Hinweise des Tages
Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JW/WL/AT)
Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
- Greece debt crisis: Athens accepts harsh austerity as bailout deal nears
- Zweite Rede des Premierministers Griechenlands vor dem EU-Parlament
- Wie die Zündung einer Atombombe
- Das schräge Vorbild
- Merkel und die Krise: Wilhelm Zwo statt Bismarck
- Vor dem Grexit: Eine gewollte Einigung ist unwahrscheinlich, aber möglich
- Joseph E. Stiglitz: The U.S. Must Save Greece
- Mein Interview im ZDF und drei Anmerkungen
- Der Raser
- Renzis Gegner machen Ernst
- Dokumentation der TTIP-Abstimmung im Europaparlament
- Gipfel der Brics-Staaten: Der Süden schließt die Reihen
- Griechenland, Flüchtlinge, AfD: Deutschlands Neonationalismus
- NSA Spionage
- UNHCR zählt mehr als vier Millionen Syrien-Flüchtlinge
- Bundeswehr setzt auf den Laser
- Russland/Ukraine
- Gabriel vergrätzt die Genossen
- Nachfolger von Ines Pohl: Georg Löwisch wird neuer taz-Chefredakteur
- Zu guter Letzt: Im Fokus – »Bild« hat die rote Laterne abgegeben: »Focus Online« ist die neue Blödzeitung
- Das Letzte: Nur ein Ex-Oppenheim-Manager soll ins Gefängnis
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
- Greece debt crisis: Athens accepts harsh austerity as bailout deal nears
The Greek government capitulated on Thursday to demands from its creditors for severe austerity measures in return for a modest debt write-off, raising hopes that a rescue deal could be signed at an emergency meeting of EU leaders on Sunday.
Quelle: The Guardiandazu: Die Troika bekommt ihren Willen
Die Mitteilung kam um 22.10 Uhr, also rechtzeitig vor Ablauf des Ultimatums um Mitternacht. Griechenland hat „seinen“ Spar- und Reformplan vorgelegt – offenbar ist er ein Desaster. Von dem Versprechen, die Austeritätspolitik zu überwinden, keine Spur. Premier Tsipras will noch mehr sparen, als im letzten Spardiktat, er will die Renten kürzen und die Mehrwertsteuer erhöhen.
Quelle: Eric Bonse auf Lost in EUrope - Zweite Rede des Premierministers Griechenlands vor dem EU-Parlament
Schließlich möchte ich Ihnen sagen: Ich hörte von vielen und hauptsächlich von denen, die sich der heftigeren Rhetorik, polemischen Rhetorik bedienten, wie sie über unser Unvermögen sprachen, der Solidarität der europäischen Partner zu entsprechen. Und ich möchte sagen, dass natürlich die Gewährung von Krediten eine Form der Solidarität ist. Daran besteht kein Zweifel. Wir wollen jedoch ein tragfähiges Programm, und zwar genau damit wir in der Lage sind, die erhaltenen Kredite zurückzuzahlen. Und wenn wir eine Senkung der Verschuldung verlangen, verlangen wir diese Senkung genau deswegen, um in der Lage zu sein, diese Kredite rückzahlen zu können und nicht kontinuierlich zur Aufnahme neuer Kredite verpflichtet zu sein um die älteren zu tilgen.
Und Ihnen, Herr Weber, möchte ich in Erinnerung rufen, dass der stärkste Moment der Solidarität der modernen europäischen Geschichte 1953 war, als unser Land nach zwei Weltkriegen völlig überschuldet und geplündert war und Europa und die europäischen Völker bei der Londoner Konferenz 1953 die maximale Solidarität zeigten, als sie die Streichung von 60% der Verschuldung Deutschlands sowie auch eine Wachstumsklausel beschlossen. Dies war der signifikanteste Augenblick der Solidarität in der modernen europäischen Geschichte.
Quelle: Griechenland BlogAnmerkung unseres Lesers A.H.: Der wichtigste Unterschied zwischen Alexis Tsipras und seinen werten Kollegen, denjenigen, die “wir” in der restlichen Union irgendwie für Ämter legitimiert haben, ist vielleicht, dass er nicht lügt, sobald er den Mund aufmacht, dass er die Dinge schildert wie sie sind und nicht gerade zum persönlichen Fortkommen und Taschen füllen, nützlich erscheinen. Kein Wunder, das der junge charismatische und gebildete griechische Premier damit den Hass der Eliten, ihrer gate keeper, Hofnarren und Claquere auf sich zieht, wie kein zweiter. Alexis hat Europa die Hoffnung wiedergegeben.
dazu: Sie finden das Tsipras-Donnerwetter auch gut? Es gibt da etwas, das Sie über Verhofstadt wissen sollten
Der belgische Politiker Guy Verhofstadt sagt dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras in einer mitreißenden Rede die Meinung – und stößt damit im Netz auf viel Zustimmung. Dabei wirft Verhofstadt dem Griechen Klientelismus vor – und sitzt selbst im Aufsichtsrat eines Unternehmens, das von den Privatisierungen in Griechenland profitieren würde.
Quelle: Krautreporter - Wie die Zündung einer Atombombe
Nach dem Nein im griechischen Referendum sind alle gespannt, wie es weitergehen wird. Vielleicht passiert gar nicht viel. Die griechische Regierung bekommt zwar kein neues Geld – aber viel braucht sie gar nicht, denn der größte Teil der neuen „Hilfen“ würde dazu dienen, alte „Hilfen“ zurückzubezahlen. Werden die nicht bezahlt, so wird man lernen, was seit der lateinamerikanischen Krise der 1980er Jahre jeder wissen sollte: Ohne Gerichtsvollzieher fällt es schwer, Schulden einzutreiben.
