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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CR/WL/AT)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Griechenland
  2. Linke Politik in Europa
  3. Warum eine neue Finanzkrise immer wahrscheinlicher wird
  4. Flüchtlinge
  5. Jürgen Todenhöfer: Schluss mit dem Rassismus
  6. Freihandel
  7. Zahl der Normalarbeitsverhältnisse nimmt stark zu
  8. Abschied vom Garantiezins: Gut für die Versicherer, schlecht für die Kunden
  9. Der deutsche Wohnungsmarkt
  10. “Die Gewalt ging eindeutig von uns aus”
  11. Aus gutem Haus
  12. Menschen ohne Rechte
  13. Eine aufgeklärte Besetzung?
  14. Adenauers Werk, Kohls Beitrag
  15. Briefkastenfirma: CSU-Ikone Strauß kassierte Schmiergelder

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Griechenland
    1. Varoufakis – Das Interview
      Stephan Lamby im Gespräch mit Yanis Varoufakis
      Im Interview gibt der ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis über die langwierigen Verhandlungen mit den Geldgebern und sein politisches Verhältnis zum deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) Auskunft.
      That’s interesting. Let’s talk
      Der preisgekrönte Dokumentarfilmer Stephan Lamby hatte mit den Arbeiten für ein Porträt des deutschen Finanzministers Wolfgang Schäuble begonnen. Dafür wollte er auch den griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis gewinnen. Der Zufall kam ihm zu Hilfe. Im April traf er den unkonventionellen Politiker auf dem Bürgersteig vor dem IWF in Washington. Beide hatten das Gebäude verlassen, um kurz Luft zu schnappen.
      Varoufakis war sofort bereit, über Schäuble zu sprechen: „That’s interesting. Let’s talk.“
      Quelle: phoenix

      Das wichtigste in Kürze (auf deutsch):

      • Welche Rolle spielt Wolfgang Schäuble innerhalb der Eurogruppe?
        Die Eurogruppe trägt eindeutig die Handschrift von Wolfgang Schäuble. Ohne Zweifel gibt Schäuble den Kurs der Eurogruppe vor – besonders, weil es ein paar Länder gibt, die wie Vasallen um die Gunst der deutschen Regierung buhlen.
      • Warum dominiert Wolfgang Schäuble die Eurogruppe?
        Wegen der wirtschaftlichen Macht Deutschlands. Die Eurogruppe ist kein demokratisches Gebilde, sondern eine Ansammlung von Geldgebern und Schuldnern. Deutschland ist der Wirtschaftsmotor der Eurozone und der Hauptgeldgeber. Deshalb ist der Finanzminister Deutschlands die mächtigste Person in der Eurogruppe.
      • Wie sieht der Masterplan von Wolfgang Schäuble für die Eurozone aus?
        Schäuble weiß, dass die Eurozone sehr fragil ist und mit ihrer heutigen Struktur die nächste Finanzkrise nicht überstehen kann. Deshalb will er eine engere politische Union mit so etwas wie einem Finanzminister der Eurozone, der ein Vetorecht über nationale Budgets hat und einen gewissen Spielraum, sie umzuverteilen. Er will eine Fiskalunion auf niedrigem Niveau, vielleicht durch eine richtige Bankenunion, vielleicht durch einen gemeinsamen Arbeitslosenfonds. Um diesen Plan durchzusetzen, braucht er den Grexit. Der Grexit soll die Regierungen der Eurozone einschüchtern, soll ihnen die Notwendigkeit der gewünschten Strukturreformen vor Augen führen.
      • Woher wissen Sie, dass Schäuble den Grexit wollte?
        Er sagte mir ganz ehrlich, Griechenland habe in der Eurozone nichts zu suchen, weil es seine Zusagen nicht einhalten könne und wolle.
      • Wann erfuhren Sie, dass Schäuble den Grexit wollte?
        Zum ersten Mal sagte er es mir bei einem Treffen im März. Alle unsere Vorschläge stießen bei ihm auf taube Ohren. Aus seiner Sicht war Griechenland innerhalb der Eurozone nicht reformfähig. Deshalb versuchte er mich zu überzeugen, dass ein Grexit gut für Griechenland und für Europa sei.
      • Warum haben Sie nicht öffentlich darüber gesprochen?
        Als Finanzminister durfte ich das nicht, es hätte das Vertrauen in die Eurozone zerstören und den Grexit auslösen können.
      • Warum haben Sie das Angebot eines einvernehmlichen Grexit nicht angenommen?
        Weil ich nicht an den Grexit glaube. Außerdem hatte Schäuble von der Bundeskanzlerin kein Mandat für den Grexit. Er konnte daher auch keinen geordneten Grexit versprechen.
      • Sie behaupten also, dass Merkel und Schäuble in Bezug auf den Grexit uneinig waren?
        Ich weiß das aus sicheren Quellen, die ich ihnen nicht nennen will.
      • Hatten Sie einen Plan für eine alternative Währung?
        Nein, nicht für eine alternative Währung. Es gab aber einen Plan für ein alternatives Bezahlsystem in Euro. Mit diesem hätten wir im Notfall – wenn die EZB unsere Banken lahmzulegen versucht – die Funktionsfähigkeit der griechischen Banken für einige Zeit aufrecht erhalten können. Diese Zeit hätten wir nutzen können, um doch noch mit Merkel, Hollande und Juncker akzeptable Bedingungen für einen Verbleib Griechenlands im Euro auszuhandeln.
      • Warum haben Sie diesen Plan nicht umgesetzt?
        Als der Ernstfall eintrat (nach Ankündigung des Referendums), wurde ich von unserem „Kriegskabinett“ überstimmt. Alexis Tsipras konnte dann nur noch kapitulieren.
      • Warum sind Sie zurückgetreten?
        Unser „Kriegskabinett“ hat seit Ende April bei wichtigen strategischen Entscheidungen nicht mehr auf mich gehört. Ich bin damals nicht zurückgetreten, weil wir weiterhin um akzeptable Bedingungen für den Verbleib Griechenlands im Euro kämpften.
        Zum Zeitpunkt des Referendums habe ich im Kriegskabinett dafür plädiert, unsere eigene Liquidität zu erzeugen. Dieser Vorschlag wurde nicht angenommen. Wir mussten daher die Banken schließen. Ich habe das umgesetzt, obwohl ich wusste, dass wir dadurch jede Chance für weitere Verhandlungen einbüßten.
        Wir rechneten damit, dass die griechische Bevölkerung beim Referendum mit „Ja“ stimmt. Dann wären wir zurückgetreten und hätten der nächsten Regierung die Umsetzung der Maßnahmen überlassen, ohne ihr im Weg zu stehen. Es hätte ja dem Willen des Volkes entsprochen.
        Die Frage war, was wir machen, wenn die Bevölkerung mit „Nein“ stimmt. Für mich war klar, dass wir dann den Bedingungen der Eurogruppe nicht zustimmen durften.
        Als die Ergebnisse des Referendums vorlagen, plädierte ich dafür, unsere eigene Liquidität zu schaffen und die Verhandlungen fortzusetzen. Das „Kriegskabinett“ entschied sich aber für die Kapitulation.
        In dieser Situation war ich zum Rücktritt gezwungen. Ich wollte nicht der Finanzminister sein, der das Gegenteil dessen machte, wofür sich die griechische Bevölkerung im Referendum ausgesprochen hatte.

