Funktionale Privatisierung staatlicher Aufgaben – am Beispiel öffentlicher Hochschulen
Referat von Wolfgang Lieb auf der gemeinsam von der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik, dem BdWi dem Bildungs- und Förderungswerk der GEW im DGB e.V., dem DGB Brandenburg und der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) veranstalteten Tagung „Öffentlich vor privat – Die Zukunft der gesellschaftlichen Daseinsvorsorge“ am 19.9.2015 in Berlin.
Die deutschen Hochschulen haben seit der Jahrhundertwende die größten Umbrüche seit den preußischen Universitätsreformen hinter sich. Es fand ein Leitbildwechsel weg vom humboldtschen Bildungsideal hin zum hayekschen Glauben an die Überlegenheit der Markt- und Wettbewerbssteuerung einer vom Staat „entfesselten Hochschule“ (so Detlef Müller-Böling, ehemals Geschäftsführer des n Centrums für Hochschulentwicklung, CHE, der Bertelsmann Stiftung) statt.
Unter dem positiv und vor allem bei den Hochschulangehörigen sympathisch empfundenen Tarnwort „Autonomie“ wurde in Deutschland ein Systemwechsel von der sich selbstverwaltenden Gruppenuniversität zur „unternehmerischen“ Hochschule vollzogen.
Dieser Leitbildwechsel hat zwar in den verschiedenen Hochschulgesetznovellierungen der Länder unterschiedliche Ausprägungen erfahren, aber die Grundtendenz war überall gleich. Nämlich weg von der demokratisch verantworteten, sich selbst verwaltenden Hochschule hin zur wettbewerbsgesteuerten Hochschule. Der Wettbewerb auf dem Forschungs- und Ausbildungsmarkt und „Standortkonkurrenz“ sollten zu den wichtigsten Steuerungsinstrumenten der Hochschul- und Forschungsentwicklung werden.
Damit kein Missverständnis aufkommt, ich wende mich nicht gegen einen Wettbewerb um die besten Forschungsleistungen. Einen solchen Wettbewerb unter Wissenschaftlern hat es immer gegeben. Wissenschaft – zumal an einer von der Allgemeinheit getragenen Hochschule – ist genuin auf den Wettstreit um die richtige Antwort – pathetisch gesagt – auf den Wettstreit um Wahrheit angelegt.
Hinter dem Wettbewerb im Leitbild der „unternehmerischen Hochschule“ steht aber nicht das Bild vom Wettstreit um Wahrheit: Es ist das Bild einer Hochschule, die wie ein Unternehmen ihre „Produkte“ und „Waren“ – also ihre Forschungsleistungen sowie ihre Aus- und Weiterbildungsangebote – auf dem Markt an kaufkräftige Nachfrager abzusetzen hat: nämlich an zahlungskräftige Forschungsförderer und Auftraggeber, an Stifter und Sponsoren – und an Studierende, die nunmehr „Kunden“ sein sollen und deshalb für die eingekaufte „Ware“ namens Studium zur Kasse gebeten werden sollten.
Zwischenbemerkung:
Die Studiengebühren waren als „nachfrageorientierte“ Steuerung gedacht. Die zunächst auf 500 Euro pro Semester begrenzte Gebühr sollte dabei nur der Einstieg sein.
Wenn erst einmal der Anfang gemacht ist – so planten die Befürworter -, dann würden die Gebühren – wie überall in der Welt, also etwa in Großbritannien oder Australien oder im klassischen Gebührenland USA schon steigen. Exzellenzuniversitäten in den Metropolen mit großer Nachfrage könnten darüberhinaus dann mehr verlangen, als Hochschulen in der Provinz.
Die Studiengebührenbefürworter hatten allerdings nicht mit dem breiten politischen Wiederstand gerechnet, der sogar Wahlentscheidungen beeinflusste.
Zum Wintersemester 2014/2015 schaffte Niedersachsen als letztes Bundesland die Studiengebühren wieder ab. In Hessen, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Hamburg und im Saarland wurden nach Wahlniederlagen von CDU und FDP, die Studiengebühren wieder abgeschafft. Selbst in Bayern wagte die mit absoluter Mehrheit wiedergewählte CSU nicht, die 2013 abgeschaffte Campus-„Maut“ wieder einzuführen.
Doch die Studiengebührenbefürworter geben keine Ruhe. Im letzten Herbst fingen die Hochschulrektoren an, wieder mobil zu machen.
Wie tief der politische und ökonomische Sachverstand der angeblichen Manager unserer „hohen Schulen“ gesunken ist, belegt die Argumentation des Vorsitzenden der HRK, Horst Hippler: Vor dem Hintergrund knapper Landeskassen und der „Schuldenbremse“ sei das Thema Studiengebühren „garantiert nicht erledigt“.
Dass die öffentliche Verschuldung etwas mit dem „Steuersenkungswahn“ der letzten Dekade und die „Schuldenbremse“ etwas mit dem neoliberalen Dogma des „Aushungern“ des Staates („starve the beast“) zu tun hat, sehen die Rektoren in ihrer Angepasstheit an die herrschende Ideologie leider nicht mehr.
