Übertreibung ist eine beliebte Methode (5) der Meinungsmanipulation – hier dargestellt am Umgang der Hiwi’s Hebel (FR) und Horn (IMK) mit Sahra Wagenknecht
Nach dem Desaster in Griechenland und der ins Auge springenden Missachtung von Mehrheitsentscheidungen des Volkes gäbe es gute Gründe, darüber nachzudenken und sachlich zu besprechen, ob die Euro-Konstruktion für alle Euro-Länder in der jetzigen Situation durchzuhalten ist. Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht haben neben anderen in den letzten Tagen den Versuch gemacht, die im wahren Sinn des Wortes Not-wendige Diskussion dazu anzustoßen. Ihr Versuch wird vom Redakteur der Frankfurter Rundschau Stephan Hebel und vom Chef des gewerkschaftsnahen Instituts IMK gekontert – mit der typischen Methode der Übertreibung „Reaktionär, nicht links” titelt Hebel in einem Kommentar vom 21. August. Und Gustav Horn, der Leiter des arbeitnehmernahen Instituts IMK schrieb via Twitter: „Für mich ist das: Sozialnationalismus.“ Das soll offensichtlich an „Nationalsozialismus“ erinnern. Albrecht Müller.
Die Diskussion über die Schlüsse, die man aus dem Vorgang Griechenland und insbesondere aus der Tatsache, dass offensichtlich Wahlen keinerlei Bedeutung für die politische Gestaltung haben, ziehen will und kann, ist wichtig.
Sahra Wagenknecht meint in Äußerungen, die am 21. August von der TAZ und von der „Welt“ zitiert werden, zum Beispiel,
- Ein Papier der Chefs von fünf EU-Institutionen zeige, wohin die Reise gehen soll. Alles deutet darauf hin, dass es immer mehr Integrationsschritte gibt, die jede nationale Souveränität erledigen. Wörtlich: wenn in Zukunft die Haushalts-und sogar die Lohnpolitik in den Mitgliedsstaaten von EU-Technokraten gesteuert werden soll, dann gibt es letztlich keinen Raum mehr für demokratische Entscheidungen, und die Ergebnisse von Wahlen werden so irrelevant, wie wir das gerade in Griechenland erleben.“
- Die Währungsunion verenge die Spielräume der einzelnen Regierungen bis zur Handlungsunfähigkeit, das sei eine europaweite Abschaffung der Demokratie durch die Hintertür. Und deshalb müsse die Linke „eine Debatte darüber führen, ob sie sich dieser Logik weiterhin ausliefern will oder sich lieber für ein anderes Finanz-und Währungssystem stark macht.“
Bei Wagenknecht wie auch bei Lafontaine – zum Beispiel hier junge Welt vom 22. August – spielt die Sorge um die weitgehende Deindustrialisierung in den Ländern, die unter den herrschenden währungspolitischen Regeln, die Konkurrenz nicht bestehen können, eine große Rolle. Diese Sorge kann ich aus eigener Erfahrung mit der wirtschaftlichen Entwicklung im West-Balkan sehr gut verstehen.
Außerdem spielt bei beiden eine Rolle, dass sie sich Gedanken über die künftige Entwicklung und über künftige politische Spielräume machen. Sie haben die Sorge, dass es unter den herrschenden Umständen – gemeinsamer Währungsraum mit großen Ungleichgewichten in der Wettbewerbsfähigkeit – keinen Gestaltungsspielraum für die einzelnen politischen Einheiten gibt. Auf die Möglichkeit zur Gestaltung der eigenen Verhältnisse zu achten hat mit Nationalismus und mit reaktionären Denken nichts zu tun. Nirgendwo steht geschrieben, dass alle Völker zum Beispiel den Privatisierungswahn mitmachen sollen und müssen; nirgendwo steht geschrieben, dass es einem Volk nicht möglich sein soll, zum Beispiel solidarische Lösungen der Altersvorsorge der Privatvorsorge vorzuziehen, zumal sich zum Beispiel bei uns erwiesen hat, dass das Umlageverfahren der gesetzlichen Rente effizienter arbeitet als die Privatvorsorge. Wenn man auf eine solche eigene Gestaltungskraft drängt und pocht, dann hat das nichts mit Nationalismus zu tun.