      Dazu: Varoufakis wirft Schäuble vor, Frankreich angreifen zu wollen
      Schäubles Sparpolitik folge einem höheren Ziel, behauptet Yanis Varoufakis in einem Interview: Schäuble wolle den französischen Wohlfahrtsstaat abschaffen.
      Der ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis hat in einem Interview mit der französischen Zeitung Le monde Wolfgang Schäuble scharf kritisiert. Schäubles Ziel sei es, mit seiner Sparpolitik den französischen Wohlfahrtsstaat anzugreifen. Deshalb baue Schäuble den Grexit als Drohkulisse auf, sagte Varoufakis.
      Quelle: Zeit Online

    2. Alles muss raus!
      Die Griechenland aufgenötigte Privatisierungswelle orientiert sich am fatalen historischen Vorbild der Treuhand – deutsche Konzerne dürften zu den Hauptprofiteuren gehören
      Der deutsche Flughafenbetreiber Fraport steht kurz davor, im geschundenen Griechenland einen besonders fetten Fisch an Land zu ziehen. Für einen Betrag von 1,2 Milliarden Euro will der deutsche Konzern 14 griechische Regionalflughäfen übernehmen, darunter befinden sich beliebte Ferienziele wie Rhodos, Korfu und Mykonos, sowie der Flughafen der Großstadt Thessaloniki.
      Mitte August ist der Privatisierungsdeal in einem griechischen Amtsanzeiger veröffentlicht worden, doch sei der Verkauf noch nicht formell abgeschlossen, erklärte ein Konzernsprecher: Die griechische Regierung hat einen Beschluss gefasst, der Grundlage für weitere Verhandlungen über den Betrieb von 14 Regionalflughäfen ist.
      Dennoch gilt die Zustimmung Athens zu diesem Deal als sicher. Eigentlich haben die Betreiber des Frankfurter Airport bereits im November den Zuschlag für die heftig kritisierte Privatisierung erhalten, doch habe “die neue griechische Regierung viele Privatisierungsprojekte infrage” gestellt, was eine “unübersichtliche” Lage geschaffen habe, meldete Reuters.
      Nachdem aber Athen auf dem berüchtigten Brüsseler Krisengipfel vom 13. Juli von Schäuble und Merkel in eine demütigende Kapitulation genötigt wurde (Willkommen in der Postdemokratie), die den totalen Ausverkauf des Mittelmeerlandes umfasst, scheinen sich die Verhältnisse nun geklärt zu haben. Der Konzern, der zuvor bei Übernahmeversuchen im Ausland “wenig Glück” hatte, bekomme nun ausgerechnet in Griechenland “grünes Licht”, meldete, das Handelsblatt am 18. August befriedigt.
      Quelle: Telepolis

      Anmerkung C.R.: Und dennoch sagen Lobbyisten wie der DIHK-Präsident, Herr Schweitzer, dass die Hilfsbedingungen “im ureigenen griechischen Interesse” seien.

    3. Soziale Realität in Griechenland heute
      Seit mehr als drei Jahren durchleben die Griechen, vor allem in Athen, den Zusammenbruch alltäglicher Routinen und die Entfremdung von dem, was einst das “normale Leben” ausmachte. Allein die Arbeitslosigkeit stieg zwischen 2008 und 2013 von 7 Prozent auf 27 Prozent. Unter jungen Frauen beträgt sie 50 Prozent, unter Männern 23 Prozent.
      Die Krise hat viele Gesichter
      Wie sich die Krise auf griechischen Straßen anfühlt? Eine eindeutige Antwort auf diese Frage wäre zwangsläufig vermessen. Extreme Unterschiede existieren zwischen der Hauptstadt Athen, die allem Anschein nach den Mittel- und auch Tiefpunkt der Krise darstellt, und der griechischen Provinz. Ungefähr die Hälfte der Bevölkerung Griechenlands lebt im Großraum Athen. Extreme Unterschiede existieren selbst innerhalb dieses Großraums. Im Zentrum von Athen treffen die verschiedenen “Realitäten” in ihrer ganzen Widersprüchlichkeit aufeinander: Hier gibt es sowohl Gegenden, vor allem Teile der Stadtmitte, wo die “Wunden” der sozialen Not schon beim ersten Blick sichtbar sind, als auch solche, wo der uneingeweihte Spaziergänger keine Spur von Krise, Armut und Not wahrnehmen kann.
      Bleibt man beim äußeren Schein, bei dem also, was einem im Sommer 2013 durchs Land reisenden Besucher sichtbar vor Augen tritt, so öffnet sich ein breites Spektrum von Aspekten der Krise. Am finsteren Ende steht mit großer Wahrscheinlichkeit ein Teil der Stadtmitte Athen (grob skizziert als die weitere Umgebung des Omonoia-Platzes); das helle Ende würden wohl die touristischen Regionen des Inselstaates Griechenland ausmachen: Kreta, Mykonos, Santorini usw. In einer Grauzone dazwischen fänden sich zahlreiche Wohngebiete der Stadt Athen und des sie umgebenden Großraums (Piräus und Vororte), daneben ärmere Regionen der Stadt Thessaloniki sowie anderer Großstädte des Landes. Dort wird man zwar keineswegs direkter Zeuge von Phänomenen einer grassierenden Armut oder eines Zusammenbruchs, wie man sie aus der sogenannten “Dritten Welt” oder aus Krisengebieten kennt, wo Krieg und Gewalt herrschen. Es handelt sich eher um ein depressives Bild des allgemeinen Niedergangs und der Verlassenheit, das an die Länder in der Endphase des ehemaligen Ostblocks erinnert.
      Quelle: hpd
  2. Linke Politik in Europa
    1. Die Linke und Europa
      Welche Lehren ziehen wir aus der Erpressung der Syriza-Regierung?
      Viele Menschen in Europa haben mit der Wahl von Alexis Tsipras zum griechischen Ministerpräsidenten große Hoffnungen verbunden. Als der Syriza-Vorsitzende nach wochenlangen zermürbenden Verhandlungen das Kürzungsdiktat unterschrieb, war die Enttäuschung groß.
      Es wäre ungerecht und anmaßend, Alexis Tsipras und Syriza jetzt mit dem erhobenen moralischen Zeigefinger zu kommen. Viel besser ist es, nach diesen Erfahrungen in der europäischen Linken darüber nachzudenken, unter welchen Bedingungen in Europa demokratische und soziale, also linke Politik möglich ist.
      Eines haben wir gelernt: Solange die angeblich unabhängige und unpolitische Europäische Zentralbank einer linken Regierung den Geldhahn zudrehen kann, ist eine Politik, die sich an demokratischen und sozialen Prinzipien orientiert, unmöglich. Der ehemalige Investmentbanker Mario Draghi ist weder unabhängig noch unpolitisch. Er war bei Goldman Sachs, als diese Wallstreet-Bank der griechischen Regierung half, ihre Bilanzen zu fälschen. So wurde der Euro-Beitritt Griechenlands möglich.
      In den zurückliegenden Monaten haben sich viele Diskussionsbeiträge mit der Frage beschäftigt, ob die Drachme wieder eingeführt werden soll. Es bringt aber nichts, und es ist ein falscher Ansatz, die Debatte auf diese Frage zu verengen. Nicht nur in Griechenland, sondern in Südeuropa ist die Jugendarbeitslosigkeit unerträglich hoch, und einzelne Länder des Euro-Raums werden deindustrialisiert. Ein Europa, in dem die Jugend keine Zukunft hat, droht auseinanderzufallen und die Beute wiedererstarkender rechtsradikaler nationalistischer Kräfte zu werden.
      Quelle: Oskar Lafontaine in junge Welt
    2. Gustav A. Horn
      Ich habe gestern die Forderung von Sahra Wagenknecht, zu prüfen, ob der Euro nicht abzuschaffen sei, als Sozialnationalismus bezeichnet. Die Konnotation war gewollt hart. Die Reaktion aus dem linken Lager entsprach den Erwartungen. Stilistisch habe ich mich mit dieser Härte in der Argumentation genau jener Mittel im Umgang mit Andersdenkenden bedient wie sie in diesem Umfeld üblich sind. Man lese nur manche Bemerkungen linker Parteigänger auf Facebook und auf den Nachdenkseiten. Denen rufe ich zu, ja genau so fühlt sich diese Härte an, die ihr verbreitet. Lernt daraus.
      Es gibt aber auch einen inhaltlichen Grund. Hinter dem Vorschlag Wagenknechts steckt die fatale Annahme, dass man bei nationalen Währungen insgesamt eine sozialere Politik betreiben würde. Insbesondere würde das deutsche Diktat neoliberaler Politik für andere Länder gestoppt, die dann – wie vermutlich auch Deutschland selbst – wieder viel sozialer werden. Was für Irrtümer !
      Mit der Wiedereinführung nationaler Währungen wäre das Tor zu massiven neoliberalen Standortwettrennen weit geöffnet und durchhaltbar. Und wieso sollte sich denn die neoliberale Politikausrichtung in Deutschland ändern, wenn wir die DM wieder hätten? Im Gegenteil, man wird diesen Kurs verschärfen, um über Lohnzurückhaltung die Kosten der zu erwartenden Aufwertungen auf die Beschäftigten zu überwälzen. Andere Länder werden vielleicht einen anderen Kurs einschlagen, aber ihre Abwertungen werden in Inflation enden, von der die Mehrheit der Bevölkerung und insbesondere prekär Beschäftigte noch nie profitiert haben.
      Quelle: Gustav A. Horn via Facebook

