Hinweise des Tages

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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JW/WL/AT/AM)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. „Die deutsche Frage ist zurück“
  2. Diskussion um Grexit und Soli
  3. Warum Griechenland keine Chance hatte
  4. Wie Deutschland an Europas Krisen verdient
  5. Zwischen Goldstandard und EZB: Wem gehört der Euro?
  6. Warum Wissenschaftler manchmal Aktivisten sein müssen
  7. Pfandbriefbank geht an die Börse
  8. China am Scheideweg?
  9. Freihandelsabkommen TTIP: Grüne Einheitsfront bröckelt
  10. Flüchtlinge: Hass und Hilfsbereitschaft
  11. PR-Desaster für Team Merkel: von Guardian bis Titanic – die Reaktionen auf #MerkelStreichelt
  12. ZDF-Bunkerjournal
  13. Kritische Berichte zum Referendum: Griechische Behörden gehen gegen Journalisten vor
  14. Großbritannien: Konservative wollen Streikrecht einschränken
  15. Bulldozer Renzi
  16. Obama besuchte als erster amtierender US-Präsident Bundesgefängnis
  17. Zu guter Letzt: “Macht Merkel einen guten Job, oder soll dieses süße Kätzchen sterben?”

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. „Die deutsche Frage ist zurück“
    1. Vertrauenskrise: Trau, schau, wem!
      Schon im ersten Satz der Gipfelerklärung vom vergangenen Wochenende steht das Wort “Vertrauen”. Es ist da von Griechenland die Rede. Aber Griechenland ist der falsche Adressat. Wichtiger wäre es gewesen, sich an Deutschland zu wenden. Das größte und stärkste Land der Europäischen Union hat in dieser Krise viel Vertrauen verspielt. Der scheinbare Erfolg Angela Merkels verschleiert nur: Seit jener langen Nacht von Brüssel ist Deutschland wieder zum Problem geworden in Europa. […]
      Mit beängstigender Gleichgültigkeit gehen Medien und Politik in Deutschland darüber hinweg. Aber es ist eben nicht nur eine weitere Verbalinjurie des brauseköpfigen früheren Finanzministers, wenn Yanis Varoufakis sagt, die Vereinbarung von Brüssel sei das “Versailles unsere Tage”. Und es ist eben nicht nur angelsächische Kenntnislosigkeit europäischer Verhältnisse, wenn der englische “Telegraph” schreibt: “Griechenland wird behandelt wie ein besetzter Feindstaat.” Oder wenn der “Guardian” entsetzt feststellt: “Die Euro-Familie wurde als Klub der Schuldenhaie entlarvt, dem die Demokratie gleichgültig ist.” Oder wenn Roger Cohen, Kolumnist der “New York Times”, kurz zusammenfasst: “Die deutsche Frage ist zurück.” […]
      Das Dogma will: Die Griechen müssen sparen, erst dann kann es ihnen besser gehen. Tatsächlich spricht aber viel dafür, dass es den Griechen heute schlechter geht als zu Beginn der Krise, nicht weil sie diesen Rat in den Wind geschlagen haben, sondern weil sie ihm gefolgt sind.
      Zur Zeitenwende des Mauerfalls im Jahr 1989 prophezeite der Historiker Gordon Craig: “Schließlich wird ein Staat, der die größte Wirtschaftsmacht in Europa ist, früher oder später neue politische Ideen entwickeln. Das können gute Ideen sein, das können aber auch schlechte, gefährliche Ideen für Deutschlands Nachbarn sein.” Craig behielt Recht.
      Quelle: Jakob Augstein auf Spiegel Online
    2. Gregor Gysi: »Wir brauchen ein europäisches Deutschland, kein deutsches Europa«
      „Ich glaube, dass morgen eine wichtige Debatte im Bundestag stattfindet“, sagte Gregor Gysi am Donnerstag im Pressestatement vor der Fraktionssitzung. Dabei gehe es gar nicht nur um Griechenland, sondern um Europa und „unser Land“. Finanzminister Schäuble (CDU) attackierte er scharf. Was Schäuble bei den Verhandlungen mit Griechenland betrieben habe, sei anti-sozial, anti-demokratisch und anti-europäisch. Dem Ansehen Deutschlands in Europa und der Welt sei dadurch schwer geschadet worden.
      Quelle: Fraktion die LINKE auf YouTube

      Anmerkung AT: Gysi stellte in seinem Statement wie Augstein auch auf die internationale Kritik an Deutschland ab und sagte: „In unseren Zeitungen geht es um Griechenland. Schauen sie sich die europäischen Zeitungen an. Es geht nicht um Griechenland, es geht nur um Deutschland.“ Auf die Nachfrage eines Journalisten, dass es ja auch andere, die deutsche Haltung unterstützende Pressestimmen aus Spanien und den baltischen Staaten gebe, antwortete Gysi, dass diese Unterstützung für Schäubles Kurs verständlich sei, da diese Länder bereits erpresst wurden. Wenn die griechische Regierung erfolgreich gewesen wäre, wären diese Regierungen die Schwachen gewesen und hätten ihren Völkern erklären müssen, warum sie nicht das gleiche erreicht haben. „So verhalten sich Erpresste. Das weiß ich als Anwalt“, so Gysi.