Statt alle politischen Hebel in Bewegung zu setzen, die Hochschulpaktmittel pro Studienanfänger von 26.000 Euro auf wenigstens 30.0000 Euro anzuheben oder dafür zu kämpfen, dass die Länder die vom Bund übernommenen BAFöG-Mittel in die Hochschulen stecken, wollen die Rektoren lieber die Studierenden zu Kasse bitten. Sie tun gerade so, als ob damit die Unterfinanzierung der Hochschulen überbrückt werden könnte.
Zweite Zwischenbemerkung:
Wie kam es zu dem Leitbildwechsel?
Spätestens nach dem Scheidebrief an die sozialliberale Koalition, dem sog. Lambsdorff-Papier aus dem Jahre 1982 haben der „Thatcherismus“ und die „Reaganomics“ auch in Deutschland ihren Siegeszug angetreten. Das Rezept ist schlicht: Der Markt kann alles besser als der Staat. Und um dieser Ideologie politisch zum Durchbruch zu verhelfen, muss man die staatlichen Angebote öffentlich schlecht machen.
Manche der Älteren unter Ihnen werden sich bestimmt noch an die Schlagworte erinnern, mit denen auf dem Feld der Hochschulen im Wortsinne zugeschlagen wurde: Die Hochschulen seien „Mittelmaß“, im „Kern verrottet“ (so etwa der Sozialdemokrat Peter Glotz), „mit dem Latein am Ende“ (Spiegel) oder einfach nur „krank“. Das hatte durchaus Methode: Mit diesem Schlechtreden des „Wirtschaftsstandorts Deutschland“ wurden ja auch die ganzen sog. „Strukturreformen“ der Agenda 2010 und das Lohndumping durchgesetzt.
Hochschullehrer sind Einzelkämpfer, die Erfahrung von solidarischer Kraft ist ihnen historisch unbekannt. Die Hochschulen waren politisch leider schon immer eine leichte Verfügungsmasse der politisch Mächtigen oder des Zeitgeistes. Außerdem hat sich an den Hochschulen eine „Froschperspektive“ des politischen Denkens breit gemacht. Selbst fortschrittlichere Hochschullehrer und schon gar die Hochschulleitungen greifen z.B. in ihrer finanziellen Not nur allzu gern nach dem Strohhalm der Studiengebühren oder privater Drittmittel. Sie haben vor der nunmehr seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts mit dem sog. „Öffnungsbeschluss“ beginnenden staatlichen „Unterfinanzierung“ resigniert und ihre Hoffnungen auf eine angemessene staatliche Finanzierung weitgehend aufgegeben. Das Politikum, dass nämlich die knappen öffentlichen Kassen auch etwas mit dem Steuersenkungswahn und der Aushungerung des Staates der letzten Dekaden zu tun hat, wird gar nicht mehr gesehen.
Unverkennbar ist auch die überwiegende Mehrheit der Hochschulangehörigen auf den neoliberalen Mainstream eingeschwenkt. Die wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten, wo diese Lehre nahezu unisono verkündet wird, haben da ganze Arbeit geleistet. Über die soziale Auslese-Funktion von Studiengebühren und ihre bildungspolitische Bedeutung wird so z.B. kaum noch nachgedacht. Die Hochschulen sind ja ohnehin überfüllt, warum sollte man sich da auch noch Sorgen machen, um diejenigen, die wegen dieser Geldbarriere vor den Hörsälen bleiben
Bertelsmann als „informelles Bundesbildungsministerium“
Einer der stärksten Motoren für die hochschulpolitische Entwicklung der letzten zwei Dekaden war die Bertelsmann Stiftung.
Diese Stiftung ist – entgegen dem Anschein, den sie zu erwecken versucht – keine gesellschaftspolitisch neutrale Einrichtung zu uneigennützigen Zwecken.
Man kann dem verstorbenen Firmenpatriarchen Reinhard Mohn nicht einmal vorwerfen, dass er mit seiner „Mission“ hinter dem Berg gehalten hätte. Jeder kann diese noch heute auf der Website der Bertelsmann Stiftung oder etwa in Mohns Buch „Die gesellschaftliche Verantwortung des Unternehmers“ nachlesen.
Mohn und mit ihm die Bertelsmann Stiftung vertreten eine Art deutschen Sonderweg in die wirtschaftsliberal globalisierte Welt,
- der auf eine korporatistische Unternehmenskultur setzt,
- der den Sozialstaat als überdehnt oder gar überholt betrachtet
- und der eine über den Wettbewerb hergestellte Effizienz als Steuerungsinstrument an die Stelle von Mitbestimmung und demokratischer Gestaltung setzen will.
Und immer geht es deshalb auch um ein Zurückdrängen des Staates, eine Verringerung der Staatsquote und – als Mittel dazu – um die Senkung der Steuerlast.
„Es ist ein Segen, dass uns das Geld ausgeht. Anders kriegen wir das notwendige Umdenken nicht in Gang“, sagte Reinhard Mohn schon 1996 in einem Stern-Interview.