Die eigentliche Frage ist, wie die EZB sich verhält. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann und ifo-Chef Hans-Werner Sinn fordern schon lange, die Notkredite für griechische Banken ganz zu beenden. Tatsächlich ist jedoch bereits ihr Einfrieren fragwürdig – denn nach dem europäischen Vertrag hat die EZB die Aufgabe, das „reibungslose Funktionieren der Zahlungssysteme zu fördern“, und das in allen Mitgliedstaaten, auch in Griechenland.
Das Einfrieren der Notkredite hatte die Schließung der griechischen Banken und massive Einschränkungen des Zahlungsverkehrs zur Folge. Das ist nicht mit den vertraglichen Pflichten der EZB vereinbar.
Quelle: Martin Hellwig in der tazAnmerkung AT: Ausführlicher hat Martin Hellwig über die EZB und die Deutschen in der Griechenlandkrise auf dem Blog Ökonomenstimme geschrieben.
dazu auch: A Few Clarifications About Greece And ELA
A good part of the media (most notably in Germany) is framing the ECB’s emergency liquidity operations in Greece as ‘the ECB extending credits to Greek banks’. This is a huge misrepresentation of reality. The ECB is actually doing little more than what all central banks do (and, moreover, what it is legally bound to do by its own statute): provide liquidity (‘reserves’) to the banks of Member States and ‘promote the smooth operation of payment systems’ (Article 3.1 of the Statute of the European System of Central Banks).
Quelle: Social Europe - Das schräge Vorbild
Bei Heidi Klum werden Kandidatinnen über Nacht gelegentlich zum Star. In der Ökonomie dauert so etwas meist länger – manchmal aber auch nicht. So werden die Spanier seit ein paar Monaten plötzlich als ökonomische Models dafür gepriesen, wie sich besonders heroisches Reformieren und Kürzen auszahlen. Botschaft: Seht her, ihr Griechen! So macht man das!
Dabei ist bei näherem Hinsehen fraglich, ob das Land als Lehrbuchbeispiel für Gesundsparen so geeignet ist. Ja, Spaniens Regierung hat in der Schuldenpanik 2012 enorm gekürzt und Steuern erhöht. Und sie hat am Arbeitsmarkt einiges reformiert. Nur: Die Griechen können sich davon gar nicht so viel abgucken, denn sie haben in Wahrheit weitaus mehr gespart und reformiert als die Spanier. Ergebnis: In Griechenland zahlt der Staat heute 17 Prozent weniger an Beamte als 2007, in Spanien 7 Prozent mehr; die Sozialtransfers in Griechenland sind um 28 Prozent gesunken, in Spanien sind sie leicht höher als vor der Krise. […]
Seit 2013 die Proteste im Land hochkochten und die Arbeitslosigkeit immer neue Rekorde erreichte, hat Regierungschef Mariano Rajoy in Wirklichkeit sogar umgeschwenkt. Der Abbau der strukturellen Staatsdefizite wurde 2014 gestoppt. Dieses Jahr gab es stattdessen Steuersenkungen. Auch die Rentenzahlungen steigen wieder. Klar, denn im Herbst sind Wahlen.
Spaniens Wirtschaft wächst just seit Anfang 2014 wieder. Und es spricht einiges dafür, dass der weniger strikte Kurs der Regierung dazu beigetragen hat.
Quelle: Frickes Welt auf Süddeutschedazu: Simon Wren-Lewis: “Warum Deutschland Griechenland los sein will
Als ich kürzlich Berlin besuchte, wurde schnell klar in welchem Ausmaß Deutschland sich eine Fantasiegeschichte über Griechenland geschaffen hat. Es war das Bild von den Griechen als einem privilegierten und faulen Volk, das immer weiter „Rettungskredite“ fordert, und sich weigert irgendetwas selbst zu tun, um seine Situation zu verbessern. Ich hörte diese Fantasiegeschichte von Leuten, die sich ansonsten als wohl informiert zeigten und etwas von Volkswirtschaftslehre verstanden.
So wirkmächtig ist diese Fantasiegeschichte geworden, dass sie jetzt die deutsche Politik (und die Politik in einigen anderen Ländern ebenso) beeinflusst, in völlig irrationaler Art und Weise. Das heißt insbesondere, dass Deutschland sich weigert, Schuldennachlässe (-erleichterungen) für Griechenland zu diskutieren, sondern ganz glücklich bei dem Gedanken zu sein scheint, dass Griechenland die Eurozone verlässt, wobei die unausweichliche Konsequenz dieses Austritts doch sein würde, dass Griechenland dann viel größere Schuldenerleichterungen bekäme durch den folgenden Staatsbankrott. Da will sich wohl jemand ins eigene Fleisch schneiden. Was steckt hinter Deutschlands verzweifeltem Wunsch, sich von dem griechischen Problem zu befreien?
Eine mögliche Antwort ist, dass Deutschland die Wahrheit über Griechenland als zu verstörend, zu herausfordernd empfindet. Dies deshalb, weil seit 2010 Griechenland das meiste von dem umgesetzt hat was die Troika verlangt hat. Insbesondere, die Verbesserungen im Primärsaldo des Staatshaushalts (d.h. das Ausmaß der Austeritätsmaßnahmen) waren weitaus größer, mit weitem Abstand, als in irgendeinem anderen europäischen Land. Für viele außerhalb Deutschlands war das was als Ergebnis in Griechenland herausgekommen ist, kaum überraschend: Austerität wirkt kontraktionär, und Austerität in extremer Dosis ist ruinös. Dessen ungeachtet ist Deutschland ein Land, wo die Ideen von Keynes, und damit die Mainstream-Volkswirtschaftslehre im Rest der Welt, als grundlegend falsch und als „Angloamerikanische Richtung“ angesehen werden. Griechenland wurde dann eine Art von Experiment, um zu sehen was richtig ist: Die deutsche ökonomische Lehre oder die Angloamerikanische.