      Anmerkung JB: Es wäre schön, wenn Gustav Horn seinen Followern auch mitteilen würde, dass auf den NachDenkSeiten die gesamte linke Debatte über die generelle und aktuelle Fragen der Eurozone dargestellt wird.

      Dazu: Reaktionär, nicht links
      Mit ihrer Diagnose zum Euro hat Sahra Wagenknecht in vielen Teilen recht. Die herrschende Politik, zuletzt an Griechenland exekutiert, ist antisozial und wenig demokratisch. Ja, man kann am Euro, so wie er ist, verzweifeln. Aber Wagenknechts Therapie heilt nichts. Wer den Ausstieg predigt (und nicht einmal dessen Risiken benennt), verhält sich – linkes Label hin oder her – konservativ bis reaktionär. […]
      Den Nationalstaaten werde eine falsche Politik aufgezwungen, meint Wagenknecht. Nur mal als Denksportaufgabe: Wäre der Euro weg – würde Wagenknecht dann fordern, dass das rot-rote Brandenburg wegen neoliberaler Politik im Bund aus der D-Mark aussteigt?
      Quelle: Stephan Hebel in der FR

    3. Wie aus dem OXI einen Neuanfang machen?
      Linke Politik, praktische Solidarität, reale EU: Janine Wissler und Nicole Gohlke antworten auf die Reaktionen zu ihrem Beitrag in der linken Euro-Debatte
      Noch vor dem Rücktritt von Alexis Tsipras hat es im jüngeren Parlamentarismus selten so stürmische Szenen gegeben wie bei den letzten Abstimmungen im Athener Parlament. Bis kurz vor Schluss hatte die Parlamentspräsidentin Zoe Konstantopoulou noch versucht, die Abstimmung zum dritten Kürzungspaket zu verschieben. Dann erteilte sie sich – völlig konträr zur Geschäftsordnung – kurzerhand selbst das Wort und erinnerte am Rednerpult an ihren Amtseid, dass von diesem Parlament nie wieder ein Verelendungsprogramm ausgehen dürfe. Ihr couragiertes Auftreten blieb am Ende erfolglos.
      Wieder ist ein neues Programm beschlossen worden, das die Austeritätspolitik fortsetzt. Aus dieser Niederlage müssen wir und mit uns die gesamte Linke Europas Lehren ziehen. Auch wenn wir manches davon erst noch verdauen müssen, kommt nun ein kollektiver Aufarbeitungsprozess in Gang. Dass dies durchaus ein lohnenswertes Unterfangen sein kann, zeigen die vielen Erwiderungen auf unsere Wortmeldung »Die Grexit-Frage(n) stellen: Das griechische OXI und die politischen Prämissen der Linkspartei« vom 23.7.2015 im Neuen Deutschland. Mittlerweile gibt es über zehn Beiträge, die direkt auf den von uns veröffentlichten Artikel Bezug nehmen oder die Themen »Wie weiter für Griechenland?« und »Grexit« behandeln. Wir bedanken uns bei allen, die sich die Mühe gemacht haben, auf unsere Wortmeldung zu antworten – die Anzahl an Beiträgen zeigt uns, dass gleichermaßen strittige wie virulente Fragen angesprochen wurden.
      Quelle: Neues Deutschland
    4. Freudloses Wachstum, soziale Einschnitte und Jeremy Corbyn
      Es ist schon bemerkenswert: Je mehr die Austeritätspolitik um sich greift und als einziger Ausweg aus dem europäischen Schuldendilemma präsentiert wird, desto mehr treten politische Kräfte in den Vordergrund, denen vor einigen Jahren keine Chance eingeräumt wurde. Jetzt auch in Großbritannien.
      Hier hat sich nach der verheerenden Wahlniederlage der Labour Party eine rebellische Grundstimmung gegen die politisch Ton angebende Westminster-Elite innerhalb der Partei ausbreitet und mit Jeremy Corbyn ein Alt-Linker mit großen Chancen in das Rennen um den Parteivorsitz geht. Große Chancen? Eigentlich ist das Rennen schon entschieden, denn die Gegenkandidaten sind zu farblos und unprofiliert.
      Der ökonomisch-soziale Hintergrund dieser sich abzeichnenden Linksverschiebung innerhalb der Labour Party: Trotz noch relativ guter ökonomischer Rahmenbedingungen verfestigt und verschärft sich die soziale Spaltung im Land. Camerons Austeritätspolitik hat daran ihren Anteil.
      Quelle: Sozialismus aktuell
  3. Warum eine neue Finanzkrise immer wahrscheinlicher wird
    Schlechte Nachrichten aus China und Sorgen um die Weltkonjunktur lasten auf den Börsen. Bis zu einer Billion Dollar könnten Investoren in den vergangenen 15 Monaten aus Schwellenländern abgezogen haben. Zum Schicksalstag für die Börsianer könnte der 17. September werden, dann entscheidet die US-Notenbank Fed darüber, ob sie die Leitzinsen wieder anhebt. Der Blick auf die Kurse lässt nichts Gutes erahnen, und zusammen mit der jüngeren Geschichte ist der Blick nach vorn nicht gerade beruhigend. Schlechte Nachrichten aus China und Sorgen um die Weltkonjunktur lasten auf den Börsen, die wichtigsten Indizes sind zuletzt stark gefallen. Der deutsche Leitindex Dax steht wieder auf dem Niveau von Mitte Januar, am Freitag rutschte er drei Prozent ab. Der Dow Jones velor am gleichen Tag im Wochenvergleich um 5,8 Prozent, der japanische Nikkei fiel allein in fünf Tagen mehr als fünf Prozent. Das ist mehr als nur schlechte Stimmung.
    Ende August 2015 haben die Finanzmärkte eine der längsten Boom-Phasen ihrer Geschichte erlebt. Jetzt sind entscheidende Wochen angebrochen: Ist dieser Boom vorbei? Droht gar ein Absturz, der eine weltweite Krise zur Folge hat?
    Quelle: Süddeutsche