Im Hinblick auf diese Mission ist die Stiftung – wie Harald Schumann im Tagesspiegel schrieb – eine „Macht ohne Mandat“.
Auf dem Feld der Bildungspolitik ist Bertelsmann geradezu zu einem „informellen Bundesbildungsministerium“ geworden.
Unter dem Pathos der „Gemeinwohlverpflichtung“ oder „Wir helfen der Politik, dem Staat und der Gesellschaft, Lösungen für die Zukunft zu finden“ (so Reinhard Mohn) gibt es kaum ein politisches Feld von Bedeutung, wo die Bertelsmann Stiftung mit ihren Handreichungen nicht ihre Lösungsangebote macht.
Besonders engagiert ist die Bertelsmann Stiftung auf dem Feld der Hochschulpolitik.
Hochschulen wurden von Reinhard Mohn – richtigerweise – als „Schlüssel zur Gesellschaftsreform“ angesehen.
Mohn war einer der Gründungsväter und viele Jahre der Hauptsponsor der 1983 gegründeten ersten deutschen Privaten Universität Witten-Herdecke. Diese sollte „Stachel im Fleisch“ der staatlichen Hochschulen sein.
Witten-Herdecke schaffte es nie so richtig finanziell auf die Beine zu kommen und wäre dieser Privaten Uni der Staat nicht zur Seite gesprungen, dann wäre sie schon längst Pleite gegangen.
Reinhard Mohn hat offenbar im Laufe der Zeit erkannt, dass der Weg zur Reform des Hochschulsystems über die Gründung privater Hochschulen nicht erfolgversprechend ist; schlicht: weil sich nicht ausreichend private Geldgeber finden lassen und weil die öffentlichen Hochschulen qualitativ nach wie vor überlegen sind und den Bedarf an teuren privaten Studienplätzen in engen Grenzen halten.
Viel effizienter erschien Mohn daher der Weg, die weitgehend staatlich finanzierten öffentlichen Hochschulen organisiert wie private Unternehmen in den Wettbewerb zu schicken und über die Konkurrenz um Studiengebühren und ergänzende private oder auch öffentliche Drittmittel das Hochschulsystem steuern zu lassen.
Diese Erkenntnis haben Reinhard Mohn und seine Berater wohl veranlasst 1994 das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) zu gründen.
Klugerweise nahm das CHE die damals ohne jeden Apparat und ohne großen institutionellen Einfluss auf die Hochschulpolitik agierende, aber umso standesbewusstere Hochschulrektorenkonferenz (HRK) mit ins Boot.
So veröffentlichten das CHE und die HRK ihre hochschulreformerischen Lösungskonzepte unter einem gemeinsamen Kopfbogen und so verschaffte sich Bertelsmann ein einigermaßen unverdächtiges Entree in die Hochschulen vor allem über die Hochschulleitungen.
Die Entstehungsgeschichte des sog. „Hochschulfreiheitsgesetzes“ in Nordrhein-Westfalen in den Jahren 2005 und 2006 ist ein Musterbeispiel dafür, wie sich die Politik und der Staat aus ihrer Verantwortung für ein zentrales Feld der Zukunftsgestaltung zurück ziehen und dem Druck einer privaten Lobbyorganisationen nachgeben und sich zur verlängerten Werkbank des „Centrums für Hochschulentwicklung“ degradieren lassen.
Schaut man nämlich einmal genauer hin, woher das im HFG in Gesetzesform gegossene Konzept vom Rückzug des Staates zugunsten einer unternehmerischen Hochschule stammt, so stößt man auf die sog. „Governance Struktur“ des „New Public Management“-Modells das vom bertelsmannschen Centrum für Hochschulentwicklung (CHE), dem „Stifterverband für die deutsche Wissenschaft“ – dem wissenschaftspolitischen Arm der Arbeitgeber – und der OECD seit geraumer Zeit der Politik angedient, um nicht zu sagen aufgenötigt wird.
Da Wettbewerb und Konkurrenz das entscheidende Steuerungsinstrument sein sollen, steuern vor allem einzuwerbenden Mittel, also die von den Ländern bereitgestellte „Grundfinanzierung“ ergänzende Finanzierung – das nach wie vor ganz überwiegend staatlich finanzierte Unternehmen Hochschule.
Die staatlichen Hochschulen wurden statt den „Gesetzen“ des demokratisch legitimierten Gesetzgebers, den anonymen und angeblich objektiven „Gesetzen“ des Wettbewerbs auf dem Wissenschaftsmarkt und der Konkurrenz auf dem Ausbildungsmarkt unterstellt.
Die Hochschulen sollen auf Quasi-Märkten agieren und ähnliche Organisationsstrukturen wie Profitunternehmen haben
Dazu mussten horizontale oder Bottom-up-Strukturen demokratischer oder kooperativer Interessenvertretung von vertikalen, Top-down-Entscheidungsbefugnissen abgelöst werden.
