzte sich der landesinterne Krieg gegen die organisierte Kriminalität sich massiv zu. Der Versuch der Niederschlagung der dortigen Drogenkartelle fand in bislang nicht dagewesener Intensität zu.
Im besagten Zeitraum sollten Mexikos Streitkräfte mit topmodernen Waffen hochgerüstet werden. Ein gefundenes Fressen für H&K also, um neue Waffenverkäufe an die SEDENA, das dortige Verteidigungsministerium, in die Wege zu leiten. Zuständig für Waffenimporte sowie für Verkäufe und die Waffenproduktion ist die staatliche Beschaffungsstelle DCAM. Diese ist ein Verkaufszentrum in der Zona Industria Militar, wo die Waffen vor dem Kauf besichtigt werden können. Staatlich ist auch die Herstellerfirma mexikanischer Waffen, die zum Verteidigungsministerium gehörende Fábrica de Armas.
Sie werfen der mexikanischen Seite Korruption vor. Wen genau meinen Sie?
Neben den mit der Drogenmafia zusammenarbeiten Polizisten muss man auch der damaligen Führungsspitze des Verteidigungsministeriums diesen Vorwurf machen. Das Problem ist doch, dass Korruption in Mexiko auf allen Ebenen verbreitet ist. Besagte Monopolstellung macht Ministerien und Behörden wie SEDENA und DCAM für Korruption besonders anfällig. Insofern überraschen auch die Korruptionsvorwürfe eines H&K-Insiders gegen General Humberto Alfonso Aguilar, den Chef der Waffenbeschaffungsstelle DCAM, und gegen Heckler & Koch wenig.
Damals ging es weniger um Direktexporte aus Oberndorf. Vielmehr reiste eine Delegation des mexikanischen Verteidigungsministeriums 2005 auf den Oberndorfer Lindenhof. Im Heckler & Koch-Stammwerk ließ man sich die Waffenfabrik zeigen. Positiv bilanzierte der Abschlussbericht der Mexikaner zum Firmenbesuch in Deutschland: „H&K ist das Beste.“ Allerdings, und das war und ist spannend, wollten die Mexikaner primär „das G36 zum Selberbauen“. Eine Lizenz also, statt der Rüstungsexporte aus Oberndorf. Entsprechend profitabel war das Auftragsvolumen für H&K in Höhe von mehr als 60 Millionen Euro plus der Fertigwaffenverkäufe.
Die Anzahlung des mexikanischen Verteidigungsministeriums betrug umgerechnet 1,2 Millionen Euro. Heckler & Koch bestreitet den Erhalt der Anzahlung. Allerdings gestalteten sich die Verhandlungen über die Lizenzproduktion schwierig und auch langwierig. Letztlich scheiterten sie sogar. Und jetzt kommt der Hammer: In den Folgejahren werden dennoch Zehntausende von Sturmgewehren des Typs FX 05 mit Hilfe deutscher Techniker und womöglich auf der Basis von H&K-Knowhow in Mexiko gebaut. Wegen des Verdachts des „nicht genehmigten Technologietransfers hat mein Rechtsanwalt am 21. Februar 2014 in meinem Namen eine entsprechende Strafanzeige gestellt, im Übrigen die zweite.
Soweit hierzu. Auf der anderen Seite sind wir bei unseren Recherchen zur Sache viel weiter gekommen, als wir anfangs zu hoffen gewagt hatten. Die Einblicke in höchst vertrauliche Dokumente, die uns ermöglicht wurden, werfen zentrale Fragen auf. Fragen, die das Unternehmen wie auch bundesdeutsche Behörden betreffen.
Konkret: Welche Fragen wären das denn?
Wir fragen: Wer trägt die Verantwortung dafür, dass Abertausende von G36-Sturmgewehren von Heckler & Koch widerrechtlich in verbotene Unruheprovinzen Mexikos exportiert werden konnten? Haben die Rüstungsexportkontrollbehörden Bundesausfuhramt (BAFA) und Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) illegale Waffentransfers durch Duldung oder gar aktives Mitwirken ermöglicht? Hat das vermeintlich rüstungsexportkritische Auswärtige Amt (AA) bei den Waffendeals weggeschaut und damit die dunklen Machenschaften erst ermöglicht? Welche Rolle hat der Beratende Ausschuss des Bundessicherheitsrats – also die Staatssekretärsebene – gespielt? Und weitergehend fragen wir: Wie verhält es sich mit den augenscheinlich illegalen Pistolenexporten von Sig Sauer und Carl Walther ins Bürgerkriegsland Kolumbien? Liegt der massiven Zunahmen von Kleinwaffenexporten in Krisen- und Kriegsgebiete nicht das Totalversagen des bislang so hoch gelobten deutschen Rüstungsexport-Kontrollregimes zugrunde?