    Dazu: Die Angst vor dem Crash wächst
    China schickt die Aktienmärkte mit neuen Börsenabstürzen und Wirtschaftsdaten weltweit auf Talfahrt
    Trotz aller panischen Stützungsversuche, mit denen sich die chinesische Regierung gegen einen Börsencrash stemmt, gehen die Kapitalmärkte im Land weiter in die Knie. Am Freitag sackte der Shanghai Composite Index erneut um 4,3% ab und fiel mit 3508 Punkten sogar unter das Jahrestief von Anfang Juli, da auch die Kurse schon am Vortag abgestürzt waren. Das war zunächst auch am Mittwoch der Fall. Doch da war mehr als auffällig, dass nach einem Absturz um mehr als 5% wie aus dem Nichts die Wende kam. Der Shanghai Composite machte die Verluste wett und schloss zum Börsenende mit auf 3794 Punkten sogar mit 1,2% im Plus.
    Man darf davon ausgehen, dass dies einer erneuten massiven Intervention der Regierung geschuldet ist. Doch auf die warten viele Anleger. Kurserholungen nutzen sie, um zu verkaufen und aus den Aktien auszusteigen, um ihre Verluste zu minimieren. Für diese Strategie gibt es in China mit “Taolao” (Gefangen im Aktienmarkt) schon einen eigenen Begriff. Und anstatt in völliger Panik auszusteigen, ziehen sich viele der etwa 80 Millionen Kleinanleger einigermaßen geordnet zurück, die (auch vom Staat) zum Aktienkauf gedrängt worden waren und sich mit dem “Lasso” eingefangen fühlen. Sie waren meist erst eingestiegen, als der Markt schon heiß gelaufen war. Das Taolao lässt nun die staatlichen Stützungsmaßnahmen wirkungslos verpuffen.
    Die Blase platzt nun auch an chinesischen Börsen, nachdem dies schon am Immobilienmarkt passiert ist. Und die Wirtschaftsdaten im Land werden zunehmend schlechter. Die Zollbehörde hatte schon gemeldet, dass die Exporte im Juli im Vergleich zum Vorjahresmonat sogar um 8,3% geschrumpft sind. Das war ein Grund, warum die Regierung in Peking damit begonnen hat, ebenfalls in den Währungskrieg einzusteigen, um Exporte zu verbilligen.
    Quelle: Ralf Streck auf Telepolis

    Anmerkung C.R.: Ludwig Erhard soll den Satz geprägt haben, wonach 50 Prozent der Ökonomie Psychologie seien.

  4. Flüchtlinge
    1. Für eine europäische Antwort in der Flüchtlingspolitik
      Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier fordern eine neue, einheitliche Asylpolitik in der Europäischen Union. Zehn Punkte sind für die beiden SPD-Politiker vordringlich. Ein Gastbeitrag.
      Europa steht vor einer Generationenaufgabe: Nie zuvor waren so viele Menschen auf der Flucht vor politischer Verfolgung und Krieg wie heute. Viele von ihnen suchen Schutz bei uns in Europa. Wir müssen damit rechnen, dass das angesichts der Krisen in unserer Nachbarschaft auf Jahre so bleibt. Wir Europäer sind es uns selber und der Welt schuldig, der großen Herausforderung dieser Hilfe suchenden Menschen gerecht zu werden.
      Klar ist: Die bisherige Reaktion entspricht nicht dem Anspruch, den Europa an sich selbst haben muss. Europa darf nicht länger zögern, die EU muss jetzt handeln. Deshalb müssen wir eine europäische Asyl-, Flüchtlings- und Migrationspolitik verfolgen, die auf dem Prinzip der Solidarität und unseren gemeinsamen Werten der Menschlichkeit gründet. Zehn Punkte sind dabei vordringlich:
      Quelle: FAZ

      Anmerkung AT: Schön gesagt, allein die guten Taten fehlen. Aber so ist das ja immer bei Sonntagsreden. Deren Inhalte sind am Montag wieder vergessen, wenn im Kabinett beispielsweise über Genehmigungen für neue Rüstungsgeschäfte entschieden werden muss.

      Dazu: De Maizière droht Ende der “kontrollfreien Grenzen” in der EU an
      Die Errichtung von Mauern und Grenzen scheint derzeit bei den Regierungen angesichts der zunehmenden Anti-Flüchtlingsstimmung und rechten Parteien alternativlos zu sein
      Schnell zog Bundesinnenminister de Maizière seinen Versuch zurück, die Flüchtlingsfrage nicht weiter hochzukochen. Nachdem er berichtete, sein Ministerium gehe von 800.000 Asylbewerbern oder Flüchtlingen dieses Jahr aus, sagte er noch, dass Deutschland dadurch nicht überfordert sei.
      Mit Blick wohl auf die anderen EU-Staaten, die die Aufnahme von Flüchtlingen möglichst vermeiden, und die spürbar wachsende Anti-Flüchtlingsstimmung im Lande sagte er gestern im Morgenmagazin von ARD und ZDF: “Wir nehmen jetzt 40 Prozent auf aller Flüchtlinge in der EU. Das ist auf die Dauer zu viel.” Man werde dieses Jahr die erwarteten Asylbewerber zwar verkraften, aber auf Dauer seien “800.000 für ein solches Land wie Deutschland zu viele”.
      De Maizière brachte schon zuvor wieder ein Thema ein, das schon seit Jahren für Zoff sorgt, würde es doch just die Freizügigkeit des Schengenabkommens beenden, auf die man so stolz ist. Es geht um die Wiedereinführung von Grenzkontrollen, wie sie von der neuen Regierung in Dänemark schon im Juli unter politischem Druck der oppositionellen, aber starken Dänischen Volkspartei ansatzweise eingeführt wurden, die damit ein Signal setzte, auch wenn sie mit dem Schengen-Abkommen konform sein sollen.
      Quelle: Telepolis

      Anmerkung C.R.: In seinem am vergangenen Freitag hingewiesen Beitrag hat Willy Wimmer zum Thema u.a. geschrieben: „Da spricht dann unser Bundesinnenminister, den man in dem vergangenen Jahr kaum öffentlich sehen konnte, von einer gewaltigen Herausforderung für Deutschland. Was immer es sein kann, eines ist dabei sicher: Diese Herausforderung hat der derzeitige Bundesinnenminister in keinem Fall bestanden. (…) Damit kein falscher Eindruck aufkommt: Es ist die gesamte Bundesregierung, die ihren Aufgaben in diesem Zusammenhang nicht gerecht wird.” Die Forderung, die Leute wie de Maizière und Wendt nun stellen, ist quasi eine Bankrotterklärung des deutschen Staates.