Wie in einer Aktiengesellschaft soll in diesem Leitbild der „unternehmerischen Hochschule“ das Management von der Spitze aus in alle Bereiche des Unternehmens – als „Dienstherr“ des „Personals“ (§ 38 HessHG) (ehemals Hochschullehrer genannt) und bis hinein in die „Ausbildungsverhältnisse“ (ehemals Studium genannt) – durchentscheiden können. Man braucht dazu sozusagen einen „Chief Executive Officer“ als Präsidenten, gegen dessen Stimme keine Entscheidung getroffen werden kann. (So war das z.B. auch in § 15 Abs. 2 Ziff. 3 des NRW- Hochschul“Freiheits“gesetzes geregelt.)
Die Qualität einer Hochschule bestimmt sich nicht mehr aus ihrer wissenschaftlichen Anerkennung innerhalb der Scientific Community – also aus ihrem symbolischen oder ´kulturellen Kapital` (Pierre Bourdieu) -, sondern in der „unternehmerischen“ Hochschule erweist sich Qualität in der „Konkurrenz mit ihresgleichen“ (so schrieb der damalige Innovationsminister Pinkwart von der FDP). Und die Qualität eines wissenschaftlichen Studiums lässt sich aus den Benchmarks von Hochschulrankings ableiten, die Qualität der Forschung aus der Höhe der Drittmitteleinwerbungen – also aus ganz handfestem Kapital.
Damit den Gesetzen des Wettbewerbs gefolgt werden kann, muss – dem Glaubensbekenntnis des Markt- und Wettbewerbsliberalismus entsprechend – der Staat aus dem Marktgeschehen möglichst weitgehend herausgehalten werden.
Das Parlament ist allenfalls noch der Zahlmeister, der – so wörtlich – „Zuschüsse“ gewährt.
„Freischwebende“ Aufsichtsräte
An Stelle des Ministeriums oder des Parlaments als demokratische legitimierte rahmensetzende Organe wurde in der „unternehmerischen“ Hochschule – wie bei einem in Form einer Aktiengesellschaft konstituierten Wirtschaftsunternehmen – der Hochschulleitung ein frei schwebender Aufsichtsrat als „Fachaufsicht“ mit weitgehenden Kompetenzen vorgesetzt.
Die Kompetenzen der Hochschulräte sind in den einzelnen Landesgesetzen unterschiedlich weitgehend geregelt – am tiefgreifendsten war das im sog. Hochschul-„Freiheits“-Gesetz in NRW.
Die Berufung in die Hochschulräte ist in den Ländern unterschiedlich geregelt, doch anders als etwa bei der Berufung der Rundfunkräte bei den staatsunabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, haben die Parlamente bei der Bestellung der Hochschulräte durch das jeweilige Ministerium in aller Regel nichts zu sagen.
Mag man bei der Bestellung der Hochschulräte noch von einer teilweisen Legitimation durch den Hochschulsenat oder wie in NRW neuerdings durch eine „Hochschulwahlversammlung“ (§ 22a HZG NRW ) und von einer mittelbaren demokratischen Legitimation durch die vom Parlament gewählte Exekutive, also dem Ministerium sprechen, so sind aber die Mitglieder des Hochschulrats nach ihrer Bestellung über ihre gesamte vierjährige Amtszeit keiner auch nur irgendwie demokratisch legitimierten Instanz mehr rechenschaftspflichtig. Sie können für Ihre oft tiefgreifenden und kostenintensiven Entscheidungen von niemand zur Verantwortung gezogen werden. Deshalb nenne ich die Hochschulräte „freischwebend“.
Die meisten Hochschulgesetze billigen dem weder parlamentarisch noch gegenüber der Öffentlichkeit rechenschaftspflichtigen und von der Hochschule nicht zur Verantwortung ziehbaren Hochschulrat Kompetenzen und Entscheidungsrechte zu, die dem demokratisch gewählten Parlament und der demokratisch legitimierten Regierung entzogen wurden. Ja noch mehr: Hochschulräten wurden sogar mehr Kompetenzen eingeräumt als der Staat gegenüber den Hochschulen vor dem Systemwechsel je hatte. Sie üben z.B. eine Kontrollfunktion in akademischen und wirtschaftlichen Angelegenheiten aus, sie stimmen der Entwicklungsplanung zu, sie entlasten das Präsidium, sie bestimmen die Wahl der Hochschulleitung wesentlich mit.
Wenigstens einige dieser Defizite der Hochschulratsstruktur räumen inzwischen sogar die wichtigsten Protagonisten der Einführung von Hochschulräten – nämlich das bertelsmannsche Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) und der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft – ein. In einem „Handbuch Hochschulräte“ wird z.B. festgestellt, dass die Ehrenamtlichkeit der Hochschulräte mit ihren zumeist weitgehenden Kompetenzen konfligiere. Statt aber die Kompetenzen der Ehrenamtlichkeit anzupassen, wird vorgeschlagen, dass die Hochschulratsmitglieder für einen “individuellen Versicherungsschutz“ Sorge tragen sollen und etwa eine „Directors and Officers-Versicherung“ abschließen sollten, wie das für das Management von Unternehmen üblich ist. Die Hochschulen sollen die entsprechenden Versicherungsbeiträge übernehmen.