Einige dieser Fragen können politisch bewertet, andere müssen auf juristischer Ebene geklärt werden. Genau deshalb habe ich beginnend am 19. April 2010 erstmals Strafanzeige gegen Heckler & Koch wegen der illegalen Mexiko-Gewehrexporte gestellt. Danach folgten weitere Strafanzeigen teilweise als Einzelperson, teilweise mit Christine Hoffmann und Paul Russmann – den anderen beiden Sprechern der Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ – sowie zuletzt gemeinsam meinen Rechtsanwalt. Diese Anzeigen gegen H&K, die unterstützenden Kontrollbehörden BAFA und BMWi und auch gegen Carl Walther sowie Sig Sauer führten in allen Fällen zu staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen in Baden-Württemberg und in Schleswig-Holstein. Alle Strafanzeigen wurden von meinem Rechtsanwalt Holger Rothbauer aus Tübingen eingebracht.
Wir können bereits erste Erfolge verbuchen. Das Produktionswerk von Sig Sauer in Eckenförde musste nach dem daraufhin von den Kontrollbehörden verfügten Exportverbot schließen, die Kriegswaffenproduktion wurde in Deutschland eingestellt. Die zahlreichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaften dauern bis zum heutigen Tag an und sollten – so meine Hoffnung – letztlich zu Anklageerhebungen und gerechten Bestrafungen führen.
Sie sprachen aber auch von Verstrickungen der Behörden in diese illegalen Machenschaften…
Mit legalen und womöglich illegalen Mitteln – letzteres wird das die deutsche Justiz zu klären haben – ist es den deutschen Kleinwaffenherstellern Heckler & Koch, Sig Sauer und Carl Walther in den vergangenen Jahrzehnten gelungen, den lukrativen Waffenmarkt in Mexiko und Kolumbien sowie in zahlreichen weiteren Ländern mit unzähligen Pistolen, Maschinenpistolen und Sturmgewehren zu bedienen.
Zentrale Voraussetzungen für die Exportbewilligung auf deutscher Seite war dabei die Gewährleistung des Endverbleibs in vermeintlich „sichere“ Regionen. Endverbleibserklärungen für mexikanische Bundesstaaten wurden – das können wir aufgrund der internen Kommunikation von Heckler & Koch mit den Kontrollbehörden beweisen – nach Gutdünken ausgetauscht. Zum Wohle der Forma, die genau genommen niemals hätte Sturmgewehre in das Krisengebiet Mexiko liefern dürfen.
Zudem war zentrale Voraussetzung für den Kriegswaffenexport nach Mexiko die Verschrottung von Altwaffen in gleicher Anzahl gemäß dem „Neu für Alt“-Prinzip. Angesichts der mehr als 10.000 gelieferten Neuwaffen hätten in Mexiko also 10.000 Altwaffen zerstört werden müssen. Allerdings, so das Ergebnis unserer Recherchen, wurden in Mexiko lediglich in einem Fall rund 1.300 Altwaffen zerstört. Vor-Ort-Kontrollen seitens des AA, BAFA oder BMWi gab es nicht – ein schweres Versäumnis.