    3. Merkel ‘gambling away’ Germany’s reputation over Greece, says Habermas
      Speaking about the bailout deal for the first time since it was presented on Monday, the philosopher and sociologist said the German chancellor had effectively carried out “an act of punishment” against the leftwing government of Alexis Tsipras…
      “I fear that the German government, including its social democratic faction, have gambled away in one night all the political capital that a better Germany had accumulated in half a century,” he told the Guardian. Previous German governments, he said, had displayed “greater political sensitivity and a post-national mentality”…
      Germany had “unashamedly revealed itself as Europe’s chief disciplinarian and for the first time openly made a claim for German hegemony in Europe.”
      The outcome of the negotiations between Greece and the other eurozone member states, he said, did “not make sense in economic terms because of the toxic mixture of necessary structural reforms of state and economy with further neoliberal impositions that will completely discourage an exhausted Greek population and kill any impetus to growth.”
      Habermas added: “Forcing the Greek government to agree to an economically questionable, predominantly symbolic privatisation fund cannot be understood as anything other an act of punishment against a leftwing government.”
      Quelle: the guardian
    4. “Das war rohe Machtpolitik”
      Die Macht der Schulden bekommt derzeit vor allem Griechenland zu spüren. Das Hauptproblem dabei: Profitinteressen treffen auf Interessen des Gemeinwohls, meint der Literaturwissenschaftler Joseph Vogl. Bei den nun beschlossenen Reformmaßnahmen gehe es nicht mehr um Ökonomie, sondern um “rohe Machtpolitik” – und um die Probe eines Staatsstreichs.
      Im ersten Teil des science.ORF.at-Interviews beschreibt Vogl den historischen Einfluss der Finanzwelt auf scheinbar souveräne Staaten beschrieben. Im zweiten Teil skizziert er, wie sich das aktuell auf Griechenland auswirkt und wo mögliche Auswege aus der gesellschaftlichen Krise liegen.
      Quelle Teil 1: ORF
      Quelle Teil 2: ORF
  2. Diskussion um Grexit und Soli
    1. Griechen-Soli schreckt Koalition auf
      Top-Ökonom Fuest ist überzeugt, dass Deutschland seinen Anteil an der Griechenland-Rettung nur über Steuererhöhungen finanzieren kann. Die Große Koalition schließt das aus. Doch Fuest hat einen prominenten Fürsprecher….
      Fuest hatte seinen Vorschlag in einem Gastbeitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ damit begründet, dass Ehrlichkeit gegenüber den Wählern und das Gebot der Generationengerechtigkeit es erforderten, zur Finanzierung des Griechenland-Programms die Steuern in Deutschland zu erhöhen oder Ausgabenkürzungen zu verabschieden…
      Unterstützung bekommt er vom Ifo-Chef Hans-Werner Sinn, „weil es die Debatte über die Kosten einer Rettung Griechenlands ehrlicher macht“. Im Handelsblatt-Interview sagt Sinn:

      „Die Kredite an Athen wandeln sich durch die Laufzeitverlängerungen, Zinsnachlässe und Umschuldungsaktionen allmählich aber sicher in reine Transfers. Man macht sich etwas vor, wenn man denkt, das Geld käme jemals zurück.“

      Quelle: Handelsblatt

      Anmerkung WL: Treffend dazu die ironische Anmerkung von Martin Dowideit, Deskchef Finanzen des Handelsblatts:

      „Der künftige Chef des Münchener ifo-Instituts, Clemens Fuest, hat vorgeschlagen, den Solidaritätsbeitrag – einst zur Finanzierung der Wiedervereinigung geschaffen – von 5,5 Prozent auf acht Prozent zu erhöhen. So könnten die Kosten der Griechenland-Rettung den deutschen Bürgern deutlich gemacht werden. Was noch schöner wäre? Wenn die seit Beginn von Finanz- und Euro-Krise beim Bund verbuchten Zinsersparnisse von 100 Milliarden Euro zur Senkung des Soli auf null Prozent verwendet würden.“