Quelle: Simon Wren-Lewis Professor of Economic Policy at the Blavatnik School of Government, Oxford University (Übersetzung: M. Gurgsdies) - Merkel und die Krise: Wilhelm Zwo statt Bismarck
Deutschland muss in Europa die Führung übernehmen. Wir sind dafür prädestiniert. Und zwar nicht nur wegen unserer Größe. Sondern – jetzt kommt es – wegen unserer Geschichte! Herfried Münkler, Lieblingspolitologe der deutschen Neocons, hat sich das ausgedacht. Münkler sagt, die ungeheure Schuld, die Deutschland in der Vergangenheit auf sich geladen hat, mache es “verwundbar”. Und: “Ein Hegemon, der um seine Verwundbarkeit weiß und sie auf Schritt und Tritt spürt, wird in der Regel auch nicht als Hegemon auftreten.”
Die Griechenlandkrise zeigt: Das ist vollkommener Unsinn. In Wahrheit treten die Deutschen längst wieder ganz ungehemmt als Lehr- und Zuchtmeister in Europa auf. Wie lange liegt die Vereinigung der beiden deutschen Staaten zurück? In so kurzer Zeit haben wir so viel über uns gelernt. Wer geglaubt hat, wir seien inzwischen die Guten, der sollte noch mal nachdenken.
Quelle: Jakob Augstein auf Spiegel Onlinedazu: “Deutschland ist das Problem”
“Macht Merkel Griechenland zu einem Pariastaat?”, fragt das Magazin “Newsweek” mit provokanter Schärfe. Und CNBC sagt voraus: “Deutschland wird der Verlierer sein, nicht Griechenland.” Der US-Fernsehsender ergänzt seine düstere Vorhersage mit einem aktuellen Statement des Nobelpreisträgers Joseph E. Stiglitz: “Deutschland ist das Problem, nicht Griechenland“. Die deutschlandkritischen Stimmen in den amerikanischen Medien sind im Verlauf der Griechenland-Krise immer lauter geworden. “Deutsche Macht polarisiert Europa”, titelt das einflussreiche “Wall Street Journal” am vergangenen Dienstag und zitiert in seinem Artikel den spanischen Austeritätskritiker Pablo Iglesias mit dem Satz “Wir wollen nicht deutsche Kolonie werden”.
Und Paul Krugman, der einflussreiche linke Kolumnist der “New York Times”, fordert in einem Kommentar mit dramatischem Impetus: “Stoppt das Bluten!” Krugman vergleicht Angela Merkel und die europäischen Regierungschefs mit mittelalterlichen Medizinmännern, die den Patienten Griechenland zur Ader lassen. Doch statt Gesundung stelle sich nur weiteres Siechtum ein.
Ähnlich scharfe Töne kommen von der Wall Street. Im Finanzblog “Zero Hedge”, der die Entwicklungen an der Börse analysiert, wird Merkel mit den Verträgen von Versailles in Verbindung gebracht. Ihr gehe es vor allem um deutsche Hegemonie, liest man.
Quelle: Deutsche Welledazu auch: Hartz IV und die Politik der Angst
Auch nach dem Nein der griechischen Bevölkerung gegen das Austeritätsprogramm der EU geht der Druck auf die griechische Regierung auf allen Ebenen weiter. Jetzt soll der griechische Regierungschef bis zum Sonntag Bedingungen erfüllen, die sich nur in Nuancen von den bisherigen von der griechischen Bevölkerung mit großer Mehrheit abgelehnten Programmen unterscheidet.
Schon fürchten nicht wenige in der griechischen Bevölkerung, dass Tsirpas mit der Bestätigung des Referendums im Hintergrund zu Zugeständnissen bereit ist, die der Bevölkerung weitere Opfer abverlangt. Sein betont staatstragendes Auftreten nach dem Referendum und seine sehr mit nationaler Rhetorik gespickten Reden könnten solche Vermutungen bestätigten.
Auch der Rücktritt des griechischen Finanzministers Varoufakis, der in seinen Reden und Schriften immer von einem Reformkapitalismus ausging, der aber die Politik von EU-Institutionen und IWF noch beim Namen nannte, war eine Vorleistung an die EU-Institutionen. Doch die reagierten nicht etwa so, dass die nun ihrerseits von ihren Maximalpositionen abrückten.
Dabei war das Dilemma von Anfang an, dass Tsipras und seine Strömung bei Syriza einen Austritt aus der Eurozone nie als Plan B in Erwägung zog. Das aber unterstellen ihm die konservativen Befürworter immer fälschlicherweise. Dabei wäre ein solcher Plan B die einzige Möglichkeit, um einen Prozess voranzutreiben, der den Widerstand gegen das Europa der Austerität vorantreibt.
Quelle: Peter Nowak auf Telepolis - Vor dem Grexit: Eine gewollte Einigung ist unwahrscheinlich, aber möglich
Diese rückblickende Beschreibung einer gescheiterten Rettungspolitik und die dagegen gesetzte Politik der Sanierung durch die Stärkung des Wirtschaftswachstums und Schaffung von Arbeitsplätzen bietet die einzige Möglichkeit einer produktiven Einigung zwischen Griechenland und den Geberinstitutionen. Umgeschaltet werden sollte auf ein ökonomisches Aufbauprogramm.
– Da die griechischen Banken derzeit keinen Zugang zu den Geldmärkten haben, sollte die Europäische Zentralbank weiterhin mit ihren Notkrediten die Geldversorgung an den Bankautomaten sicherstellen. Momentan kann nicht einmal mehr der Maximalbetrag von 60 € pro Tag abgehoben werden. Dabei geht es nicht um eine verdeckte Staatsfinanzierung. Einzig und allein die ohnehin massiv eingeschränkte Geldausgabe sollte auch zur Vertrauensbildung gesichert werden. – Ein Sofortprogramm gegen Armut mit dem Schwerpunkt medizinischer Versorgung sollte ohne Vorbedingungen realisiert werden. Der Beschluss des griechischen Parlaments zu einem derartigen Sofortprogramm konnte bisher mangels Finanzierung nicht realisiert werden.
