Designierter US-Generalstabschef hält Russland für die größte Bedrohung. Damit ist unserer Vorstellung von gemeinsamer Sicherheit in Europa der Boden entzogen.
Bei einer Anhörung im US-Kongress hat Joseph Dunford vor Russland gewarnt. Siehe dazu diese [PDF] kleine Meldung in der Süddeutschen Zeitung und weitere Meldungen in der Washington Times und anderen Medien. Siehe Anhang. Willy Wimmer hat dazu einen Beitrag unter dem Titel „Yankee, stay home“ geschrieben. Siehe hier [PDF]. Willy Wimmer warnt davor, solche Äußerungen würden jene Kräfte in Moskau nach oben spülen, die ähnlich denken wie Dunford. Und daraus folgten tödliche Gefahren. Der russische Außenminister Lawrow warnt laut Süddeutscher Zeitung vor der damit „künstlich erzeugten Atmosphäre der Feindseligkeit“, die nichts mit der Wirklichkeit, den Plänen und Handlungen Russlands zu tun habe. Albrecht Müller
Warum ist unsere Vorstellung von gemeinsamer Sicherheit in Europa hinfällig, wenn Personen wie Dunford das Sagen haben?
Im Anschluss an die Entspannungs- und Vertragspolitik und den Aufbau der KSZE und dann der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) war es nicht illusionär, davon auszugehen, dass der Konflikt zwischen Ost und West beendet ist und dass auch Russland keine Bedrohung mehr darstellt. Abrüstung war das Ziel, nicht Aufrüstung. Äußerungen wie jene des designierten Generalstabschefs der USA weisen in eine andere Richtung. Vermutlich hält dieser Militär ganz und gar nichts von den Sicherheitsstrukturen Europas. Und er wird, wenn er im Amt ist, offensichtlich auf Politik mithilfe des Militärs, also auf Militarisierung der Politik setzen.
Seine Äußerungen vor dem US-amerikanischen Kongress sind das Gegenteil dessen, was die Akteure der Entspannungspolitik – also Willy Brandt, Helmut Schmidt, Helmut Kohl, Hans-Dietrich Genscher und Gorbatschow für wichtige Voraussetzungen zum Gelingen dieser Politik der gemeinsamen Sicherheit hielten und halten: vertrauensbildende Maßnahmen, Zurückhaltung bei öffentlichen Äußerungen, keine Scharfmacherei stattdessen Kontakte, Kommunikation, Warenaustausch, Investitionen bei den Partnern.
Für wen spricht Joseph Dunford? Sind seine Äußerungen irrelevant?
Zunächst einmal kann man festhalten, dass der US-Außenminister sich quasi von Dunford distanziert hat. Reuters meldete am 10. Juli: „Kerry doesn’t view Russia as existential threat: State Department“. Das kann der Versuch sein, den Schaden zu begrenzen, den die Äußerungen von Dunford unter anderem in Moskau anrichten können. Professor Normen Birnbaum wird auf meine Bitte hin in den nächsten Tagen seine Einschätzung schicken, die wir dann in den NachDenkSeiten einstellen.
Unabhängig davon ist einiges festzuhalten:
- Eine solche Äußerung vor dem Kongress hat Einfluss auf die öffentliche Meinung und auf die politische Szene, und sie legt in einer gewissen Weise auch den amerikanischen Präsidenten fest, es sei denn, er zieht die Nominierung Dunfords zum Generalstabschef zurück.
- Die Äußerungen liegen auf der Linie dessen, was wir an praktischer Politik von Seiten der USA erlebt haben. Wir haben 1989 daran geglaubt, jetzt sei der West-Ost-Konflikt beendet und wir könnten Frieden mit Russland machen und abrüsten. Die USA haben jedoch schon beginnend mit den neunziger Jahren eine andere Politik betrieben. Unser Glaube an die weitere friedliche Entwicklung in Europa auf der einen Seite und die praktische Politik auf der anderen Seite liefen unbeeindruckt voneinander und gegenläufig aneinander vorbei.
Willy Wimmer hat beim Pleisweiler Gespräch im letzten Jahr davon berichtet, dass der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl voller Sorgen von Reisen in die USA zurück kam und in der CDU/CSU-Fraktion davon berichtete.
Willy Wimmer hat im Jahr 2000 dem damaligen Bundeskanzler Schröder davon berichtet, dass auf einer vom State Department und dem American Enterprise Institute gemeinsam organisierten Konferenz in Bratislava offen die Pläne für einen Kordon an der Westgrenze Russlands besprochen worden sind und von gemeinsamer Sicherheit in Europa keine Rede mehr war. Und der ein Jahr vorher stattfindende Jugoslawien Krieg ist auch ein Stellvertreterkrieg zur Eindämmung Russlands bzw. seiner Verbindungen in den Balkan gewesen. Und auch die Auseinandersetzungen in Syrien kann man so einordnen.
Dies alles spricht dafür, dass die Äußerungen des designierten Generalstabschefs die Stimmung in den USA und die praktische Politik der USA in der Welt recht gut wiedergeben. Dies gilt, obwohl wir den Äußerungen des Außenministers Kerry sehr viel lieber glauben würden.
Anhang mit einigen Quellen zu den Äußerungen von Joseph Dunford:
Washington Times:
US-General warnt: Putin ist gefährlicher als der Islamische Staat
Quotations
“I believe we’re at the razor’s edge,” he said. “Out readiness level is at the point right now where if we were to go below this level, we would have to adjust the ends of our strategy.”
“I can assure you if I’m confirmed I’ll provide advice to the president that will allow us to meet our current end state goal and that’ll be based on conditions on the ground,” he said.
Quelle: Washington Times: Joseph Dunford: Russia ‘greatest threat to our national security’
Focus:
“Größte Bedrohung”
US-General warnt: Putin ist gefährlicher als der Islamische Staat
Freitag, 10.07.2015, 09:57
US-General Joseph Dunford hat die größten Bedrohungen für die USA benannt. Für gefährlicher als die Terrormiliz “Islamischer Staat” hält er die Atommacht Russland. Auch China und Nordkorea könnten den Vereinigten Staaten gefährlich werden.
Russland und China sind nach Ansicht eines US-Generals eine noch größere Bedrohung für die USA als die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). ” Russland stellt die größte Bedrohung für unsere nationale Sicherheit dar”, sagte der designierte Generalstabschef Joseph Dunford am Donnerstag bei einer Anhörung im Kongress.
Die Atommacht könne die Souveränität von US-Verbündeten verletzen und sei eine “existenzielle Bedrohung für die Vereinigten Staaten”. Das Verhalten Moskaus sei “nichts weniger als alarmierend”.
Dunford: China und Nordkorea sind Bedrohungen
An zweiter Stelle folge China wegen dessen militärischer Fähigkeiten und seiner Präsenz im Pazifik. Grund sei aber auch der dortige Interessenkonflikt mit den USA. “Es heißt nicht, dass wir China als Feind betrachten.” Die drittgrößte Bedrohung sei Nordkorea, weil dessen Raketen auch das amerikanische Festland treffen könnten.
Der Marinekorps-General, den Präsident Barack Obama als Nachfolger von Stabschef Martin Dempsey nominiert hat, sprach sich auch für die Lieferung von Waffen an die Ukraine aus. Es sei angemessen, das Land etwa mit Panzerabwehrraketen auszustatten. “Ohne diese Art der Unterstützung werden sie nicht in der Lage sein, sich gegen russische Aggression zu verteidigen”, sagte Dunford.
Quelle: Focus