    2. Temporärer Grexit “absolut lächerlich”
      Dobovisek: Griechenland will keinen Grexit, will den Euro behalten, auch das Mantra der meisten Spitzenpolitiker hierzulande. Nun gibt Wolfgang Schäuble aber zu bedenken: Ein weiterer Schuldenschnitt sei ohne Grexit gar nicht vorstellbar. Reicht Ihre Vorstellungskraft da weiter?
      Flassbeck: Na ja, Grexit, das wird immer so leicht dahingesagt, es geht auch nicht um den Willen von irgendjemand zum Grexit, sondern Grexit ist eine unglaublich risikoreiche, komplizierte Operation, bei der das ganze Land in Chaos versinken kann, wo man tatsächlich zum “Failed State” werden kann, wenn Panik ausbricht und die Leute versuchen, ihre Bankkonten zu retten. Also, man muss das lange vorbereiten, man muss die Bevölkerung darauf vorbereiten, alles das ist ja überhaupt nicht passiert. Insofern kann man nicht einfach leichtfertig vom Grexit reden.
      Und dann der Herr Schäuble mit seiner seltsamen Idee, temporär auszusteigen. Ich meine, ein Land, das selbst alles auf sich nimmt, diese unglaubliche Operation auf sich nimmt, dem dann zu sagen, ach, in fünf Jahren kommt ihr wieder, da machen wir so weiter wie vorher, das ist absolut lächerlich, ich weiß gar nicht, was das soll. Und man hätte Griechenland ja die Schulden schieben können. Man muss sie ja nicht streichen. Wenn er sie nicht streichen will, kann man die Schulden schieben, umstrukturieren.
      […]
      Dobovisek: Klingt nach einem Ruf nach mehr Solidarität, den wir noch ein bisschen weiten könnten. Ihr Ökonomenkollege Clemens Fuest schlägt eine Erhöhung des Solidaritätszuschlags vor, von 5,5 Prozent auf acht, und zwar, um Griechenland zu unterstützen. Nicht gerade populär, aber vielleicht doch ehrlicher?
      Flassbeck: Nein, was heißt ehrlicher. Es ist ja keine Lösung. Herr Fuest tut so, als müssten wir jetzt damit rechnen, dass es eine sklavische Abhängigkeit gibt, so wie Ost- und Westdeutschland, dieser Länder von Deutschland für immer. Nur weil er nicht darüber reden will, worüber ich gerade rede, nämlich über die Änderung des Wirtschaftsmodells Deutschlands. Er will nicht darüber reden. Er sagt, Deutschland muss Überschüsse behalten für die nächsten 100 Jahre und die anderen müssen Schulden machen für die nächsten 100 Jahre, und damit das ein bisschen erträglicher wird, geben wir ihnen ein bisschen von unserem Steuergeld. Das ist eine vollkommen falsche Idee. Und übertragen Sie diese Idee mal auf Frankreich und Deutschland, da werden Sie sehen, dass es völlig lächerlich ist. Ich bin jetzt gerade hier in Frankreich, lebe in Frankreich. Und wenn man Frankreich vorschreiben würde, es solle jetzt Transferempfänger von Deutschland werden und damit auch von Deutschland regiert werden, dann werden Sie erleben, was passiert, nämlich es werden rechtsradikale Parteien gewählt und der Euro ist am Ende. Der wird sowieso unter diesen Bedingungen bald am Ende sein.
      Quelle: Deutschlandfunk
    3. Wieso ein Schuldenschnitt im Euro illegal ist und er aber doch erlaubt sein könnte
      Für viele Ökonomen ist ein Haircut für Griechenland die Voraussetzung für eine Besserung der Lage. Am Dienstag hat der Währungsfonds Öl ins Feuer gegossen. Aufgrund des gewachsenen Finanzierungslochs werde die Verschuldung Athens auf 200 Prozent des Bruttoinlandsprodukts anspringen. Damit sei das Land von der sogenannten Tragfähigkeit der Schulden weit entfernt, urteilte der IWF sinngemäß. Ein Schuldenschnitt muss her.
      Eurozone-Granden, allen voran Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble, halten dem entgegen, dass ein Haircut allein schon rechtlich nicht zulässig sei. Daher sprach sich Berlin am Wochenende für ein fünfjähriges “Time-out” Griechenlands von der Währungsunion aus, um die Verbindlichkeiten zu restrukturieren. Anders gesagt: Bei einem Grexit könnte mit Athen sehr wohl ein Schuldenerlass vereinbart werden. Dass dies innerhalb der Eurozone nicht möglich sei, wird mit dem Passus im EU-Vertrag begründet, dem zufolge weder die Union noch die Mitgliedsstaaten für einen anderen EU-Staat haften oder für dessen Schulden eintreten (Art. 125 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU; AEUV).
      Quelle: Der Standard
    4. Eine Schuldenrestrukturierung setzt keinen Grexit voraus!
      Was aus juristischer Sicht weit schwerer wiegt ist die Behauptung, Griechenland könne wegen Art. 125 AEUV nur außerhalb der Eurozone seine Schulden gegenüber anderen Euro-Staaten und EFSF bzw. ESM restrukturieren. Man muss sich die Logik dieses Arguments auf der Zunge zergehen lassen: Das BMF ist der Ansicht, der rechtliche Rahmen der Eurozone zwinge ein Land erst einmal dazu, die Eurozone zu verlassen, um ihr dann wieder beizutreten. Als ob die Währungsunion nicht nach Art. 3 Abs. 4 EUV klar als Ziel der Union definiert worden wäre und die Nichtmitgliedschaft im Euro in Art. 139 AEUV als rechtfertigungsbedürftige Ausnahme. So wird die Ausnahme zur Regel, die Finalität der Wirtschafts- und Währungsunion auf den Kopf gestellt, um die scheinbar lästige Regel des Art. 125 AEUV zu umgehen. Ein Taschenspielertrick?
      Ganz abgesehen von den rechtlichen Schwierigkeiten, die ein Grexit aufwirft, ist dieses Raus und Rein nach der Rechtsprechung des EuGH gar nicht erforderlich. Vielmehr kann Griechenland unter bestimmten Voraussetzungen seine Schulden auch gegenüber offiziellen Gläubigern innerhalb der Eurozone restrukturieren. In der Rechtssache Pringle hat der EuGH sich für eine teleologische Auslegung von Art. 125 AEUV entschieden. Danach dürfen die Union und die Mitgliedstaaten einem Mitglied der Eurozone sehr wohl finanzielle Unterstützung leisten, sofern dies im Rahmen einer auf Stabilität gerichteten Haushaltspolitik erfolgt. Sprich, das Empfängerland muss immer noch genügend Anreize haben, seine Staatsfinanzen in Ordnung zu bringen. Art. 125 AEUV sperrt sich nicht dagegen, dass die anderen Mitgliedstaaten ihm dabei helfen, ob direkt oder über EFSF und ESM.
      Im Urteil zur OMT-Politik der EZB hat der EuGH sogar die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass die EZB infolge des Erwerbs griechischer und anderer Staatsanleihen Verluste erleiden könne, nämlich wenn die entsprechenden Forderungen im Fall einer Staatsinsolvenz nicht oder nur teilweise eingetrieben werden können. Wenn dies mit den für die EZB geltenden, dem EuGH zufolge gegenüber Art. 125 AEUV strengeren Voraussetzungen von Art. 123 AEUV vereinbar ist, dann dürfte eine aus dringenden Gründen erforderliche, auf Wiedererlangung der Haushaltsstabilität angelegte Restrukturierung der von anderen Mitgliedstaaten, EFSF und ESM gehaltenen griechischen Staatsschulden nicht gegen Art. 125 AEUV verstoßen. Aufgrund der teleologischen Herangehensweise sollte selbst dann gelten, wenn die Restrukturierung einen „Haircut“, also eine Reduktion des Nominalwerts der Forderungen miteinschließt.
      Quelle: Matthias Goldmann, Wissenschaftlicher Referent am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht im Verfassungsblog

      Anmerkung S.P.: Wie Herr Dr. Schäuble das Publikum veralberte und sich selbst der Lächerlichkeit preisgab:
      “Wer die europäischen Verträge kennt, weiß, dass ein Schuldenschnitt unter das bail-out Verbot fällt”, lautet das Credo des Bundesfinanzministers und seine letzte Zuflucht, wenn es darum geht, Schuldenerleichterungen für Griechenland zu verhindern. Da die Satzung der Währungsunion einen Schuldenschnitt verbiete, müsse Griechenland den Euro verlassen, damit ihm ein Schuldenschnitt gewährt werden kann. Schäubles Kalkül: Wer gegen den Grexit ist, muss gegen den Schuldenschnitt sein.
      Schaut man sich die einschlägige Bestimmung in Art. 125 des Vertrags von Lissabon an, ist dort von einem Verbot eines Schuldenerlasses allerdings nicht die Rede. Geregelt ist dort, dass kein Staat für den Haushalt eines anderen haftet oder für dessen Verbindlichkeiten eintritt. Gemeint sind Verbindlichkeiten gegenüber Dritten, nicht aber Verbindlichkeiten der Staaten untereinander. Zitat gefällig ?
      Schäuble zu den Krediten an Griechenland:
      Ein Verstoß gegen die Bail-Out-Klausel? Nicht in den Augen von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU): “Es geht ja nicht um eine Haftung, sondern es geht um eine freiwillige Beistandsleistung. Sie haften ja auch nicht für meine Schulden. Sie könnten mir ja auch unter Bedingungen einen Kredit gewähren. Ich glaube nicht, dass das ein Verstoß gegen das Bail-Out-Verbot ist. Ich bin sicher, wir sind auf einer einwandfreien, rechtlichen Grundlage.”
      Halten wir also fest: Nach Herrn Dr. Schäuble stellt die Gewährung zwischenstaatlicher Kredite innerhalb der Währungsunion keine Verbindlichkeit nach Art.125 dar, die Streichung dieser Kredite aber einen Verstoß gegen das dort geregelte bail-out Verbot für Verbindlichkeiten, zu denen die Kredite gerade nicht gehören.
      Geht’s eigentlich noch dümmer?