Statt eines Schuldenschnitts ist eine Schuldenumstrukturierung, die soeben nochmals der Internationale Währungsfonds (IWF) gefordert hat, erforderlich. Die Kredite der Europäischen Zentralbank sowie des IWF werden in den allgemeinen Rettungsfonds (ESM) übernommen. Die Tilgung erfolgt, wie bereits verabredet, ab 2023. Niedrige Zinsen werden gewährt. Die Höhe der Kreditrückzahlungen könnte auch an das Wirtschaftswachstum in Griechenland gekoppelt werden…
Quelle: Rudolf Hickel [PDF]dazu auch: Syrizas Sofortprogramm
Das griechische Parlament hat vor einigen Wochen ein lang angekündigtes Sofortprogramm gegen die humanitäre Krise verabschiedet. Ein im Regierungsprogramm von Syriza ebenfalls angekündigtes und dringend notwendiges Investitionsprogramm wurde mangels Geldern nicht umgesetzt. Als dritten Teil des Programms hat die Regierung auch verschiedene Reformen des Staates und des öffentlichen Sektors in Angriff genommen, insbesondere im Bereich der Steuern. […]
Im Kampf gegen Steuerbetrug sind einige längst überfällige Maßnahmen eingeleitet worden (so der regelmäßige Austausch der Leiter der lokalen Finanzämter, eine eigenständige Finanzinspektion gegen Korruption, Personalpläne sollen evaluiert werden etc.). Hier zeigt sich aber auch die Krux: der Aufbau einer funktionierenden Finanzverwaltung braucht Zeit und Geld. Beides hat die neue Regierung aber nicht bekommen. Viele Angehörige der Steuerverwaltung wurden gekündigt oder haben sich nach brutalen Lohnkürzungen längst einen anderen Job gesucht. Damit ist es schwer möglich, neue Strukturen aufzubauen.
Quelle: Axel Troost (MdB, Die Linke)Anmerkung AT: Vielleicht sollte der Teilzeitkabarettist Dieter Nuhr diese Fakten, die leider nicht in seiner Vorzugszeitung FAZ zu finden sind, noch einmal auf sich wirken lassen, bevor er seinen Kritikern via Facebook eine eingeschränkte Denkfähigkeit unterstellt und Sätze raushaut, wie „Mein Tipp wäre: ein Finanzamt aufbauen, das den Namen verdient, und Korruption bekämpfen, anstatt die anzupissen, die genau dabei helfen wollen.“
- Joseph E. Stiglitz: The U.S. Must Save Greece
As the Greek saga continues, many have marveled at Germany’s chutzpah. It received, in real terms, one of the largest bailout and debt reduction in history and unconditional aid from the U.S. in the Marshall Plan. And yet it refuses even to discuss debt relief. Many, too, have marveled at how Germany has done so well in the propaganda game, selling an image of a long-failed state that refuses to go along with the minimal conditions demanded in return for generous aid.
The facts prove otherwise: From the mid-90’s to the beginning of the crisis, the Greek economy was growing at a faster rate than the EU average (3.9% vs 2.4%). The Greeks took austerity to heart, slashing expenditures and increasing taxes. They even achieved a primary surplus (that is, tax revenues exceeded expenditures excluding interest payments), and their fiscal position would have been truly impressive had they not gone into depression. Their depression—25% decline in GDP and 25% unemployment, with youth unemployment twice that—is because they did what was demanded of them, not because of their failure to do so. It was the predictable and predicted response to the austerity.
Quelle: time.com - Mein Interview im ZDF und drei Anmerkungen
Ich habe in den letzten Tagen viele Interviews in Rundfunk und Fernsehen gegeben (Friederike Spiecker war gestern auch im Südwestfernsehen) und bin in fast allen Fällen schockiert darüber, wie wenig die Moderatoren solcher Sendungen über die Eurokrise, den Fall Griechenland und die internationale Diskussion dazu wissen. Einer der Moderatoren hat es auch ganz explizit zugegeben, dass er all das, was ich dazu zu sagen hatte, noch nie gehört hat, und hat sich (was die große Ausnahme ist) nach der Sendung quasi für sein Unwissen entschuldigt. Nur, man muss sich vorstellen, welche Fehlinformation die Kollegen dieser Moderatoren betreiben, wenn politisch interessierte Menschen (das unterstelle ich den Moderatoren einmal) von den entscheidenden Zusammenhängen noch nie gehört haben, sondern nur die üblichen Vorurteile kennen.
[…]
Drittens, die Rolle der Parteien bei der Desinformation sollte man auch nicht unterschätzen. Gerade die SPD versagt total (man höre sich nur kurz vor meinem Interview im ZDF Mittagsmagazin das Statement des unsäglichen Carsten Schneider an, der von einer Erpressung durch Griechenland spricht, die bei „uns auf Granit“ trifft). Wenn diese Partei, der viele Bürger doch noch immer zutrauen, eine gewisse Korrekturfunktion gegenüber den Konservativen einzunehmen, voll und ganz (oder sogar noch brutaler als die Konservativen) die herrschenden, jeden Tag in allen Medien erscheinenden Vorurteile vertritt, muss der Eindruck entstehen, es gebe einfach nichts anderes, also müsse das „die Wahrheit“ sein. Die Grünen kommen ebenfalls nicht aus der Deckung, was dazu führt, dass die Tatsache, dass nur die Linke sich nach Kräften bemüht, eine andere Position zu vertreten, geradezu als Beleg dafür genommen wird, dass es nur „sozialistische Spinner“ sein können, die die herrschenden Vorurteile in Frage stellen. Dass es weltweit sogar die Mehrheit aller Ökonomen sein dürfte, die Deutschland heftig kritisieren und eine andere Politik fordern, kommt bei den Menschen in Deutschland nur durch Zufall an.