Über alle diese Fragen muss man doch sprechen können, ohne dass gleich Etiketten verteilt werden. In der Tat ist eine solche Diskussion innerhalb und am Rande der Linkspartei zustande gekommen. Eine Debatte, die übrigens in der „Welt“ in dem oben verlinkten Artikel von Günther Lachmann gut zusammengefasst worden ist.
Auf den NachDenkSeiten haben wir in den letzten Tagen immer wieder auf einzelne Artikel hingewiesen, so auch am vergangenen Freitag auf Artikel, die auch heute eine Rolle spielen.
Der Kommentator der Frankfurter Rundschau, Stephan Hebel, und der Chef des IMK, Gustav Horn greifen trotz der Notwendigkeit und Möglichkeit einer sachlichen Diskussion auf die Methode der Übertreibung zum Zwecke der Diffamierung zurück.
In der deutschen Geschichte spielte die Übertreibung als Methode der Propaganda immer wieder eine große Rolle.* Dr. Geißler (CDU) war ein Meister der Diffamierung durch Übertreibung: er nannte die SPD die fünfte Kolonne Moskaus. Siehe hier und ein Übersichtsartikel im „Spiegel“ hier (Diesen zu lesen hätte möglicherweise eine therapeutische Wirkung für alle modernen Geißler-Fans.)
* Nachtrag vom 8.7.2016: Der erste Satz des vorigen Absatzes wurde leicht verändert.
Geißler nahm sich auch die Pazifisten vor. Der Pazifismus habe Auschwitz erst möglich gemacht. Siehe hier.
Das waren zwei Beispiele zum Beleg der Methode Übertreibung. Die Methode wird von vielen angewandt. Geißler ist nur ein herausragender Vorgänger von Hebel und Horn.
Die stigmatisierende Etikettenverteilung von Hebel und Horn ist Teil einer 2014 voll angelaufenen Kampagne. Wenn man kritische, fortschrittliche Menschen und Politiker richtig stigmatisieren will, dann muss man sie rechten Gedankenguts zeihen. Die dafür erfundene Formel: Querfront.
Hebel und Horn haben sich in diese Kampagne eingebaut. Deshalb werden sie in der Überschrift dieses Artikels als „Hiwis“, als Hilfswillige, bezeichnet. Ich lege Wert darauf festzustellen, dass dies keine Übertreibung ist. Sie sind die links angehauchten und damit wirksameren Kritiker der Kritik am Versagen unserer Medien. Bei Hebel kennen wir das schon: er rühmte sich dessen, dazu beigetragen zu haben, das Wort „Lügenpresse“ zum Unwort des Jahres zu erklären. (Auf den NachDenkSeiten haben wir einen Disput darüber am 13. und 14. Januar geführt. Siehe hier und hier)
So berechtigt es war, sich wegen der Pauschalierung gegen den Begriff Lügenpresse zu wenden, so klar muss man feststellen, dass die Erklärung zum Unwort des Jahres den etablierten Medien geholfen hat, sich reinzuwaschen und eine Kampagne gegen die Kritiker zu starten. Dazu bei anderer Gelegenheit mehr.
Das war der Text zur Methode (5) der Meinungsmache. Damit Sie eine Übersicht behalten und, falls sie wollen nachlesen können, hier die Übersicht der bisherigen Methoden und Texte:
- 26. Juni 2015
Die Methode: Die Botschaft der Kampagne wird in Nebenbemerkungen gepackt. Damit erscheint sie besonders glaubwürdig. - 24. Juli 2015
Verschweigen als Methode zur Meinungsmache (2) - 28. Juli 2015
Massiv und abgesprochen betriebene, falsche Interpretation von Zahlen und Statistiken. Methode (3) der Meinungsmache - 29.7.2015
B sagen und Botschaft A transportieren. Eine weitere Methode der Meinungsmache in der NachDenkSeiten-Serie (4) - 24.8.2015
Übertreibung ist eine beliebte Methode (5) der Meinungsmanipulation – hier dargestellt am Umgang der Hiwi’s Hebel (FR) und Horn (IMK) mit Sahra Wagenknecht.