    2. Vorboten einer neuzeitlichen Völkerwanderung
      Ein nachdenklicher Zwischenruf eines ehemaligen Asylrichters
      Allmählich dämmert es auch den eifrigsten Verfechtern eines kurzen Prozesses mit “Asylbetrügern” und “Wirtschaftsflüchtlingen”, dass es nicht damit getan ist, Ressentiments gegen Menschen in Not zu schüren. Denn was wir gerade beobachten können, ist nichts weniger als der Vorabend einer neuzeitlichen Völkerwanderung.
      Die Hunderttausende, die in unsere Städte und Dörfer strömen, sind nur die Vorhut. Viele Millionen stehen bereit, ihnen nachzufolgen. Der deutsche Innenminister musste deshalb die Jahresprognose für die in Deutschland ankommenden Asylbewerber kurzerhand von 450.000 auf 800.000 nahezu verdoppeln.
      Die europäische Geschichte ist reich an Beispielen für solche Menschenströme mit ihren unvermeidlichen Dammbrüchen. Wir tun gut daran, uns mit dem Gedanken vertraut zu machen, dass diesen Zug nichts aufhalten wird, weder das Dampfgeplauder der Stammtische, noch die Militanz der Pegidaaktivisten und auch nicht die zum Ritual verkommenen Wir-haben-alles-im-Griff-Parolen der Politiker und deren Claqueure in dienstbeflissenen Medien.
      Wenn der CSU-Vorsitzende Seehofer beim Politischen Aschermittwoch mit heiserer Stimme tönt, dass er sich “bis zur letzten Patrone … gegen eine Zuwanderung in die deutschen Sozialsysteme” sträuben werde, klingt das unerschrocken und heldenhaft. Es hat jedoch die gleiche Verlässlichkeit wie die Ankündigung eines durch Alkoholgenuss enthemmten Sprücheklopfers auf dem Marktplatz, er könne den bevorstehenden Sonnenuntergang aufhalten. Tatsache ist nämlich, dass es nichts mehr zum Aufhalten gibt. Denn die Zuwanderung ist seit Längerem im Verlauf und wir sind ohnmächtige Zeugen derselben. Es wird kein Zurück in die Beschaulichkeit der letzten Jahrzehnte geben.
      Quelle: Telepolis
    3. Brauner Mob gegen Flüchtlinge in Heidenau
      “Rechtsextremisten toben sich in Heidenau aus gegen eine neue Flüchtlingsunterkunft in einem Baumarkt. Bürgermeister fürchtet um den Ruf seiner Stadt. War die Polizei unterbesetzt? Nur unter Polizeischutz haben im sächsischen Heidenau Samstagnacht Dutzende Flüchtlinge ihre Notunterkunft in einem Baumarkt beziehen können. Rechtsradikale Demonstranten hatten vor dem früheren Baumarkt Beamte mit Steinen, Flaschen und Böllern beworfen. Die Polizisten gingen mit Reizgas gegen die zum großen Teil betrunkenen Demonstranten vor. Am Samstag teilte die Polizei mit, dass 31 Polizisten verletzt worden seien, einer von ihnen schwer. Das Rote Kreuz hatte in der Nacht zunächst zehn Verletzte gemeldet. Nach Angaben von Reportern war die Polizei zunächst unterbesetzt und mit der Situation zunächst völlig überfordert….”
      Quelle: LabourNet Germany
  5. Jürgen Todenhöfer: Schluss mit dem Rassismus
    Der Westen hat viele Fehler im Irak und in Syrien begangen, aber er muss daraus lernen und gemeinsam mit Muslimen den Kampf gegen den IS führen. Eine pauschale Diskriminierung der Muslime erschwert den Kampf gegen den IS.
    Wir müssen die Ursachen des Terrors beseitigen.
    1.Die Gründung der Vorgänger-Organisation des „Islamischen Staats“ 2003 durch Musab al Zarkawi war die Antwort extremistischer Fanatiker auf 200 Jahre Unterdrückung und Erniedrigung, die im US-Bombenterror des Irakkrieges ihren dramatischen Höhepunkt fanden. Zarkawis terroristische Antwort war zwar rechtswidrig und unmoralisch. Das Recht auf Widerstand ist schließlich kein Freibrief für Terrorismus und für die Ermordung Unschuldiger. Und auch nicht für die Errichtung mittelalterlicher Staatsstrukturen, die die überwältigende Mehrheit der Muslime nicht will.
    Aber keiner der Kämpfer Al Zarkawis war als Terrorist zur Welt gekommen. Unsere Kriege haben sie dazu gemacht. Das Terror-Monstrum IS ist Bushs Baby. Vor dessen Antiterror-Kriegen gab es ein paar 100 internationale Terroristen im Hindukusch, heute sind es weltweit über 100 000.
    2.Eine weitere Terror-Ursache ist die Behandlung der Muslime des Westens als Menschen zweiter Klasse. Unsere Innenminister sollten aufhören, unsere muslimischen Mitbürger unter terroristischen Generalverdacht zu stellen. 99,99 Prozent der deutschen Muslime lehnen den IS entschieden ab. Sie sind unsere wichtigsten Verbündeten….
    Quelle: FR Online
  6. Freihandel
    1. EU will Dokumente über TTIP-Verhandlungen veröffentlichen
      Der „Nebel der Verwirrung“ soll sich lichten. EU-Handelskommissarin Malmström will deshalb den Zugang zu vertraulichen Berichte aus der zehnten Verhandlungsrunde über TTIP erleichtern. Damit reagiert sie auf Kritik. (…)
      Grüne und Linke im Deutschen Bundestag hatten der Kommission eine Überreaktion vorgeworfen. Malmström sagte, es gebe keine neuen Restriktionen, „lediglich ein Bericht wurde in einem Leseraum ausgelegt“. Die liberale Politikerin fügte hinzu: „Der deutsche Vizekanzler und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat mir seine Gedanken zur Transparenz der Verhandlungen für das EU-US-Freihandelsabkommen mitgeteilt, wie auch zuvor schon Bundestagspräsident Norbert Lammert. Ich werde in den kommenden Tagen direkt mit Bundesminister Gabriel sprechen.“
      Quelle: FAZ

      Anmerkung C.R.: Bereits im Februar sagte EU-Kommissarin Malmström “Es war ein Fehler, das Verhandlungsmandat so lange geheim zu halten. Selbst als es schon Wochen im Netz zu finden war, war es offiziell noch ein geheimes Dokument. Das nährte viele Verschwörungstheorien.” (siehe hier). Ganz offensichtlich hat sich beim Thema Transparenz nicht viel verändert und Vieles scheint weiterhin im Verborgenen zu bleiben.

    2. Rechtsgutachten bestätigt: Gefahr für Demokratie in TTIP und CETA!
      Die gewerkschaftsnahe Arbeiterkammer hat ein Rechtsgutachten zu regulatorischer Zusammenarbeit im TTIP-Abkommen mit den USA und im CETA-Abkommen mit Kanada erstellen lassen. Beauftragt wurden drei Wissenschaftler, darunter der Göttinger Professor für Völkerrecht und Europarecht Tobias Stoll. Die Gutachten kommt zu dem Schluss, dass regulatorische Zusammenarbeit die demokratische Souveränität der EU, der EU-Mitgliedstaaten und der USA gefährdet.
      Hintergrund: Was ist die Arbeiterkammer?
      Die Arbeiterkammer ist ein aus Österreich stammender gewerkschaftsnaher Think Tank, dessen politischer Schwerpunkt entsprechend die Arbeitnehmerinteressen sind. Deshalb liegt der Fokus des Gutachtens auch auf Arbeitnehmerinteressen. Der Brüsseler Ableger der Arbeiterkammer AK Europa engagiert sich gemeinsam mit uns seit Jahren für mehr Lobbytransparenz und ethische Regeln in Brüssel. AK Europa ist Mitglied unserer europäischen Allianz ALTER-EU. (…)
      Regulatorische Zusammenarbeit in TTIP und CETA
      Wie wir bereits auf der Basis eines Leaks der EU-Verhandlungsposition bei TTIP Anfang des Jahres berichtet hatten, könnte sich über regulatorische Zusammenarbeit künftig der Einfluss der Unternehmenslobby auf die Gesetzgebung noch weiter erhöhen. Die europäische Verbraucherschutzorganisation BEUC spricht zurecht von einer „surrealen Institutionalisierung von Lobbyeinfluss.“ Informieren Sie sich hier in 3 Minuten über regulatorische Zusammenarbeit im TTIP-Abkommen über unser Erklärvideo.
      Im CETA-Abkommen mit Kanada gibt es bereits ein fertig verhandeltes Kapitel zu regulatorischer Zusammenarbeit, das nicht so ambitioniert ist wie in den TTIP-Verhandlungen. Gleichwohl finden sich dort ähnliche Mechanismen und Institutionen wieder wie in der EU-Verhandlungsposition im TTIP-Abkommen. Hier eine kurze Analyse des Kapitels zu regulatorischer Zusammenarbeit im CETA Abkommen.
      Gutachten zeigt: Jegliche Regulierung könnte betroffen sein
      Entgegen den Verlautbarungen der EU-Kommission, die regulatorische Zusammenarbeit als einen Mechanismus beschreibt, der im Wesentlichen technische Regulierungen betreffe und deshalb vollkommen ungefährlich für Verbraucher und Demokratie sei, kommt die Analyse der Arbeiterkammer zu dem Schluss, dass sie jegliche Form von Regulierungen und Gesetzen in der EU betreffen könnte, vorausgesetzt sie betreffen den Handel. Das gelte sowohl für TTIP als auch für CETA. Regulatorische Zusammenarbeit umfasst demzufolge also auch Arbeitsmarkt- und Umweltgesetzgebung.
      Quelle: LobbyControl
  7. Zahl der Normalarbeitsverhältnisse nimmt stark zu
    Nach einer Auswertung des Mikrozensus stieg die Zahl im vergangenen Jahr um 452 000 auf 24,5 Millionen. Dabei fiel der Zuwachs bei den Frauen mit einem Plus von knapp 273 000 höher aus als bei den Männern mit 180 000. In der Mehrzahl entstanden allerdings keine 40-Stunden-Jobs, sondern Teilzeitstellen mit mehr als 20 Wochenstunden. Den allergrößten Teil davon besetzen Frauen. Noch deutlicher sind die Veränderungen, wenn längere Zeiträume betrachtet werden. 2005 waren nur gut 22,1 Millionen Normalbeschäftigungsverhältnisse gezählt worden, ihre Zahl stieg seither an. Im Jahr der Wiedervereinigung 1991 waren es dagegen fast 27 Millionen gewesen – eine  seither  nie wieder erreichte Größenordnung…
    Definiert  ist das Normalarbeitsverhältnis als eine nicht befristete, voll versicherungspflichtige Beschäftigung mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 20 Stunden. Ausgenommen sind zudem Leiharbeitsverhältnisse. Insofern steht das Normalarbeitsverhältnis im Gegensatz zu „prekären Beschäftigungsverhältnissen“, die gegenüber dem Höchststand im Jahr 2010 mit fast acht Millionen bis 2014 auf 7,5 Millionen zurückgingen. Besonders deutlich nahm die Zahl der Befristungen ab:  Von 2,86 Millionen 2010 auf 2,42 Millionen im vergangenen Jahr. Allein gegenüber 2013 betrug das Minus 60 000. Auch die Minijobs sind seit einigen Jahren auf dem Rückzug. Gegenüber dem Höchststand im Jahr 2007, als die Statistiker knapp 2,8 Millionen geringfügige Beschäftigungsverhältnisse auf Grundlage des Mikrozensus erfassten, waren es 2014 nur noch gut 2,3 Millionen.
    Quelle: Stefan Sauer im Kölner Stadt-Anzeiger