Quelle: flassbeck-economics - Der Raser
Die Porträts des griechischen Premiers Alexis Tsipras ergeben übereinandergeblendet weniger ein Gesicht als eine grelle Folge von Schnappschüssen. Kein Wunder, denn Tsipras bewegt sich im härtesten ideologischen Minenfeld seit dem Kalten Krieg. Die Beleuchtung kommt von den Explosionen.
Dazu ist das Tempo unglaublich. Tsipras ist ein halbes Jahr im Amt. Und es wirkt wie ein halbes Jahrhundert. Einerseits, weil so viel, andererseits, weil fast nichts passiert ist. In der Griechenland-Krise herrscht ein rasender Stillstand.
Allein die letzten zwei Wochen lesen sich wie ein LSD-Trip. Ende Juni sah es noch so aus, als wäre Tsipras am Ende. Die Griechen lieferten einen Plan, der in weiten Teilen den Sparprogrammen der Gläubiger entsprach. Nur mit ein paar Retouchen, zwecks Gesichtswahrung. Die Delegation der Eurozone blieb hart. Tsipras rief seine Leute in sein Hotelzimmer, liess alle die Handys abgeben und sagte laut «New York Times»: «Je weiter wir nachgeben, desto weiter gehen sie. So macht das keinen Sinn.» Darauf stiegen die Griechen ins Flugzeug, Tsipras ging ins Fernsehen und sagte, der Vorschlag der Gläubiger sei Erpressung. Nur eine einzige Instanz könne entscheiden: das griechische Volk.
Quelle: Tagesanzeiger - Renzis Gegner machen Ernst
Die in den vergangenen Wochen in Scharen (die Rede ist von Tausenden) aus dem sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) ausgetretenen Partei-Linken haben am Wochenende die Gründung einer neuen Linkspartei beschlossen. Stefano Fassina eröffnete die Versammlung mit den Worten: »Wir sind hier, um eine neue politische Partei ins Leben zu rufen.« Fassina (Jahrgang 1966) hatte als führendes Mitglied der Democratici di Sinistra, die aus der 1990 aufgelösten Kommunistischen Partei (IKP) hervorging, 2007 an deren Zusammenschluss mit der katholischen Zentrumspartei Margherita teilgenommen. In den seit den 1990er Jahren noch mit den Kommunisten der Nachfolgepartei der IKP, der Rifondazione Comunista (PRC), gebildeten Centro-Sinistra-Regierungen (Linke Mitte) unter Romano Prodi war er mehrfach Minister. Aus Protest gegen den rechten Kurs von Premier Matteo Renzi trat er im Januar 2014 als stellvertretender Finanzminister zurück.
Quelle: junge Welt - Dokumentation der TTIP-Abstimmung im Europaparlament
Das Plenum des Europaparlaments hat am gestrigen Donnerstag seine Position zu TTIP beschlossen. Die Mehrheit der großen Koalition aus Konservativen und Sozialdemokraten sowie Liberalen und Rechtskonservativen unterstützt einen Abschluss von TTIP und richtet zahlreiche Empfehlungen und Forderungen an die verhandelnde EU-Kommission, die jedoch unverbindlich sind. Die Schlussabstimmung endete mit 436 zu 241 für TTIP.
Wie sich die deutschen Parteien verhalten haben, finden Sie hier:Quelle: Sven Giegold
- Gipfel der Brics-Staaten: Der Süden schließt die Reihen
Die fünf führenden Schwellenländer haben auf dem siebten Gipfel der Brics-Allianz in der südwestrussischen Industriemetropole Ufa historische Vereinbarungen geschlossen, um der Weltwirtschaftskrise entgegenzutreten. Zugleich wandten sich Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika in erstaunlich klaren Worten gegen die neoliberale Ordnung, die von den industriellen Zentren, vor allem der Europäischen Union und den USA, verteidigt wird.
Quelle: Telepolis - Griechenland, Flüchtlinge, AfD: Deutschlands Neonationalismus
Manchmal taugt das Netz gut als digitales Sensorium für das, was in diesem Land passiert. Und genau jetzt passiert etwas, etwas Katastrophales. Zwischen Griechenlandkrise und Flüchtlingspolitik, zwischen AfD und Pegida. Deutschland taumelt einem zutiefst beschämenden und gefährlichen Neo-Nationalismus entgegen, einem offen und aggressiv ausgelebten neuen deutschen Überlegenheitsgefühl. Transportiert wird es medial und politisch, und die direkten Folgen lassen sich im Netz betrachten ebenso wie auf den Straßen.
Quelle: Sascha Lobo auf Spiegel Online - NSA Spionage
- Was die NSA aus einem Merkel-Telefonat machte
Februar 2009: Aus der weltweiten Finanzkrise wird immer mehr eine Wirtschaftskrise. In Deutschland kommt vor allem der Autobauer Opel, der zum amerikanischen General-Motors-Konzern gehört, unter massiven Druck. Es beginnt eine Diskussion über staatliche Hilfen. Kanzlerin Angela Merkel kennt seit einigen Wochen ihren Herausforderer von der SPD für die Bundestagswahl im Herbst. Es ist Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Entsprechend zeigt die schwarz-rote Regierung erste Zerfallserscheinungen.
In den USA regiert hingegen seit Januar ein neuer Präsident, der weltweit von großen Hoffnungen begleitet wird, aber inmitten einer schweren Krise ins Amt kam, die in seinem Land ihren Ausgang genommen hatte. Außenpolitisch setzt Barack Obama alsbald erste Akzente: Am 20. März 2009 gratuliert er den Menschen in Iran, den sein Vorgänger George W. Bush noch zu einer Achse des Bösen gezählt hatte, per Videobotschaft im Internet zum persischen Neujahrsfest Nowruz. Er verbindet seine Glückwünsche mit dem Angebot neuer Beziehungen zwischen Iran und den Vereinigten Staaten von Amerika.
