VW und TTIP
VW hat ein Problem und die EU–Kommission macht neue Vorschläge zur Besetzung der TTIP – Schiedsgerichte. Derweil gibt der ehemalige Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer zu Protokoll, der Betrug von VW mit getürkten Abgaswerten wäre gar nicht möglich gewesen, wenn das TTIP – Abkommen bereits in Kraft wäre. Zur Erinnerung: Das Transatlantic Trade and Investment Partnership-Freihandelsabkommen, kurz TTIP, wird nach wie vor unter absoluter Geheimhaltung zwischen der EU-Kommission und den USA verhandelt und soll bis zum Ende dieses Jahres unterschriftsreif sein. Wenn sich der Experte aus Bayern da mal nur nicht täuscht. Von Jochen Kelter
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Durch TTIP sollen Industrie- und Handelsnormen sowie technische Kontrollen vereinheitlicht werden, so dass in Zukunft keine Doppelspurigkeit diesseits und jenseits des Atlantiks mehr herrscht. Und zwar im Sinne der Industrie und der Großkonzerne. Vielleicht würde man sich doch lieber auf die laxeren europäischen Schadstoffwerte und -kontrollen einigen als auf die schärferen amerikanischen. Denn der „International Council on Clean Transportation“, der den VW–Skandal in den USA aufgedeckt hat, wird bei den Verhandlungen genauso wenig angehört wie andere Non-Profit-Organisationen, Umweltschutzverbände und Gewerkschaften. Und nicht einmal Parlamentarier haben Zugang zu den Verhandlungsdossiers. Zum Skandal wäre es mit einem TTIP–Abkommen vielleicht gar nicht gekommen, weil er erst gar nicht aufgeflogen wäre.
Die Medien fragen sich unterdessen, was den Konzern oder führende Manager dazu verleitet haben mag, „derart unverfroren zu betrügen“. Doch nicht etwa, weil „Gesundheit von Mensch und Umwelt … machthungrigen Konzernen egal“ sind, wie sich die Neue Zürcher Zeitung vom 23.9. zu verneinen beeilt? Doch, genau deswegen. Weil sich ganz offenbar in den Chefetagen der Auto- und anderer Industriekonzerne eine Mentalität breitgemacht hat wie weiland (und zum Teil wohl immer noch) bei Investmentbankern und Börsen-Zockern. Es muss Profit um jeden Preis gemacht werden. Was zählen da Mensch und Umwelt. Und die Verantwortlichen glaubten sich offenbar vor Aufdeckung sicher. VW musste in den USA endlich Erfolge einfahren. Bis zum Jahr 2018 sollten dort 800.000 Autos verkauft werden, ein schon vor dem Skandal utopisches Ziel, sind die Verkaufszahlen im Jahr 2014 doch um 10 Prozent auf 370.000 Fahrzeuge zurückgegangen.
Das TTIP–Abkommen sieht auch einen Schutz von Investoren vor. So ein Investor will doch eine Garantie dafür, dass seine Investition im Ausland Gewinn bringt. Dafür sollten Sondergerichte sorgen, die der normalen Gerichtsbarkeit entzogen würden und gegen deren Urteile vor einem ordentlichen Gericht keine Berufung möglich wäre. Zusammengesetzt hätten sie sich wohl aus Industrieblobbyisten und Wirtschaftsanwälten. Im CETA–Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada gibt es sie. Und obwohl CETA zwar schon ausgehandelt, aber noch nicht ratifiziert ist, sieht sich Kanada bereits mit Klagen in Milliardenhöhe wegen Gewinnausfalls oder Gewinnschmälerung konfrontiert.
Da diese Art von „Justiz“ auf den größten Widerstand der TTIP-Gegner stieß, hat die EU–Kommission vor kurzem neue Vorschläge zur Zusammensetzung eines solchen Gerichts vorgelegt. Es soll mit je fünf Richtern aus der EU, fünf aus den USA und fünf aus Drittstaaten besetzt werden. Damit, meint Wirtschaftsminister Gabriel, sei die Sache doch erledigt. Gar nichts ist erledigt! Abgesehen von vielen anderen Kritikpunkten: Wieso braucht es, wäre an der Absicht nichts faul, Sondergerichte, wo doch wohl niemand bestreitet, dass sowohl die USA wie die EU über eine funktionierende Gerichtsbarkeit verfügen? Eine Europäische Bürgerinitiative fordert die EU – Kommission per Unterschriftensammlung vielmehr auf, die Verhandlungen einzustellen.
Anmerkung Jens Berger: Am 10. Oktober findet in Berlin eine Großdemo gegen TTIP und CETA statt.