    5. Blanker Druck
      Mit der erneuten Drohung mit einem “Grexit auf Zeit” hält Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble den Druck auf Griechenland aufrecht. Ein Schuldenschnitt für das Land sei nur außerhalb der Eurozone möglich, behauptete Schäuble am gestrigen Donnerstag zum wiederholten Mal. Damit stellt sich der Minister weiterhin gegen mehrere EU-Amtskollegen, den IWF sowie US-Finanzminister Jacob Lew, der gestern persönlich bei Schäuble intervenierte. Während der Bundestag am heutigen Freitag dem sogenannten neuen Hilfspaket für Griechenland zustimmen und damit die deutschen Spardiktate fortschreiben wird, berichten Hilfsorganisationen von deren katastrophalen Folgen. Demnach sterben Kinder in griechischen Krankenhäusern, weil nicht mehr genügend Infusionsnadeln beschafft werden können; in griechischen Kinderheimen seien Grundnahrungsmittel mittlerweile “Mangelware”. Mitte dieser Woche sind in Athen erstmals wieder Massenproteste laut geworden. Mit weiteren Streiks und Demonstrationen wird gerechnet. Gleichzeitig konstatieren Beobachter, dass es den alten Eliten des Landes nicht mehr gelingt, mit Hilfe der Medien auf die Stimmung in der Bevölkerung wirksam Einfluss zu nehmen. Die ideologische Kontrolle schwindet.
      Quelle: German-Foreign-Policy
  3. Warum Griechenland keine Chance hatte
    Ex-Finanzminister Giannis Varoufakis schilderte die Griechenlandverhandlungen so: «Du bringst ein ökonomisches Argument, an dem du lang gearbeitet hast – und die Antwort ist ein blankes Starren. Es ist, als hättest du nichts gesagt. Du hättest auch die schwedische Nationalhymne singen können.»
    Das Erschreckende am Ausgang der Griechenlandkrise ist nicht nur das Resultat, sondern auch die Erkenntnis, dass in Europa in zwei Welten geredet wird. Welten, die nicht zwei Interpretationen der Wirklichkeit beinhalten, sondern zwei Wirklichkeiten.
    Im Fall von Varoufakis traf etwa die Wirklichkeit des Ökonomen auf die der Politik, die ganz andere Interessen hat. Im Prinzip ging es Varoufakis hier wie jedem Professor, der in einer Parlamentskommission spricht – weder die Fragen danach noch die Beschlüsse werden etwas mit seiner Rede zu tun haben.
    Die Strategie der neuen griechischen Regierung war zu sagen: Das Land ist seit vier Jahren bankrott. Zeit ist wichtig. Lasst uns möglichst schnell auf die drei, vier wichtigsten Reformen einigen, dann den Griff der EZB um unsere Banken lockern, und wir können loslegen.
    Die Taktik der Eurozone war, erst einmal Zahlen zu verlangen, dann von einem Thema zum anderen zu springen, alle griechischen Vorschläge ohne Gegenvorschlag abzulehnen – um schliesslich, als die Unsicherheit die griechische Wirtschaft in eine weitere Depression gestürzt hatte, die Geldzufuhr an die Banken zu drosseln. Mit der Bankenschliessung wuchs der Schaden von Tag zu Tag, bis die Griechen eine Kapitulationsurkunde unterschrieben, die ihre Albträume weit übertraf. Und nebenbei auch die Albträume der Europäer. Am Anfang hätte sie ein Deal nur auf dem Papier gekostet: für einen Schuldenschnitt auf Kredite, die eh nie bezahlt werden würden. Nun kostet die Eurozone ihr Sieg weitere 90 Milliarden Euro.
    Quelle: Tagesanzeiger

    dazu: Yanis Varoufakis: “Zu Schäubles Plan gehörte es, Griechenland fallen zu lassen”
    Der frühere griechische Finanzminister Varoufakis macht dem Bundesfinanzminister schwere Vorwürfe. Er habe Griechenland opfern wollen, schreibt Varoufakis in der ZEIT.
    Yanis Varoufakis, bis vor Kurzem Finanzminister Griechenlands, erhebt in einem eigenen Beitrag für die Wochenzeitung DIE ZEIT schwere Vorwürfe gegen den deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble. In einem ausführlichen persönlichen Rückblick auf das letzte halbe Jahr bemängelt Varoufakis Schäubles Vorgehen in der Schuldenkrise und kritisiert Einrichtungen wie die Eurogruppe oder die Europäische Zentralbank. Schäuble habe zusammen mit anderen Politikern der Eurogruppe die soziale Krise eines Mitgliedstaates “kontrolliert verschärft”, um seinen Plan von einer Neugestaltung der Eurozone durchzusetzen.
    Quelle: Zeit Online