Als Ersatz für eine öffentliche oder parlamentarische Kontrolle, sollen sich die Hochschulräte einer „externen Evaluation“ stellen. Und um die Ehrenamtler für ihre verantwortungsvolle Tätigkeit zu rüsten, sollen die Ministerien den Hochschulräten zu Beginn ihrer Amtszeit einen Leitfaden „in Form eines „Starter-Kits für Hochschulräte“ – so heißt es wörtlich in dem Handbuch – zur Verfügung stellen.
Ich halte – mit Verlaub – diese Korrekturen eher für kabarettreif als für zielführend. Jedenfalls können sie das Legitimationsdefizit für die Dauer der Amtszeit nicht heilen.
Die Hochschulratsmitglieder mögen zwar viel Engagement und Sympathie für „ihre“ jeweilige Hochschule haben, doch sie müssen keinerlei fachliche oder rechtliche Kenntnisse besitzen, sie müssen noch nicht einmal mit dem Hochschulwesen vertraut sein. Sie sind ehrenamtlich tätig und müssen sich nach der Geschäftsordnung lediglich halbjährlich versammeln. Nach einer empirischen Untersuchung von Macinkowski/ Kohring nehmen Hochschulratsvertreter durchschnittlich zwischen 3,7 bis 4,1- mal im Jahr an Sitzungen teil und wenden – nach Eigenangaben – zwischen 50,9 bis 73,2 Stunden im Jahr für ihre Tätigkeit auf.
Die Kontakte zu Hochschulvertretern sind relativ selten und finden ganz überwiegend zur Hochschulleitung statt.
In aller Regel haben Hochschulräte keinen eigenen planerischen Unterbau, der ihnen für ihre tiefgreifenden und weitreichenden Entscheidungen zuarbeiten könnte.
Es bestehen – so auch das Bundesverwaltungsgericht im Hinblick auf das niedersächsische Modell einer Stiftungshochschule – (wörtlich) „durchgreifende Zweifel“, ob diese Aufsichtsräte die ihnen vom Gesetz übertragenen Kompetenzen fachlich und sachlich ausfüllen können.
In der Praxis stärken Hochschulräte eher die Durchgriffsmacht der mit den Hochschulreformgesetzen ohnehin massiv gestärkten Hochschulleitungen gegenüber den Hochschulangehörigen und den Gremien der Hochschule.
Auf der Basis von Befragungen von Mitgliedern der Hochschulleitungen, von Hochschulratsmitgliedern und Kanzlern kommt selbst eine Studie des bertelsmannschen CHE über das „strategische Management“ an den Hochschulen zum Ergebnis, dass Hochschulräte zwar kaum „fachlichen Impulse“ geben, aber dafür die Macht hätten, Strategien einzufordern.
Im Blick auf die fachlichen Impulse ergab sich nach dieser Befragung (so wörtlich) „ein klares negatives Urteil“ (S.90)
„Die große Mehrheit der Interviewten berichtete, dass die Hochschulräte (hier vor allem die externen Mitglieder) fachlich wenig zur Strategie der Hochschule beitragen (teils wollen, teils) können…Gleichzeitig herrschte weitgehende Einigkeit dahingehend, dass es gar nicht wünschenswert sei, dass die Hochschulräte sich inhaltlich in die Strategieentwicklung einschalten würden. Bei den Vertreter(inne)n aus anderen gesellschaftlichen Feldern bestehe ohnehin nur die Gefahr, dass sie Erfahrungen aus ihrem eigenen Umfeld oder ihrer eigenen Branche überbewerteten…“
Wenn aber selbst einer der „Erfinder“ der Hochschulräte“, das CHE, zu dem Befund kommt, dass die Hochschulräte zwar viel Macht haben, aber fachlich eher wenig zu einer Hochschulstrategie beitragen (können), dann stellt sich umso mehr die Frage, warum ihnen in den Hochschulgesetzen nach wie vor die Kompetenz eingeräumt bleibt, über die strategische Ausrichtung einer Hochschule zu entscheiden.
Dass – wie von Hochschulratsmitgliedern immer wieder betont wird – die gesetzlichen Kompetenzen von den Hochschulräten nicht ausgeschöpft werden, sondern diese ihre Funktion eher als „Berater“ oder „Unterstützer“ verstehen, ändert an der Rechtslage nichts. Im Gegenteil, diese Praxis spricht für eine Änderung der Gesetze.
Ich bin selbst Mitglied in einem Hochschulrat einer Hochschule gewesen und habe so über 10 Jahren Erfahrungen mit einem solchen „Aufsichtsrat“ sammeln können:
Dabei bin ich zur festen Überzeugung gelangt: Ein ehrenamtlicher Hochschulrat ist mit den ihm per Gesetz übertragenen Kompetenzen in aller Regel schlicht überfordert.
In der ganz überwiegenden Zahl der zu treffenden Entscheidungen hat das hauptamtliche Präsidium einen nicht einholbaren Informationsvorsprung und kennt die möglichen Handlungsoptionen erheblich besser als zumindest jedes externe Mitglied des Hochschulrates.