    Dagegen: So unterschiedlich können Schlagzeilen sein

    Zahl der unbefristeten Jobs steigt
    Die Zahl der Erwerbstätigen in einem Normalarbeitsverhältnis – unbefristet, voll sozialversicherungspflichtig mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 20 Stunden – stieg um rund 452.000 auf 24,5 Millionen, teilte das Statistische Bundesamt mit.
    Hauptgrund ist der Anstieg der Beschäftigten mit einem Teilzeitjob von mehr als 20 Stunden um 12,3 Prozent auf 3,2 Millionen – Frauen sind hier überrepräsentiert. Die Zahl der Vollzeitbeschäftigten erhöhte sich nur um rund 0,5 Prozent auf 21,3 Millionen. Die Zahl der so genannten atypisch Beschäftigten sank 2014 im Vergleich zum Vorjahr um 132.000 Personen auf 7,5 Millionen. Dazu zählen befristet Beschäftigte, Teilzeit mit bis zu 20 Wochenstunden, geringfügig Beschäftigte sowie Zeitarbeiter. Damit habe sich der seit 2012 beobachtete Rückgang fortgesetzt, erklärten die Statistiker.
    Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung kommt dagegen zu dem Ergebnis, dass die Zahl der atypisch Beschäftigten im vergangenen Jahr leicht gestiegen sei. Das WSI erfasst alle Teilzeitjobs, unabhängig von der wöchentlichen Arbeitsdauer, unter dieser Rubrik. Vor allem Frauen arbeiten in Teilzeit. Allerdings wünschen sich viele mehr Arbeit, berichtet das WSI.
    Quelle: Südwest Presse

    Anmerkung unseres Lesers K.G.: Unbefristete, reguläre, voll sozialversicherungspflichtige Teilzeitjobs, werden heute also als Normalarbeitsverhältnisse definiert. Armes Deutschland.

    Ergänzende Anmerkung C.R.: In diesem Zusammenhang haben die NachDenkSeiten auf den interessanten Beitrag von Markus Krüsemann hingewiesen.Und hier sind die WSI-Informationen zum Thema „Atypische Beschäftigung“ zu finden.

  8. Abschied vom Garantiezins: Gut für die Versicherer, schlecht für die Kunden
    Die deutschen Lebensversicherer bieten immer häufiger Policen ohne Garantiezins an. Das soll die Renditechancen der Anleger erhöhen – nutzt aber vor allem den Anbietern.
    Die Allianz ist begeistert. Bei den Lebensversicherungen schreibe man eine “Erfolgsgeschichte”, meldete der größte deutsche Versicherer kürzlich bei der Bekanntgabe seiner Halbjahreszahlen. Grund für den Optimismus sind vor allem neue Produkte, die ohne den sogenannten Garantiezins auskommen. Sie versprechen den Kunden also nicht mehr eine bestimmte sichere Verzinsung, werben dafür aber mit höheren Renditechancen. (…)
    Die neue, garantiezinsfreie Welt kommt offenbar nicht nur bei der Allianz gut an. Konkurrenten wie Generali oder Zurich Deutscher Herold vertreiben gar keine Produkte mit Garantiezins mehr. Die Talanx-Gruppe, zu der unter anderem die Marken HDI und Neue Leben gehören, will ab Ende 2016 folgen.
    Für die Versicherer ist die Abkehr vom Garantiezins der wohl letzte Notausgang, den sie noch nehmen konnten. Jahrzehntelang hatten sie ihre Kunden mit teilweise extrem hohen garantierten Zinsen gelockt – noch im Jahr 2000 etwa waren es vier Prozent. Für die meisten Versicherten, die damals eine Police abgeschlossen haben, sind diese Verträge auch heute noch ein gutes Geschäft. Auch wenn in Zeiten der allgemeinen Niedrigzinsen die sogenannte Überschussbeteiligung der Kunden sinkt – die vier Prozent sind ihnen bis zum Ende der Laufzeit sicher.
    Quelle: Spiegel Online
  9. Der deutsche Wohnungsmarkt
    Die Wohnungsfrage wird wieder zu einem zentralen Thema. Lange Zeit galt sie als politisch gelöst, da man aufgrund der zu erwartenden sinkenden Einwohnerzahlen in Deutschland von einem sinkenden Bedarf an Wohnungen ausging. Doch trotz des absehbaren Rückgangs der Bevölkerung ist der Bedarf an Wohnraum nach wie vor sehr groß. Gründe dafür sind u.a. die Zunahme der Singlehaushalte und die verstärkte Zuwanderung. Bundesdeutsche Groß- und Universitätsstädte boomen, während ländliche Regionen mit Abwanderung der Bevölkerung kämpfen. Wissenschaftliche Prognosen sehen bis zum Jahr 2030 eine regional sehr stark divergierende Entwicklung voraus. So werden Stadtstaaten wie Berlin und Hamburg voraussichtlich massiv wachsen, während Sachsen-Anhalt, Thüringen und das Saarland bevölkerungsmäßig stark schrumpfen.
    „Deutschland wächst und schrumpft gleichzeitig“ (DGB)
    In vielen großen Städten wird das Angebot an bezahlbaren Wohnungen knapp, gleichzeitig gibt es in bevölkerungsschwachen Regionen viele leerstehende Wohnungen. Experten sagen voraus, dass in Deutschland 2017 schon 400.000 Mietwohnungen fehlen werden. Immer mehr Menschen können sich ihre Wohnung nicht mehr leisten – die Mieten steigen, vor allem in den Metropolen. Sozialverbände fordern die Politik auf, rasch für mehr bezahlbaren Wohnraum zu sorgen. Die Bundesregierung will mit der Mietpreisbremse gegen die Kostenexplosion ankämpfen. 2016 soll zudem das Wohngeld für Geringverdiener spürbar steigen. Schon seit einiger Zeit hat sich die Politik dagegen weitgehend aus dem sozialen Wohnungsbau zurückgezogen. Die Zahl der öffentlich geförderten Sozialwohnungen hat einen Tiefstand erreicht.Gleichzeitig haben in den letzten Jahren immer mehr Finanzinvestoren ihre Aktivitäten auf den Immobilienmarkt ausgedehnt. So sind milliardenschwere Unternehmen entstanden. Kapitalgesellschaften, die in erster Linie ihren Aktionären verpflichtet sind und nicht den Mietern, dominieren den Markt.
    Quelle: ver.di b+b
  10. “Die Gewalt ging eindeutig von uns aus”
    Nach jüngsten Recherchen des WDR hat die RWE zur Abwehr und Festsetzung von Demonstranten am vergangenen Wochenende im Braunkohletagebau Garzweiler auch eine private Sicherheitsfirma angeheuert. Das Unternehmen IWSM – Industrie- und Werkschutz Mundt GmbH – aus Frechen soll demnach an besagtem Wochenende mit rund einem Dutzend Männern im Einsatz gewesen sein. Ein Mitarbeiter der Firma IWSM hat sich in einem Exklusiv-Interview mit dem WDR Hörfunk ausführlich zu den Ereignissen in Garzweiler geäußert.
    Auslöser war jenes Foto, welches der WDR am vergangenen Mittwoch (19.08.2015) im Internet veröffentlicht hatte. Es zeigt einen Mann mit Sonnenbrille und gelb-grüner Warnweste, der einen Aktivisten offenbar mit Gewalt auf den Boden presst und festhält. Hubert K., Mitarbeiter des privaten Sicherheitsdienstes IWSM sagt dazu im Interview mit dem WDR: “Ich bin damit nicht einverstanden. Ich bin eher gewaltlos – so bin ich erzogen, so ist mein Charakter. Ich woll’t ganz einfach auch dazu beitragen, dass die Wahrheit so’n bisschen ans Licht kommt.” K. war am vergangenen Wochenende gemeinsam mit rund einem Dutzend Kollegen in der Braunkohlegrube in Garzweiler im Einsatz. Im Auftrag von RWE. Seinen Namen haben wir hier geändert. Als er das Foto sah, erkannte er seinen Kollegen und Einsatzleiter. An den Einsatz erinnert er sich gut.
    Quelle: WDR