Einige Tage später spricht die Bundeskanzlerin darüber mit dem Kronprinzen der Vereinigten Arabischen Emirate, Scheich Muhammad bin Zayidal-Nuhayyan – eine Unterredung, allem Anschein nach am Telefon, die von der NSA abgehört wird. Jedenfalls entsteht eine schriftliche Zusammenfassung des Gesprächs, die nun zu einer zweiten Tranche von Wikileaks veröffentlichter Geheimdokumente über Gespräche von Angela Merkel gehört.
Quelle: Süddeutschedazu: Alle wichtigen Leute der Kanzlerin
Am heutigen Mittwoch, den 8.Juli um 18 Uhr veröffentlicht WikiLeaks drei weitere NSA-Abhörprotokolle von Gesprächen der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, zusammen mit einer Liste von 56 NSA-Selektoren, die sich auf die Bundeskanzlerin und das Bundeskanzleramt beziehen. Die Liste enthält nicht nur vertrauliche Telefonnummern der Bundeskanzlerin, sondern auch die Nummern ihrer Spitzenbeamten, ihrer Assistenten, ihres Stabschefs, ihres Büros und sogar ihres Fax-Anschlusses. Die gesammelten NSA-Ziellisten, die von WikiLeaks veröffentlicht wurden, belegen die gezielte Langzeit-Überwachung von 125 Telefonnummern deutscher Politiker und Beamter – und zwar aus politischen und wirtschaftlichen Gründen, wie aus den Kennzeichnungen in den Dokumenten selbst hervorgeht.
Quelle: Wikileaks - Jüngste Wikileaks-Enthüllungen offenbaren Totalversagen des Kanzleramts
Die jüngsten Veröffentlichungen sind erneut hochnotpeinlich für das Kanzleramt und Angela Merkel. Enthüllungsplattformen und investigative Journalisten führen Amt und Regierungschefin im Wochentakt vor. Dies ist auch das Ergebnis der anhaltenden Verweigerungshaltung der Kanzlerin.
Angela Merkel verspricht zwar öffentlich immer wieder gern Aufklärung. De facto hintertreibt sie die Aufklärungsbemühungen des Parlaments jedoch, wo es nur irgendwie geht.
Spätestens seit den Enthüllungen Edward Snowdens im Sommer 2013 wusste man um die gravierenden Probleme. Statt diese anzugehen, hat man versucht, die Affäre zu vertuschen, abzumoderieren und einfach auszusitzen. Das rächt sich heute bitter.
Quelle: Konstantin von Notz (MdB, Bündnis 90/Die Grünen)dazu: US-Spionage ist eine Demütigung für Deutschland
Die Duldsamkeit der Bundesregierung ist kaum noch zu ertragen. Man kann sie nicht als Ausdruck besonnener Realpolitik verteidigen. Denn es geht auch um die Selbstachtung des Rechtsstaats. […]
In der Zeitung können die Juristen in Karlsruhe nun nachlesen, wer da alles im deutschen Regierungsapparat auf den Überwachungslisten steht. Wenn es schon in der Politik keinen Mumm gibt, den Amerikanern entschieden entgegenzutreten, müssten wenigstens die Juristen mehr Eifer zeigen. Aber ob beim Drohnenkrieg, der auch von deutschem Boden aus gesteuert wird, oder bei der Spionage: Die Staatsanwälte wirken gehemmt.
Quelle: Süddeutsche - Wider die Pressefreiheit: Journalisten im Visier der Geheimdienste
Das Medienmagazin NDR-Zapp berichtete gestern über die Überwachung von Kanzleramt und Medien: Journalisten im Visier der Geheimdienste.
Dabei kam auch heraus, dass nach dem Spiegel auch das Handelsblatt Anzeige beim Generalbundesanwalt gestellt habe.
„Die Pressefreiheit ist ein hohes Gut der Demokratie. Dazu zählt der Schutz journalistischer Quellen, die eine freie und kritische Berichterstattung erst möglich machen. Die Überwachung dieser Quellen durch einen Nachrichtendienst wäre mit dem verfassungsrechtlichen Schutz der Pressefreiheit unvereinbar. Sollten Angriffe auf die Pressefreiheit stattgefunden haben, verurteilen wir dies auf das Schärfste und werden gegen die Täter und ihre Helfer strafrechtlich vorgehen.“
Vielleicht findet der Generalbundesanwalt ja dafür auch noch etwa Zeit, nachdem er schon konkrete Ermittlungen gegen unsere Quellen aufgenommen hat.
Quelle: Netzpolitik.org - Wikileaks: Das Gefährliche ist der Anti-Amerikanismus
Der ehemalige stellvertretende Chef des Bundeskanzleramtes und langjährige außenpolitische Berater Helmut Kohls, Horst Teltschik (75), äußert sich über die neuesten Enthüllungen im NSA-Skandal.
Quelle: Frankfurter RundschauAnmerkung Jens Wernicke: Genau, „gefährlich“ ist nicht etwa der Staat im Staate oder die Unterminierung der Demokratie – das Gefährliche ist, dass nun alle „antiamerikanisch“ aufgehetzt würden – durch die Wahrheit, wohlgemerkt; vor der man offenbar die Bevölkerung besser schützen muss.
- Was die NSA aus einem Merkel-Telefonat machte
- UNHCR zählt mehr als vier Millionen Syrien-Flüchtlinge
Man habe es mit der größten Flüchtlingspopulation seit einer Generation zu tun, so der Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge, António Guterres. In den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts flüchteten mehr als 4,6 Millionen Afghanen ihre Heimat.