Etliche Präsidenten haben sich dadurch zu Alleinherrschern bzw. zu patriarchalischen Unternehmerpersönlichkeiten entwickelt.
Hochschulräte arbeiten weder öffentlich noch transparent noch sind sie repräsentativ zusammengesetzt.
Nach einer Erhebung durch Bogumil et al. ordnen sich 41 % der Befragten Hochschulratsmitglieder dem Bereich Wissenschaft zu. Es könne also angenommen werden, dass eine „Orientierung an den Normen und Interessen des Wissenschaftssystems“ bestehe (S. 93f.) dass damit aber eben nicht gesellschaftliche Perspektiven eingebracht werden.
Die am zweithäufigsten vertretene Gruppe bilden Personen aus der Wirtschaft mit 36%, davon wiederum 78% von Großunternehmen.
Aber vor allem: „Führungspersönlichkeiten“ aus der Wirtschaft stellen nahezu die Hälfte aller Hochschulratsvorsitzenden. Arbeitnehmer oder andere Repräsentanten anderer gesellschaftlichen Gruppen sind nur zu einem winzigen Bruchteil vertreten. Der Anteil von Ruheständlern ist hoch.
Von einer angemessenen Repräsentanz – wie es etwa in § 86 HessHG so schön heißt – wichtiger Fürsprecher aus den Bereichen „Wissenschaft, Wirtschaft, der beruflichen Praxis oder der Kultur“ kann also kaum die Rede sein.
In Abwandlung zur Kritik an US-Hochschul-Boards „white, wealthy, businessmen“ könnte man bei uns sagen die Aufsichtsräte sind überwiegend „old, wealthy, businessmen, masculine“. (In Rheinland-Pfalz inzwischen eine Quote für Frauen.)
Funktionelle Privatisierung
Bei der Hochschulratsstruktur ganz allgemein handelt es sich um eine nach dem deutschen öffentlichen Recht singuläre Organisationsform.
Die Parlamente und der Staat billigen einem demokratisch nicht legitimierten, parlamentarisch nicht rechenschaftspflichtigen und von der Hochschule oder von der Gesellschaft nicht zur Verantwortung ziehbaren Hochschulrat Kompetenzen und Entscheidungsrechte zu, die teilweise weit über die Kompetenzen hinausgehen, die der Staat jemals zumindest gegenüber den Universitäten hatte.
Es geht nicht etwa um eine nach dem Verwaltungsrecht mögliche Auslagerung einer öffentlichen Aufgabe in eine mitgliedschaftlich organisierte Selbstverwaltungskörperschaft, sondern um eine im demokratischen Verwaltungsstaat bisher unbekannte „Zerfaserung“ von Staatlichkeit bei einer gleichzeitigen „Erosion der klassischen Verbändebeteiligung“ und einer Verschiebung der „Organisationsverantwortung“ hin zu einigen wenigen „Führungspersönlichkeiten“, die niemand rechenschaftspflichtig sind.
(Vgl. Jörg Bogumil, Rolf G. Heinze, Stephan Grohs, Sascha Gerber, Hochschulräte als neues Steuerungsinstrument? Eine empirische Analyse der Mitglieder und Aufgabenbereiche, 2007, Studie im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung [PDF – 481 KB])
Es geht gleichzeitig um eine Machtverschiebung zu Lasten der klassisch-parlamentarischen Repräsentation der gesellschaftlichen Interessen und vor allem auch zu Ungunsten der Selbstverwaltung der Hochschule.
Die einer privatrechtlichen Aktiengesellschaft nachgebildete Aufsichtsratsstruktur der Hochschulräte kommt einer „funktionellen Privatisierung“ der öffentlichen und staatlich nur noch „bezuschussten“ Hochschulen gleich. Die öffentlichen Hochschulen werden zwar noch staatlich subventioniert, die „Differenz zwischen staatlicher und privater Hochschulträgerschaft“ verliert aber an Bedeutung.
(Siehe Enrique Fernández Darraz, Gero Lenhardt, Robert D. Reisz, Manfred Stock, Hochschulprivatisierung und akademische Freiheit, hrsg. So eine Studie des Institut für Hochschulforschung (HoF) 2010; ähnlich auch „Rolle und Zukunft privater Hochschulen in Deutschland“, eine Studie des Stifterverbands in Kooperation mit McKinsey & Company [PDF – 3.7 MB]).
Das meine nicht nur ich, sondern auch eine Studie des Instituts für Hochschulforschung (HoF) in Halle und selbst eine Studie von McKinsey für den Stifterverband kommt zu diesem Urteil.
Für die Privatisierungsideologen ist eine solche „funktionelle Privatisierung“ sogar der Idealfall: Der Staat sichert die Grundfinanzierung und die ergänzende Finanzierung steuert das Ganze.