  4. Wie Deutschland an Europas Krisen verdient
    Als 2010 klar wurde, dass Griechenlands Haushaltsdefizit deutlich höher war als zuvor angenommen, schwand das Vertrauen der Geldgeber. Wie sollte Athen seine hohen Schulden jemals zurückzahlen? Deutlich weniger Investoren wollten Griechenlands Bonds kaufen – und wenn, dann nur zu deutlich höheren Zinsen. Aus diesem Grund sprangen die europäischen Geldgeber ein und gaben Athen Kredite zu vergleichsweise niedrigen Zinssätzen. Bis heute kann Athen an den Finanzmärkten kein Geld mehr zu vertretbaren Konditionen leihen, weil die Investoren dem Land nicht mehr vertrauen.
    In Deutschland passierte das Gegenteil: Die Zinsen auf deutsche Staatsanleihen sanken – und damit die Renditen für diejenigen, die Deutschland Geld leihen. Wer heute deutsche Bonds kauft, dem ist eine sichere Geldanlage wichtiger als hohe Renditen. Es kommt sogar vor, dass Anleger dafür zahlen, ihr Geld in deutsche Staatsanleihen stecken zu dürfen. Die Zinsen waren negativ.
    Quelle: Süddeutsche
  5. Zwischen Goldstandard und EZB: Wem gehört der Euro?
    Es war einmal ein Land, das von einer schweren Schuldenkrise geschüttelt wurde. Unerbittlich bestand eine Troika von Auslandsgläubigern auf der Bedienung sämtlicher Schulden, prangerte schonungslos Misswirtschaft, Verschwendung und die mangelnde Bereitschaft des Schuldnerlands zur Zusammenarbeit mit seinen Gläubigern an und wurde nicht müde, ihren neuesten Zahlungsplan als Erleichterung anzupreisen. Tief zerrissen zwischen dem Wunsch, die verhasste Schuldenlast abzuschütteln, und der Notwendigkeit, den Gläubigern entgegenzukommen, rief die Regierung ein Referendum aus.
    Die Rede ist nicht von Griechenland, sondern von Deutschland. Wir schreiben das Jahr 1929, das Referendum betraf den sogenannten Young-Plan zur Beendigung der deutschen Reparationszahlungen auf Kredit. Ähnlich wie Griechenland heute war Deutschland an seiner Situation nicht unschuldig. In den Vorjahren waren unter einer neuen Währung massiv neue Kredite ins Land geflossen, und man hatte sich kräftig bedient.
    Damals stützte die Regierung die Ja-Parole, vor eineinhalb Wochen das Nein, und in beiden Fällen folgte das Stimmvolk der Empfehlung. Bald aber stellte sich heraus, dass das nutzlos war. Die Interessen der Gläubiger und der heimischen Wähler waren zu konträr, und die Gläubiger hatten die Oberhand. Im Falle Deutschlands ist der Ausgang bekannt: Nach drei Jahren Deflationspolitik kam Hitler an die Macht. Im Falle Griechenlands sind die politischen Folgewirkungen noch unabsehbar…
    Wie damals die Bindung an das Gold verhindert heute im Euro-System die Abschaffung nationaler Währungen die Anpassung der Wechselkurse an realwirtschaftliche Verschiebungen…
    Quelle: Albrecht Ritschl in der NZZ

    Anmerkung WL: Man muss dem Wirtschaftshistoriker bei seinen wirtschaftswissenschaftlichen Betrachtungen nicht unbedingt folgen, aber das Aufzeigen der wirtschaftshistorischen Parallelen ist wichtig.

  6. Warum Wissenschaftler manchmal Aktivisten sein müssen
    Richtig ist, dass Wissenschaft die Wirklichkeit erforscht, während Politik sie gestaltet. Doch, und hier liegt das Missverständnis, kann die Politik die Wirklichkeit nur basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen gestalten. Schlägt die Politik, aus welchen Gründen auch immer, die Ergebnisse wissenschaftlicher Erkenntnis in den Wind, ist es die vornehmste Aufgabe der Wissenschaft, vor einer solchen Politik zu warnen und eine Rückkehr zu einer vernunft- und erkenntnisbasierten Politik einzufordern…
    Dieses ideologische Vorgehen der Politik, also die Verbannung von Erkenntnissen der Wissenschaft aus rein ideologischen Gründen, muss die Wissenschaft kritisieren, will sie ihre ureigene Aufgabe wahrnehmen, nämlich mit der Erforschung der Wirklichkeit die Möglichkeit zu schaffen, Politik auf einer rationalen Grundlage zu betreiben….
    Gleichwohl bin ich froh, dass das Feuilleton der Süddeutschen Zeitung sich vorgenommen hat, so kritisch auf wissenschaftliche Aktivitäten zu schauen. Hätte man das früher schon getan, hätte man festgestellt, dass sich in München wissenschaftliche Aktivisten des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung in einer Weise in die Politik einmischen, die nicht immer von wissenschaftlichen Aussagen in derart klarer Weise gedeckt sind, wie das für unseren Brief gilt. Aber vielleicht wird dieser bayerische Aktivismus von der Süddeutschen Zeitung von vorneherein nicht als Wissenschaft verstanden. Da will ich dann nicht widersprechen.
    Quelle: Heiner Flassbeck in der Süddeutschen

    Anmerkung WL: Mit dem Leibniz-Institut meint Heiner Flassbeck das ifo-Institut mit seinem (Noch-)Präsidenten Hans-Werner Sinn. Zu den Ausgangsartikeln hier.