Die Aussichten, dass der syrische Mehrfrontenkrieg in absehbarer Zeit beigelegt wird, stehen schlecht, die afghanische “Rekordmarke” könnte, hochgerechnet nach der derzeitigen Entwicklung, schon im nächsten Jahr erreicht werden. Vor zehn Monaten meldete das UNHCR drei Millionen Flüchtlinge aus Syrien.
Schon gegenwärtig dürfte die genaue Zahl der syrischen Flüchtlinge höher liegen als die genannten, weil zum Beispiel die 270.000 Asylanträge, die Syrer in Europa gestellt haben, nicht hinzugerechnet wurden. Warum sie nicht zu den Flüchtlingen gerechnet wurden, darüber gibt die UNHCR-Mitteilung keine Auskunft. […]
Die meisten Flüchtlinge sind mittellos. Sie sind mit Kindern unterwegs und müssen versorgt werden, der Großteil findet Aufnahme in den Nachbarländern: 1,8 Millionen hat die Türkei aufgenommen, knapp 1,2 Millionen der Libanon, etwa 600.000 Jordanien, 250.000 der Irak und 130.000 in Ägypten, rund 24.000 Syrer haben in anderen nordafrikanischen Staaten Zuflucht genommen.
Quelle: TelepolisAnmerkung AT: Ein Großteil syrischer Flüchtlinge wird von den Nachbarländern Türkei und Libanon aufgenommen, zusammen rund drei Millionen Menschen. Dagegen ist das peinliche wie unwürdige Gezerre der EU-Staaten um die Aufnahme von 40.000 Flüchtlingen, die zurzeit in Italien und Griechenland leben, geradezu grotesk. Nun soll es eine „freiwillige Umverteilung“ geben.
- Bundeswehr setzt auf den Laser
Die Opposition im Bundestag ist verärgert. Die Entwicklung von hochmodernen Laserkanonen für die Bundeswehr ist schon viel weiter fortgeschritten als gedacht. Das ARD-Hauptstadtstudio konnte jetzt erstmals beobachten, wie eine solche Kanone wirkt.
Quelle: BR - Russland/Ukraine
- Demütigung als Gefahr: Russland und die Lehren der deutschen Geschichte
In der letzten Ausgabe der „Blätter“ vertrat der Philosoph Vittorio Hösle die These, dass „Russland heute gefährlicher ist als die alte Sowjetunion“. Und er fügt dem noch eine zeitliche Dramatisierung hinzu: „Putins Alter ist derart, dass er nicht allzu lange warten kann, wenn er als ‚Sammler russischer Erde‘ in die Geschichtsbücher eingehen will“. Will sagen: Passt auf, es kann früher losgehen, als ihr glaubt!
Putin bestimmt die russische Politik seit dem Jahr 2000, also seit 15 Jahren. Noch im Jahr 2013, also nach 13 Jahren Putin, hätte eine solche Warnung bloßes Kopfschütteln oder gar nachsichtiges Lächeln erzeugt. Dass dieser Putin, dem die Russen dafür danken, dass er nach dem Chaos der Jelzin-Jahre wieder so etwas wie einen verlässlichen Staat geschaffen hatte, kein lupenreiner Demokrat im westlichen Sinne war, wussten wir immer. Aber dass er ein Aggressor, dazu einer unter Zeitdruck war, haben wir alle einfach nicht bemerkt – bis der Maidan in Kiew das Abkommen zerriss, das drei europäische Außenminister – mit Zustimmung Putins – den ukrainischen Konfliktparteien abgerungen hatten und eine leidenschaftlich antirussische Regierung installierte.
Haben wir also 14 Jahre lang geschlafen? Immerhin hat Hitler nur 12 Jahre gebraucht, um Europa in Trümmer zu legen.
Immerhin hat dieser Putin dann vieles getan, was nicht auf den von Hösle behaupteten Zeitdruck schließen ließ. Als in Donezk und Lugansk die ukrainische Polizei lächelnd zusah, wie die Separatisten ein Rathaus nach dem anderen besetzten und die Herrscher der neuen „Volksrepubliken“ um Beitritt zur Russischen Föderation baten, hat er das einfach überhört. Und als in Kiew der Ministerpräsident Jazenjuk bei jeder Gelegenheit erklärte, die Ukraine befände sich im Krieg mit Russland, hat er dies nicht als Kriegserklärung gewertet und seine Panzer gen Kiew in Marsch gesetzt, er hat es nicht einmal kommentiert. Er hat also offenbar doch Zeit.
Quelle: Erhard Eppler in Blätter für deutsche und internationale Politik - Expansion – Assoziation – Konfrontation: EUropas Nachbarschaftspolitik, die Ukraine und der Neue Kalte Krieg gegen Russland
Angesichts der Hysterie, mit der derzeit über das Verhältnis zu Russland hier im Westen diskutiert wird, fällt es manchmal schwer, das richtige Maß zu finden. Auf der einen Seite kann tatsächlich niemand die russische Politik ernsthaft vorbehaltlos gut heißen. Dies betrifft zuerst natürlich Teile der Innenpolitik, doch auch außenpolitisch bedient sich Russland einer Machtpolitik, die vonseiten der Friedensbewegung im Falle der westlichen Staaten immer völlig zu Recht scharf kritisiert wurde. Dennoch halte ich es andererseits für richtig und wichtig, hier Ursache und Wirkung nicht zu verwechseln – schließlich war es der Westen und nicht Russland, der mit seiner NATO-Expansionspolitik die Chance auf eine dauerhafte Annäherung in den Wind schlug. Doch von der Tatsache, dass der aktuellen Krise in der Ukraine eine jahrelange anti-russische Einkreisungspolitik vorausging, die den eigentlichen Nährboden der jüngsten Eskalation darstellt, will hierzulande kaum jemand etwas wissen….