Autonomie für die Hochschulleitung
Das der „unternehmerischen Hochschule“ zugrunde liegende Hochschul-Autonomie-Verständnis bezieht die „Autonomie“ im Wesentlichen auf die „Institution“ Hochschule und dabei faktisch vor allem auf die Leitungsebene. Diese Verengung des grundgesetzlichen Autonomiebegriffs auf die Institution tangiert aber das primäre „subjektive“, Freiheitsgrundrecht der Hochschulangehörigen als eigentliche Träger der Wissenschaftsfreiheit und der daraus abgeleiteten Selbstverwaltungsrechte.
Das Leitbild der „unternehmerischen Hochschule“ wechselt einen auf die individuelle Wissenschaftsfreiheit und nur mittelbar als „institutionelle Garantie“ auch auf die Hochschule bezogenen Autonomiebegriff und verengt ihn auf die Institution Hochschule, ja noch mehr auf die Hochschulleitung.
Zugespitzt könnte man sagen: Die Institution Hochschule wurde „autonom“ von Staat und Parlament und „heteronom“ einem Hochschulrat unterstellt.
„Unternehmerische Hochschule“ behindert Innovation
Jenseits rechtlicher Bewertungen widerspricht aber nach meiner Meinung die „unternehmerische“ Hochschule mit ihrer Aufsichtsratsstruktur den „professionskulturellen“ Bedingungen einer freien und innovativen Wissenschaft. Die wettbewerbsgesteuerte Hochschule ist wissenschaftlicher Kreativität nicht förderlich, sondern konterkariert eher das vorgegebene Ziel wissenschaftlicher Qualität und läuft Gefahr wissenschaftliche Innovation zu erschweren.
Auch das ist nicht nur meine persönliche Meinung sondern das Ergebnis einer Studie mit dem Titel „Das Dilemma der unternehmerischen Universität“ von Klaus Dörre und Matthias Neis an der Friedrich-Schiller-Uni in Jena. Übrigens der bisher einzig mir bekannte empirische Untersuchung, die die ansonsten ständig nur behaupteten Erfolge der neuen Hochschulstruktur in Frage stellt.
Die Studie kommt zum Ergebnis:
„Einseitig an messbaren Effizienz- und Wettbewerbskriterien ausgerichtete Steuerungssysteme, wie sie den Leitbildern der unternehmerischen Universität und eines academic capitalism entsprechen, laufen Gefahr, das Gegenteil von dem zu produzieren, was sie eigentlich beabsichtigen. Sie können Innovationen erschweren, ja geradezu blockieren.“
Denn Innovationen entstünden innerhalb der Universität als Ergebnis weitgehend ungeplanter Prozesse in Nischen, die sich einer direkten Kontrolle entzögen. Sie beruhten auf kollektivem Lernen, setzten Vertrauen und gegenseitige Anerkennung voraus.
„Das Regime von McKinsey und Co“ beeinträchtige geradezu die Funktionsfähigkeit der „Herzkammer des Kapitalismus“, nämlich sein Innovationssystem, heißt es dort
Zu ganz ähnlichen Ergebnissen kommt der Wissenschaftssoziologe Richard Münch:
„Die unternehmerische Universität entmachtet die wissenschaftliche und die akademische Gemeinschaft und die Fachgesellschaften als Treuhänder des Erkenntnisfortschritts im inneren Kern der Wissenschaft und der Wissensvermittlung und in ihrem Außenverhältnis zur Gesellschaft. Die kollektive Suche nach Erkenntnis als Kollektivgut und der kollektive Prozess der Bildung und des Wissenstransfers in die Gesellschaft in der Hand der wissenschaftlichen und der akademischen Gemeinschaft sowie der einzelnen Fachgesellschaften wird von der privatisierten Nutzung des Erkenntnisfortschritts, der Bildung und des Wissenstransfers durch unternehmerische Universitäten im Wettbewerb um Marktanteile abgelöst“.
Die Lehre verliert an Boden
Lassen Sie mich am Schluss noch auf eine Tatsache hinweisen, die in der Debatte um die wettbewerbsgesteuerte Hochschule übersehen oder vernachlässigt wird:
In der „unternehmerischen Hochschule“ hat die Lehre gegenüber der Forschung an Boden verloren.
Um mehr Drittmittel einzuwerben, werden z.B. bei Berufungs- und Bleibeverhandlungen immer häufiger deutliche Reduzierungen bei den Lehrdeputaten gewährt.
Die erkennbare Gefährdung der Gleichrangigkeit der Lehre hat inzwischen sogar den Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft und die Kultusministerkonferenz veranlasst den Wettbewerb „Exzellente Lehre“ auszuloben. Die Dotierung mit gerade einmal zehn Millionen Euro hat allerdings bestenfalls symbolische Bedeutung gemessen an der Drittmittelabhängigkeit der Universitäten.
Die Idee der Universität wird korrumpiert
Bei real stagnierenden Grundmitteln, sind die Universitäten, um überhaupt noch Forschung betreiben zu können, mehr und mehr auf die Einwerbung von Drittmitteln angewiesen. Der Wettbewerb um Drittmittel wird so immer mehr zum Steuerungsinstrument der Universitätsforschung. Das Grundecht der Wissenschaftsfreiheit für den einzelnen Hochschulwissenschaftler wird dadurch eingeschränkt und die Idee der Universität als ein von Fremdbestimmung, von wirtschaftlichen Verwertungsinteressen oder von politischen Zweckmäßigkeitsvorstellungen freier Ort der Wissenschaft wird zunehmend korrumpiert.