  7. Pfandbriefbank geht an die Börse
    Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble muss zumindest bei der deutschen Pfandbriefbank pbb nicht draufzahlen: Der Börsengang bringt dem Bankenrettungsfonds knapp 1,2 Milliarden Euro. Eine Milliarde bekam der Bund bereits Anfang des Monats von dem Münchner Immobilienfinanzierer zurück, macht zusammen 2,2 Milliarden Euro und entspricht in etwa der Summe, mit der die Pfandbriefbank vom Staat unterstützt wurde. Und er hält ja noch 20 Prozent an der Bank. Allerdings gibt es daneben noch die Bad Bank FMS Wertmanagement. Bei ihr lagern die Altlasten des damals verstaatlichten HRE – Konzerns, ursprünglich waren es knapp 176 Milliarden Euro an riskanten Staatsanleihen und Projektfinanzierungen, die nun möglichst ohne Verluste abgebaut werden sollen, derzeit sind es noch knapp über 100 Milliarden Euro, fallen hier beim Abbau des Portfolios Verluste an, haftet der Steuerzahler. Es könnte also noch teuer werden.
    Quelle: BR
  8. China am Scheideweg?
    Durch die Medien-Dominanz Griechenlands ist fast untergangen, dass China gerade einen Börsencrash erlebt (hat). Der Shanghai Composite Index ist seit seinem Höchststand am 12. Juni bis zum 8. Juli um knapp ein Drittel abgestützt. Mittlerweile haben sich die Kurse wieder etwas erholt, was allerdings auf massive Stützungsmaßnahmen und Verkaufsrestriktionen durch die Regierung zurückzuführen ist.
    Insgesamt haben chinesische Aktien knapp 3,5 Bio. US-Dollar an Marktkapitalisierung verloren. Das ist recht genau das Zehnfache der griechischen Schulden oder nicht ganz eine deutsche Jahreswirtschaftsleistung. Nun sind Kredite oder auch das BIP etwas anderes als die Marktkapitalisierung von Aktien, dennoch verdeutlichen diese Zahlen ein wenig die Dimension der chinesischen Korrektur.
    Quelle: Neue Wirtschaftswunder
  9. Freihandelsabkommen TTIP: Grüne Einheitsfront bröckelt
    Die grünen Wirtschaftsminister von Hessen und Rheinland-Pfalz, Tarek Al-Wazir und Eveline Lemke, haben sich für einen Handelsvertrag zwischen der EU und den USA ausgesprochen. „Freihandelsabkommen wie die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) und das Umfassende Wirtschafts- und Handelsabkommen EU-Kanada (Ceta) sind wichtige Bausteine transatlantischer Partnerschaft“, loben die Ressortchefs von Bund und Ländern in einem Beschluss, dem auch die beiden Grünen zugestimmt haben.
    Ausdrücklich wird darin der Vorschlag von Bundesminister Sigmar Gabriel (SPD) für „einen europäisch-amerikanischen Handelsgerichtshof“ anstelle der bisher üblichen privaten Schiedsgerichte begrüßt. Dort könnten Konzerne Staaten verklagen, wenn sie ihre Gewinne etwa durch Gesetze geschmälert sehen.
    In „der Vereinbarung gemeinsamer Standards liegt großes Potenzial“, so die Minister. „Schutzniveaus, z. B. für Verbraucher, Umwelt, Gesundheit und öffentliche Daseinsvorsorge, dürfen dabei nicht zur Disposition stehen.“ Wenn höhere US-Schutzstandards vereinbart würden, sei man dafür offen.
    Insgesamt gelte, dass „wachsende sicherheitspolitische Risiken“ eine „noch engere Zusammenarbeit rechtsstaatlicher Demokratien“ unabdingbar machten. Die Wirtschaftsministerkonferenz fällte den einstimmigen Beschluss bereits Mitte Juni in Hamburg, das Abstimmungsverhalten der Grünen fand aber bislang kaum Beachtung.
    Auf der Internetseite der Bundespartei steht in großen Lettern „Stop TTIP!“. Die Bundesdelegiertenkonferenz hatte Ende November Aussagen wie „Keine Klageprivilegien für Konzerne“ beschlossen. Die Haltung der Länder und der Grünen, die dort mitregieren, ist wichtig, weil wahrscheinlich auch der Bundesrat den Abkommen zustimmen müsste. Deshalb tun TTIP-Gegner das Votum der beiden grünen Minister auch nicht als unbedeutende Verirrung von Außenseitern ab.
    Quelle: taz
  10. Flüchtlinge: Hass und Hilfsbereitschaft
    Während sich im sächsischen Freital Neonazis mit normalen Bürgern gegen Asylbewerber verbünden, heißt man die Flüchtlinge im holsteinischen Boostedt herzlich willkommen.
    Quelle: ARD
  11. PR-Desaster für Team Merkel: von Guardian bis Titanic – die Reaktionen auf #MerkelStreichelt
    Mit ihrer Reaktion auf die Geschichte eines Flüchtlingsmädchens hat sich Angela Merkel ein Eigentor geschossen. In den Sozialen Netzwerken wird unter dem Hashtag #merkelstreichelt hitzig diskutiert und im Laufe des heutigen Donnerstags zeichnete sich immer deutlicher ab: #Merkelstreichelt wird für die Bundeskanzlerin zu einem handfesten PR-Desaster.
    Quelle: MEEDIA

    Anmerkung: Jan Böhmermann: Angela Merkel streichelt die Wirklichkeit tot.

    Dazu: Bundesregierung schreibt Bericht über weinende Schülerin um
    Angela Merkels Begegnung mit einer weinenden Schülerin aus dem Libanon sorgt weiter für Wirbel. Die Bundesregierung hatte das viel diskutierte Treffen zwischen der Kanzlerin und dem Mädchen aus dem Libanon auf der offiziellen Seite ihres Bürgerdialogs aufgegriffen. Zunächst hieß es dort allerdings, das Mädchen habe “vor lauter Aufregung” geweint. Mittlerweile ist diese Formulierung gelöscht.
    Im Bericht des Presseteams der Kanzlerin, der auf der Website “Gut Leben in Deutschland” erschien, lautete die Beschreibung ursprünglich:
    “Vor lauter Aufregung musste das Mädchen schließlich weinen und wischte ihre Tränen mit einem Taschentuch weg.” So las sich die entsprechende Passage bis Mittwochvormittag.
    Seit einigen Stunden ist die Passage leicht abgeändert: “Das Mädchen musste weinen und wischte ihre Tränen mit einem Taschentuch weg”, heißt es nun.
    Quelle: Spiegel Online

    dazu auch: So nah, dass es wehtut
    In ihrer Kampagne “Gut Leben in Deutschland” will die Bundeskanzlerin mit den Bürgern sprechen. Was passiert, wenn sie dann echte Menschen und keine Statisten sind?
    Einen kurzen Moment gibt es, da ist aus dem Gesicht von Angela Merkel die Bundeskanzlerin verschwunden. Zu sehen ist eine Frau, der die Worte fehlen, nur ein leises “och Gott” murmelt sie. Genau fünf Sekunden dauert es, dann hat Merkel wieder ein professionelles Lächeln aufgesetzt, geht auf das weinende Mädchen zu und sagt: “Das hast du doch prima gemacht”. […]
    Immerhin ist Merkel ehrlich – sie tut nicht so, als wolle ihre Regierung Menschen wie Reem nicht abschieben. Da steckt das eigentliche Problem an Merkels Bürgerdialog: Das Regierungsprogramm wird konfrontiert mit der Realität.
    Da wird schnell klar, dass die Unterscheidung in “gute” und “schlechte” Ausländer, wie die Bundesregierung sie gerade mit ihrem neuen Asylgesetz festgeschrieben hat, nichts taugt. Dass das Bleiberecht für “gut integrierte und rechtstreue Ausländer”, das Bundesinnenminister Thomas de Maizière verspricht, der gut integrierten und gesetzestreuen Reem offensichtlich nicht nützt.
    Merkels Bürgerdialog erlebt gerade, was schon viele Unternehmen erfahren mussten: Kampagnen können nach hinten losgehen, wenn tatsächlich die Meinung von Menschen gefragt ist.
    Quelle: Zeit Online

