Hinweise des Tages
Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.
Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind.
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- Den Haag und die Nivellierung von Löhnen
Obwohl Spitzenverdiener in den Niederlanden bereits heute übermäßig hoch besteuert werden, will Den Haag Maßnahmen gegen Topsaläre ergreifen. Die Obsession, wonach alle gleich behandelt werden müssen, nimmt auf der Agenda wieder einen prominenten Platz ein.
Quelle: NZZKommentar Orlando Pascheit: Wäre doch erfreulich, wenn auch Parteien in Deutschland, speziell diejenigen, die sich als linke Volkspartei verstehen, von dieser Obsession ergriffen würden.
- Demo gegen Mindestlohn
Die geplante Demonstration der privaten Postdienstleister gegen die sofortige Einführung eines Mindestlohns in der Branche kritisiert die Gewerkschaft Ver.di scharf. Mit Behauptungen wie “Mindestlohn vernichtet Arbeitsplätze” fordere der private Postdienstleister PIN AG seine Beschäftigten auf, am Dienstag in Berlin gegen den Mindestlohntarifvertrag auf die Straße zu gehen, sagte der Berliner Ver.di-Postexperte Benedikt Frank gestern der taz. “Diese Vorgehensweise ist ein Akt des blanken Zynismus.” Seit Jahren speise die PIN AG Berlin ihre Beschäftigten mit Dumpinglöhnen ab. In einer internen E-Mail der PIN AG, die der taz vorliegt, werden die Beschäftigten zur Teilnahme an der Demonstration aufgefordert. “Ihr werdet trotzdem als anwesend geführt und bekommt die Zeit voll bezahlt”, heißt es darin.
Quelle: tazAnmerkung: Die PIN AG gehört zu 75 Prozent dem Axel-Springer-Verlag. Hier schließt sich der Kreis zur massiven Anzeigenkampagne der Zeitungsverleger. Die Verleger kämpfen mit allen Mitteln, um auch in Zukunft ihre Wettbewerbsvorteile durch Dumpinglöhne zu verteidigen.
- Ausbildungsplätze fehlen auch in den nächsten fünf Jahren
Sinkende Schülerzahlen und gute Konjunktur helfen nur bedingt: Die Bundesagentur für Arbeit rechnet damit, dass es auch in den nächsten fünf Jahren zu wenige Ausbildungsplätze gibt. Eine Trendwende erwartet die Bundesagentur für 2012 oder 2013. Nach den Erkenntnissen der BA ist die Bewerberzahl im Vergleich zum Vorjahr um drei Prozent auf 710.900 gesunken. Zugleich meldeten die Betriebe den Arbeitsagenturen bislang drei Prozent mehr Plätze, nämlich 415.500. Die verbleibende Lücke soll nach Vorstellung der BA wie in den Vorjahren geschlossen werden: durch zusätzliche Angebote und solche, die an der BA vorbeigehen, weil sie von den Firmen nicht gemeldet werden. Helfen sollen zudem außerbetriebliche Lehrstellen und verschiedene Hilfen oder Überbrückungsmaßnahmen wie Einstiegsqualifizierungen.
Quelle: SpiegelAnmerkung: Das Schließen der Lücke von fast 300.000 nicht in das duale System aufgenommenen Neubewerbern sieht dann so aus, dass derzeit 300 000 Altbewerber, die im Jahr ihres Schulabschlusses keine Lehrstelle gefunden haben, noch immer einen Ausbildungsplatz suchen. Auf der anderen Seite wird über den Fachkräftemangel lamentiert. Man macht Renten- und Gesundheitsreformen aufgrund der demografischen Entwicklung, d.h. man kürzt jetzt schon bei den Älteren, weil sie angeblich den Jüngeren auf der Tasche liegen, und ist nicht in der Lage, den Jungen (und künftigen Beitragszahlern) eine Ausbildung zu verschaffen.
- Länder sollen Bahnhöfe schließen
Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) will die Bundesländer zwingen, nicht mehr in wenig genutzte Zugstrecken und Bahnhöfe zu investieren. Danach gäbe es für Stationen mit weniger als 100 Ein- und Ausstiegen pro Werktag keine Bundeszuweisungen an die Länder mehr. Das geht aus einem Entwurf für ein Kernstück der Bahn-Privatisierung hervor. Mit seinem Entwurf bestätigt Tiefensee die Befürchtungen der Länderverkehrsminister, die stets vor Streckenstilllegungen und Bahnhofsschließungen durch die für 2008 geplante Bahn-Privatisierung gewarnt hatten. Sowohl Tiefensee als auch Bahn-Chef Hartmut Mehdorn hatten diese Befürchtungen stets als abwegig zurückgewiesen.