    Dazu: Ministerium untersucht Polizeieinsatz
    Das nordrhein-westfälische Innenministerium hat angekündigt, den Polizeieinsatz während der Proteste gegen den Braunkohletagebau Garzweiler am vergangenen Wochenende zu überprüfen. Der Kritik am Einsatz werde sorgfältig nachgegangen, hieß es. In der kommenden Woche werde das Ministerium dem Innenausschuss ausführlich berichten.
    Sowohl der Tagebau-Betreiber RWE Power wie auch die Polizei in Düren wehren sich heftig gegen den Vorwurf, Werksschützer und RWE-Mitarbeiter hätten bei den Protesten zu eng mit der Polizei zusammengearbeitet. Weiterhin verwahrt sich die Polizei in Düren gegen den Vorwurf, Medienvertreter behindert zu haben. Lothar Lambertz, Sprecher von RWE Power, betonte zudem, das Unternehmen habe im Vorfeld der Proteste stets auf Deeskalation gesetzt.
    Lambertz: „Es war klar, dass wir die Bandanlagen und die Bagger sofort abschalten würden, wenn sich ihnen Menschen nähern.“ Polizei-Sprecher Ralf Meurer stellte klar: „Es gab mit dem Unternehmen keine gemeinsame Planung und keine konzertierte Aktion.“ Es habe auch keine Empfehlung der Polizei an RWE Power gegeben, die Anlagen vor den Protesten vorsorglich abzuschalten.
    Quelle: FR Online