  12. ZDF-Bunkerjournal
    Verstehen Sie, was in den Nachrichten über Grexit, Schuldenschnitt, ESM-Kredite und »faule Griechen« erzählt wird? Vielleicht ist ihnen die Welt einfach zu komplex geworden, glaubt der Nachrichtenchef des ZDF, Elmar Theveßen.
    Hätte der Autor dieser Zeilen nicht vor Jahren den Mainzer Lerchenberg besucht, er wäre der festen Überzeugung: Die Kollegen des ZDF haben ihre Sendeanstalt in eine hermetisch abgeriegelte Bunkeranlage verwandelt, deren Sehschlitze als letzter direkter Kontakt zur Außenwelt verrammelt wurden. Das Öffentlich-Rechtliche – und deren Nachrichtenformate im Speziellen – geben sich ausgesprochene Mühe, ihre Zuschauer als von der Realität überforderte Wesen darzustellen. Mit jener besonders in bildungsbürgerlichen Gefilden beliebten These schlägt ZDF-Nachrichtenchef Elmar Theveßen in der aktuellen »Zeit« kräftig auf das intellektuelle Fassungsvermögen seiner Zuschauer ein: »Man kann klar sagen, dass es diesen Eskapismus gibt, die Mehrheit der Menschen flieht vor komplexen Dingen«, so Theveßen im Interview.
    Und anstatt sich zu fragen, warum es zu dieser Flucht kommt, legt der Journalist nach und attestiert, die Lerchenberger merkten im Alttagsgeschäft, wie die Menschen um die Nachrichten herum Slalom führen. »Die gucken erst den Krimi bei uns, dann den in der ARD. Rechtzeitig schalten sie um, dass sie bloß nicht die Nachrichten schauen müssen.« Darum merke dir lieber Zuschauer: Du bist nicht nur zu blöd für »heute«-Nachrichten, das ZDF will sich offenbar auch kaum Mühe geben, daran etwas zu ändern, wenn es denn wahr wäre. Bildungsauftrag der Öffentlichen? Nie davon gehört.
    Vielleicht hätte in selbstkritischer Haltung Theveßen im gleichen Magazin Ende Juni nachlesen sollen, dass 53 Prozent der Befragten einer repräsentativen Umfrage zufolge gegenüber deutschen Medien nur noch »wenig« Vertrauen besitzen.
    Quelle: Neues Deutschland

    Dazu: Griechenlandberichterstattung im Fernsehen
    Die Berichterstattung zur Griechenland-Krise wird von ARD und ZDF auffällig einseitig betrieben: da die bösen Griechen, hier die großzügige EU. Außerdem: Adam Wolke analysiert einen merkwürdigen Hacker-Beitrag aus “Plusminus”. Und der Mini-Sender Sixx kommt uns mit einer Dokusoap über Tattoo-Geschädigte, bei der das Tattoo aber eher eine Nebenrolle spielt.
    Quelle: fernsehkritik.tv

    Anmerkung unseres Lesers M.S.: In der Folge werden auch noch andere Themen behandelt. Der Beitrag über Griechenland dauert ca. 14 Minuten und ist direkt am Anfang der Folge.

  13. Kritische Berichte zum Referendum: Griechische Behörden gehen gegen Journalisten vor
    Kein Zweifel, der kurze Wahlkampf vor dem griechischen Referendum über die Sparauflagen war hart. Private Fernsehsender und große Zeitungen vermittelten den Wählern den Eindruck, ein Nein-Votum wäre desaströs: Der Austritt Griechenlands aus dem Euro stünde unmittelbar bevor.
    Die Leser und Zuschauer indes zeigten sich unbeeindruckt: Überwältigende 61 Prozent der Wähler stimmten mit Nein. Doch das war nicht der einzige Fußtritt, mit dem die griechischen Medien abgestraft wurden.
    Fast unmittelbar nach dem Referendum erfolgte der Vergeltungsschlag der höheren Mächte: Nach mehreren Beschwerden von Bürgern und einer öffentlichen Schelte der regierenden Syriza-Partei gegen die Medienberichterstattung, wurden gleich vier Ermittlungen gegen Journalisten, TV-Moderatoren und Stars der größten Fernsehsender des Landes in die Wege geleitet – eine von der griechischen Staatsanwaltschaft, eine vom griechischen Parlament, eine vom Griechischen Nationalen Rundfunkrat (ESR) und eine weitere vom Disziplinarrat der Journalistengewerkschaft Athen.
    Gab es rechtliche oder ethische Verstöße? Die genannten Institutionen wollen unabhängig voneinander untersuchen, wie von Journalisten über das Referendum berichtet wurde.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung unseres Lesers F.N.: Geschickt, wie Herr Giorgos Christides die Fakten so lange verbiegt, bis Syriza als Feind der Pressefreiheit dasteht. Und wenn jetzt die schweren Geschütze Menschenrechte und Pressefreiheit aufgefahren werden und Freedom House zitiert wird, habe ich kein gutes Gefühl.

  14. Großbritannien: Konservative wollen Streikrecht einschränken
    Die konservative Regierung von David Cameron will das Streikrecht der britischen Gewerkschaften beschneiden. Sein Vorgehen weckt Erinnerungen an die „Eiserne Lady“ Margaret Thatcher.
    Die konservative Regierung in Großbritannien will die Möglichkeiten der Gewerkschaften beschneiden und das Streikrecht einschränken. Dies geht aus einem Gesetzentwurf hervor, der am Mittwoch im Unterhaus vorgestellt wurde. So sollen die Hindernisse für die Arbeitsniederlegung erhöht werden und die Interessen der von Streik betroffenen Unternehmen stärker geschützt werden. Zudem entflechtet das „Gewerkschaftsgesetz“ die Finanzbeziehungen zwischen den Gewerkschaften und der Labour Party.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Wie das Streikverhinderungsgesetz (“Tarifeinheitsgesetz”) in Deutschland. Überall sind die konservativen Verhinderer von Lohnerhöhungen an der Macht.