Quelle: FTD - Kliniken krank
Studie warnt vor »Rationierung der Versorgung«. Die Sicherheit der Patientenversorgung in deutschen Krankenhäusern steht auf dem Spiel. Grund ist die durch diverse »Gesundheitsreformen« unter Verantwortung von CDU, FDP, SPD und Grünen herbeigeführte chronische Unterfinanzierung der Kliniken.
Quelle 1: jungewelt
Quelle 2: Deutsche KrankenhausgesellschaftAnmerkung WL: Die Deutsche Krankenhausgesellschaft ist zwar ein Interessenverband, aber dass sich die Patientenversorgung verschlechtert hat, ist wohl unbestreitbar.
- Trittin: Die Agenda hat eine soziale Schieflage
Der Grünen-Politiker Jürgen Trittin war von 1998 bis 2005 in Gerhards Schröders Kabinett Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Der Parteilinke galt lange als Skeptiker der umstrittenen Agenda 2010, trug die Reformen in der Regierung aber mit. Nun fordert auch Trittin Änderungen an dem Regelwerk.
Quelle: Berlin-OnlineAnmerkung Orlando Pascheit: “Die Agenda kam aus dem Vermittlungsverfahren als Allparteienkompromiss heraus. Sie war niemals Ausdruck rein grüner Vorstellungen. Wenn wir jetzt für die skizzierten Änderungen plädieren, ist das kein Abrücken von unserer Position, sondern Kontinuität unserer Kritik.” Das ist im Nachhinein trefflich formuliert und dient der gegenwärtigen Neuorientierung, trifft aber nicht die historische Ausgangssituation.
Die Agenda 2010 ist entscheidend durch Gerhard Schröder und seine Berater geprägt. Das Schröder/Blair- Papier, verweist bereits, alles Folgende vorwegnehmend, in die neue Richtung: „Ein Sozialversicherungssystem, das die Fähigkeit, Arbeit zu finden, behindert, muss reformiert werden. Moderne Sozialdemokraten wollen das Sicherheitsnetz aus Ansprüchen in ein Sprungbrett in die Eigenverantwortung umwandeln.“ Wie meinte Wolfgang Gerhardt damals, die Kritik am “traditionellen sozialdemokratischen Weg zur sozialen Gerechtigkeit” hätten auch die Freidemokraten nicht besser formulieren können.
Aber die Grünen sollten nicht vergessen, dass der Leitantrag zur Agenda 2010 auf dem Sonderparteitag am 14./15. Juni 2003 mit etwa 90-prozentiger Mehrheit angenommen wurde, während die SPD auf ihrem Sonderparteitag am 1. Juni 2003 mit ca. 80 Prozent für den Leitantrag des SPD-Bundesvorstandes gestimmt hatte – und im gleichen Jahr verließen ca. 100.000 Mitglieder die SPD wegen der Agenda. Die Agenda 2010 hat die SPD in ihren Grundfesten erschüttert, da hatten die Grünen alles, was nach linker Wirtschafts- und Sozialpolitik roch, schon längst entsorgt. Die Herren Metzger, Scheel und Wolf überboten sich darin, die neoliberale Wende ideologisch zu überhöhen. - Neues vom Casino
- Großbank klein gemacht
Die niederländische GroßbankABN Amro steht vor der Zerschlagung. Die neuen Herren in der Amsterdamer Gustav Mahlerlaan wollen das erfolgreiche Unternehmen, das in diesem Jahr ein Rekordergebnis einfuhr, in Einzelteile zerlegen. Nie zuvor haben sich im Finanzsektor mehrere Institute zusammengeschlossen, um auf diese Weise einen Konkurrenten vom Markt zu nehmen.
Quelle: FR - Ritter Hohn
Der Manager des Hedgefonds TCI darf sich die Zerschlagung der holländischen Großbank ABN Amro auf die Fahnen schreiben. Ritter Hohn reichten zunächst ein Prozent der Aktien und ein Brandbrief an das Management der holländischen Bank. Sofort suchte der kritisierte Bankenchef Schutz bei Freunden (der Barclays Bank) und trat damit die Übernahmeschlacht los, die die Royal Bank of Scotland samt Konsorten gewann.
Die Taktik von Hohn ist erfolgreich, weil sie tabulos und regelwidrig ist. Er schart Gleichgesinnte um sich und kann so Druck ausüben wie sonst nur ein Großaktionär. Das ist verboten, solange es informell und ohne Übernahmeangebot an die anderen Aktionäre geschieht. Bislang fehlen den Aufsehern die Waffen, um Absprachen, die per Telefon getroffen werden, nachzuweisen. Das muss sich dringend ändern, denn immer mehr Fondsmanager finden Gefallen an den Ritterspielen.