Und noch ein schier unglaublicher Deal des Bundesausfuhramtes und des Bundeswirtschaftsministeriums mit Heckler & Koch: Im Jahr 2007, als bereits G36-Sturmgewehre in großer Zahl illegal in Unruheprovinzen gelangt waren, benötigte die mexikanische Polizei aufgrund des dortigen Waffeneinsatzes mehr Ersatzteile. H&K forderte die Genehmigung an und erhielt Sonderkonditionen: Der zuständige BMWi-Ressortleiter, Ministerialrat Claus W. urteilte: „… die Argumentation von H&K ist in der Tat überzeugend – daher keine Bedenken im Fall von H&K den Wert auf 30 % hochzusetzen“. Heckler & Koch sollte jedoch dazu verdonnert werden, diese Einzelfallentscheidung „nicht im großen Kreis hinauszuposaunen“. Ohne dass eine weitere Diskussion in den zuständigen Behörden stattgefunden hätte, wurde schließlich die „Lex Heckler & Koch“ schriftlich im Dezember 2007 genehmigt und abgezeichnet. Eine spätere Verlängerung um weitere drei Jahre wurde gleichsam bewilligt. Diese E-Mail-Korrespondenz, die uns wie viele weitere vorliegt, ist ein erneuter Beweis für die unlauteren Machenschaften zwischen den Waffenhändlern und dem Netzwerk in deutschen Ämtern und Ministerien.
All die Defizite und Tricksereien – die im neuen Buch umfassend aufgezeigt werden – führten jedoch nicht dazu, dass weitere Gewehrlieferungen von H&K an die zuständige Abteilung DCAM. im mexikanischen Verteidigungsministerium unterbunden und bereits gelieferte Kleinwaffen von der Bundesregierung zurückgeordert wurden. Das wäre, rechtlich gesehen, durchaus möglich. Vielmehr verzichteten die deutschen Kontrollbehörden auf Vor-Ort-Kontrollen. Kaum zu glauben, sie vertrauten auf die Aussagen von H&K-Mitarbeitern und belohnten die Oberndorfer Rüstungsexporteure noch mit der Genehmigung weiterer Waffentransfers.
Und halten Sie derlei Verstrickungen für … neu?
Nein, ganz im Gegenteil. Derlei Machenschaften haben in Deutschland Tradition. Allen voran mit der Genehmigung von Kleinwaffenexporten gossen die Bundesregierungen der vergangenen Jahre in einer unausgesprochenen Koalition von CDU/CSU/SPD/FDP/Grünen durch ihre Rüstungsexport-Genehmigungspolitik Öl ins Feuer der Kriege und Bürgerkriege vor allem in Afrika, dem Nahen und Mittleren Osten sowie in Lateinamerika. Sie leisteten damit Beihilfe zum Morden und zu Massenmorden in vielen menschenrechtsverletzenden und kriegführenden Staaten.
Neu ist wohl lediglich, dass man derlei Verstrickungen nun en detail nachweisen kann. Das eröffnet unter anderem die Chance juristisch dagegen vorzugehen. Die kommenden Monate werden extrem spannend.
Wo ist denn der juristische Knackpunkt anzusehen? Was genau haben sich die Waffenschmieden und deutsche Politiker und Ministeriale zuschulden kommen lassen?
Die blutige Realität sieht so aus, dass in zahlreichen Empfängerländern deutscher Kriegswaffen bewaffnete innere Konflikte toben. Bei Konflikten oder Kriegen an den Landesgrenzen werden vielfach deutsche Waffen eingesetzt – häufig beiderseits der Front. Die Belieferung dieser sogenannten „Drittländer“ mit Waffen hat in den vergangenen Jahren ihren traurigen Höhepunkt erreicht. Rechtlich betrachtet sind Waffenexporte in diese Länder allenfalls in begründeten Ausnahmenfällen zum Wohle deutscher Interessen erlaubt. Genau diesbezüglich bricht die Bundesregierung permanent deutsches Recht, indem sie den Ausnahme- zum Regelfall macht.
Der legale Waffenhandel wird weitgehend in regierungsamtlichen Rüstungsexportberichten und neuerdings auch in Veröffentlichungen zu den Exportgenehmigungen des Bundessicherheitsrats bzw. des Vorbereitenden Ausschusses publiziert. Ganz anders der illegale Transfer von Kriegswaffen. Hier drohen gemäß Kriegswaffenkontroll- und Außenwirtschaftsgesetz bei Bekanntwerden mehrjährige Haftstrafen. Kein Wunder also, dass illegale Waffendeals jenseits der Öffentlichkeit im Verborgenen stattfinden sollen.
Auf den Punkt gebracht nach Analyse der vertraulichen Dokumente: Bestechungsgelder an Amtsträger im In- und Ausland, manipulierte Endverbleibszertifikate als Voraussetzung für den Export deutscher Waffenschmieden, fragwürdige Empfängerstaaten, die der Bundesregierung garantieren, deutsche Waffen nicht weiterzuverkaufen und die sich nicht an die Abmachungen halten undundund. Wir müssen uns nicht wundern, dass deutsche Waffen in den Händen von Terrormilizen, Todesschwadronen, von der Mafia beeinflussten Polizisten und von Militärs landen.