  15. Bulldozer Renzi
    Auf dem jüngsten G7-Gipfel in Elmau präsentierte sich Italiens Premier Matteo Renzi als selbstbewusster Vertreter von Bella Italia. Dabei hatte seine Demokratische Partei (PD) nur eine Woche zuvor bei den Regional- und Kommunalwahlen am 31. Mai einen herben Rückschlag erlitten. Zwar blieb sie in fünf von sieben Regionen mit etwa 25 Prozent der Stimmen weiterhin stärkste politische Kraft. Dennoch büßte sie in einem Jahr rund zwei Millionen Stimmen ein. Noch bei der Europawahl 2014 hatte der PD 40 Prozent der Stimmen erreicht. Seither hat Renzis Charisma offenkundig deutlich an Anziehungskraft verloren: Fast die Hälfte der Wählerinnen und Wähler blieb zu Hause.
    Vor allem in den einst roten Regionen in Mittelitalien zeigt sich ein desolates Bild: Gegenüber den letzten regionalen Wahlen 2010 gingen in der Toskana, in Umbrien, den Marken und in Ligurien zwischen zehn und 20 Prozent weniger Bürger an die Urnen, ganz zu schweigen von der Emilia-Romagna, wo bereits Ende November 2014 nur noch 37 Prozent der Wahlberechtigten ihre Landesregierung wählten. Diese hohe Wahlenthaltung lässt sich nicht damit erklären, dass der Wahltag just auf das erste lange Wochenende des frühen Sommers fiel. Weitaus wichtiger ist, dass Millionen Bürger ihre Interessen politisch nicht mehr repräsentiert sehen. Das betrifft keineswegs nur ausgegrenzte und politikferne Schichten, sondern inzwischen auch die städtische Stammwählerschaft des PD….
    Quelle: Susanna Böhme-Kuby in Blätter für deutsche und internationale Politik
  16. Obama besuchte als erster amtierender US-Präsident Bundesgefängnis
    US-Präsident im Knast: Als erster Chef im Weißen Haus hat Barack Obama ein Gefängnis besucht. Ziel seiner Visite in der Bundeshaftanstalt El Reno bei Oklahoma City (Oklahoma) war es, für eine umfassende Strafrechtsreform zu werben. Sie soll unangemessene Härten und Ungerechtigkeiten bei der Festsetzung von Strafen beseitigen und so helfen, die aus den Nähten platzenden US-Gefängnisse zu leeren.
    In den USA sitzen 2,2 Millionen Menschen hinter Gittern – das sind 25 Prozent der Häftlinge auf der gesamten Welt. Amerikaner werden nicht nur häufiger bestraft als die Menschen in anderen Ländern, sondern auch härter. Und viele der Häftlinge sind jung. “Das ist nicht normal”, sagte Obama, nachdem er den Zellenblock C der Strafanstalt besichtigt hatte. “So etwas gibt es nicht in anderen Ländern.”
    Quelle: Der Standard

    Anmerkung Albrecht Müller: Die Initiative Präsident Obamas ist zu begrüßen und sie ist unglaublich Not-wendig. Zur besseren Erkenntnis des Zustands US-amerikanischer Gefängnisse sollten Sie sich das folgende Video anschauen. Es ist eine britische Doku: Folter – Amerikas brutalste Gefängnisse (48:09min). Mit Originalaufnahmen der Gefängniswärter – unaussprechliche, unfassbare Gewaltorgien! Menschen schreien und wimmern vor Panik und Entsetzen, während sie wie Vieh gejagt, misshandelt werden und nackt durch die Zellen kriechen müssen. Die ersten drei Minuten enthalten bereits so viel monströse Gewalt, dass es einen fassungslos macht. Nur sehr schwer erträglich! Ab ca. 1:56 sagt ein Anwalt: “Ich blätterte durch die Anhörungen des Kongresses zu Abu Ghraib. Und da sagten diese Politiker, das sei falsch. Es sei eine Verletzung der Menschenrechte. Und ich dachte, was für eine Heuchelei! Sie wissen, dass wir das hier jeden Tag haben.”

    dazu: Außenminister in die Karibik aufgebrochen Steinmeiers historische Kuba-Reise
    Noch nie war ein bundesdeutscher Außenminister auf Kuba. Nun reist Frank-Walter Steinmeier für zwei Tage in den Karibikstaat. Er setzt damit auch ein Zeichen, das zur jüngsten Annäherung zwischen den USA und Kuba passt.

    Zwischenbemerkung Albrecht Müller: Da kann man nur hoffen, dass es Kuba nicht geht wie Griechenland. Wenn es falsch wählt, dann heißt es von Seiten der „Institutionen“: TINA, es gibt keine Alternative zum neoliberalen Modell. Und dann wird kommerzialisiert und privatisiert. Das – Konsum und Kommerz – ist übrigens eine der Sorgen von Fidel Castro, die er in interessanten Essays vorträgt.

    Weiter auf Tagesschau heißt es: Amnesty appelliert an Steinmeier
    Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International appellierte an Steinmeier, bei seinem Besuch auf die Einhaltung der Menschenrechte in dem Land zu drängen. […] Im Januar hatte Kuba auf Bitten der USA mehr als 50 Gefangene auf freien Fuß gesetzt. Auf Kuba sitzen nach Schätzung von Menschenrechtlern aber immer noch mehrere Dutzend politische Gefangene in Haft. Die oppositionelle Kubanische Kommission für Menschenrechte und Nationale Versöhnung (CCDHRN) bezifferte ihre Zahl kürzlich auf 71.
    Quelle: Tagesschau

    Kommentar Albrecht Müller: Es ist gut, dass Amnesty die Einhaltung der Menschenrechte auf Kuba einfordert. Aber angesichts der oben genannten Zahlen ist es Amnesty dringend zu empfehlen, sich in Richtung der Gefängnisse in Florida zu bewegen. Außerdem ist die Behauptung, es sei auf Kuba “noch immer praktisch unmöglich, friedlich Kritik an der Regierung zu äußern”, schlicht gelogen.

  17. Zu guter Letzt: “Macht Merkel einen guten Job, oder soll dieses süße Kätzchen sterben?”
    Die Meinungsforscher von Forsa sagen: 75 Prozent der Grünen-Anhänger finden Merkels Griechenlandpolitik dufte. Da kann doch was nicht stimmen.
    Quelle: Thorsten Denkler auf Süddeutsche.de

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