Quelle: FR
- Großbank klein gemacht
- Befragung: Aufschwung in Deutschland
Viele Verbraucher (59 Prozent) teilen den Eindruck, dass, wie in den letzten Wochen in den Medien häufig gemeldet, Deutschland sich im wirtschaftlichen Aufschwung befindet. Männer (68 Prozent) nehmen dies wesentlich deutlicher wahr als Frauen (50 Prozent). Dennoch sind es nur Wenige – 27 Prozent, die den Eindruck haben, ganz persönlich an diesem Aufschwung teil zu haben. Im Aufbruch nach Einkommen wird deutlich, je höher das Einkommen ist, desto intensiver auch der Eindruck vom Aufschwung. Hier seien nur die beiden Gruppen genannt, die jeweils am unteren und am oberen Ende der Skala stehen: weniger als 1.000 EUR: 45 Prozent; mehr als 5.000 EUR: 87 Prozent.
Quelle: Dialego Market ResearchAnmerkung WL: Wer hätte das gedacht, dass jeder fünfte der obersten Einkommensgruppe uneingeschränkt bejaht, dass er am Aufschwung teilnimmt, aber nur jeder zehnte, der weniger verdient? Die Bejahenden gehören vermutlich zu der Einkommensgruppe, die uns täglich in den Medien erzählen, dass es in Deutschland einen kräftigen Aufschwung gibt. Das Sein bestimmt eben doch das Bewusstsein.
- Bertelsmann-Studie zur besseren Kommunikation der „Reformen“
Prof. Werner Weidenfeld, Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung: “Noch immer wird unterschätzt, dass jedes noch so erstrebenswerte Ziel an einer fehlerhaften Kommunikation scheitern kann. Diese Erkenntnis spiegelt sich inzwischen zwar in vielen politischen Lippenbekenntnissen wieder. Sie hat aber noch kaum praktischen Niederschlag in der Strategieführung der Politik gefunden. Strategische Kommunikation bleibt das Stiefkind deutscher Reformpolitik.” Deshalb gilt für Parteien wie Regierung: Wollen sie strategiefähig bleiben und Mehrheiten für ihre Programme sichern, müssen sie die Kommunikationsfähigkeit zur Kernkompetenz ausbauen.
Quelle: Centrum für angewandte PolitikforschungAnmerkung WL: Nun sorgt sich also auch die Bertelsmann Stiftung um die bessere Vermittlung der „Reformen“. Nicht Kompetenz in der Sache, sondern Kommunikationsfähigkeit soll zur Kernkompetenz werden. Am besten man übergibt die Politik gleich den Werbeagenturen.
- 30 Prozent Studienabbrecher
30 von 100 Studienanfängern verlassen die Hochschule ohne Abschluss. Das ist nicht nur für die Abbrecher wenig erheiternd, das kostet den Staat jedes Jahr 2,2 Milliarden Euro. Das hat der Stifterverband für die deutsche Wissenschaft errechnet. Der Leiter des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie, Dieter Dohmen, sieht auch bei den Hochschulen Gründe für die hohe Quote: „Für einen Teil der Studierenden sind es in der Tat die Studienbedingungen, für die anderen sind es die Studieninhalte. Dann muss auch zur Kenntnis nehmen, dass die Hochschulen ein Erhebliches dahin reinstecken, dass die Leute teilweise rausgeprüft werden. Es ist also chic, dass bei Prüfungen die Hälfte etwa durchfällt, und das summiert sich natürlich, dann für andere wieder fehlen die finanziellen Mittel oder die Vereinbarkeit von Familie und Studium oder von Beruf und Studium ist in Teilen nicht gegeben. Teilzeitstudium kommt faktisch bei vielen Studierenden vor, ist aber an den Hochschulen in den Studienbedingungen überhaupt keine Realität.“
Quelle: DLF - Guantánamo war keine Ausnahme
Zwei Memoranden sind in Washington aufgetaucht – nicht durch die kritische Kompetenz der US-Demokraten, die seit letztem November wieder eine knappe Mehrheit im Kongress haben. Sondern durch guten Journalismus. In den Memoranden erklärt der Rechtsstab des Justizministeriums, dass die CIA unbeirrt weiterfoltern kann.
Da wünscht man sich, dass die notwendige und harte Kritik an den Menschenrechten und dem Justizsystem, wie sie Angela Merkel neulich in China vorbrachte, von ihr auch in Washington zu hören wäre. Denn auch die US-Regierung verletzt die Menschenrechte und die Genfer Konvention.
Quelle: taz