„Das Geschäft mit der Angst“ – Mathias Bröckers bespricht das Buch von Pulitzer-Preisträger James Risen
Der Bericht über das Milliardengeschäft des Kriegs gegen den Terror klärt auf und macht Angst. Es ist nicht nur ein Geschäft mit der Angst. Wenn man sich vergegenwärtigt, wie sinnlos dieser Krieg ist und welche großen wirtschaftlichen Interessen ihn antreiben und – vor allem – wie weitgehend dieser Krieg inzwischen in privaten Händen liegt, dann muss man zwingend auch daran denken, dass die großen privaten Interessen und Interessenten an diesem Krieg weitgehend unkontrolliert gegen jene vorgehen können, die sich diesem Krieg entgegenstellen. Wer schützt den unbequemen Kritiker gegen die physische Bedrohung durch Handlanger der Militärkonzerne? Wer schützt die aufkeimende Friedensbewegung gegen die von diesen Interessen finanzierte PR-Maschinerie? Es gibt Menschen, auch in meinem Umfeld, die diese Sorgen nicht haben. Ich bewundere sie ob ihrer Sorglosigkeit. Folgen kann ich dieser Unbekümmertheit nicht mehr. – Es folgt die Besprechung des Buches von James Risen durch den Journalisten und Autor Mathias Bröckers. Albrecht Müller.
Das Geschäft mit der Angst – James Risens Report über das Milliardenbusiness des „War On Terror“
Dass der „Krieg gegen Terror“ nicht zu gewinnen ist, weil „Terror“ eine Strategie ist, gegen die „Krieg“ nichts ausrichten kann – zu dieser Einsicht konnte man schon kommen, als Verteidigungsminister Donald Rumsfeld nach dem 11. September 2001 ankündigte, dass der „Great War On Terror“, den man begonnen habe, sich über „mehrere Generationen“ hinziehen würde. Vierzehn Jahre, also etwa eine halbe Generation später, lässt sich nun feststellen, dass dieser Krieg nicht nur nichts gegen den Terror ausrichten konnte, sondern im Gegenteil immer mehr und immer neuen Terror produziert. Nicht in den USA, die in Bezug auf heimischen Terrorismus eines der ruhigsten Jahrzehnte überhaupt erlebten – in den 60er und 70er Jahren gab es im Zuge der Bürgerrechts- und Anti-Kriegs-Bewegung deutlich mehr Anschläge als seit 9/11 – sondern überall dort, wo der „War On Terror“ geführt wurde und weiter geführt wird. In Afghanistan, Pakistan, Irak, Libyen, Syrien hat dieser Krieg nicht dazu geführt, dass der Terror besiegt wurde, sondern vielmehr dazu, dass wie jetzt mit dem „Islamischen Staat“ terroristische Milizen ganze Regionen regieren.
Wenn man dem Imperium in Washington nicht die Absicht unterstellen will, die Entstaatlichung ganzer Regionen nach der Strategie „Teile und Herrsche“ bewusst zu betreiben, um dank Krieg und Terror in den Peripherien als globaler Hegemon unangefochten zu bleiben – wenn also dieser „War On Terror“ tatsächlich zur Jagd auf internationale Terroristen gedacht war, dann hätte man bei dieser verheerenden Bilanz spätestens nach der Erledigung des vermeintlichen Ober-Terroristen Osama Bin Laden den Sieg und das Ende dieses Kriegs verkünden können. Das geschah bekanntlich nicht, der Friedensnobelpreisträger Obama hakte weiter an jedem „Terror Tuesday“ auf der Liste die per Drohne (und oft von deutschem Boden via Rammstein) zu erledigenden „Terroristen“ ab und führt den ungewinnbaren Krieg unbeirrt weiter. Wenn es nun aber kaum eine bessere Methode gibt, neue Terroristen und „Feinde der Freiheit“ zu produzieren, als Predator-Raketen auf Hochzeitsgesellschaften zu feuern, wenn es militärisch also überhaupt keinen Sinn macht, auf diese Art den Terrorismus zu bekämpfen, warum wird dieser absurde Krieg nicht beendet?
Eine wenig erfreuliche Antwort auf diese Frage liefert der „New York Times“- Reporter und zweifache Pulitzer-Preisträger James Risen schon mit dem Titel seines neuen Buchs: „Krieg um jeden Preis – Gier, Machtmissbrauch und das Milliardengeschäft mit dem Kampf gegen den Terror“ (Westend Verlag, 312 Seiten, 17,99). In einem rasanten Ritt beschreibt er den Goldrausch, den der am 11. September 2001 begonnene Anti-Terror-Kampf auslöste und ganze Heere von Geschäftemachern an die überquellenden Füllhörner des Pentagon und des neuen Heimatschutz-Ministeriums lockte.
Der Mega-Skandal, den Donald Rumsfeld noch einen Tag vor 9/11 enthüllt hatte und der im Horror der Attacken dann unterging – dass das Verteidigungsministerium für 2.300 Milliarden (!) Dollar seiner Ausgaben keine Quittungen finden konnte – erhält mit Risens Buch in gewisser Weise seine Fortsetzung: „Der gesamte Krieg gegen den Terror hat schätzungsweise vier Billionen Dollar gekostet. Das ist ein enormer Geldtransfer in einen neuen Wirtschaftssektor, die Sicherheitsindustrie.“ Und dieser wirkte wie ein Magnet, nicht nur auf Gauner und Glücksritter, die das Geschäft mit der Angst nutzten, um den Sicherheitsbehörden Millionen aus der Tasche zu ziehen, sondern auch auf große Militärkonzerne wie KBR und Blackwater. So klar es ist, dass die Fälle von Betrug, Verschwendung und Vertuschung, die Risen anekdotisch schildert, nur die Spitze eines Eisbergs darstellen, so deutlich wird auch, wie der Lockruf des großen Etats jede Ethik außer Kraft setzt. Etwa bei den Psychologen, Verhaltenswissenschaftlern und Ärzten, die sich mit neuartigen Foltermethoden bei Militärs und Geheimdiensten andienten – und diese Methoden dann mit ihren privaten Firmen auch anwendeten. Die Drehtüren, in der die neue Sicherheitselite zwischen Staatsapparat, Auftragsfirmen, Denkfabriken und TV-Studios rotiert, sind beängstigend – und werden weiter dafür sorgen, dass Milliarden für „die Sicherheit“ niederregnen, um jeden Preis. Dem pessimistischen Ausblick des Autors kann man sich daher nur anschließen: „Dank des parteiübergreifenden Anstrichs, den er unter Bush und Obama bekommen hat, befindet sich Washingtons globaler Krieg gegen den Terror nunmehr in seinem zweiten Jahrzehnt. Es gibt keine Anzeichen, dass er sich abschwächt; Gauner und Freibeuter schlachten ihn weiter nach Herzenslust aus, und immer mehr unbeabsichtigte Konsequenzen dieses Kriegs türmen sich auf.“
Mathias Bröckers
James Risen: „Krieg um jeden Preis – Gier, Machtmissbrauch und das Milliardengeschäft mit dem Kampf gegen den Terror“, Westend Verlag, 312 Seiten, 17,99