Nichts davon ist, was illegale Geschäfte betrifft, erlaubt – weder den Beteiligten in den Waffenschmieden noch den Beamten und Politikern. In unserem Buch legen wir grundlegende Dokumente vor, die nachdrücklich Hinweise auf mögliche Straftaten geben. Wir wollen, dass die zuständigen Personen – bis in höchste Kreise – zur Rechenschaft gezogen und vor Gericht gestellt werden.
Mit höchsten Kreisen meinen Sie beispielsweise was oder wen?
Nun, die zu beantwortende Frage lautet: Wie konnten und können Kriegswaffen ungehindert in Kriegsgebiete, in miteinander verfeindete Staaten, in Länder mit jahrzehntelangen Bürgerkriegen geliefert werden? Die Antwort liegt in einem Netzwerk von Rüstungsindustrie, Rüstungsexport-Kontrollbehörden, beteiligten Staatssekretären und Politikern. Zu klären ist auch, welche Rolle der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder gespielt hat, der gerne im Hintergrund agiert.
Unser Buch deckt ein System auf, das bereits über Jahre und Jahrzehnte hinweg die vermeintlich undurchlässigen Grenzen für illegale Kriegswaffenexporte in die ganze Welt geöffnet hat. Dabei legen die uns vorliegende interne Protokolle und Dokumente nahe, dass Beteiligte auf allen Ebenen von den dubiosen Waffenexporten nach Mexiko wussten. Zugleich widerlegen die Akten die Annahme, Rüstungsfirmen müssten sich problematische Ausfuhrgenehmigungen erschleichen. Im vorliegenden Fall haben nachweislich alle gemeinsame Sache gemacht: die Ministerien, die Ämter und die Waffenhersteller – und letztlich sogar der Vorbereitende Ausschuss des Bundessicherheitsrats – also Staatssekretäre und führende Beamte.
Bei diesen Fakten möchte ich es vorerst belassen. Mehr dazu im Netzwerk-des-Todes-Buch, in dem wir zuhauf Faksimiles höchst brisanter Dokumente veröffentlichen. In den kommenden Monaten erreichen die Auseinandersetzungen ihre entscheidende Phase. Mehr wird alsbald folgen im Rahmen der anstehenden juristischen Auseinandersetzungen und gern auch wieder hier bei Ihnen auf den NachDenkSeiten.
Haben Sie vielen Dank für das Gespräch. Und auch für diesen äußerst lesenswerten Thriller, der Licht ins Dunkel der Machenschaften von Rüstungsindustrie, Kontrollbehörden – die ihrem Namen nicht gerecht werden – und der Politik bis hin zur Führungsebene bringt.
Jürgen Grässlin ist Sprecher der Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“, Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), Sprecher der Kritischen AktionärInnen Daimler (KAD) und Vorsitzender des RüstungsInformationsBüros (RIB e.V.). Er ist Autor zahlreicher kritischer Sachbücher über Rüstungsexporte sowie Militär- und Wirtschaftspolitik, darunter internationale Bestseller. Zuletzt verfasste er das „Schwarzbuch Waffenhandel. Wie Deutschland am Krieg verdient“ (2013) und „Netzwerk des Todes. Blutiger Handel – Die kriminellen Verflechtungen von Waffenindustrie und Behörden (September 2015). Grässlin wurde mit mehreren Preisen für Frieden und Zivilcourage ausgezeichnet, u.a. mit dem „Aachener Friedenspreis“ (2011). Weitere Informationen unter www.juergengraesslin.com.
Weiterschauen:
- ARD: „Tödliche Exporte: Wie das G36 nach Mexiko kam“
- Quelle II: Die Doku auf YouTube
- Jan van Aken, Die Linke: „Ein Lehrstück in Sachen Lug und Betrug“
- Weltnetz.TV: „Frieden ist schlecht fürs Geschäft“
Weitere Veröffentlichungen von Jens Wernicke finden Sie auf seiner Homepage jenswernicke.de. Dort können Sie auch eine automatische E-Mail-Benachrichtigung über neue Texte bestellen.