Doch gerade weil die Propagandafront von Politik und Medien dennoch nahezu lückenlos ihre Version der Realität verbreitet, ist es dringend erforderlich, hiergegen mit alternativen Informationen anzuarbeiten. Die vorliegende Broschüre soll hierzu einen bescheidenen Beitrag leisten.
Quelle: Herausgeber der Broschüre sind Sabine Lösing, MdEP und die Fraktion GUE/NGL im Europäischen Parlament. Redaktionelle Berabeitung erfolgte durch:
Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. [PDF]dazu passt: US-Luftwaffe sieht in Russland größte Bedrohung für Sicherheit
Russland ist nach Einschätzung der US-Luftwaffe die größte Bedrohung für die amerikanische Sicherheit.
Die USA müssten deswegen ihre Militärpräsenz in Europa ausbauen, sagte die zivile Leiterin der Luftstreitkräfte, Deborah James, am Mittwoch in einem Reuters-Interview. Zudem werde die Entsendung von F-16-Kampfflugzeugen fortgesetzt.
Quelle: Reuters
- Demütigung als Gefahr: Russland und die Lehren der deutschen Geschichte
- Gabriel vergrätzt die Genossen
Immer mehr SPD-Mitglieder ärgern sich über ihren Parteichef Gabriel. Er war noch nie ein leichter Zeitgenosse. Doch in der letzten Zeit hat sich einiges zusammengebraut. In der Kritik: seine Sprunghaftigkeit, seine Selbstherrlichkeit, sein Umgangston.
Quelle: Tagesschau - Nachfolger von Ines Pohl: Georg Löwisch wird neuer taz-Chefredakteur
Der Vorstand der taz hat Georg Löwisch, 41, zum neuen Chefredakteur berufen. Er wird das Amt Mitte September antreten und folgt auf Ines Pohl, die der Tageszeitung nach sechs Jahren den Rücken kehrt und zur Deutschen Welle (DW) wechselt. Löwisch, der bei der taz volontierte, freut sich “nach Hause zu kommen”…
Georg Löwisch war seit 2012 Textchef des Debattenmagazins Cicero. 1998 volontierte er bereits bei der taz, wurde 2001 Redakteur der Reportageseite und später Inlandsreporter. Von 2009 an war er Ressortleiter der neu gegründeten sonntaz.
Quelle: MEEDIAAnmerkung WL: Es wäre zu wünschen, dass die Stimmung in der Redaktion wieder entgiftet werden könnte und die taz wieder zu einer klaren Linie gegen den Mainstream der anderen Tageszeitungen zurückfände.
- Zu guter Letzt: Im Fokus – »Bild« hat die rote Laterne abgegeben: »Focus Online« ist die neue Blödzeitung
Informiert wurde man bei »Focus Online« in den letzten Tagen nicht. Jedenfalls nicht auf journalistischen Niveau. Man las zwar etwas von Varoufakis und Tsipras. Aber nur von ihren teuflischen Plänen, ihrer Diktatur und dem Verrat an ihrem Volk. »So hetzt Tsipras seine Griechen gegen eine Einigung auf« oder »Nicht nur Syriza schafft Chaos: Die größten Flops der Linksregierungen Europas« waren so Schlagzeilen zur aktuellen Lage in Griechenland. Und unter »Sie erraten nie, wer Alexis Tsipras diesen Glückwunsch-Brief geschrieben hat«, konnte man ein Filmchen sehen, in dem man sich darüber mokierte, dass Fidel Castro – O-Ton: »Ikone« und der »Ober-Linke« – ihm Grüße sendete. Dass Varoufakis ein Bonvivant ist und Angela Merkel nun entschlossen handeln werde, diese »heimliche Königin Europas« (auch O-Ton), ließ man die Leser täglich wissen. Artikel über die eiserne Kanzlerin stehen meist zwischen Expertenmeinungen, die die Dreistigkeit und die ökonomische Dummheit der Griechen thematisieren. Wohlwollendes über Griechenland gibt es nicht.
Kurz und gut, »Focus Online« ist die neue Blödzeitung. Sie hat die Rolle jener Tageszeitung übernommen, die laut Otto-Brenner-Stiftung gar keine Zeitung ist. Insofern Gratulation, »Bild«. Endlich hast du die rote Laterne abgegeben, bist nicht mehr das Letzte. Darauf hat sich jetzt »Focus Online« fokussiert. Die können das auf noch viel niveaulosere Art und Weise. Dein Aufstieg im Ranking ist also nicht deine Leistung, denn du machst, was du immer getan hast. Es gibt jetzt eben ganz unten nur noch etwas, was die »Bildzeitung« getoppt hat. Eine Plattform, die viel bildzeitungischer ist als das Original. Das kommt vor. Alles hat Nachahmer. Selbst ein Blatt, das einer so primitiver Agenda folgt, wie eben jenes vom Axel-Springer-Verlag.
Quelle: Heppenheimer Hiob - Das Letzte: Nur ein Ex-Oppenheim-Manager soll ins Gefängnis
Im spektakulären Strafprozess gegen die frühere Führung des Bankhauses Sal. Oppenheim hat das Landgericht Köln die vier ehemaligen Chefs des Geldinstituts zu Freiheitsstrafen verurteilt. Ins Gefängnis soll allerdings nur einer von ihnen – die übrigen Strafen wurden zur Bewährung ausgesetzt. Die Manager hätten Untreue in zwei Fällen zulasten der einst größten europäischen Privatbank begangen, entschied das Gericht am Donnerstag nach mehr als zwei Jahren Verhandlungsdauer.
Quelle: HandelsblattAnmerkung WL: Wer 100 Millionen veruntreut kommt vor dem Strafgericht mit einem milderen Urteil davon, als ein mehrfacher Ladendieb. Es bleibt dabei: Die Kleinen hängt man und die Großen lässt man laufen.