Die „Drittmittelquote“, also der Anteil der Drittmittel an der Gesamtfinanzierung der Hochschulen und ihrer Forschungen, in nur gut einem Jahrzehnt von 16 auf 26 Prozent erhöht. Der Durchschnitt besagt jedoch wenig:
Der Anteil der Drittmittel an den Forschungsausgaben ist an den Hochschulen sehr unterschiedlich: er liegt bei den technischen Hochschulen mit einem hohen Anteil an mathematisch-naturwissenschaftlichen oder ingenieurwissenschaftlichen Fächern deutlich höher als an klassischen Universitäten, bei der RWTH Aachen liegt dieser Anteil z.B. bei über 40%.
2011 waren an deutschen Hochschulen 26 % des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals, umgerechnet in Vollzeitbeschäftigte, durch Drittmittel finanziert. Bei den wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern lag der Anteil an drittmittelfinanziertem Personal sogar bei 38%.
Etwa jeder dritte Euro der Drittmitteleinnahmen kam von der (staatlich finanzierten) Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Jeder fünfte Euro inzwischen schon von der gewerblichen Wirtschaft.
Die Mehrheit der Lehrenden und Studierenden ist unfreier geworden
Damit komme ich zurück auf meine Eingangsfeststellung:
die staatlichen Hochschulen wurden statt den „Gesetzen“ des demokratisch legitimierten Gesetzgebers und den Entscheidungen der Selbstverwaltungsorgane, den anonymen und angeblich objektiven den „Gesetzen“ des Wettbewerbs auf dem Wissenschaftsmarkt unterstellt.
Mit den auf diesen Wettbewerb ausgerichteten unternehmerischen Leitungsstrukturen ist aber die überwiegende Mehrheit der Lehrenden und Studierenden gemessen an ihren früheren Forschungs- und Lernfreiheiten wesentlich „unfreier“ geworden.
Die Gesetzesnovellen blieben auf halbem Wege stecken
Durch die Regierungswechsel etwa in Baden-Württemberg oder NRW kam es zu Novellierungen der Landeshochschulgesetze auch in Niedersachsen ist eine Novelle auf den Weg gebracht.
Doch die Gesetze sind auf halbem Wege stehen geblieben. Zu einer ausgewogenen Balance zwischen demokratischem Staat und der funktionell privatisierten Hochschule ist es nicht gekommen.
Es fehlte der politische Mut, klar zu bekennen, dass das Leitbild der „unternehmerischen Hochschule“ noch nie zu wissenschaftlichen Hochschulen gepasst hat und dass es darum gehen müsste für eine freie Forschung und Lehre in Verantwortung vor der Gesellschaft für eine demokratische und soziale Hochschule, einzutreten – wie sie etwa im hochschulpolitischen Programm des DGB im Jahre 2012 in die Diskussion gebracht wurde.
Ein neues Leitbild für die Hochschulen
Ein neues Leitbild, müsste die Selbstbestimmung der Grundrechtsträger der Wissenschaftsfreiheit und die gesellschaftliche Verantwortung der Hochschule miteinander vermitteln. Wie das etwa im hochschulpolitischen Programm des DGB im Jahre 2012 in die Diskussion gebracht wurde. Mitbestimmung und Partizipation der Wissenschaftler (und auch der Studierenden) als Grundrechtsträger wäre ein unverzichtbarer Bestandteil einer autonomen Hochschule. Gerade die staatliche gewährte Freiheitsgarantie und nicht zuletzt die ganz überwiegende Finanzierung durch die Allgemeinheit begründen nicht nur die Verantwortung der Hochschulen gegenüber der Gesellschaft, sondern auch eine Pflicht der Wissenschaftler über die Ziele, Inhalte, Ergebnisse und die Folgen von Forschung und Lehre selbstkritisch gegenüber der Öffentlichkeit Rechenschaft abzulegen. Die Hochschule in der Demokratie ist zu Transparenz und Kommunikation verpflichtet (Stichworte: „Open Access“, Wissenstransfer). Dies schon deshalb, um in den verteilungspolitischen Auseinandersetzungen bei knappen öffentlichen Haushalten gegenüber anderen staatlichen Aufgaben auf Dauer erfolgreich sein zu können.
Zur einer wirklich internationalen Wettbewerbsfähigkeit auf dem Felde der Forschung gehörte auch, dass zumindest gesetzliche Rahmenvorgaben für „Gute Arbeit“ und die Nachwuchsförderung an den Hochschulen gemacht würden oder die Garantie, dass eine angemessene staatliche Grundfinanzierung wieder Grundlage für freie Forschung der Hochschulwissenschaftler wird. Damit könnte auch dem Brain-Drain junger Wissenschaftler entgegen gewirkt werden.