  11. Aus gutem Haus
    Der Weg in die obersten Etagen der Wissenschaft führt über Leistung, lautet das akademische Credo. Aber ein bürgerliches Elternhaus oder ein Professor als Vater schadet nicht.
    Wissenschaft versteht sich als Verdienstorden, der sich auch in der Auswahl seiner Mitglieder am Objektivitätsideal orientiert. Man bleibt unter sich und rekrutiert nach eigenen Regeln. Der Neutralitätsanspruch ist verfahrenstechnisch abgesichert. Wer eine Professur erreichen will, durchläuft ein standardisiertes Verfahren, wird von Peers geprüft und nach Kennziffern gerankt und ist auch später, bei der Mittelvergabe, der Leistungskontrolle unterworfen. Dass auch ökonomische und soziale Faktoren bei der akademischen Auslese eine Rolle spielen, ist trotzdem kein gewagter Verdacht, schon wegen der Unwägbarkeiten akademischer Karrieren. Aber auch wegen der Usancen des Milieus. Wer den elaborierten Code nicht beherrscht und einen ironischen Ton plump pariert, wird in der Beletage der akademischen Welt schwer Anerkennung finden.
    Bisher gab es nicht allzu viele Studien zum Einfluss der sozialen Herkunft auf den wissenschaftlichen Erfolg. Eine beeindruckend konzise hat jetzt die Soziologin Angela Graf vorgelegt. Anders als ihre Vorgänger subsumiert sie unter dem Elitebegriff nicht die gesamte Professorenschaft, sondern nur die Träger höchster akademischer Ehren, des Nobelpreises und des Leibniz-Preises, sowie die Präsidenten der großen Forschungsgesellschaften. Das Sample summiert sich auf vierhundert Personen. Graf untersucht die Curricula über einen Zeitraum von siebzig Jahren.
    Das Ergebnis ist kein Mythensturz, aber in seiner Eindeutigkeit überrascht es. Beide Gruppen zeigen eine ausgesprochen hohe soziale Homogenität. Zu gut zwei Dritteln stammt die Wissenschaftselite aus dem Bürgertum, zu 27 Prozent sogar aus dem Großbürgertum, was um so mehr ins Gewicht fällt, als darunter nur ein Prozent der Gesamtbevölkerung fällt. Über fünfzig Prozent sind Töchter und Söhne höherer Beamter und leitender Angestellter. Gut die Hälfte hat einen promovierten Vater, vierzehn Prozent kommen aus einem Professorenhaushalt. Nur ein Nobelpreisträger ist Arbeiterkind: der Biochemiker Hartmut Michel, dem 1988 die höchste Weihe zuteilwurde.
    Quelle: FAZ
  12. Menschen ohne Rechte
    Der internationale Tag der Erinnerung an den Sklavenhandel suggeriert, als sei Sklaverei bereits Geschichte. Sklaverei ist aber ein aktuelles Massenphänomen, die wir in Produkten mit Dumpingpreisen sehen können. (…)
    Die rücksichtslose Ausnutzung von Menschen beschränkt sich nicht auf die Vergangenheit, sondern reicht bis in die Gegenwart. Laut einer Studie der International Labour Organization (ILO) sind heutzutage weltweit fast 21 Millionen Menschen Opfer von Zwangsarbeit. Die illegal erwirtschafteten Gewinne für Hintermänner betragen jährlich kaum vollstellbare 150 Milliarden US-Dollar. Nicht ohne Grund wird der Menschenhandel, gleich nach dem Drogen- und Waffenhandel, als die dritte der gewinnbringendsten Kriminalitätsarten angesehen. Selbst in Europa – einschließlich der EU – übertreffen geschätzte Profite 45 Milliarden.
    Um gegen die Kriminalität erfolgreich kämpfen zu können, wurde im April 2011 im Europäischen Parlament eine Menschenhandelsrichtlinie (sog. Richtlinie 2011/36/EU) festgelegt. Im Vergleich mit früheren Vorschriften wird jetzt der Begriff Menschenhandel breiter definiert, so dass er auch Delikte wie erzwungene Betteltätigkeiten oder Organentnahme zum Zwecke des illegalen Organhandels umfasst. Für die Straftaten, die unter dem Menschenhandel fallen, droht ein Freiheitsentzug von mindestens fünf Jahren, bzw. in besonderen Fällen von mindestens zehn Jahren.
    Moderne Ausbeutung von Menschen und Arbeitskräften basiert oft auf Armut, fehlender Bildung und Migration, welche Menschen in die Falle der Zwangsarbeit locken. Aufgrund Sprachbarrieren und Unkenntnis von ihren Rechten sehen sie häufig keine Möglichkeit, sich aus ihrer Lage zu befreien. Um diesen Menschen zu helfen, agieren weltweit zahlreiche Organisationen wie „YouCanFree.Us“ oder „International Organization for Migration (IOM)“. Auch in Deutschland laufen Projekte wie z.B.: „Bündnis gegen Menschenhandel zur Arbeitsausbeutung (BGMA)“. Auf der Website der BGMA findet man eine Liste mit Beratungsstellen, die zu einzelnen Bundesländern zugeordnet wurden. Die Beratung wird dort kostenlos, anonym und unabhängig vom Aufenthaltsstatus geboten.
    Quelle: Migazin
  13. Eine aufgeklärte Besetzung?
    Warum der Terror der Siedler auf Israels Rechtsstaat beruht.
    Im März dieses Jahres erteilte der damalige militärische Oberbefehlshaber über das Westjordanland, der israelische Generalmajor Nitzan Alon, den Befehl, sämtliche vom israelischen Parlament verabschiedeten Strafgesetze auch auf die palästinensische Bevölkerung anzuwenden. Zuvor hatten zwei getrennte Rechtsordnungen bestanden: das israelische Recht, das im Westjordanland nur für Juden gilt, und das Militärrecht, dem alle anderen unterliegen. Seit Juni 2015 ist der Inhalt der beiden Rechtsordnungen, das heißt, sind die Gesetze selbst identisch. Allerdings gibt es formale Einschränkungen: Palästinenser wählen natürlich nicht für das israelische Parlament und können nicht in es hineingewählt werden. Und im Unterschied zu jüdischen Siedlern, denen vor israelischen Zivilgerichten der Prozess gemacht wird, stehen Palästinenser unverändert vor Militärtribunalen.
    Manchen Beobachtern erschien General Alons neuer Befehl als ein Schritt in die richtige Richtung. Zweifellos verbesserte er unmittelbar die Lebensqualität Tausender Palästinenser, denn das zuvor geltende Militärrecht war unverhältnismäßig streng gewesen. Der Befehl wurde in einem Geiste erlassen, den Mitte-links-Zionisten ohne Ironie als “aufgeklärte Besetzung” bezeichnen.
    Andere klagten, es handle sich bei Alons Anordnung um eine zynische Staffage für eine Militärdiktatur. Tatsächlich stellte die Unterwerfung der palästinensischen Bevölkerung unter Israels parlamentarischen Gesetzgebungsprozess einen weiteren Schritt zur rechtlichen Annexion des Westjordanlands dar, das heißt den Übergang von der Besetzung zur offiziellen Apartheid. Soweit Israels Rechtsordnung vom Westjordanland getrennt blieb, ließ sich noch beharrlich behaupten, die Gebiete seien nur vorübergehend besetzt. Je stärker jedoch beide Rechtsordnungen miteinander verschmelzen, desto schwieriger wird es, die Besetzung als einen vorläufigen Zustand zu betrachten – wozu es nach fünfzig Jahren ohnehin schon eine gehörige Portion guten Willens braucht. Damit aber wird die kontroverse Rede von einer Apartheid zur unvermeidlichen Beschreibung der Realität.
    Quelle: Zeit Online
  14. Briefkastenfirma: CSU-Ikone Strauß kassierte Schmiergelder
    Franz Josef Strauß, der 1988 verstorbene ehemalige Bundesverteidigungs- und Bundesfinanzminister sowie zuletzt Ministerpräsident von Bayern, hat sich nach Informationen des SPIEGEL jahrelang mittels einer Briefkastenfirma von Unternehmern schmieren lassen. Dies belegen bislang unbekannte Akten des Eureco Büro für Wirtschaftsberatung GmbH und Co. KG, die der Politikwissenschaftler Peter Siebenmorgen bei Recherchen für seine Strauß-Biografie (Siedler Verlag) fand. (…)
    Gegründet wurde das Büro 1964 von Strauß, seiner Gattin Marianne und dem Rechtsanwalt Reinhold Kreile, der mit einer Treuhand-Konstruktion dafür sorgte, dass der Name Strauß im Zusammenhang mit Eureco nirgendwo auftauchte.
    Die Liste der Unternehmen, die Strauß über das Büro Geld zahlten, reicht von BMW und Bertelsmann über Daimler-Benz und Dornier bis hin zu Firmen aus dem Flick-Imperium und der Taurus-Film GmbH des Medien-Moguls Leo Kirch. Allein in den Jahren 1964 bis 1968 addierten sich die Zahlungen auf insgesamt 490.892 Mark. Eine für die damalige Zeit immense Summe: Das Jahresgehalt eines Bundesministers betrug seinerzeit etwa 90.000 Mark.
    Quelle: Spiegel Online

    Dazu: Schlötterers Enthüllungen
    Die Kultur der Macht um Franz Josef Strauß hat Wilhelm Schlötterer minutiös entlarvt. Warum haben seine Erkenntnisse keine Folgen?
    In seinem Buch „Macht und Mißbrauch“ schilderte der Jurist und ehemalige Ministerialrat Wilhelm Schlötterer seine Erfahrungen als Beamter des bayerischen Finanzministeriums, der sich weigerte, Schützlinge des CSU-Vorsitzenden Franz Josef Strauß von der Steuer zu befreien. Er wurde mit Disziplinarverfahren und Strafanträgen verfolgt, erlebte Nichtbeförderung, Umsetzung, Isolation sowie (seltene, wichtige) Solidarität. Hauptthema des Buches ist jedoch die seit Strauß in der bayerischen Regierung wuchernde Korruption.
    Interessant: Keiner der genannten CSU-Politiker, Spitzenbeamten und Großunternehmer klagte gegen das Buch. Sie schwiegen, als existierte es nicht. Auch die Presse griff den Komplex nicht auf. Man diskutierte zwar über Zivilcourage: etwa unter dem Aspekt, ob einer sich zur Rettung der Zivilisation von minderjährigen Delinquenten zusammenschlagen lassen soll. Und man gruselte sich über den korrupten Berlusconi. Doch für Strauß sollte die Sprachregelung „umstritten“ reichen.
    Quelle: taz

  15. Adenauers Werk, Kohls Beitrag
    „Schwarze Kassen aus der Zeit von Flick“: Beiläufig verharmlost Schäuble die Zeit, in der Firmen illegal die Union finanzierten.
    Es sind nur ein paar kurze Sätze. Fast beiläufig, mitten in der mehr als einstündigen Dokumentation, die am Montag in der ARD ausgestrahlt wird. Aber mit enormer Sprengkraft. „Es gibt keine“, sagt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble über die vermeintlichen Spender, denen Helmut Kohl einst sein Ehrenwort gegeben haben will. Die 2,1 Millionen Mark, die der damalige Bundeskanzler persönlich in die Partei eingespeist hatte, stammten aus anderen Quellen. „Weil es aus der Zeit von Flick schwarze Kassen gab.“
    Das kollektive Gedächtnis ist kurz und ungenau. Zu Beginn des Jahrhunderts sagte der CDU manch einer das Schicksal der italienischen Democrazia Cristiana voraus, die im Korruptionssumpf untergegangen war. Stattdessen war der CDU-Parteispendenskandal der Auftakt einer beispiellose Karriere: Er spülte Angela Merkel an die Parteispitze. Als sie fünf Jahre später Bundeskanzlerin wurde, war Kohls illegales Finanzierungssystem bereits eine vergessene Episode.
    Quelle: Pascal Beucker und Anja Krüger in der taz

    Hinweis: Der Film von Stephan Lamby läuft heute Abend um 21.30 Uhr in der ARD.

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